Tag 4: Dienstag, 11.10.05Heute müssen wir sehr früh aufstehen, was uns dank des noch immer latent vorhandenen Jetlags nicht ganz so schwer fällt. Wäre da nicht die Kälte! Wir ziehen uns warm an, der Bryce Canyon, unser heutiges Ziel, liegt auf ca. 2500 m Höhe und das macht sich bei den Temperaturen bemerkbar, es sind nur 4° C. Am Auto ist dann erst einmal Eiskratzen angesagt, worauf wir gar nicht eingestellt sind, weshalb wir unseren NP-Pass dafür zweckentfremden.
Wir sind pünktlich im Park, am Eingang will noch niemand unseren Pass sehen. Es ist kein Problem einen Parkplatz am Sunrise-Point zu finden, obwohl sich doch schon einige Menschen an den Aussichtspunkten postiert haben. Insbesondere die professionellen Fotografen haben sich schon an den besten Plätzen mit ihrer Ausrüstung aufgebaut. Ich bin sehr froh, dass ich meine Wintermütze und Handschuhe dabei habe. Sie geben mir zwar ein sehr winterliches Aussehen aber machen das Warten auf die aufsteigende Sonne erträglich. Wir laufen eine Weile am Rim entlang bis auch wir einen geeigneten Flecken für die Sonnenaufgangsbetrachtung finden. Stephan baut das Stativ auf und knipst fleißig als die Sonne erst die oberen Spitzen und dann nach und nach den Rest der Sandsteinsäulen in ein wunderbar warmes Licht taucht und zum Glühen bringt.
Dabei frieren ihm fast die Finger ein, so dass ich ihm nach einer Weile meine Handschuhe geben muss. Ja ja, aber vorher hat er mich für meine Winterausrüstung belächelt! Nach ca. 20 Minuten ist der Zauber auch schon vorbei und wir gehen zum Auto zurück, um uns aufzuwärmen und uns ein Frühstück aus selbstgeschmierten Bagels schmecken zu lassen. Es ist nicht luxuriös aber lecker und wir sind überaus zufrieden mit der Gesamtsituation. Es ist ein wunderschöner klarer Tag und die bizarre Schönheit der roten und gelben Sandsteinformationen lockt zu weiterer Entdeckung.
Wir laufen am Rim entlang zum Sunset-Point, um dort auf dem Navajo-Trail in den Bryce-Canyon hinabzusteigen. In steilen Kehren geht es Meter um Meter nach unten und wir sind fast allein mit den Felsen. Unten angekommen reizt ein Baum in den Felswänden Stephans Fotografenambitionen und das Stativ wird einmal mehr aufgebaut. Stephan kniet sich in den roten Sand, was gleich deutliche Spuren auf seiner Hose hinterlässt und knipst sein „masterpiece“. Bei der Wanderung im Canyon fällt es wirklich schwer, aus der unerschöpflichen Vielfalt an Motiven auszuwählen. Alle paar Meter tut sich wieder eine faszinierende Perspektive auf und auch ich komme mit meiner Digitalkamera nicht aus dem Fotografieren heraus.
Der Bryce Canyon ist keine Schlucht im engeren Sinne, sondern die verwitternde Kante der Pink Cliffs, einer 50 bis 60 Mio. Jahre alten Formation des Colorado-Plateaus. Das Gestein besteht aus verschiedenen Sedimenten, die unterschiedlich schnell verwittern und darum die typischen hoodoos bilden. Die ersten Siedler waren den Naturschönheiten gegenüber etwas pragmatischer eingestellt als heutige Besucher, wie der Ausspruch des Mormonen Ebeneezer Bryce beweist, der Canyon sei „ein verdammt schlechter Ort, um eine Kuh zu verlieren“. An einigen Stellen kann man sehen, welches Schicksal den Park in ferner Zukunft ereilen wird. Hier sind die Formationen schon zu Sand zerfallen und bilden nun große Dünen.
Auf dem Queens Garden Trail wandern wir dann langsam wieder aus dem Canyon hinaus. Der Anstieg ist hier nicht so steil wie auf dem Navajo-Trail aber auf Dauer anstrengend genug. Inzwischen ist es auch deutlich wärmer geworden, so dass ich mich Lage um Lage meiner Kleidung entledige, natürlich aber nicht gänzlich. Es kommt uns ein Pärchen entgegen, das einen Kinderwagen bergab schiebt. Wir hoffen, dass den Eltern klar ist, dass sie diesen dann auch wieder hinauf bringen müssen, was ein ziemlicher Kraftakt sein dürfte. Aber das soll nicht unser Problem sein, denn wir kommen glücklich, wenn auch etwas außer Puste, nach 2 Stunden wieder oben am Sunrise-Point an. Obwohl wir noch viel mehr Zeit im Park verbringen könnten, soll uns dieser schöne erste Eindruck genügen.
Wir fahren aus dem Park hinaus und können nun die Strecke nach Tropic noch einmal bei Tageslicht erleben. Die Landschaft gefällt uns sehr gut, während wir uns in Richtung Cottonwood Canyon Road weiterbewegen. Den Kodachrome Basin State Park lassen wir aus Zeitgründen buchstäblich links liegen und fahren auf diese vielbeschriebene und vielgelobte Offroad-Strecke. Die Kondition der Straße sollte sehr gut sein, da es schon lange nicht mehr geregnet hat und auch nicht danach aussieht, als würde es in absehbarer Zeit regnen. Ein wolkenloser tiefblauer Himmel spannt sich über uns, Urlaubs- und Foto-Traumwetter! Gleich zu Anfang kommen wir an einen Wash, der etwas Wasser führt. Da müssen wir durch und mit unserem Trailblazer ist das auch überhaupt kein Problem. Stephan besteht allerdings darauf, dass wir dieses „Abenteuer“ für ein Foto noch mal inszenieren. Also muss ich aussteigen, er fährt zurück und gleich noch einmal durch, was ich fotografisch festhalte. So ein Urlaub will ja schließlich dokumentiert sein!
Wir wollen zum Grosvenor Arch und wissen nur, dass er linkerhand der Straße liegen muss. Also nehmen wir den nächsten Abzweig nach links, der aber nicht zum Arch führt. Das macht in dieser Gegend nichts, die Landschaft ist überall so faszinierend, dass sogar noch das Sich-Verfahren Spaß macht. Eine Weile später finden wir dann noch zum Grosvenor Arch und nutzen erst einmal eine freie Picknickbank für unsere Lunch Break vor herrlicher Kulisse. Dann laufen wir zum Arch, um noch mehr Fotos zu schießen.
Allerdings haben wir den Eindruck, dass es sich hier nicht gerade um einen Geheimtipp handelt, als wir ankommen stehen schon 3 Autos da und es kommen auch noch weitere dazu. Wir sind offensichtlich nicht die Einzigen, die sich für diese Landschaften begeistern können. Bisher war Stephan gefahren, jetzt bin ich an der Reihe. Ich habe keine Erfahrung mit Off-Road-Fahrten aber die Straße ist völlig unproblematisch, so dass ich mich auch traue. Es macht wirklich Spaß und wir kommen gut voran und genießen die ständig wechselnden Landschaftsbilder. Es kommen uns auch immer wieder Fahrzeuge entgegen, auch normale Pkw, allerdings könnte ich mir vorstellen, dass die Strecke mit einem SUV doch mehr Spaß macht.
An einem Canyon halten wir an und erkunden ihn ein Stück. Die Gewalt des Wassers ist am Felsen deutlich abzulesen und ich möchte mir gar nicht vorstellen, wie es ist, wenn eine Flashflood hier durchschießt. In dieser Hinsicht besteht aber überhaupt keine Gefahr, denn das Wetter ist einfach nur perfekt. Kurz vor dem Ende der Cottonwood Canyon Road durchfahren wir richtige Badlands, die in ihrer Kargheit ebenfalls faszinieren. Auf der # 89 biegen wir nach rechts und fahren Richtung Kanab. Unser nächster Halt gilt der Paria Contact Station, wo wir uns beim Ranger nach Wave-Permits erkundigen wollen. Wie erwartet sind sie für den nächsten Tag schon vergeben, auch die Zahlen der Bewerber der letzten Tage sind nicht gerade verheißungsvoll: es waren immer so ca. 30 Bewerber auf die 10 verfügbaren Permits. Egal, wir werden unser Glück am morgigen Tag trotzdem versuchen und lassen uns schon mal ein Anmeldungsformular mitgeben, das wir ausfüllen können.
Es ist noch nicht spät und so schieben wir einen weiteren Stopp am Pariah Movie Set ein. Während uns die Landschaft mit den vielen verschiedenfarbigen Gesteinsschichten wieder restlos begeistert, reißt uns das Movie Set nicht so vom Hocker. Es sind nur 2 Gebäude, die neu aufgebaut sind und nun Wildwest nachahmen. Auf dem Parkplatz sitzt auf einem Campingstuhl eine BLM-Praktikantin, die uns zum Ausfüllen eines scheinbar endlosen Fragebogens über die Arbeit des BLM überredet. Im Gegenzug beantwortet sie unsere Fragen zur Pariah-Ghosttown, von der am Fluss noch wenige Überreste zu sehen sein müssen. Das interessiert Stephan und so fahren wir, als endlich das letzte Kreuzchen gemacht ist, dorthin. Auf sandiger Piste geht es durch Gestrüpp auf den Fluss zu, auf der anderen Seite sind Überreste von Hütten zu erkennen. Zu Fuß kommen wir allerdings nicht trocken über den Fluss. Reifenspuren zeigen, dass schon mal jemand den Fluss gequert hat, das können wir auch. Sogar zweimal, was nötig wird, um wieder mal ein Foto zu inszenieren. Diese Touristen!
Auf der anderen Seite geht es für uns dann die letzten Meter zu Fuß weiter. Hier gefällt es Stephan, die wenigen Überreste sind authentisch, kein Zaun drum herum und es hat sich auch niemand die Mühe gemacht, irgendwas zu restaurieren oder wieder aufzubauen. Entsprechend wenig ist übrig.
Nachdem wir alles ausgekundschaftet haben, geht es zurück und wieder durch den Fluss. Wir können es kaum glauben, aber jetzt kommt uns ein Pkw entgegen. Die Flussquerung sollte er aber lieber sein lassen, auf der anderen Seite gibt es einen ziemlich hohen Absatz, der mit normalem Pkw unangenehm werden könnte. Für uns hat sich der Ausflug jetzt auf jeden Fall gelohnt und wir fahren zufrieden zurück zur # 89.
Kurz vor Kanab erreichen wir unser heutiges Tagesziel, das Utah Trails Resort, eine Ansammlung von Teepees, in denen man übernachten kann. Zunächst ist niemand zu sehen, dann finden wir doch noch die ältere Frau, die offensichtlich den Laden schmeißt. Sie zeigt uns unser Teepee und bringt uns unsere Matratzen und Schlafsäcke. Wir sind die einzigen Gäste, was auch daran liegen könnte, dass die Saison für Im-Freien-Schlafen eindeutig vorbei ist. Das Teepee ist unten quasi offen und ich habe nun doch etwas Bedenken, dass es nachts zu kalt werden könnte. Aber da muss ich jetzt durch. Die Frau fragt noch, ob wir gegen Extra-Charge von $ 10 ein Abendessen möchten, was wir aber ablehnen. Wir wollen noch einmal nach Kanab reinfahren. Vorher laufen wir noch den hauseigenen Trail, der zu einem Hügel mit einem medicine wheel führt. Hier gibt es einige Erläuterungen zur indianischen Tradition der medicine wheels, die für uns sehr interessant sind, wenn man auch zugeben muss, dass die wahre Bedeutung dieser Anlagen nicht eindeutig entschlüsselt ist. Der Sonnenuntergang taucht das rote Felsmassiv hinter den Teepees in ein warmes Licht, ein ziemlich spektakuläres Schauspiel.
In Kanab habe ich den Eindruck, dass wir uns wirklich in der tiefsten Provinz befinden, die Leute an der Tankstelle sehen ultimativ nach Redneck aus. Zum Abendessen gehen wir ins Nedra’s Restaurant. Auch hier ist alles sehr ländlich, eine der Kellnerinnen hat so einen Stiernacken, dass man sich fürchten könnte. Scary beyond all reason! Wir sind offensichtlich nicht die einzigen deutschen Touristen hier. Ein Paar besitzt die Unverfrorenheit, statt am angewiesenen Tisch an einem anderen Tisch sitzen zu wollen und irritiert die Kellnerin damit sichtlich. Sie haben sich aber durchgesetzt. Bei Stiernacken hätten sie sich das vielleicht nicht getraut. Als dessert muss ich natürlich die auf der Karte verzeichnete „deep fried ice cream“ bestellen. Zwei Minuten später steht ein Monstrum von Nachtisch vor mir. Eine riesige Kugel Eis mit dicker frittierter Kruste ruht in einem ebenfalls deep fried Taco, umgeben von einem Meer aus Karamelsauce und getoppt von einer Riesenladung Sahne! Ich sage nur so viel: ich habe nicht aufgegessen und das war wohl auch besser so. Zurück am Teepee bereiten wir uns im Waschraum auf die Nacht vor, ich ziehe mich warm an, denn ich befürchte, sehr zu frieren. Das Gegenteil ist der Fall, ich muss nachts noch Sachen ablegen, weil mir im dicken Schlafsack viel zu heiß ist. Ich schlafe allerdings trotzdem nicht sehr gut, der Schlafsack liegt schwer wie ein Stein auf mir und als leidenschaftliche Nicht-Camperin ist die ganze Situation zu ungewohnt, um 8 Stunden am Stück wie ein Baby durchzuschlafen. Trotzdem möchte ich die Erfahrung nicht missen, es ist wirklich ein besonderes Übernachtungserlebnis!
Übernachtung: Utah Trails Resort, 84 Euro