11. Tag: Dienstag 01.10.2019: Detroit – Shipshewana
Ich schlafe nicht so toll, Marianne säuselt vor sich hin. Der Wecker kräht um 7:00, weil ich zu faul zum Abstellen war. Wir duseln noch bis gegen 7:30 vor uns hin, dann versuchen wir in die Gänge zu kommen. Nachdem die Koffer weitgehend gepackt sind, marschieren wir los, um eine Frühstücksquelle zu finden.
Draußen ist es nicht nur schön, sondern auch schon sehr warm. Wir gehen auf der Suche nach einem Frühstücksplatz zwar zunächst in dieselbe Richtung wie gestern, sind aber für Alternativen aufgeschlossen. Ein Schild "Pecora Nera – Black Sheep" weckt unsere Aufmerksamkeit und mit Hilfe eines Passanten nähern wir uns. Ein Blick durchs Fenster läßt allerdings keine besondere Auswahl erwarten.
Also dackeln wir weiter und kommen nach zwei Ecken zum Cannelle, das besonders feine Sachen in der Auslage erkennen läßt. Da leider draußen eine Baustelle mit dem Laubbläser gereinigt wird, verzichten wir auf einen Platz im Freien und gehen hinein. Die Auswahl an süßen Törtchen ist überwältigend. Dennoch entscheiden wir uns, nur ein Pflaumentörtchen zu nehmen – dünn geschnittene Scheiben zu einer dichten Blüte gerollt – und für ein Baguette-Sandwich mit Schinken und Gruyere. Dazu ein Cappuccino bzw. eine heiße Schokolade – phänomenal, wenn auch nicht ganz billig. Wir fragen uns immer wieder, woher so viele Leute in Detroit das Geld hernehmen, um in so vielen guten und nicht ganz billigen Lokalen essen zu gehen.
Detroit, Downtown Synagogue – Mural "Good Luck"
Detroit, Book Tower
Detroit, Book Tower – Karyatiden
Detroit, Kanaldeckel
Detroit, Cannelle – Auslage
Detroit, Cannelle – Pflaumentörtchen
Da wir noch zu Moosejaw wollen, der aber erst um 10:00 öffnet, gehen wir noch ein wenig herum. Zunächst schauen wir in die imposante Halle des Meridian Building, dann marschieren wir noch in die vielgepriesene Greektown. Dabei handelt es sich bei näherem Hinsehen gerade mal um einen Straßenzug mit ein paar auf griechisch getrimmten Restaurants und lauter Musik. Von außen ganz ansehnlich sind die St Marys Church und die gegenüber stehende zugehörige ehemalige katholische Schule, die heute zum Casinobereich gehört. Die Halle des Casinohotels daneben ist von erschütternder Scheußlichkeit.
Detroit, One Campus Martius
Detroit, One Campus Martius – Lobby
Detroit, Greektown – Monroe Street
Detroit, Greektown – Saint Marys
Detroit, Greektown – Mural in der Monroe Street
Detroit, Greektown – Monroe Street
Detroit, Campus Martius Fountain
Zurück in der Woodward Avenue gehen wir zum Moosejaw – wir werden auf Rütteln an der Tür 2 Minuten vor offizieller Öffnungszeit eingelassen und erwerben nochmals ein T-Shirt.
Im Hotel bestellen wir das Auto beim Valet und holen das Gepäck aus dem Zimmer. Als wir wieder unten sind, ist das Auto schon da.
Die Fahrt führ uns auf die Michigan Ave, die unter diesem Namen ewig lang die US 12 verkörpert. In Corktown drehen wir eine Schleife und stellen fest, daß diese Ecke trotz der starken Werbung für diesen Stadtteil in unseren Reiseführern keinen Aufenthalt oder Ausflug aus der Innenstadt wert gewesen wäre. Zwar sind die Bagley Street und die Vermont Street, durch die wir gefahren sind, ganz nette Wohnstraßen mit stetem Wechsel von gepflegten und morbiden Häusern (übrigens: viele in StreetView verlottert aussehende Häuser waren bei unserem Besuch frisch hergerichtet – die Region ist also auf dem Weg nach oben). Als Spaziergänger wäre man allerdings wohl eher unangenehm aufgefallen. Und die vielen Kneipen in der Michigan Avenue mögen zum Ausgehen attraktiv sein, bringen aber keine städtische Aufenthaltsqualität.
Detroit, Corktown – Michigan Avenue
Detroit, Corktown – Bagley Street
Detroit, Corktown – Bagley Street
Detroit, Corktown – Bagley Street
Im weiteren Verlauf sehen wir beim Vorbeifahren dann noch den in Verfall befindlichen alten Bahnhof Michigan Central Station (oder Michigan Central Depot), die Hauptverwaltung von Ford in Dearborn sowie einen riesigen ehemaligen Hotelkasten, der erst 1976 als Hyatt Regency eröffnet wurde und nach mehreren Namens- und Besitzerwechseln als Edward Hotel & Convention Center 2018 von den Behörden als für menschlichen Aufenthalt ungeeignet geschlossen wurde.
Detroit, Michigan Central Station
Detroit, Michigan Avenue – wie überall: einer arbeitet, drei schauen zu
Dearborn, Henry Ford II World Center
Dearborn, ehemaliges Edward Hotel & Convention Center
Die weitere Strecke zieht sich. Wir vermeiden die Interstate, um nicht nur über die Autobahn zu heizen. Viel Landschaft gibt es allerdings nicht zu sehen. Nur im Bereich der Irish Hills gibt es ein paar kleine Seen. Ein paar Örtchen liegen am Wegesrand. Mehrere Versuche, ein ansehnliches Eßlokal aufzufinden – unter anderem in Clinton – waren ohne Erfolg, so daß wir dann irgendwo in der Pampa neben einem Friedhof beim Moscow Trading Post unsere letzten Cracker mit Wasser hinunterspülen. Auffallend an diesem Friedhof (wie auch bei etlichen anderen zuvor entlang unserer Tour) sind die vielen US-Fähnchen an den Gräbern – quasi statt Blumen. Man stelle sich den Eindruck vor, wenn bei uns an jedem zweiten Grab eine kleine Deutschlandfahne wehen würde (ein Bayernfähnchen ginge ja noch).
an der Michigan Avenue vor Clinton
Farm vor Clinton
Clinton, Clinton Inn
Jonesville, Moscow Cemetery
Wir kommen allmählich in die Amish-Region, was sich nicht nur durch die archaischen Pferdekutschen auf den Straßen bemerkbar macht, sondern auch durch etliche Fahrradfahrer – auf Landstraßen in den USA ja ein ungewohnter Anblick. Kurz nach 15:00 treffen wir schließlich beim Blue Garden Inn in Shipshewana ein und beziehen unser Zimmer. Wir halten uns aber nicht lange auf, sondern fahren gleich weiter nach Goshen, wo es einen Farmers Market geben soll. Unterwegs machen wir uns den Mund wäßrig und schwärmen wir von erhofften Landjägern und Käse und Brot, das wir auf der Terrasse vor unserem Zimmer mit unseren letzten Bieren zu uns nehmen können.
Amish Kutsche bei Shipshewana
Farm bei Shipshewana
Amish Kutsche vor Shipshewana
Ob die Kutsche das Speed Limit erreicht?
Dreiradfahrer vor Shipshewana
Radlerin bei Shipshewana
Die Landschaft auf der Fahrt nach Goshen ist wie geschleckt, die Grashalme werden offenbar einzeln mit der Nagelschere auf Fasson gebracht. Immer wieder begegnen wir Kutschen der Amish. Irgendwie kommen wir da nicht ganz klar, inwieweit der Verzicht auf moderne Technik noch echte Überzeugung oder nur Folklore ist (vielleicht auch mit dem Ziel, die weiblichen Gemeindemitglieder durch ausreichend Hausarbeit kleinzuhalten). Denn auf dem Rückweg haben wir einmal eine junge Frau, einmal ein Mädchen von etwa 12 Jahren gesehen, die in typischen Amish-Kleidern und Kopfhauben mächtige Motorrasenmäher vor sich hergeschoben haben.
Aus unserer Picknickeuphorie wird nur teilweise etwas. Der Farmers Market in Goshen ist im Vergleich zu dem, was wir bisher gewohnt waren (z.B. in St. Jacobs bei Kitchener) eine riesige Enttäuschung. Einige wenige Stände in einem Gebäude, keine Wurstwaren, der Käse ist vorwiegend aus Europa (Holland, Dänemark, Frankreich, Italien usw.), die letzten krustigen Brötchen werden Marianne vor der Nase weggekauft. Dafür gibt es tolle kleine Tomaten. Mit einer internationalen Käseauswahl (Smoking Goat aus Spanien, St. Paulin aus Frankreich und Kuh- und Schafsfrischkäse mit Honig und Feigen aus NY), mäßiger Baguette und in einem nahen Bio-Supermarkt zugekaufter Salami fahren wir zurück, um dann doch unser Picknick bei knapp 30° C auf den Schaukelstühlen auf der Porch zu genießen und die Tagesabschlußarbeiten zu erledigen.
Goshen, Farmers Market
Goshen, Millrace Canal
Middlebury, Amishe mit Motormäher
Middlebury, Werbung für "Dutchman Essenhaus"
Shipshewana, Amish Kutsche
Shipshewana, Terrassenpicknick
190 mi