17. Tag, 06.08.2010
Reykjavik / IslandHeute legen wir in Reykjavik an. Reykjavik ist die nördlichste Hauptstadt der Welt und hat ca. 120.000 Einwohner. Unsere Glückssträhne was das Wetter angeht, nimmt leider ein abruptes Ende, dennoch freue ich mich auf einen interessanten Ausflug heute. Während es leicht regnet und ziemlich bewölkt ist, holt uns ein Bus ab und wir fahren zunächst durch die Stadt. In Reykjavik wirken die Häuser ziemlich neu und mir gefällt gut, dass alles so weitläufig ist.
Wir fahren bis nach Þingvellir. Dabei handelt es sich um einen Ort und einen Nationalpark mit großer historischer Bedeutung für Island. Das isländische Wort "Þing" bedeutet Volksversammlung und in dem Ort tagte fast neun Jahrhunderte lang regelmäßig das alte, isländische Parlament.
Þingvellir ist außerdem umgeben von vier noch aktiven Vulkanen. Die Gegend wird häufig durch Erdbeben erschüttert und man kann imposante Felsspalten beobachten, da hier die europäische und die amerikanische tektonische Platte aufeineinadertreffen bzw. vor allem auseinanderdriften.
Unsere Fahrt führt uns direkt ins Landesinnere in die Kieswüste von Kaldidalur. Die Straßenverhältnisse sind nicht die besten, aber wir sind es ja von Grönland sowieso noch gewohnt.
Bald erreichen wir unser nächstes Ziel, den Gletscher Langjökull. Erstmal essen wir gemütlich in einem Haus unser mitgebrachtes Mittagessen in Form von Lunchboxen und schauen uns anschließend ein wenig die Gegend an. Man sagt, hier haben die Amerikaner damals für die Mondlandung trainiert und in der Tat scheint mir dieser Ort äußerst geeignet dafür zu sein.
Der Langjökull ist mit einer Fläche von 953 km² und einem Volumen von 195 km³ der zweitgrößte Gletscher Islands nach dem wesentlich größeren Vatnajökull. Obwohl der Gletscher teils im Nebel liegt, sehen wir bald in der Ferne auf dem Eis unser Fahrzeug langsam heranfahren.
Bei unserem Gefährt handelt sich um einen zum Gletscherfahrzeug umfunktionierten Schwertransporter, wie er wohl auch bei der Bundeswehr benutzt wird. Er hat mehrere Achsen und wuchtige Räder, die vorne mit Schneeketten ausgestattet sind. Auf der Ladefläche ist eine Passagierkabine installiert.
Wir steigen ein und schon geht die Fahrt los auf das Eis und den Gletscher. Es ist unheimlich wackelig, man muss aufpassen, dass man sich nicht den Kopf an der Scheibe stößt, wenn man zu nah mit dem Gesicht ans Fenster geht. Leider regnet es mittlerweile in Strömen, sodass die Scheiben voller Tropfen sind und fotografieren unmöglich ist. Das Eis ist teilweise tiefblau gefärbt, was für viel eingeschlossenen Sauerstoff spricht.
Durch den unebenen Gletscher schaukelt es weiterhin heftig und wir überwinden diverse mehr oder weniger große Spalten, von denen ich ein paar durch das gekippte Fenster doch fotografieren kann. Jetzt wird mir auch klar, warum das Wandern auf Gletschern so gefährlich ist, denn wir sehen einige Risse im Eis, die gerade groß genug wären, um einen Menschen darin verschwinden zu lassen. Bei einem Blick in die Spalten sieht man im wahrsten Sinne des Wortes lediglich schwarz, was nur heißen kann, dass der Boden lange nicht in Sicht ist. Nicht auszudenken, wenn die Spalten oberflächlich zuschneien und man dann darüber läuft. Derartige Unfälle sind schon des öfteren hier passiert. Ich bin ganz froh, dass wir im Gletscherfahrzeug sitzen.
Nach einer Weile Fahrt über den Gletscher erreichen wir unser Ziel und steigen aus, kriegen aber mit auf den Weg, dass wir wegen der Gletscherspalten nicht zu weit weg gehen sollen. Zu meiner Freude stelle ich fest, dass hier gerade ein großes Rudel Schlittenhunde pausiert. Es nieselt zwar nur noch leicht bis gar nicht, aber es ist ziemlich kalt und Nebel ist aufgezogen. Auch ein paar der Schlittenhunde schauen ein wenig bedröppel drein. Wie auch in Grönland handelt es sich um Grönlandhunde, die allerdings etwas weniger Feuer im Hintern zu haben scheinen als ihre grönländischen Kollegen. Die Hunde einfach so anzufassen traue ich mich aber trotzdem nicht.
Der Grund, weshalb das Gletschereis nicht so schön weiß ist, ist übrigens der Ausbruch des Eyjafjallajökull im März/April 2010, dessen Aschewolke bei uns den ganzen Flugverkehr lahmgelegt hat. Die ausgestoßene Asche ging damals natürlich wesentlich deutlicher sichtbar über Island nieder und hat sogar dafür gesorgt, dass der Langjökull aufgrund der warmen Asche in diesem Jahr viel schneller geschmolzen ist als das sonst der Fall ist. An der Stelle, auf der wir stehen, soll der Gletscher trotzdem über 200 Meter dick sein.
Als wir durch die Reihen der Hunde laufen, fällt mir ein Hund auf, der sich vor lauter Wedeln mit dem Schwanz gar nicht mehr einkriegt, eigentlich wackelt der ganze Hintern mit. Er gibt erst Ruhe, als sich unser Fahrer zu ihm begibt und ihn durchknuddelt. Der Fahrer sieht wahrscheinlich meinen fragenden Blick und endlich höre ich den langersehnten Satz "He's very friendly, you can touch him!". Das lasse ich mir nicht zweimal sagen und schon beknuddel auch ich den Hund. Im ersten Moment bin ich überrascht, denn eigentlich hatte ich warmes, weiches Fell erwartet, aber genau das Gegenteil ist der Fall. Haare und Hund sind nass, rau, kalt und noch dazu scheint er gerade sein Sommerfell zu bekommen. Egal, ich beschmuse den Hund trotzdem und er genießt so viel Aufmerksamkeit sichtlich. Komme ich also doch noch dazu, einen Grönlandhund anzufassen.
Langsam und mittlerweile ordentlich durchgefroren treten wir die Rückfahrt an. Wir werden wieder mächtig durchgeschaukelt bis wir unten am Gletscher ankommen und in den Bus umsteigen.
Unser nächstes Ziel ist Deildartunguhver, die wasserreichste Heißwasserquelle Europas. Es sprudelt, spitzt und dampft überall und man wir vor dem 100°C heißen Wasser gewarnt. Die Quellen sind sehr interessant anzusehen, ebenso die Pipelines, die das Wasser zum Heizen unter anderem auf die umliegenden Höfe verteilen. Die Deildartunguhver sind einen Besuch wert, aber wer schon in Yellowstone war, den wird dieser Ort wahrscheinlich nicht sooo über alle Maßen beeindrucken, da im Yellowstone National Park das Sprudeln wesentlich imposanter ist.
Den nächsten Stopp legen wir am Barnafoss, einem schönen Wasserfall mit beträchtlichen Stromschnellen, ein.
Unweit des Barnafoss und zu Fuß erreichbar befindet sich der Hraunfossar. "Hraun" bedeutet übersetzt Lava. Das Besondere an diesem Wasserfall ist, dass es sich nicht etwa um einen normalen Fluss handelt, der einen Abgrund hinunter stürzt, sondern dass das Wasser scheinbar aus dem Boden gelaufen kommt. Der Grund dafür ist, dass das Schmelzwasser des Langjökull in der porösen Lava versickert und irgendwann ein ganzes Stück entfernt wieder aus dem Boden austritt.
Unser Reiseführer ist auch heute ein Isländer, diesmal spricht er aber sehr gut Deutsch. Er erzählt fast die ganze Zeit ununterbrochen interessante Dinge über Island, so auch einiges über die bekannten Islandpferde. Er erwähnt nachdrücklich, dass die Isländer es gar nicht mögen, wenn man die Pferde als Islandponys bezeichnet
. Besonders an diesen Pferden ist, dass sie eine Gangart mehr haben als andere Pferde, den so genannten Tölt. Überall stehen diese Pferde auf den Wiesen.
Ich bin mittlerweile so k.o. von den vielen Eindrücken, dass ich sogar einmal kurz im Bus einnicke, als unser Reiseleiter mal für 10 Minuten nichts erzählt, aber eine Sehenswürdigkeit steht noch aus.
Der letzte Stopp ist die Perlan, was übersetzt Perle bedeutet. Die Perlan ist der Warmwasserspeicher für Reykjavik. Jeweils außen befinden sich die Wassertanks und innen ist eine mit einer Glaskuppel überdachte Halle. Die Halle ist wirklich schön gestaltet und wirkt sehr edel, es gibt sogar einen künstlichen Geysir. Die Glaskuppel ist mit Lichern besetzt, sodass es wie ein Sternenhimmel aussieht. In der Halle ist es äußerst warm, sodass sogar Palmen wachsen. Jeder Tank fasst 4 Mio. Liter Wasser und so kann ein Großteil der Stadt mit Warmwasser versorgt werden. Einer der Tanks wurde stillgelegt und es befindet sich ein Saga-Museum mit Wikingern und ähnlichem darin. Das Warmwasser wird aus Bohrlöchern direkt dem Boden entnommen und Island hat so viel davon, dass sie im Winter damit sogar die Bürgersteige beheizen. Praktisch, dann kann man sich das lästige Schneeräumen sparen...
Oben an der Kuppel gibt es eine Aussichtsplatform, von der aus man wunderbar Reykjavik überblicken kann. Es nieselt zwar wieder leicht, aber man hat trotzdem einen ganz guten Blick auf die Stadt. Alles ist so schön grün hier, das ist immer noch ein kleines bisschen ungewohnt.
Wenige Minuten vor der angepeilten Ablegezeit kommen wir am Abend wieder an der Alexander-von-Humboldt an. Ich bin völlig platt von dem Ausflug und zu keiner Aktivität heute mehr in der Lage... Trotz des bescheidenen Wetters war das ein sehr abwechslungsreicher und interessanter Tag und wir haben viel von Reykjavik und der Umgebung gesehen.
Gruß
Rattus