Es gibt einen technischen Aspekt bei "RAW-Manie", der aus meiner Sicht überbewertet, ja genau genommen falsch bewertet wird. Seltsamerweise habe ich darüber noch nirgends eine technische Abhandlung gelesen, obwohl der technische Hintergrund eigentlich nicht schwierig ist:
Es wird immer behauptet, RAW sei u.a. deswegen dem JPG Format so weit überlegen, weil einem einzelnen Farbkanal (od. sagen wir Farbwert) statt der bei JPG üblichen 8 Bit (= 1 Byte, RGB = 3 Byte pro Pixel) 12 oder 14 oder gar 16 Bits zur Verfügung stehen, weswegen die Bandbreite eines Farbpixels erheblich größer ist als bei JPG und entsprechend bei Nachbearbeitung im RAW Format weniger Verluste entstehen.
Diese eigentlich so schlichte und logische Annahme ist aus meiner Sicht falsch. Das Problem besteht nämlich darin, dass das Bearbeitungsfrontend (beispielsweise ein Windows PC, oder auch ein iMac, mit einer "normalen" Grafikkarte und dazu Photoshop o.ä., dazu ein Monitor im sRGB Farbraum) auch nur 8 Bit pro Kanal unterstützt.
Was bedeutet das? Während in der Tat im RAW gespeicherten Bild bis zu 16 Bit / Farbwert gespeichert sind, kann die Hard/Software dieses Format nativ gar nicht anzeigen und auch nicht verarbeiten. Stattdessen bekommt der Anwender ein Abbild(!) des Fotos präsentiert (mit geeigneten Plugins u.ä. aus dem Original herausgefiltert), welches ebenso nur 8 Bit / Farbwert aufweist und er bearbeitet auch nur ein Abbild bzw. Kopie des Originals und befindet sich keinesfalls in einem Farbraum, der dem RAW Format entspricht.
Jegliche Manipulation der Bilddaten geschieht NICHT auf dem RAW-Format, sonder auf der "eingedampften" sRGB Kopie des Originals. Und zum Schluss wird auch folgerichtig KEIN RAW-Format gespeichert, sondern ein sRGB Format. Genau die gleiche Vorgehensweise wie beim Bearbeiten des JPGs.
Der einzige wichtige Unterschied ist der, dass das JPG bereits fertig aus der Kamera kommt (und außer der Umrechnung auf sRGB auch bereits Weißabgleich, Kontrastabgleich u.v.m. hinter sich hat), während es beim "Einlesen" des RAW Formats (und damit Umwandlung zum sRGB Format) Möglichkeiten gibt, diese Umwandlung zu beeinflussen. Aber ist diese Umwandlung einmal geschehen (und sie muss notwendigerweise VOR der Retusche geschehen), arbeitet der Anwender von nun an ebenso nur auf einem 24bit RGB Format wie beim JPG Format und profitiert keinesfalls mehr davon, dass die Farbkanäle mehr als 8 Bit besitzen.
Das wird in Zukunft sicherlich einmal anders sein, wenn sich entsprechende Monitore durchgesetzt haben und dazu die Grafikkarten und auch die Software angepasst wurden. Aber da sind wir heute nicht und von daher ist mir dieses Argument pro RAW einfach nicht nachzuvollziehen.