Hallo GC-Hiker.
Ich versuche alle zwei Jahre ganz runter zu wandern und ein paar Tage auf der Phantom Ranch zu bleiben. Da meine bevorzugte Reisezeit dorthin der Spätherbst oder Spätwinter ist, klappt es auch meist mit der Reservierung. Allerdings muss man tatsächlich genau 23 (!) Monate reservieren - und zwar genau, wenn das Büro in Denver aufmacht (Zeitverschiebung beachten). Wenn du 15 Minuten später bist, sind die Cabins weg.
Denjenigen, die gerne Wandern und noch was Lernen wollen, kann ich das Grand Canyon Field Institute empfehlen:
http://www.grandcanyon.org/fieldinstitute/Ich hab vor einigen Jahren mal einen Photoworkshop dort gemacht und einen kurzen Artikel dazu für eine Reisezeitung geschrieben, den häng ich hier mal an. Da ich damals Dias gemacht habe, kann ich hierzu nichts einstellen.
KLASSENZIMMER GRAND CANYONEl Niño gibt sein Bestes, um unser frierendes Häufchen Wanderer am Beginn des South Kaibab Trail noch zu einer Meinungsänderung zu bewegen. Aber am Ende siegt doch der Blick in die Tiefe der 1,6 km tiefen Schlucht, die wir in den nächsten Tagen erwandern wollen. Wir, das sind die sechs Teilnehmer des Workshops „Inner Canyon Photography“ vom Grand Canyons Field Institute. Am gestrigen Orientierungstag hatten wir bereits die vorher auf ihre „Notwendigkeit“ überprüften Seesäcke im Stall der Mulis abgegeben. Lediglich 30 Pfund Gewicht pro Seesack und Person waren erlaubt. Meine Zeltausrüstung liegt mit 29,8 Pfund knapp darunter und hält somit den strengen Kontrollen der Cowboys stand.
Danach folgte ein Nachmittag der Foto-Theorie mit Themen wie Blende, Belichtung, Bildkomposition und jeder Menge Zahlen.
Nun aber ist es endlich soweit, und wir beginnen im ersten Novemberschnee unseren steilen und zunächst noch eisigen Abstieg ins „Loch“, wie unser Führer Kenn den Grand Canyon liebevoll tituliert. Als der Weg besser wird, haben wir reichhaltig Gelegenheit, das gestrige Theoriewissen ausführlich zu üben. Wir bestaunen und fotografieren die magischen Bilder der Millionen Jahre alten Gesteinsschichten, Falten, Canyons und anderen geologische Prozesse. Gelegentlich kommt uns ein Zug Packmulis entgegen, die den Abfall und die Wäsche von der Phantom Ranch herauf transportieren. Nach einer Wanderung von sieben Stunden durch fünf Klimazonen und zwei Milliarden Jahre Erdgeschichte erreichen wir unseren Campingplatz bei der Phantom Ranch. Längst schon sind die Minustemperaturen vom Canyonrand angenehmen 26° Celsius gewichen. Ein Ranger kontrolliert an der Brücke über den Colorado, ob wir auch die nötige Genehmigung für den Aufenthalt haben.
Im Laufe der nächsten Tage erwandern wir den Grund des Grand Canyon, waten durch Flüsse, klettern durch Schluchten, vorbei an spektakulären Wasserfällen und indianischen Felszeichnungen und fotografieren, fotografieren, fotografieren. Ken ist nicht nur professioneller Fotograf, sondern auch noch Hobby-Geologe und weist immer wieder auf die geologischen und biologischen Besonderheiten hin. So bestaunen wir unter anderem eine der ältesten fossilen Pflanzen der Welt, die einst hier unten gewachsen ist, eine 400 Millionen Jahre alte Farnart.
Abends besuchen wir die Ranger-Programme, die uns über die Entstehung des Grand Canyon und über die hier gefundenen Fossilien oder die hier lebenden Indianer aufklären. Wenn es mit dem Einsetzen der Dunkelheit dann kühler wird, kriechen wir in die Zelte und versuchen, das Muskelkater zu vergessen, das uns allnächtlich befällt. Diejenigen von uns, die nicht schlafen können und sich dick eingehüllt aus dem Zelt herauswagen, werden mit einem unglaublichen Sternenhimmel belohnt. Hier, wo jede weitere Lichtquelle fehlt, sieht es aus, als habe die Natur auf einem Tuch aus blauschwarzem Samt Millionen glitzernder Diamanten ausgestreut. Die Milchstraße leuchtet in voller Pracht, und ab und zu zieht ein Satellit oder ein glänzendes Stück Weltraumschrott vorbei.
An unserem letzten Tag im Canyon kaufen wir noch das obligatorische T-Shirt von der Phantom Ranch, das es nur hier zu kaufen gibt und uns damit in Zukunft als echte „Canyon Hiker“ zu erkennen geben wird, und schicken eine Ansichtskarte mit dem Stempel „Transported by mule from the bottom of the Grand Canyon“ als Beweis für unsere Leistungen nach Hause.
Als wir am letzten Morgen noch in tiefer Dunkelheit unsere Zelte zusammenpacken, entschädigt uns der Leoniden Meteoriten Schwarm mit zahlreichen Sternschnuppen am tiefschwarzen Himmel für das frühe Aufstehen.
Nach acht Stunden Aufstieg auf dem Bright Angel Trail erreichen wir dann erschöpft aber glücklich und mit reicher Filmausbeute den Canyonrand. Als mir auf der letzten Meile des Trails wieder mehr „Turnschuhtouristen“ begegnen als während der ganzen Woche im inneren Canyon, weiß ich, daß ich bald wieder hinunter muß, hinunter ins „Loch“ des großen und unberührten Grand Canyon.
---ENDE---
Grüße
Elli