Tag 10 - Gipfelglück und andere GegebenheitenDa heute eine voraussichtlich 6 Stunden dauernde Wanderung auf den 3′982 Meter hohen Wheeler Peak im Great Basin Nationalpark ansteht und allerorts vor den Nachmittagsgewittern gewarnt wird, klingelt heute mein Wecker schon um 4.30 Uhr. Meine sieben Sachen sind bereits gepackt und so sitze ich schon um 5.10 Uhr im Auto und fahre los Richtung Wheeler Peak. Zum Glück habe ich gestern schon getankt, denn ich möchte ein paar Fotos des Berges während des Sonnenaufgangs schiessen. Angesichts der recht langen Anfahrt von Ely wird sich das wohl nicht ganz ausgehen. Selber schuld, wäre ich gestern eben früher ins Bett. Die Regenwolken von gestern haben sich mehr oder weniger verzogen, das Wetter sollte meiner Wanderung also heute keinen Strich durch die Rechnung machen. Kurz vor 6.30 Uhr erreiche ich den Park. Da sich nicht sehr viele Besucher hierher verirren (im Jahr 2006 waren es nur deren 78′524), werden keine Eintrittsgebühren verlangt. Zum Vergleich: Yosemite hatte im Jahr 2006 ganze 3′242′644 Besucher, der Grand Canyon stolze 4′279′439 und der relativ kleine Zion Nationalpark noch immer beachtliche 2′567′350.
Ich biege ab auf den Wheeler Peak Scenic Drive und düse Richtung Trailhead. Die Strasse würde eigentlich eine zügige Fahrweise zulassen, vor allem da ausser mir ist sonst kein Mensch unterwegs ist. Da aber nach der ersten Kurve ein Hase die Fahrbahn überquert und zwei Kurven später ein Rehbock mitten auf der Strasse steht, drossle ich mein Tempo beträchtlich, vor allem in den Kurven. Unglaublich, wie viele Tiere hier unterwegs sind. Auf den 12 Meilen bis zum Trailhead zähle ich zwei Hirschböcke, zwei Hirschkälber und acht Hirschkühe. Toll! Auch der Blick auf den Wheeler Peak ist nicht zu verachten.
Am Trailhead angelangt erfolgen die üblichen Vorbereitungen und um 7.00 Uhr kann es endlich mit der heutigen Wanderung losgehen. Auf dem Programm stehen insgesamt 14 Kilometer bei 885 Höhenmetern wofür ich 6 Stunden veranschlage. Natürlich rechne ich damit, schneller als in 6 Stunden zurück zu sein. Am Parkplatz steht nur ein anderes Auto, auf dem Gipfel wird man sich also nicht gegenseitig auf die Füsse treten.
Der erste Teil der Wanderung führt eben durch einen recht ansehnlichen Laubwald. Erst wenige Schritt getan, laufen mir schon zwei Beisfusshühner über den Weg. Leider verschwinden sie auch schon wieder im Unterholz, bevor ich die Digitalkamera zücken kann. Ein paar Schritte weiter läuft mir schon die nächste Maultierhirschkuh über den Weg. Diese ergreift ob meines Anblicks aber sofort die Flucht. Seh ich denn so furchterregend aus? Da ich aber wenigstens das nächste Tier auf die Speicherkarte bannen möchte, halte ich die Digitalkamera schussbereit und siehe da, keine zwei Minuten später überrasche ich zwei Hirschkühe und ein Hirschkalb beim genüsslichen Frühstück. Ist ja unglaublich, wie viele Tiere hier zu sehen sind. Schnell zwei Fotos geschossen und weiter geht’s, mit der Kamera im Anschlag. Über den nächsten Kilometer tut sich aber nichts mehr, deswegen packe ich die Digitalkamera wieder weg. Es kommt, wie es kommen muss: Nach keinen fünf Minuten erreiche ich eine Lichtung und sehe eine ganze Hirsch-Herde vor mir. Ich zähle ganze 13 Tiere, die mir zwar den einen oder anderen prüfenden Blick zuwerfen, mir in der Folge aber keinerlei Beachtung mehr schenken. Ich beobachte die Tiere ein wenig, schiesse das eine oder andere Foto und mache mich dann wieder auf die Socken. Bin ja schliesslich zum Wandern hier.
Sind bisher keine Höhenmeter zu überwinden gewesen, beginnt an dieser Stelle endlich der eigentliche Anstieg. Zum Eingewöhnen beginnt er aber auf den ersten Kilometern aber nur mit einer leichten Steigung, zudem verläuft er auch in die „falsche“ Richtung, nämlich nördlich zum Bald Mountain. An der Flanke des Bald Mountains dreht der Wanderweg aber wieder Richtung Süden direkt zum Ziel des Tages, dem Wheeler Peak. Dieser Teil der Wanderung ist sehr sehenswert, weil zum einen der Wheeler Peak ständig im Blickfeld liegt und zum anderen immer wieder uralte Grannen- oder Borstenkiefer am Wegesrand stehen. Im Jahr 1964 wurde hier (damals noch kein Nationalpark) einer dieser Bäume gefällt und damit wohl das wahrscheinlich älteste Lebewesen der Welt vernichtet. Am Baum wurden erst 4′844, später sogar 4′862 Ringe gezählt. Ein ähnlich alter Grannen- oder Borstenkiefer wächst noch im Gebiet der White Mountains in Kalifornien. Zum Schutz des Baumes wird der genaue Standort aber geheim gehalten.
An der Baumgrenze beginnt dann der eigentliche Aufstieg. Irgendwo müssen ja die Höhenmeter gemacht werden. Zuvor mache ich aber noch eine kleine Pause und geniesse den Ausblick in die Ebene hinunter. Als ich nach etwa 10 Minuten den Berg wieder in Angriff nehmen will, sprintet ein leicht beladener Wandersmann an mir vorbei, ruft mir noch zu „this is where the fun starts“ und „see you on top“, und huscht leichtfüssig die Flanke des Berges hoch. Bei dem Tempo dürfte der wohl eher schon wieder auf dem Weg nach unten sein, wenn ich den Gipfel erreiche. Der Aufstieg gestaltet sich längst nicht so anstrengend wie beim Mount Shasta, dies vor allem deshalb, weil ein trittfester Wanderweg bis auf den Gipfel führt und man sich somit nicht im Geröll einen Weg suchen muss.
Etwa die Hälfte der Flanke hinter mir, überhole ich einen anderen Wandersmann, der noch immer ganz fasziniert von der wohl sehr kurzen Begegnung mit dem leicht beladenen Wandersmann ist: „Did you see that guy? He was just flying by me. I think he wasn’t even wearing any socks!“.
Das letzte Stück hat es wirklich in sich, vor allem auch wegen der inzwischen erreichten Höhe. Die Blicke ringsum entschädigen aber mehr als genug für die Anstrengungen. Nach 2:50 Stunden erreiche ich den Gipfel und siehe da, der leicht beladene Wandersmann ist wirklich noch hier oben und geniesst die Sonne. Er entpuppt sich als Manager der R.E.I Filiale bei Las Vegas (die ganzen Fotos von R.E.I Mitarbeitern, die in jeder Filiale zu finden sind und die sie bei jensten Outdoor-Aktivitäten zeigen, sind also nicht gestellt), heisst Mike und ist gestern erst aus dem Zion National Park angereist, von wo er vor dem Wetter geflüchtet ist. Er erzählt mir, dass die Narrows wegen der Regenfälle derzeit gesperrt sind, diese aber wohl wieder geöffnet sein werden, bis ich dort eintreffe. Dein Wort in Gottes Ohr Mike, denn nach dem Mount Shasta muss das 2. Highlight nicht auch noch scheitern. Für meine Verhältnisse bleibe ich recht lang auf dem Gipfel und unterhalte mich mit Mike über verschiedene Wanderungen quer durch Nordamerika. Etwa 20 Minuten später taucht auch der von mir überholte Wanderer auf. Es ist Curt, der südlich von Los Angeles in der Mojave-Wüste lebt. Früher, so erzählt er, sei es dort noch absolut ländlich gewesen. Er sei als Kind noch mit einem Esel in die Wüste marschiert und habe dort gezeltet. Inzwischen gebe es aber sogar Gang-Kriminalität. Schwarze gegen Mexikaner. Vor kurzem sei sogar jemand in einem Park erschossen worden während Kinder dort gespielt haben. Hätte er nicht so einen tollen Job, wäre er schon längst weggezogen. Mit seinen 52 Jahren sei es halt schwer, einen anderen Job zu finden. Nach dem Gespräch mit Curt - Mike hat sich zwischenzeitlich schon verabschiedet - schiesse ich noch einige Fotos der absolut sehenswerten Umgebung.
Dann verabschiede ich mich von Curt und mach mich an den Abstieg. 1:30 Uhr und ein paar Maultierhirsch-Sichtungen später bin ich schon wieder bei meinem Auto. Es ist fast genau Mittag und über dem Wheeler Peak haben sich die Wolken schon für das Nachmittagsgewitter zusammengezogen.
Ich setze mich ins Auto und fahre Richtung Cedar City, Utah. Bevor ich den Park verlasse stoppe ich aber noch beim fast ausgestorbenen Visitor Center und erkundige mich nach den Namen der von mir gesehen Tiere. Dabei erzählt mir der weibliche Park Ranger, dass irgendein Spassvogel Truthähne augesetzt habe und es nun im Nationalpark wilde Truthähne gebe. Ausserdem sei der Park auch Heimat des Gabelbocks, der amerikanische Antilope. Schade, dass ich keine von denen gesehen habe.
Anschliessend geht die Fahrt weiter in Richtung Utah. Ähnlich der US-50 bietet auch die die UT-21 jede Menge Landschaft und führt ebenso über mehrere Gebirgsketten, die sich aber nicht ganz so weit in die Höhe ragen.
Gegen 15.00 Uhr erreiche ich Cedar City. Da ich noch mehr als genug Zeit habe, beschliesse ich einen Abstecher zum Cedar Breaks National Monument zu machen. Nach einem kurzen Stopp im Burger-Joint Carl’s Jr. fahre ich auf der UT-14 auf über 3′000 Meter hinauf zum National Monument. Die Strasse ist wirklich wunderschön, alleine deswegen würde sich die Fahrt schon lohnen. Aufgrund der Regenfälle der letzten Tage führt der parallel verlaufene Fluss noch eine Menge Erde mit sich.
Beim Cedar Breaks National Monument angekommen stelle ich mit Freude fest, dass sich der Abstecher wirklich gelohnt hat. Ich fahre zu sämtlichen Aussichtspunkten und schiesse überall meine Fotos, um so viele Eindrücke wie möglich mitzunehmen.
Dann geht es zurück nach Cedar City und von dort auf direktem Weg nach Springdale, das direkt beim Parkeingang zum Zion National Park liegt. Gleich als erstes stoppe ich bei der Adventure Company, wo ich mir für übermorgen eine Fahrt zur Chamberlains Ranch buchen möchte. Die Dame hinter der Kasse klärt mich auf, dass für morgen vom National Park Service wegen anhaltend hohem Wasser keine Bewilligungen rausgegeben wurden, und dass morgen kein Shuttle fährt. Ob es übermorgen fährt, kann sie mir noch nicht sagen. Dennoch buche und bezahle ich eine Fahrt, handle mir aber eine Frist bis morgen Mittag aus, um sie wieder stornieren zu können. Bis dahin würde ich wissen, ob ich eine Bewilligung bekomme oder nicht.
Anschliessend geht es zum Hotel, das direkt schräg gegenüber liegt. Mit Freunden stelle ich fest, dass das Hotel über kostenloses WLAN verfügt. Nachdem ich meine ganzen Sachen ins Zimmer geschafft habe, wird natürlich sofort das Notebook gestartet, aber der Schlüssel will einfach nicht funktionieren. Ich frage bei der Rezeption noch einmal nach und der Typ kann mir nicht weiterhelfen. Das sei der Schlüssel, den ihm seine Chefin gegeben habe, und mehr wisse er auch nicht. Nun gut, werde ich es eben noch einmal probieren. Nach einer halben Stunde Probierens steht fest: Alles vergebene Mühe, das WLAN will einfach nicht. Statt im Internet zu Surfen, sortiere ich eben Fotos, bereite sie sie für die Webseite auf und schreibe an längst überfälligen Tagesberichten. Draussen ist es inzwischen schon längst dunkel und weil ich einerseits keinen Hunger verspüre, und es mir andererseits schon sehr bequem gemacht habe, gehe ich nichts mehr essen sondern bleibe stattdessen im Zimmer. Ich bin ausserdem schon recht müde. Schliesslich bin ich schon lange auf den Beinen und habe gestern vielleicht vier Stunden geschlafen.
Gefahrene Meilen: 343.4