Donnerstag 10. Juli 2014Um 8 rappelt der Wecker, ein schneller Blick aus dem Fenster: es regnet
nicht, der Wettergott meint es wohl doch gut mit uns denn für heute haben wir wieder eine Wanderung geplant. Frühstück gibt es im ersten Stock des Hauses, dort ist ein großes Wohn/Eßzimmer zur gemeinsamen Benutzung der Hausgäste. Es gibt nur 3 Zimmer, zwei andere Paare sitzen schon am Tisch. Das Frühstück ist ausgezeichnet, es gibt frische Erdbeeren, verschiedene Käsesorten, richtiges Vollkornbrot, Schinken, Salami, süße Teilchen etc. Obst und süße Teilchen bleiben am Tisch für später stehen und man darf sich jederzeit einen Kaffe machen, in der kleinen Küche steht eine Kapselmaschine. Das ist schon super, allerdings war das Zimmer mit 110 € auch nicht gerade billig.
Im Internet erfahren wir dass Argentinien 4:2 im Elfmeterschißen gewonnen hat. Die anderen Gäste sind Engländer und es herrscht die allgemeine Meinung dass Deutschland das Endspiel gewinnen wird und man wünscht uns viel Glück, das hören wir natürlich gerne!
Heute war eine Wanderung im "Hohen Venn" einem ausgedehnten Hochmoor geplant. Eine Baustelle auf der Hauptstrasse bringt das Navi völlig durcheinander, während ich der Meinung bin er solle einfach mal weiterfahren will Josef anhalten und nach einem Weg suchen. Bevor wir uns richtig in die Wolle kriegen können kommt zum Glück ein Hinweisschild auf die Autobahn und das paßt von der Richtung. Bald sind wir wieder auf der Landstrasse zum Startpunkt „Signale de Botrange“. Hier ist ein großer Parkplatz, der nahezu leer ist und ein Visitorcenter. Es ist sehr neblig und zur Sicherheit fragen wir lieber im Visitorcenter nach ob unsere gewählte Route überhaupt begehbar ist, es hat schließlich 2 Tage durchgeregnet.
Wir müssen noch ein paar Minuten warten, das Visitorcenter öffnet erst um 10 Uhr. Eine freundliche Belgierin, die hervorragend deutsch spricht, zeigt uns auf der Karte einen Streckenabschnitt den wir wegen Überflutung umgehen müssen. Die im Rother Wanderfüher "Ardennen, Hohes Venn" angegebene Wanderzeit von 2 Stunden 20 Minuten (Wanderung 6, Durch das wallonische Venn) führt bei ihr zu ungläubigem Staunen, sie würde doch 4 Stunden schätzen, man will schließlich auch mal stehen bleiben, sich umschauen und Fotos machen. Wir haben den ganzen Tag Zeit und dass die Zeitangaben im Rother zu knapp bemessen sind ist uns bei der letzten Wanderung schon aufgefallen. Im Buch ist zwar eine Karte aber die Wanderkarte kaufen wir zur Sicherheit doch noch und gehen los, das Garmin haben wir wie immer auch dabei. Sowohl das GPS als auch die Karte sind bitter notwendig, denn schon nach kurzer Strecke kommen wir an eine unbeschilderte Wegkreuzung, der Weg ist leider nur mangelhaft ausgeschildert.
Die Landschaft gefällt uns aber auf Anhieb, im Nebel sieht sie richtig mystisch aus:
Am Anfang war der Weg noch gut zu gehen, später wurde er matschiger.
viele geschnitzte Figuren schmücken das erste Wegstück
Dann wurde es immer nasser, überall gurgelte Wasser
meine Wanderstiefel konnten zum ersten Mal beweisen dass sie wasserdicht sind!
Bäume gab es am Rand des Moores, in ein Moor gehören sie auch nicht. Aber auch hier hat man früher versucht das Moor zu entwässern, hat Birken gepflanzt und hat Torf gestochen, das versucht man jetzt rückgängig zu machen, Bäume werden nicht mehr gepflanzt und Entwässerungsgräben werden entfernt.
Dann ging es über einen reißenden Bach und hinter der Brücke stand die einzige Wegtafel, die wir unterwegs gesehen haben, wir waren noch richtig unterwegs.
Ab dieser Stelle, wir hatten ungefähr die halbe Strecke bewältigt, war der Boden richtig moorig, man ging über Holzstege wie im Yellowstone. Über das Gras habe ich mich sehr gewundert. In den bayerischen Voralpen gibt es auch ein Moorgebiet, da wachsen ganz andere Pflanzen. Aber wenn man versucht hat auf das Gras zu treten ist man genau wie dort wie auf einem Schwamm eingesunken.
Dummerweise endete dieser Steg bald im Nirvana, ein Weg war nicht zu erkennen, wir haben versucht etwas höher zu gelangen, da war ein Blumenfeld und verkohlte Bäume (letztes Jahr war es hier wohl sehr trocken und es hatte gebrannt) und man konnte halbwegs gehen.
seht ihr hier einen Weg?
da war er wieder, allerdings sehr schlammig!
Zum Glück sind wir dann wieder auf einen Bohlenweg gestoßen, der sich nun sehr lang durch die Wiesen zog
Wie das braune Moorwasser über die Wiesen floß, das sah einfach toll aus!
laut Karte müßten wir eigentlich bald mal wieder links abbiegen, die Orientierung war nicht einfach hier, es schaut in allen Richtungen gleich aus. Mit etwas suchen haben wir den Abzweig doch gefunden. Man mußte wieder 50 Meter über Gras gehen und kam dann auf einen einigermaßen festen Weg.
entlang dieser letzten Wegstrecke standen Unmengen an Fingerhut, die kenne ich aus Deutschland nur ganz vereinzelt
Gegen 14 Uhr kamen wir wieder am Parkplatz an, 3 Stunden 45 Minuten sind wir gegangen und ich war ziemlich fertig. Das Gehen auf unebenem rutschigem Untergrund ist doch ziemlich anstrengend. Wir sind noch mal ins Visitorcenter gegangen und haben der Dame dort geschildert wo der Weg gut zu gehen war und wo es richtig schwierig war. Im Gegensatz zu meinen Schuhen, die dicht gehalten haben, stand Josef im Wasser, da sind neue Schuhe fällig. Die Frau im Visitorcenter hat sich sehr gefreut dass wir noch mal vorbei geschaut haben. Es waren doch einige Besucher hier und haben nach der Wegbeschaffenheit gefragt.
Wir sind unterwegs nur ganz wenigen Wanderen begegnet und können die Wanderung sehr empfehlen. Normalerweise ist der Weg weniger nass und besser zu gehen, aber uns hat es mit dem strömenden Wasser auf den Wiesen sehr gefallen.
Josef wollte noch einen anderen kurzen Weg gehen, aber mir hat es gereicht und mit seinen durchweichten Schuhen (er hatte keine zum wechseln) auch keine gute Idee.
Wir sind also in unsere Bleibe zurück gefahren, mir stand der Sinn nach Kaffee und Kuchen, der im Eßzimmer auf uns wartete und als wir dort ankamen hatten sich die letzten Wolken verzogen und wir konnten den Kaffee bei schönstem Sonnenschein auf dem Balkon vor dem Wohnzimmer trinken. Josef hat die nassen Schuhe gegen Sandalen eingetauscht und weil erst früher Nachmittag war sind wir ins Stadtmuseum von Malmedy gegangen.
Hier gab es neben den Daueraustellungen zur Stadtgeschichte -wie könnte es 2014 anders sein- eine Sonderaustellung zum ersten Weltkrieg mit dem Titel:
"La Wallonie Prussienne
Sous les ordres du Kaiser"
die Ausstellung war wirklich hervorragend gemacht und viersprachig beschildert. Die Geschichte dieser Region Belgiens war sehr wechselhaft, was in der Ausstellung ausführlich geschildert wurde. Diesmal habe ich dran gedacht die Texte zu fotografieren:
Am 28. Juni 1914 tötete der bosnisch-serbische Nationalist Gavrilo Princip bei einem Attentat Erzherzog Franz-Ferdinand, der österreichisch-ungarischen Thronfolger.
Nach diesem Attentat legte das österreichisch-ungarische Reich Serbien inakzeptable Bedingungen auf und erklärte dem Staat schließlich den Krieg.
Anfang August erwacht der europäische Kontinet in einem Alptraum! Die Großmächte steigen nacheinander in den Krieg ein und sind untereinander durch 2 Allianzen verbunden: dem Dreibund (Österreich-Ungarn, Italien, das bald darauf neutral wird, und das deutsche Reich) und der Triple-Entente (das republikanische Frankreich, das russische Reich und das Vereinigte Königreich).
Deutschland plant einen schnellen Krieg gegen Frankreich und England im Westen, bevor es sich dann mit einem Überraschungsangriff gegen Russland wenden will. Am 4. August 1914 missachtet die Armee des Kaisers die Neutralität Belgiens, um die französischen Verteidigungslinien bei den 1871 deutsch gewordenen Gebieten Elsass und Lothringen zu umgehen und auf diese Weise Paris für einen schnellen Sieg rechtzeitig zu erreichen. Dies ist der berühmte Schlieffen/ von Moltke- Plan. Doch die Geschichte entscheidet anders und aus dem Bewegungskrieg wird ein Stellungskrieg mit über 700 km Gräben.
Aus dem europäischen Konflikt wird schließlich ein weltweiter. Weitere Länder treten nacheinander in den Krieg ein:
-die alliierten und mit-kriegsführenden Mächte:
Das vereinigte Königreich, Frankreich, Griechenland, Italien, Montenegro, Portugal, Rumänien, Russland, Serbien, die vereinigten Staaten, Japan, die Kolonien der Kriegsführenden, Kanada, Australien und, gezwungenermaßen, Belgien. Insgesamt werden 42 Millionen Soldaten mobilisiert.
-die Mittelmächte:
Österreich-Ungarn, Bulgarien, Deutschland, das osmanische Reich. Insgesamt werden 23 Millionen Soldaten mobilisiert.
Malmedy war bis zur Französischen Revolution ein unabhängiges Fürstentum, nach der französcischen Revolution wird es Teil Frankreichs, 1815 beim Wiener Komgreß fällt Malmedy an Preußen, Bismarck erzwingt die Germanisierung der Bevölkerung der preußischen Wallonie: Der Gebrauch der deutschen Sprache in Unterricht und Verwaltung, Politik und Religion ist Pflicht, Wallonisch wird als Umgangssprache toleriert.
Kurz vor dem ersten Weltkrieg sprechen die Einberufenen aus Malmedy und Weismes noch wallonisch mit ihren Verwandten, können Französisch kaum lesen aber beherrschen die deutsche Sprache, die sie in der Schule gelernt haben. Wenn sie ihren Familien während des Konflikts schreiben geschieht dies auf Deutsch und ihre Eltern, die dem Unterricht noch auf französisch gefolgt hatten, haben oft Schwierigkeiten den Inhalt dieser Briefe zu entschlüsseln.
Am 11. November 1918 tritt der Waffenstillstand zwischen den Kriegsführenden in Kraft.
In Malmedy und Eupen findet eine Volksbefragung statt, die überwiegende Mehrheit wählt die Angliederung an Belgien. 1920 wird der Anschluß vom Völkerbund für gültig erklärt.
Im zweiten Weltkrieg wurde Malmedy erneut an Deutschland annektiert und wieder wurden belgische Soldaten ins deutsche Heer eingezogen.
Auf Schautafeln wurde gezeigt wie sich die Militärtechnik im ersten Weltkrieg entwickelte: erste Naschinengewehre, Granaten, der Stellungskrieg, der Gaskrieg, erste Kampfflugzeuge usw. Der Kriegsalltag der Soldaten wurde geschildert, es gab auch ein paar kurze Filme. Zum Teil waren die Szenen grotesk komisch, so z.B. diese Einmannpanzerungen mit denen die Soldaten übers Feld gekrochen sind:
das nächste Bild zeigt die Atrappe eines Soldatenkopfes, er wurde an einer Stange über den Schützengraben gehalten um zu testen ob der Feind schießt.
es gab auch Fotos von Malmedy, der Ort war stark zerstört worden im Krieg.
Ansonsten gab es noch Ausstellungen zu Papier- und Lederherstellung was in Malmedy früher die wichtigsten Industriezweige waren und eine Karnevalsausstellung. Das Treiben erinnert sehr an den Kölner Karneval, deutscher Einfluß ist also noch vorhanden. Und warum soviele Leute deutsch sprechen ist mir jetzt auch klar.
Danach sind wir bei dem schönen Wetter durch die Alltstadt spziert und haben Fotos gemacht
die Kirche neben dem Museum:
alte Bürgerhäuser:
ein ehemaliges Waisenhaus:
Blick auf die Fußgängerzone:
überall in der Fußgängerzone wunderschöner Blumenschmuck:
eine typische Wohnstrasse, am Ende dieser Strasse stand unser B&B:
Zum Abendessen waren wir iin einem sehr guten thailändischen Restaurant, auf Hausmannskost hatten wir heute keine Lust. Es gab einen erstklassigen Salat mit Orange, Pampelmuse und Krabben. Dann Rindfleisch in etwas scharfer Soße und ein guter St. Emilion Rotwein.
Hoffentlich bleibt das Wetter so gut, morgen steht ein Park auf dem Programm!