Mittwoch, 26. SeptemberAls mein Handy mich mit einem penetranten Piepen aufweckt, kann ich es kaum fassen, dass ich schon wieder aufstehen muss. Obwohl ich gestern abend so müde war, war ich nach einer kurzen Schlafphase wieder hochgeschreckt und bin dann letztlich erst nach zwei Uhr eingeschlafen. Ich weiß nicht, ob es der Jetlag war oder das Gefühl, etwas wichtiges vergessen zu haben, jedenfalls habe ich kaum mehr als fünf Stunden Schlaf bekommen und brauche lange, bis ich mich aufrappeln kann.
Um halb neun checke ich aus und warte auf den Shuttle-Bus, der mich zum Domestic Airport bringt. Ehrlich gesagt hatte ich mir den Domestic Airport klein und übersichtlich vorgestellt, wie es sich für ein Terminal für Inlandsflüge eben gehört. Erst vor Ort wird mir bewusst, dass inländisch in Australien einen ganzen Kontinent umfasst. Die Flüge starten jedenfalls fast im Minutentakt, und ich muss erst mal eine halbe Stunde bei Virgin Australia anstehen, bevor ich einchecken kann. Auf wundersame Weise hat mein Koffer zwischen dem Abflug in Frankfurt und dem Abflug hier in Sydney sein Gewicht von 22 kg auf genau 23,0 kg erhöht, und prompt bekommt der Koffergriff einen Anhänger mit der Aufschrift „Heavy Baggage“. Dann darf ich auch noch zur Sprengstoffkontrolle. Warum sie mich rauspicken, weiß ich nicht. Vielleicht liegt es an der Spiegelreflexkamera samt Objektiven, die ich im Rucksack mit mir herumschleppe, aber lustigerweise kommt die Kontrolleurin nicht auf die Idee, dass sich die Fotoausrüstung in einem gesonderten Fach befindet und checkt nur den oberen Teil des Rucksacks. Zum Glück finden sich keine Explosives, und ich gehe mir erleichtert erst mal ein Sandwich kaufen, bevor ich auf der Suche nach Gate 35 durch den Flughafen laufe.
Dort wartet schon das Flugzeug:
Als eine Stunde später das Gepäck eingeladen wird und das Boarding beginnt, sehe ich plötzlich meinen Koffer und kann zum ersten mal fotografieren, wie mein Koffer in ein Flugzeug geladen wird. Ein Highlight meines „Vielfliegerlebens“, was ist dagegen schon Kaviar in der First-Class?
Der Flug verläuft ereignislos, wenn mal man davon absieht, dass in Australien anscheinend die Frühlingsferien begonnen haben und der Flieger komplett voll ist, und zwar auch voller Kinder. Fairerweise muss man sagen, dass sie sich offenbar abgesprochen haben und höchstens immer zwei Kinder gleichzeitig protestierend schreien und heulen, während genervte Mummys und Daddys es erst mit gutem Zureden und später mit energischen Worten probieren, wobei mir persönlich die Mummy am sympatischsten ist, die irgendwann anfängt, ihre Tochter nachzuäffen. Während wir uns Mackay nähern reißen ab und zu die Wolken auf und man kann ein wenig tropische Küste erahnen.
Trotz einer halben Stunde Verspätung in Sydney landen wir in Mackay fast pünktlich. Der kleine Airport kommt meiner Vorstellung von einem Domestic Terminal schon wieder sehr nahe, und ganz besonders reizend finde ich, dass die Schalter der Autovermieter gerade mal 20 m vom Gepäckband entfernt sind. Ich beginne also erst mal mit der Anmieteprozedur, und während die Mitarbeiterinnen bei Avis meine Buchung ausdrucken, kann ich meinen Koffer vom Band holen. Um halb drei spaziere ich schließlich mit dem Mietvertrag in der Hand hinaus zum Parkplatz, wo ein laut Papieren „purple“-farbener Micra auf mich wartet.
Micra finde ich gut, ich fahre daheim nämlich auch einen und bilde mir ein, mit dem Auto problemlos zurechtzukommen. Die erste Überraschung kommt, als ich mit dem linken Fuß ins Leere trete. Ach ja, wie war das noch mit dem Automatikfahren? Den linken Fuß wegpacken? Na gut, damit werde ich fertig. Aber dass die blöden Scheibenwischer losgehen, als ich blinken will, verdaue ich nicht so schnell. Auf der kurzen Strecke in die Innenstadt von Mackay müssen die anderen Autofahrer noch mindestens fünfmal aus der Bewegung meiner Scheibenwischer erraten, dass ich abbiegen will. Trotzdem komme ich, wenn auch nassgeschwitzt, dank der Hilfe meines Navi-Handys nach kurzer Zeit am Coles-Supermarkt in Mackay an, wo ich erleichtert das Auto abstelle, ein paar kurze Einkäufe erledige und dann noch einen Spaziergang durchs Ortszentrum unternehme.
Von Mackay aus fahre ich erst mal ein Stück nordwestwärts auf dem Bruce Highway und biege irgendwann zum Cape Hillsborough ab, wo ich eine Nacht in einer Beach Hut im Cape Hillsborough Resort verbringen will. Es ist schon kurz vor fünf, als ich einchecke und meine Hütte beziehe, die zwar keinen Schönheitspreis gewinnen würde aber nebst einer kleinen Küchenzeile alles bietet, was man für eine Nacht oder länger braucht. Zwar hat man keinen direkten Blick auf den Strand, aber man kann das Meer rauschen hören. Ich lade nur kurz meine Sachen aus und starte dann zu einem Strandspaziergang.
Am Strand fühle ich mich plötzlich, als hätte ich eine Zeitreise unternommen. Bizarre Lava-Felsen liegen dort im Sand, und direkt dahinter beginnt der Urwald.
Man könnte meine, man wäre im Jurassic Park gelandet, und dieser Waldbewohner sieht fast aus wie ein kleiner Dinosaurier:
Und hinter diesem Schild lauert vermutlich schon der T-Rex:
Passenderweise darf dieser Drache ausdauernd seine Runden über dem Strand ziehen:
Gegen halb sieben, als es schon ziemlich dunkel ist, komme ich zu meiner Hütte zurück. Heute ist ein häuslicher Abend angesagt: Ich packe meinen Koffer um, koche mir auf den beiden Gasflammen Nudeln mit einer fertigen Ricotta-Sauce, die mir auch aus heimischen Supermärkten bekannt ist, sortiere Unterlagen um und aus, schreibe meinen Reisebericht weiter und schaue mir an, welche Wanderung ich morgen vormittag am Cape Hillsborough unternehmen könnte.
Um halb elf mache ich dann das Licht aus. Ein paar Stunden Schlaf mehr als bisher dürfen es heute gerne mal sein. Aber früh raus muss ich trotzdem.
Gute Nacht!