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Autor Thema: 5000 Meilen durch den Westen der USA - Oktober 2005  (Gelesen 17571 mal)

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Ole Miss

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Re: 5000 Meilen durch den Westen der USA - Oktober 2005
« Antwort #30 am: 13.12.2005, 10:20 Uhr »
Schön, dass sich so viele Mitfahrer finden, wir sind ja schon ein richtiger Korso!  :lol:


Tag 5: Mittwoch, 12.10.05

Morgens bin ich im Teepee hin- und hergerissen. Einerseits bin ich froh, dass die Nacht vorbei ist und ich aufstehen kann, andererseits ist es so kalt, dass ich gar nicht aus dem warmen  Schlafsack raus möchte. Stephan geht es genauso. Wir haben 6° C, wie wir auf unserem Reisewecker, der praktischerweise auch Temperaturanzeige hat, ablesen können. Schließlich fordert ein menschliches Bedürfnis sein Recht, so dass ich mich dazu durchringen kann, aufzustehen und mir etwas Wärmeres anzuziehen, um zu den Restrooms hinüberzugehen. Aufgrund der Kälte gibt es für uns heute nur eine Katzenwäsche, zum Duschen kann sich niemand aufraffen.
Kurz darauf taucht auch die Managerin des Resorts, Deborah, auf und beginnt, ein Frühstück zuzubereiten. Es gibt warmen Tee, Waffeln, Cornflakes und Toast im Freien. Erneut kommen meine Handschuhe zum Einsatz, ich bin wirklich eine Frostbeule. Der Sonnenaufgang lässt den Himmel pink und rosa erstrahlen, allerdings ist er nicht wolkenlos wie gestern. Wir unterhalten uns ein wenig mit der Resort Managerin, die uns erzählt, dass das Resort zum Zion NP umziehen wird, weil dort mehr business ist.
Gegen 8.00 Uhr drängen wir zum Aufbruch, denn wir müssen heute pünktlich vor 9.00 Uhr an der Paria Contact Station sein und wollen kein Risiko eingehen. Wir erreichen die Station gegen 8.45 Uhr und geben das Formular ab, das ich schon ausgefüllt habe. Aus purem Aberglauben habe ich nicht meinen sondern Stephans Namen auf das Formular geschrieben, ich habe bei Verlosungen nie Glück. Wie zu erwarten war, sind auch heute wieder viele Leute hier, die eine Permit ergattern wollen. Eine Minute vor neun tauchen noch mal vier Leute auf, die es rennend gerade noch on time hinein schaffen und dadurch mit in die Verlosung kommen. Sehr zum Verdruss aller übrigen Anwesenden, die ihre Chancen geschmälert sehen. Es werden sogar Witze gemacht, dass man ja die Tür hätte zuhalten können. Den beiden Rangern scheint die große Lotterie-Stimmung auch viel Spaß zu machen und sie schreiten nun zur Auslosung. 27 Personen bangen und bibbern, ob sie zu den glücklichen 10 gehören werden, einige davon bereits zum zweiten Mal!
Der erste Name wird genannt, 2 Permits sind weg, der zweite Name wird genannt, wieder sind 2 Permits weg, der dritte Name wird genannt… es ist unser! Ich mache einen mentalen Freudensprung und grinse Stephan an, der sich auch sichtlich freut, nicht zuletzt weil er sich schon vor meiner Laune fürchtete, sollten wir keine Permit ergattern. Nach uns bleiben also noch 4 Permits, von denen 3 beim nächsten Namen weg sind. So bleibt die berühmte einzelne Permit übrig. Zwei Pärchen werden ausgelost und lehnen jeweils ab, weil sie nur zu zweit gehen wollen. Schließlich wird ein älterer Texaner ausgelost, der allein unterwegs ist und natürlich sofort annimmt. Vom Ranger erhalten wir eine detaillierte Wegbeschreibung mit Farbfotos und Topomap, zusätzlich erklärt er den Weg auch noch mal und beantwortet Fragen. So ausgestattet dürfte es am morgigen Tag kein Problem sein, die Wave zu finden.
Da wir nun einmal hier sind, beschließen wir einem Geheimtipp von Steffen Synatschke zu folgen, der genau gegenüber der Station beginnen soll. Wir wollen in die Rimrocks zum Hoodoo Forest und laufen wie angegeben durch das Tor auf öffentliches Land. Das Gelände ist hier flach und einfach und wir sind guter Dinge. Die Beschreibung ist allerdings nicht wirklich detailliert und je weiter wir laufen, umso unsicherer werden wir. Allerdings sehen wir noch Fußspuren, was wieder ein bisschen Mut macht. Das Gelände wird hier auch schwieriger und wir müssen 2 Canyons queren, was ein ziemliches Gekraxel ist. Nach einer Stunde geben wir entnervt auf, wir sind zu einem Felsplateau geklettert, aber es gibt nur 3 wenig spektakuläre Hoodoos hier, die wir einfach trotzdem zur Sehenswürdigkeit deklarieren, nämlich zu den Three Kings. So!
Ich bestehe darauf, zurückzugehen, denn ich habe die Lust verloren weiter zu suchen. Nach insgesamt 2 Stunden sind wir wieder am Auto zurück. Wahrscheinlich sind wir zu weit nach links gelaufen, aber das ist uns jetzt auch egal, wir wollen Hoodoos sehen! Deshalb fahren wir zum Toadstool Hoodoo, dessen Wegbeschreibung wesentlich detaillierter ist und der selbst für Anfänger wie uns zu finden sein müsste. Der Parkplatz dafür ist leicht gefunden und viele Fußspuren zeigen, dass der Weg oft gegangen wird. Wir finden uns ohne Probleme zum Ziel und diesmal lohnt es sich auch richtig, denn die Formationen sind sehr eindrucksvoll.



Im Anschluss fahren wir am Lake Powell vorbei, der nur wenig Wasser hat. Er ist der zweitgrößte künstliche See der USA und seine in vielen Seitencanyons verlaufende Uferlinie ist länger als die westliche Küstenlinie der USA. Wir wollen zum Antelope Canyon, der dank der markanten drei Türme des Kraftwerks als Orientierungspunkt ebenfalls schnell gefunden ist. Wir entscheiden uns für den Lower Antelope Canyon und parken unser Auto auf dem fast leeren Parkplatz. Eine junge Indianerin sitzt im Kassenhäuschen und kassiert die Eintrittsgebühr von $ 37 für zwei Personen. Wir sind darauf vorbereitet, dass es so teuer ist, sonst hätte uns dieser Preis wohl doch abgeschreckt.
Mit einem indianischen Führer gehen wir zum Einstiegspunkt in den Canyon, vorbei am Gedenkstein für die 1997 in einer Flashflood umgekommenen Touristen. Ich bin froh, dass wir eine so gute und stabile Wetterlage haben. So brauche ich mir keine Sorgen machen und kann mich ganz ohne mulmiges Gefühl auf die Schönheit des Canyons konzentrieren. Der schmale Spalt im roten Felsen lässt nicht mal im Entferntesten erahnen, welch ein Kunstwerk der Natur sich in ihm verbirgt. Man glaubt ja kaum, dass man hindurch passt aber es geht dann doch erstaunlich gut. Über Metalltreppen tauchen wir in die Wunderwelt ein, die uns sofort in ihren Bann schlägt.



Langsam tasten wir uns durch die unzähligen Windungen des Canyons und bestaunen die Formenvielfalt. Allerdings ist das Gestein nicht so rot, wie es auf vielen Fotos zu sehen ist. Da müssen die Fotografen doch etwas nachgeholfen haben oder sie hatten besseres Licht als wir. Wir gehen ganz bis zum Ende, wo wir auf einen weiteren indianischen Guide treffen, der zwei Amerikanerinnen begleitet. Ihr Gespräch dreht sich um Politik und der Guide erklärt, dass die Indianer den Columbus-Day nicht feiern, weil Columbus der „größte Terrorist der Geschichte“ ist. Nun ja, aus indianischer Sicht sind Columbus’ Entdeckungen wohl nicht als Heldentaten einzuschätzen. Er erzählt außerdem, dass die Indianer jeden Morgen durch den Canyon laufen und ihn von Schlangen „säubern“ bevor die Touristen kommen. Dabei dürfen Männer, deren Frauen schwanger sind, diese Arbeit nicht machen, weil der Kontakt mit einer Schlange ein schlechtes Omen für das Kind und die Familie wäre.
Der Rückweg ist nicht minder spannend als der Hinweg, auch wenn es jetzt bergauf geht und man an einigen Metallstufen ganz schön klettern muss. Wir bereuen es nicht, die $ 37 ausgegeben zu haben, das Erlebnis war es auf jeden Fall wert.
Die Fahrt führt uns weiter zur Horseshoe Bend. Die kurze Wanderung zum Aussichtspunkt ist ok, im Oktober sind die Temperaturen sehr angenehm, aber es ist dennoch vorstellbar, wie unerträglich es hier in der Sommerhitze sein muss. Der Blick auf die Bend ist grandios, obwohl ich mich überwinden muss, näher an den Rand zu gehen.



Ganz ohne Absperrungen ist diese mehrere hundert Meter hohe Abbruchkante für mich ziemlich respekteinflößend. Da ich nicht aufrecht bis an die Kante laufen kann, weil ich fürchte, dass mir schwindlig wird und meine Knie den Dienst versagen, muss ich auf allen Vieren bis an die Kante, wo ich auf dem Bauch liegend Fotos mache. Das sieht sicherlich lustig aus, aber so kriegt man eine passable Sicht auf die Bend und das weiße Ausflugsboot, das winzig wie ein Spielzeugboot unten auf dem Fluss vorbei fährt.



Drei ältere Amerikaner sind ebenfalls anwesend. Einer von denen ist ein Scherzbold und meint, dass die Klippe, auf der ich liege, aussieht als könnte sie abbrechen. Ich lache tapfer mit, obwohl ich das eigentlich nicht so lustig finde. Aber er bietet gleich an, Fotos von uns zu machen, was mir schon sympathischer ist. Auch dabei wird wieder viel rumgescherzt, von wegen wir sollten noch einen Schritt zurückgehen etc… Die Frau in der Gruppe hat offenbar so sehr Höhenangst, dass sie nicht mal dicht genug an die Kante geht, um die Bend überhaupt zu sehen. Da verpasst sie eindeutig etwas!
Wir fahren nach Page zurück und holen uns, bevor wir im Motel 6 einchecken, noch ein bisschen Stärkung bei Taco Bell. Die Meinungen zur Qualität des Essens dort gehen ja auseinander, aber wir gehören zu den Fans. Im Motel 6 ist der Pool schon „closed for the season“, schade, warm genug für einen Poolbesuch wäre es. Die Keycard im Motel 6 funktioniert nicht gleich, aber beim zweiten Anlauf klappt es und wir können uns mit Grande Burrito und Co. eine Pause gönnen. Lecker! Irgendwann haben wir dann genug rum gelümmelt und machen uns noch einmal auf den Weg an den See, den wir bisher eher links liegen gelassen haben.
Zum Sonnenuntergang fahren wir zum Antelope Point. Es stellt sich als Fehler heraus, von den Mittagstemperaturen ausgehend, kurze Sachen zu tragen, denn am See ist es bei schon sehr tiefstehender Sonne und etwas Wind ziemlich frisch. Entsprechend kurz fällt unser Aufenthalt dann aus, das Baden im See verkneifen wir uns ganz, stattdessen bewundern wir kurz den See und die vielen Hausboote und brechen dann wieder auf. Abends ist endlich auch mal Walmart-Shopping dran, wir brauchen noch ein paar Kleinigkeiten und wollen ein paar Digitalbilder als Postkarten ausdrucken. Zum Abendessen gehen wir in die Dam Grill & Bar. Das Restaurant ist nett eingerichtet, an den Wänden hängen Fotos vom Bau des Glen Canyon Staudamms. 7500 Beschäftigte arbeiteten auf der Baustelle am Glen Canyon Damm und der Ort Page entwickelte sich aus dem dazugehörigen Arbeitercamp. Das Essen im Dam Grill & Bar ist verhältnismäßig teuer aber seinen Preis wert. So klingt ein weiterer Urlaubstag gemütlich aus.

Übernachtung: Motel 6 Page, 43 Euro

AndyOne

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Re: 5000 Meilen durch den Westen der USA - Oktober 2005
« Antwort #31 am: 13.12.2005, 11:05 Uhr »
schön das es weiter geht, bin schon gespannt wie Euch die Wave gefällt. Den Weg zu finden dürfte mit den Unterlagen vom BLM ein Kinderspiel gewesen sein.

Ich glaube in den Pool wärt ihr trotz angenehmen Lufttemperaturen freiwillig nicht gegangen, der ist nämlich sehr kalt aufgrund den kalten Nächten.
bye
Andy

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fritz.s

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Re: 5000 Meilen durch den Westen der USA - Oktober 2005
« Antwort #32 am: 13.12.2005, 15:10 Uhr »
Hallo,

hoffentlich seit ihr gaaaanz lange unterwegs.  Bin ja vor ein paar Tagen bei euch zugestiegen und darf sagen, -auch wenn ich jetzt Prügel bekomme- dass sich euer Bericht wohltuendvon der Masse vieler schlechter Reiseberichte abhebt.

@schneewie
Mit meinen ca. 15 USA-Reisen und lumpigen neun Beiträgen hier bin ich doch noch ein Newbie bzw. Greenhorn. Oder???? :D

Viele Gruesse
fritz

Ole Miss

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Re: 5000 Meilen durch den Westen der USA - Oktober 2005
« Antwort #33 am: 13.12.2005, 15:23 Uhr »
@ AndyOne:

Das habe ich gar nicht bedacht, aber ist einleuchtend mit der Temperatur. Na, dann haben wir ja nichts verpasst. Der Pool liegt ja auch nicht so hübsch, so zur Straße hin.

@ fritz: Danke! Das geht ja runter wie Öl  :oops: und beruhigt mich auch, weil ich Befürchtungen hatte, dass mein detailversessener Schreibstil vielleicht eher abschreckt.

Ole Miss  :wink:

GreyWolf

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Re: 5000 Meilen durch den Westen der USA - Oktober 2005
« Antwort #34 am: 13.12.2005, 17:27 Uhr »
Wenn ich so die Berichte von den Verlosungen lese, befürchte ich fast, dass ich nie wieder zur Wave komme. Scheint immer mehr zu werden....

Zum Antelope Canyon: Also die Farben sind tatsächlich sehr rot - beim richtigen Licht. Anscheinend habt Ihr nicht das optimale Licht gehabt, was vielleicht an der späten Reisezeit liegt.
Wer schon immer mal wissen wollte, wie man früher gereist ist: Alte Reiseberichte

Crimson Tide

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Re: 5000 Meilen durch den Westen der USA - Oktober 2005
« Antwort #35 am: 13.12.2005, 18:45 Uhr »
"Die kurze Wanderung zum Aussichtspunkt ist ok, im Oktober sind die Temperaturen sehr angenehm, aber es ist dennoch vorstellbar, wie unerträglich es hier in der Sommerhitze sein muss. Der Blick auf die Bend ist grandios, obwohl ich mich überwinden muss, näher an den Rand zu gehen. " -----DAS kann ich bestätigen!


Hallo, Ole Miss!
Ich fahre auch mit, es macht Spaß, das zu lesen! Wir waren ca. 12 Wochen vor Euch da und hatten tagsüber eher mit der großen Hitze zu kämpfen! Am Horseshoe Bend hatten wir wohl so um die 37°c!
Aber ich glaube, ob man nun friert oder schwitzt, diese tollen An-und Aussichten genießt man einfach und vergißt in dem Moment die Hitze  :wink:
LG,
 Monika.

L.G. Monika

Kidrock

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Re: 5000 Meilen durch den Westen der USA - Oktober 2005
« Antwort #36 am: 13.12.2005, 19:49 Uhr »
Super toller Bericht!
Hättet ihr im Motel 6 gefragt ob ihr den Pool benutzen dürft,hätte man euch sicherlich ein Okay gegeben.Zumindest habe ich immer die Erfahrung gemacht.Vorrausgesetzt das Wasser im Becken ist bekommt man meistens ein "At your own risk"mit auf den Weg.Aber das ist eh gang und gebe bei Pool Besuchen.
"And its one more day up in the canyons
And its one more night in hollywood
If you think you might come to california...i think you should"
Counting Crows-a long December

sonny

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Re: 5000 Meilen durch den Westen der USA - Oktober 2005
« Antwort #37 am: 13.12.2005, 20:51 Uhr »
Hallo Ole Miss,

bin auch noch aufgesprungen  :D

Super Reisebericht !!!! War 2004 im Südwesten unterwegs......
Diese Teepee-Zelte hatten wir in Kanab auch besichtigt, uns dann aber doch für ein Motel entschieden  :lol: .

Was ich mich immer wieder frage, wie kann man nur im Zion, einen guten halben Tag sein  :shock:  ??? Naja, der Zion ist halt mein absoluter Lieblings-Park !!!!! 8)

Schöne Bilder !!! Weiter so !!!

Gruß

Sonny
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John D. Rockefeller

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Re: 5000 Meilen durch den Westen der USA - Oktober 2005
« Antwort #38 am: 13.12.2005, 21:25 Uhr »
Ich schnalle mich mal unters Auto, da wird ja wohl noch was frei sein!!! :rotierend:

Ich fliege nächstes Jahr das erste mal rüber, kanns kaum noch erwarten!!! :shock:

Gruss Andy

Westernlady

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Re: 5000 Meilen durch den Westen der USA - Oktober 2005
« Antwort #39 am: 13.12.2005, 21:30 Uhr »
Zitat von: Ole Miss

und beruhigt mich auch, weil ich Befürchtungen hatte, dass mein detailversessener Schreibstil vielleicht eher abschreckt.


Gerade so ein detailverliebter Schreibstil ist für mich das i-Tüpfelchen. Das macht den Bericht erst so richtig lebensnah  :D
Bitte weiter so  :D

Ole Miss

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Re: 5000 Meilen durch den Westen der USA - Oktober 2005
« Antwort #40 am: 14.12.2005, 12:40 Uhr »
Tag 6: Donnerstag, 13.10.05

Heute bin ich früh wach, denn heute geht es zur Wave und ich bin schon ganz aufgeregt! Stephan bleibt ganz cool und lässt sich Zeit, so dass ich ganz ungeduldig werde. Endlich fahren wir los, den ganzen Weg in Richtung Kanab zurück bis zur House Rock Road, die zum Trailhead Wire Pass führt. Von diesem Punkt startet die Wanderung zur Wave. Unterwegs überholen wir ein Wohnmobil, das unglaublich langsam fährt, was aber aufgrund des recht rauen Untergrundes durchaus nachvollziehbar ist. Am Parkplatz stehen schon einige Autos, wir machen uns wanderfertig, legen den einen Permit-Abschnitt ins Auto und befestigen den anderen am Rucksack. Ich kann es immer noch nicht glauben, dass wir die Permit ergattert haben.
Nach der obligatorischen Eintragung ins Register wandern wir durch den Coyote Wash bis zum Hinweisschild zu den Coyote Buttes North und eine alte Jeep Road hinauf, die vermutlich schon lange nicht mehr als solche genutzt wird. Über ein Plateau wandern wir auf die roten Felsen zu und dann wird auch die Landschaft interessanter und die Orientierung schwieriger. Wir laufen auf rotem und cremefarbenem Felsen und entlang von Formationen, die schon entfernt an die Wave erinnern. Die Twin Buttes als Orientierungspunkt sind nicht zu verfehlen und bald stehen wir vor dem letzten Aufstieg zur Wave.
Hier treffen wir zwei Leute wieder, die wir gestern schon in der Ranger Station gesehen haben. Ein junger Fotograf und ein älterer Texaner, die sich für die Tour zusammengefunden hatten. Der Texaner sieht schon ziemlich müde aus und ruht sich im Schatten aus. Wir gehen zusammen mit dem Fotografen den steilen Aufstieg im Sand an, während der Texaner noch verschnaufen will. Ich muss jedem Respekt zollen, der diese Wanderung in der Sommerhitze macht!!!
Oben angekommen erkunden wir völlig fasziniert die Wave und die Umgebung mit der Second Wave.



Die Landschaft ist völlig unwirklich und nicht von dieser Welt. Die Schichtungen des Gesteins, die Farbnuancen und die geschwungenen Formen lassen es kaum vorstellbar erscheinen, dass all das zufällig entstanden sein soll. Oberhalb der Wave lassen wir uns zu einer Pause nieder und können die Szenerie in Ruhe auf uns wirken lassen.



Der professionelle Fotograf hat schwer zu tun, er knipst, spricht die Aufnahmedaten in das Diktiergerät seiner Kamera, knipst wieder und wuselt völlig beeindruckt von einem Aussichtspunkt zum nächsten. Wir lassen uns anstecken, er macht uns auf interessante Perspektiven aufmerksam und ist sehr nett. Trotz seiner beeindruckenden Ausrüstung ist er nicht professionell verbissen. Der Texaner taucht dann auch irgendwann auf, er hat fast noch mal eine Stunde für den Aufstieg gebraucht und sieht nun echt fertig aus. Trotzdem eine beachtliche Leistung mit 68 Jahren! Auch er gibt sich kumpelhaft, klopft Stephan so sehr auf die Schulter, dass er ihm fast den Arm bricht und bietet an, Fotos von uns zu machen. Das Angebot nehmen wir dankend an. Eigentlich könnten wir noch Stunden hier bleiben, ohne dass uns langweilig werden würde. Es wird allerdings auch immer voller, da weitere Leute jetzt die Wave erreichen. Schweren Herzens machen wir uns auf den Weg, aber die Erinnerung an dieses wundervolle Erlebnis nehmen wir mit uns.
Auch der Rückweg durch die Landschaft ist einfach nur toll, wir sind richtig enthusiastisch und lassen uns auch von der sengenden Mittagssonne nicht beeindrucken.






Unterwegs kommen uns ein paar Amerikaner mit einem Kleinkind in einem Tragegestell entgegen. Das sieht wirklich anstrengend aus. Während wir so durch das Gelände gehen, meine ich, dass es eigentlich kein Wunder ist, dass man nie eine Schlange sieht, obwohl es hier ja welche geben müsste. Die sind ja alle weg bevor man sie sieht. Wir laufen durch den Wash zurück und sind in Gedanken schon fast beim Auto als 200 m vor dem Ende des Trails eine Schlange vor uns durch den Sand gleitet. Stephan ist begeistert, ich begegne Schlangen generell eher mit viel Respekt. Allerdings habe ich die Digitalkamera um den Hals baumeln und Stephan weist mich an, schnell ein Foto zu machen. Ich kann gerade noch auslösen, bevor sie in einem Busch verschwindet.



Sie kriecht aber nicht weiter sondern bleibt im Busch liegen, so dass Stephan jetzt fieberhaft bemüht ist, noch ein Foto mit der Spiegelreflexkamera von ihr zu bekommen. Es kommt, wie es kommen muss, Murphy’s Law schlägt voll zu. Der erste Versuch scheitert, weil der Film gerade zu Ende ist. Also wechseln wir ihn schnell, immer mit einem Auge bei der Schlange, die unbeeindruckt liegen bleibt. Vielleicht amüsiert sie ja der Anblick dieser Zweibeiner, die panisch den Film wechseln. Der zweite Versuch scheitert dann an der Meldung, dass die Batterien gewechselt werden müssen. Hmm, das Foto ist uns wohl nicht vergönnt. Stephan tauscht die Batterien aus. Jetzt aber! Mit dem Teleobjektiv fotografiert er unter den Busch, begleitet von meinen unruhigen Aufforderungen, er solle nicht so nah rangehen. Ich halte immer gern einen Mindestabstand von 3 m oder mehr zu Schlangen ein, den Stephan gerade deutlich unterschreitet. Schließlich gelingen noch zwei Bilder, allerdings ist es uns nicht gelungen, die Schlange zu identifizieren. Wir wissen nur, dass es keine Klapperschlange ist.
Hach, das war aufregend und ganz nach Stephans Geschmack, ich bin froh als wir endlich weiter gehen können. Das war auf jeden Fall eine absolut perfekte Tour und ein absolutes Highlight unserer gesamten Reise!
Wir fahren zurück zur 89 und wieder in Richtung Page, denn auf unserem Plan haben wir heute noch ein im wahrsten Sinne großes Highlight: den Grand Canyon. Ich hatte bei der Reiseplanung nicht wirklich daran geglaubt, dass wir eine Permit für die Wave bekommen würden, deshalb ist auch der Grand Canyon für heute vorgesehen. Ziemlich ambitioniert, ich gebe es zu! Am Glen Canyon Damm in Page machen wir noch einen Fotostopp, um den Damm und die Brücke auf den Film zu bannen. In Page ist dann das Mittagessen bei Taco Bell für uns obligatorisch bevor es weitergeht. Die Strecke ist zunächst ziemlich spektakulär als die Straße kurvenreich in die Ebene hinabführt. Unten ist die Strecke dann eher fad und eine Baustelle hält uns lange auf. An der Baustelle kommt es hinter uns fast noch zu einem Unfall, weil ein Auto nicht rechtzeitig zum Stehen kommt. Das sind wohl die Tücken des Tempomats, der Fahrer muss geschlafen haben, denn die auf riesigen Schildern angekündigten Baustellen sind ja kaum zu übersehen.
Glücklicherweise kann das Auto links an uns vorbei fahren bis es zum Stehen kommt. Davon abgesehen ist beim Warten auf die Durchfahrt gepflegte Langeweile angesagt, hier muss man wirklich Zeit einplanen. Schließlich geht es doch noch weiter, wir staunen, wie viele Menschen hier damit beschäftigt sind, Schilder zu halten, umzudrehen, im Jeep hin und her zu fahren. In Deutschland stehen da einfach nur zwei Ampeln.
Wir kommen an vielen Ständen vorbei, an denen Indianer-Souvenirs verkauft werden und amüsieren uns köstlich über die großen Werbeschilder, die uns mitteilen: „Chief Yellowhorse loves you!“, „Chief Yellowhorse sez stop now!“ und „Chief Yellowhorse sez turn around!“. Diesen Häuptling hätten wir ja gern mal kennen gelernt, aber wir haben unser Ziel vor Augen und kein Interesse an Indianerhandwerk. Auch den Hinweis „Friendly Indians ahead“ nehmen wir erleichtert zur Kenntnis, ist doch gut zu wissen, dass man nicht wie die alten Siedler gleich um die nächste Ecke skalpiert wird.
Endlich erreichen wir den Nationalpark, in dem erste Baumaßnahmen schon Veränderungen ankündigen. Der Park soll wie andere auch bald nur noch per Shuttle zu besuchen sein. Wir dürfen aber noch mit unserem Auto passieren und können an der schieren Größe der Parkplätze ermessen, auf welchen Andrang man sich hier einstellt. Schließlich ist der Grand Canyon eine Art natürliches Mekka für jeden nur halbwegs national gesinnten Amerikaner und ein definitives Must-see für Busgruppen und Individualtouristen aus aller Herren Länder. Kaum vorstellbar, dass der Armeeleutnant Ives bei der ersten Expedition auf dem Colorado River 1857 notierte: „Die Gegend ist … völlig wertlos. Wir waren hier die ersten Weißen, und werden zweifellos die letzten sein, die diesen nutzlosen Canyon besuchen“. Wie man sich irren kann!
Wir halten am Desert View Point, von dem aus man sogar den Colorado River sehen kann, wie er sich als kleines grünes Band am Boden des Canyons schlängelt. Es ist absolut unfassbar, dass dieses Flüsschen (denn nach mehr sieht es von hier oben nicht aus) diese Landschaft erschaffen haben soll. Der Grand Canyon ist 350 km lang und an seiner Oberkante durchschnittlich 20 km breit.



Ich bin definitiv beeindruckt von der Größe des Canyons, aber die Ergriffenheit bleibt aus. Ich fühle mich nicht so emotional berührt wie viele Touristen berichten, die das erste Mal am Rand des Canyons stehen. Stephan überträgt auch keine Euphorie auf mich, er war ja 1996 schon einmal hier und kennt den Anblick. Es ist ziemlich diesig, was die Fernsicht behindert und der Lärm der uns umgebenden Busgruppen stört mich. Zugegebenermaßen mag auch die Reizüberflutung eine Rolle spielen, schließlich ist es schon der zweite Höhepunkt an diesem Tag. In den vergangenen Tagen haben wir viele Sehenswürdigkeiten gesehen, die nur von verhältnismäßig wenigen anderen Touristen besucht wurden und bei denen es fast gar keine Busgruppen gab. Hier am Grand Canyon ist es mir, obwohl wir uns gar nicht in der Hochsaison befinden, ein bisschen zu viel Touristenrummel. Im Sommer wäre dieser Nationalpark wahrscheinlich der reinste Alptraum für mich. Wir fahren die weiteren Aussichtspunkte in Richtung Grand Canyon Village ab und halten pünktlich zum Sonnenuntergang am Mather Point. Mann, ist das voll hier. Aufgrund des Dunstes, der über dem Canyon liegt, ist das Farbspiel des Sonnenunterganges ziemlich blass. Der Trubel erlaubt es nicht, die Eindrücke in Ruhe auf sich wirken zu lassen.
Wir ergreifen bald wieder die Flucht und fahren zur Maswik Lodge. An der Rezeption dann der Schock: es liegt keine Reservierung für uns vor. Stephan beharrt darauf, gebucht zu haben und die Dame schaut noch einmal nach. Sie hatten eine Buchung für uns, aber die war für gestern und wir sind nicht aufgetaucht. Nun müssen wir einsehen, dass es unser oder besser gesagt Stephans Fehler ist, er hat für den falschen Tag gebucht. Na super, und was nun?
Im Nationalpark sind alle Unterkünfte ausgebucht, uns bleibt nichts anderes als hinaus zu fahren. Das passt überhaupt nicht in unsere Planung, denn wir wollen uns morgen noch mehr Zeit für den Grand Canyon nehmen und dann wieder in nördlicher Richtung weiterfahren. Ohne viel Hoffnung halten wir in Tusayan, wo wir wider Erwarten noch ein Zimmer im Quality Inn and Suites auftun, allerdings zum stolzen Preis von $140. Autsch! Das ist wirklich eine teure Nacht, zusammen mit dem Preis für das nicht in Anspruch genommene Zimmer kommen wir auf $ 210. Aber das ist immer noch besser als bis nach Flagstaff fahren zu müssen. Wir gehen zum Abendessen ins Tusayan Cafe, wo wir beim Warten noch ein paar Deutsche treffen und ein wenig plaudern. Das Cafe ist in Ordnung, aber nichts Außergewöhnliches. Während des Essens diskutieren wir eifrig, ob wir am nächsten Tag einen Rundflug machen sollten oder nicht und entscheiden uns in Anbetracht der schon entstandenen Kosten schließlich dagegen. Die Vernunft siegt! Todmüde gehen wir ins Bett, wo mich ein paar sehr lustige South Park-Folgen noch vom Schlafen abhalten, bis auch hier die Vernunft siegt.

Übernachtung: Quality Inn & Suites, 127 Euro

Ole Miss

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Re: 5000 Meilen durch den Westen der USA - Oktober 2005
« Antwort #41 am: 14.12.2005, 12:56 Uhr »
Zitat von: GreyWolf
Wenn ich so die Berichte von den Verlosungen lese, befürchte ich fast, dass ich nie wieder zur Wave komme. Scheint immer mehr zu werden....


Ja, es war ziemlich voll, aber ich glaube, das hat auch mit der Jahreszeit zu tun, Oktober ist halt optimal, weil die Temperaturen angenehm und die Luft klar ist. Das zieht auch viele Einheimische an, die im Sommer wahrscheinlich nicht gehen würden. Bei uns waren jedenfalls überwiegend Amerikaner bei der Verlosung.

LG,
Ole Miss  :wink:

Ole Miss

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Re: 5000 Meilen durch den Westen der USA - Oktober 2005
« Antwort #42 am: 14.12.2005, 12:59 Uhr »
Zitat von: Crimson Tide

Wir waren ca. 12 Wochen vor Euch da und hatten tagsüber eher mit der großen Hitze zu kämpfen! Am Horseshoe Bend hatten wir wohl so um die 37°c!
Aber ich glaube, ob man nun friert oder schwitzt, diese tollen An-und Aussichten genießt man einfach und vergißt in dem Moment die Hitze  :wink:  


Ich denke auch, für diese traumhaften Landschaftserlebnisse nimmt man so einiges in Kauf, die Sommerhitze hätte uns sicher auch nicht geschreckt, aber so war es natürlich perfekt!

Ole Miss  :wink:

Ole Miss

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Re: 5000 Meilen durch den Westen der USA - Oktober 2005
« Antwort #43 am: 14.12.2005, 13:03 Uhr »
Zitat von: Kidrock
Super toller Bericht!
Hättet ihr im Motel 6 gefragt ob ihr den Pool benutzen dürft,hätte man euch sicherlich ein Okay gegeben.Zumindest habe ich immer die Erfahrung gemacht.Vorrausgesetzt das Wasser im Becken ist bekommt man meistens ein "At your own risk"mit auf den Weg.Aber das ist eh gang und gebe bei Pool Besuchen.


Danke für das Lob. Über dem Pool war schon eine Plane, so dass das mit dem Baden nichts mehr geworden wäre, außer vielleicht ein paar Trockenschwimmübungen...  :lol:

Ole Miss  :wink:

Ole Miss

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Re: 5000 Meilen durch den Westen der USA - Oktober 2005
« Antwort #44 am: 14.12.2005, 13:08 Uhr »
Zitat von: sonny

Was ich mich immer wieder frage, wie kann man nur im Zion, einen guten halben Tag sein  :shock:  ??? Naja, der Zion ist halt mein absoluter Lieblings-Park !!!!! 8)  


Fand den Park wunderschön und wäre auch gern länger geblieben, das ließ sich aber mit dem Reisekonzept, sich einen Überblick über den Westen zu verschaffen, nicht vereinbaren. Das ist dann halt "Reisen mit dem Mut zur Lücke". Sonst hätten wir mindestens 6 Wochen gebraucht und es war schon schwer genug, Stephans Arbeitgeber die 3 Wochen abzutrotzen!  :evil:  :(

LG,
Ole Miss  :wink: