29. März: Seoul – Narita – Tokio Ein paar Stunden habe ich geschlafen, aber ab 9.00 Uhr Tokio-Zeit bin ich wach und nutze die Ruhe, die noch im Flugzeug herrscht dafür, mich in der Toilette wieder umzuziehen. Dort liegen Zahnbürsten, Lotions usw. bereit, aber offenbar ist alles eher auf den männlichen Reisenden ausgelegt, denn als ich probehalber am Eau de Toilette schnuppere, riecht es doch recht herb.
Zwei Stunden vor der Landung wird dann das Frühstück serviert. Ich nehme Rücksicht auf meinen Magen, schlage das frische Obst aus und entscheide mich für Cornflakes, Croissants und gefüllte Pfannkuchen und verfolge auf dem Bildschirm, wie das Flugzeug einen deutlichen Schlenker nach Süden macht, um nicht über Nordkorea zu fliegen. Beim Landeanflug rächt es sich dann prompt, dass ich gestern abend meine Teller nicht leergegessen habe: Dicke Wolken und nebliges Grau, wohin man auch schaut.
Wir kommen etwas verspätet ans Gate, aber ich habe ja über 2 Stunden Zeit zum Umsteigen. Zuerst geht es durch eine Sicherheitskontrolle und dann in den Abflugbereich. Ich hatte vorher schon gelesen, dass der Flughafen ICN sehr effizient sein soll, und genau diesen Eindruck macht er auch. Alles ist klar ausgeschildert und gegliedert, und immerhin hat man sich bemüht, den etwas kalten Eindruck mit einigen Pflanzen aufzulockern. Ich spaziere durch ein paar Geschäfte, wo es wie an allen Flughäfen dieser Welt „Last-minute-Landestypisches“ mit deutlichem Hang zum Kitsch gibt. Allerdings gibt es auch ein kleines Center für koreanische Handwerkskunst, und dort darf ich als ausländische Reisende kostenlos ein Bild eines Tigers mit Tinte auf feuchtes Papier übertragen und mein Kunstwerk mitnehmen. Ich finde, der Tiger sieht ein bisschen aus wie die Grinsekatze aus Alice im Wunderland.
Für einen Besuch in der Asiana-Business-Lounge bleibt kaum noch Zeit. Ich hole mir dort eine Cola, ruhe ein halbes Stündchen aus und stelle bei dem anschließenden Besuch der Restrooms fest, dass auch hier in Korea die Toiletten mit vielen Knöpfen und Sonderfunktionen ausgestattet sind, so wie ich es wohl auch in Japan zu erwarten habe. Heute gehe ich lieber mal keine Experimente ein, sondern begnüge mich mit den „Grundfunktionen“.
Der Weiterflug nach Tokio boardet pünktlich. Ich habe Platz 1A in der Business Class des A 321, bin fast als erste im Flieger und nutze die Zeit bis zum leicht verspäteten Abflug schon mal, um die Einreisekarte und Zollerklärung für Japan auszufüllen. Der Passagier neben mir reist weiter nach Chicago und schläft schon kurz nach dem Start ein. Gut für mich und gut für ihn, denn so muss er nicht mitansehen, wie ich meinen ersten Kontakt mit der koreanischen Küche mehr schlecht als recht hinter mich bringe und ich fühle mich bei meinen unbeholfenen Versuchen wenigstens nur von der Stewardess beobachtet. Beim Mittagessen wähle ich nämlich nicht die westliche Variante, sondern die koreanische:
Wer sich nun fragt, wie man das isst, für den hat die Speisekarte einen Anleitung parat: Man legt sich ein Blatt auf die Handfläche, gibt Reis, Fleisch, Gemüse und Sauce hinein und rollt das ganze dann zu einer Tasche zusammen. Ich baue mir vorsichtshalber zwischen Tisch und Hals mit der Serviette eine Essens-Auffang-Station, was sich im weiteren Verlauf des Experiments als kluge Entscheidung erweist. Die glatten Blätter gehen ja noch, aber es gibt auch gekräuselte, die nur darauf zu warten scheinen, Reis und Fleisch mit einem leichten Plopp in alle Richtungen abzuwerfen. Dass sich das Flugzeug dabei ständig durch leichte Turbulenzen kämpfen muss, macht die Sache auch nicht gerade leichter. Aber immerhin: Das meiste landet dann doch in meinem Mund, und es schmeckt sehr lecker.
Die Wettergötter scheinen meine Anstrengungen zu honorieren, denn als wir die japanische Küste erreichen, reißen die Wolken tatsächlich auf. Unter mir erscheint eine alpine schneebedeckte Berglandschaft so weit das Auge reicht.
Mit etwa 15 Minuten Verspätung gegen 17.35 Uhr lande ich endlich in Japan.
Jetzt bin ich aber noch nicht in Tokio, sondern in Narita, ca. 80 km von Tokio entfernt. Mein Plan sieht vor, hier erst einmal im Center von Japan Railways meinen Railpass-Gutschein gegen einen Railpass umzutauschen, dann auch gleich den Railpass zu nutzen und mit dem Narita Express zum „Hauptbahnhof“ Tokio zu fahren und von dort aus mit einem örtlichen Zug, der Yamanote Linie, nach Ueno weiterzufahren, wo mein Hotel liegt. Zuerst muss ich dafür noch durch die Immigration und durch den Zoll. Die Immigration läuft ähnlich ab wie in den USA, allerdings bin ich hier schon nach 10 Minuten Wartezeit durch. Als ich zur Gepäckausgabe komme, sehe ich meinen Koffer schon in einer Tüte seine Kreise ziehen und hole ihn vom Band. Na ja, ganz golden ist die Tüte nicht, aber immerhin.
Als ich da stehe und mich frage, wie ich den Koffer jetzt überhaupt transportieren soll, denn Griff und Rollen stecken in der Tüte, kommt eine Mitarbeiterin von Air Canada und erkundigt sich, ob es ein Problem gibt. Gemeinsam befreien wir den Koffer aus seiner Hülle, ich passiere die Zollkontrolle, stelle dann erleichtert fest, dass „Railways“ groß auf englisch ausgeschildert ist und folge den Schildern hinunter zur Bahnhof-Ebene. Jetzt schnell den Railpass holen, und dann schaffe ich den Zug um viertel nach sechs, denke ich fröhlich.
Zwei Minuten später sehe ich die Schlange am JR-Center, die sich fast länger als bei der Immigration schon aus dem Center hinausschlängelt. Und die Leute, die in dieser Schlange stehen, ziehen Gesichter, als würden sie schon seit Wochen dort warten. Nein, so nicht, denke ich und ändere kurzerhand meine Pläne. Den Railpass hole ich mir morgen in Ueno, und jetzt nehme ich den Keisei-Skyliner, der zwar nicht im Railpass eingeschlossen ist, sondern von einer Privatbahn betrieben wird, der aber den unschätzbaren Vorteil hat, dass die Schalter leer sind und die Bahn ohne Umsteigen direkt nach Ueno fährt.
2400 Yen, etwa 18 Euro, kostet der Schnellzug, nur die Hälfte der Bummelzug. Ich entscheide mich für den Schnellzug, der fährt in einer Viertelstunde und braucht eine Dreiviertelstunde bis nach Ueno. Der Zug ist – mit etwas Hilfe – auch schnell gefunden, ich lasse mich in den Sitz sinken und schnaufe einmal durch. Endlich angekommen.
Als der Zug den Flughafen verlässt und aus dem Tunnel auftaucht, ist es draußen schon dunkle Nacht, dabei war es vor einer Stunde noch richtig hell. Ich schaue zu, wie sich draußen Gewerbegebiete, Wohnsilos und traditionelle niedrige Häuser abwechseln und schließlich die Gebäude höher und moderner werden, als wir uns Ueno nähern. Nach einem Zwischenstopp in Nippori ist dann auch kurz nach sieben Ueno erreicht. Mit etwas Glück nehme ich den richtigen Ausgang, lande dann auch vor einem Lageplan, mit dem ich etwas anfangen kann und bin in ein paar Minuten im Hotel, dem Coco Grand Ueno Shinobazu, wo ich mich für fünf Nächte eingemietet habe. Hier kann ich gleich ausprobieren, ob denn meine deutsche Visa-Card funktioniert, denn das Hotel verlangt die Zahlung schon bei der Anreise. Die Karte geht, erleichtert schleppe ich mich in mein Zimmer und muss dann doch lachen. Ja, ich wusste, dass das Zimmer klein ist, aber so klein hatte ich es mir dann irgendwie doch nicht vorgestellt.
Aber ich will ja nicht im Zimmer bleiben, sondern Japan erleben, und heute abend scheint dafür ein guter Zeitpunkt zu sein. Überall sind fröhliche Menschen unterwegs. Es ist Samstagsabend, mildes Frühlingswetter, die Luft ist klar und die Kirschblüte hat begonnen. Ich schnappe mir den Fotorucksack und gehe hinunter in den Park, der an mein Hotel grenzt. Die Kirschen blühen am Teichufer, Hanami-Parties gibt es auch. Überall fotografieren die Leute Kirschblüten und sich selbst.
Durch eine Gasse von Imbissständen spaziere ich hinüber zum Benten-Tempel und schaue auch über den Shinobazu-Teich zu meinem Hotel hinüber. Die Imbisse, die es hier gibt, würde ich nicht unbedingt alle probieren, aber ich hole mir schließlich noch etwas Süßes.
Zurück im Hotel hüpfe ich erst mal unter die Dusche. Dann probiere ich das Internet aus und mache eine unangenehme Entdeckung. Skype funktioniert, ich kann zuhause anrufen und melden, dass ich gut gelandet bin. Aber wenn ich meine üblichen Internetseiten aufrufen will, wird immer ein Verbindungsfehler gemeldet. Ein bisschen frustriert bin ich schon, denn ich würde mir wenigstens gerne die Wettervorhersage anschauen oder ein paar E-mails schreiben. Aber es hilft erst mal nichts, alle Versuche bleiben erfolglos. Also schreibe ich meinen Reisebericht weiter, lege ein paar Sachen für morgen raus und versuche gegen halb elf einzuschlafen, obwohl es zuhause erst halb drei am Nachmittag ist.
Nach einer Stunde Herumwälzen ist klar: Einschlafen klappt erst mal nicht. Also doch nochmal das Laptop anwerfen, ins Internet gehen und siehe da: da ist ja mein gewohntes Wetter.com, und in meinen E-mail-Account komme ich auch! Also war es wohl doch nur ein vorübergehendes Problem. Einerseits bin ich erleichtert, andererseits verkündet mir Wetter.com für morgen gleich mal starke Regenfälle und viel Wind. So leicht vergessen die Wettergötter die halbvollen Teller von gestern abend dann doch nicht. Na egal, sage ich mir. Morgen ist ein Tag in der Stadt geplant, da lässt sich garstiges Wetter hoffentlich gut wegstecken, und für übermorgen wird schon wieder Sonne gemeldet.
Irgendwann nach zwei schlafe ich dann schließlich ein.
Ausgaben des Tages: Keisei-Skyliner-Fahrkarte Y 2400
1 ÜN Hotel Coco Grand Ueno Shinobazu Y 10800
Snacks Y 500
endlich in Japan angekommen zu sein: unbezahlbar
Gute Nacht!