Tag 6: Donnerstag, 13.10.05Heute bin ich früh wach, denn heute geht es zur Wave und ich bin schon ganz aufgeregt! Stephan bleibt ganz cool und lässt sich Zeit, so dass ich ganz ungeduldig werde. Endlich fahren wir los, den ganzen Weg in Richtung Kanab zurück bis zur House Rock Road, die zum Trailhead Wire Pass führt. Von diesem Punkt startet die Wanderung zur Wave. Unterwegs überholen wir ein Wohnmobil, das unglaublich langsam fährt, was aber aufgrund des recht rauen Untergrundes durchaus nachvollziehbar ist. Am Parkplatz stehen schon einige Autos, wir machen uns wanderfertig, legen den einen Permit-Abschnitt ins Auto und befestigen den anderen am Rucksack. Ich kann es immer noch nicht glauben, dass wir die Permit ergattert haben.
Nach der obligatorischen Eintragung ins Register wandern wir durch den Coyote Wash bis zum Hinweisschild zu den Coyote Buttes North und eine alte Jeep Road hinauf, die vermutlich schon lange nicht mehr als solche genutzt wird. Über ein Plateau wandern wir auf die roten Felsen zu und dann wird auch die Landschaft interessanter und die Orientierung schwieriger. Wir laufen auf rotem und cremefarbenem Felsen und entlang von Formationen, die schon entfernt an die Wave erinnern. Die Twin Buttes als Orientierungspunkt sind nicht zu verfehlen und bald stehen wir vor dem letzten Aufstieg zur Wave.
Hier treffen wir zwei Leute wieder, die wir gestern schon in der Ranger Station gesehen haben. Ein junger Fotograf und ein älterer Texaner, die sich für die Tour zusammengefunden hatten. Der Texaner sieht schon ziemlich müde aus und ruht sich im Schatten aus. Wir gehen zusammen mit dem Fotografen den steilen Aufstieg im Sand an, während der Texaner noch verschnaufen will. Ich muss jedem Respekt zollen, der diese Wanderung in der Sommerhitze macht!!!
Oben angekommen erkunden wir völlig fasziniert die Wave und die Umgebung mit der Second Wave.
Die Landschaft ist völlig unwirklich und nicht von dieser Welt. Die Schichtungen des Gesteins, die Farbnuancen und die geschwungenen Formen lassen es kaum vorstellbar erscheinen, dass all das zufällig entstanden sein soll. Oberhalb der Wave lassen wir uns zu einer Pause nieder und können die Szenerie in Ruhe auf uns wirken lassen.
Der professionelle Fotograf hat schwer zu tun, er knipst, spricht die Aufnahmedaten in das Diktiergerät seiner Kamera, knipst wieder und wuselt völlig beeindruckt von einem Aussichtspunkt zum nächsten. Wir lassen uns anstecken, er macht uns auf interessante Perspektiven aufmerksam und ist sehr nett. Trotz seiner beeindruckenden Ausrüstung ist er nicht professionell verbissen. Der Texaner taucht dann auch irgendwann auf, er hat fast noch mal eine Stunde für den Aufstieg gebraucht und sieht nun echt fertig aus. Trotzdem eine beachtliche Leistung mit 68 Jahren! Auch er gibt sich kumpelhaft, klopft Stephan so sehr auf die Schulter, dass er ihm fast den Arm bricht und bietet an, Fotos von uns zu machen. Das Angebot nehmen wir dankend an. Eigentlich könnten wir noch Stunden hier bleiben, ohne dass uns langweilig werden würde. Es wird allerdings auch immer voller, da weitere Leute jetzt die Wave erreichen. Schweren Herzens machen wir uns auf den Weg, aber die Erinnerung an dieses wundervolle Erlebnis nehmen wir mit uns.
Auch der Rückweg durch die Landschaft ist einfach nur toll, wir sind richtig enthusiastisch und lassen uns auch von der sengenden Mittagssonne nicht beeindrucken.
Unterwegs kommen uns ein paar Amerikaner mit einem Kleinkind in einem Tragegestell entgegen. Das sieht wirklich anstrengend aus. Während wir so durch das Gelände gehen, meine ich, dass es eigentlich kein Wunder ist, dass man nie eine Schlange sieht, obwohl es hier ja welche geben müsste. Die sind ja alle weg bevor man sie sieht. Wir laufen durch den Wash zurück und sind in Gedanken schon fast beim Auto als 200 m vor dem Ende des Trails eine Schlange vor uns durch den Sand gleitet. Stephan ist begeistert, ich begegne Schlangen generell eher mit viel Respekt. Allerdings habe ich die Digitalkamera um den Hals baumeln und Stephan weist mich an, schnell ein Foto zu machen. Ich kann gerade noch auslösen, bevor sie in einem Busch verschwindet.
Sie kriecht aber nicht weiter sondern bleibt im Busch liegen, so dass Stephan jetzt fieberhaft bemüht ist, noch ein Foto mit der Spiegelreflexkamera von ihr zu bekommen. Es kommt, wie es kommen muss, Murphy’s Law schlägt voll zu. Der erste Versuch scheitert, weil der Film gerade zu Ende ist. Also wechseln wir ihn schnell, immer mit einem Auge bei der Schlange, die unbeeindruckt liegen bleibt. Vielleicht amüsiert sie ja der Anblick dieser Zweibeiner, die panisch den Film wechseln. Der zweite Versuch scheitert dann an der Meldung, dass die Batterien gewechselt werden müssen. Hmm, das Foto ist uns wohl nicht vergönnt. Stephan tauscht die Batterien aus. Jetzt aber! Mit dem Teleobjektiv fotografiert er unter den Busch, begleitet von meinen unruhigen Aufforderungen, er solle nicht so nah rangehen. Ich halte immer gern einen Mindestabstand von 3 m oder mehr zu Schlangen ein, den Stephan gerade deutlich unterschreitet. Schließlich gelingen noch zwei Bilder, allerdings ist es uns nicht gelungen, die Schlange zu identifizieren. Wir wissen nur, dass es keine Klapperschlange ist.
Hach, das war aufregend und ganz nach Stephans Geschmack, ich bin froh als wir endlich weiter gehen können. Das war auf jeden Fall eine absolut perfekte Tour und ein absolutes Highlight unserer gesamten Reise!
Wir fahren zurück zur 89 und wieder in Richtung Page, denn auf unserem Plan haben wir heute noch ein im wahrsten Sinne großes Highlight: den Grand Canyon. Ich hatte bei der Reiseplanung nicht wirklich daran geglaubt, dass wir eine Permit für die Wave bekommen würden, deshalb ist auch der Grand Canyon für heute vorgesehen. Ziemlich ambitioniert, ich gebe es zu! Am Glen Canyon Damm in Page machen wir noch einen Fotostopp, um den Damm und die Brücke auf den Film zu bannen. In Page ist dann das Mittagessen bei Taco Bell für uns obligatorisch bevor es weitergeht. Die Strecke ist zunächst ziemlich spektakulär als die Straße kurvenreich in die Ebene hinabführt. Unten ist die Strecke dann eher fad und eine Baustelle hält uns lange auf. An der Baustelle kommt es hinter uns fast noch zu einem Unfall, weil ein Auto nicht rechtzeitig zum Stehen kommt. Das sind wohl die Tücken des Tempomats, der Fahrer muss geschlafen haben, denn die auf riesigen Schildern angekündigten Baustellen sind ja kaum zu übersehen.
Glücklicherweise kann das Auto links an uns vorbei fahren bis es zum Stehen kommt. Davon abgesehen ist beim Warten auf die Durchfahrt gepflegte Langeweile angesagt, hier muss man wirklich Zeit einplanen. Schließlich geht es doch noch weiter, wir staunen, wie viele Menschen hier damit beschäftigt sind, Schilder zu halten, umzudrehen, im Jeep hin und her zu fahren. In Deutschland stehen da einfach nur zwei Ampeln.
Wir kommen an vielen Ständen vorbei, an denen Indianer-Souvenirs verkauft werden und amüsieren uns köstlich über die großen Werbeschilder, die uns mitteilen: „Chief Yellowhorse loves you!“, „Chief Yellowhorse sez stop now!“ und „Chief Yellowhorse sez turn around!“. Diesen Häuptling hätten wir ja gern mal kennen gelernt, aber wir haben unser Ziel vor Augen und kein Interesse an Indianerhandwerk. Auch den Hinweis „Friendly Indians ahead“ nehmen wir erleichtert zur Kenntnis, ist doch gut zu wissen, dass man nicht wie die alten Siedler gleich um die nächste Ecke skalpiert wird.
Endlich erreichen wir den Nationalpark, in dem erste Baumaßnahmen schon Veränderungen ankündigen. Der Park soll wie andere auch bald nur noch per Shuttle zu besuchen sein. Wir dürfen aber noch mit unserem Auto passieren und können an der schieren Größe der Parkplätze ermessen, auf welchen Andrang man sich hier einstellt. Schließlich ist der Grand Canyon eine Art natürliches Mekka für jeden nur halbwegs national gesinnten Amerikaner und ein definitives Must-see für Busgruppen und Individualtouristen aus aller Herren Länder. Kaum vorstellbar, dass der Armeeleutnant Ives bei der ersten Expedition auf dem Colorado River 1857 notierte: „Die Gegend ist … völlig wertlos. Wir waren hier die ersten Weißen, und werden zweifellos die letzten sein, die diesen nutzlosen Canyon besuchen“. Wie man sich irren kann!
Wir halten am Desert View Point, von dem aus man sogar den Colorado River sehen kann, wie er sich als kleines grünes Band am Boden des Canyons schlängelt. Es ist absolut unfassbar, dass dieses Flüsschen (denn nach mehr sieht es von hier oben nicht aus) diese Landschaft erschaffen haben soll. Der Grand Canyon ist 350 km lang und an seiner Oberkante durchschnittlich 20 km breit.
Ich bin definitiv beeindruckt von der Größe des Canyons, aber die Ergriffenheit bleibt aus. Ich fühle mich nicht so emotional berührt wie viele Touristen berichten, die das erste Mal am Rand des Canyons stehen. Stephan überträgt auch keine Euphorie auf mich, er war ja 1996 schon einmal hier und kennt den Anblick. Es ist ziemlich diesig, was die Fernsicht behindert und der Lärm der uns umgebenden Busgruppen stört mich. Zugegebenermaßen mag auch die Reizüberflutung eine Rolle spielen, schließlich ist es schon der zweite Höhepunkt an diesem Tag. In den vergangenen Tagen haben wir viele Sehenswürdigkeiten gesehen, die nur von verhältnismäßig wenigen anderen Touristen besucht wurden und bei denen es fast gar keine Busgruppen gab. Hier am Grand Canyon ist es mir, obwohl wir uns gar nicht in der Hochsaison befinden, ein bisschen zu viel Touristenrummel. Im Sommer wäre dieser Nationalpark wahrscheinlich der reinste Alptraum für mich. Wir fahren die weiteren Aussichtspunkte in Richtung Grand Canyon Village ab und halten pünktlich zum Sonnenuntergang am Mather Point. Mann, ist das voll hier. Aufgrund des Dunstes, der über dem Canyon liegt, ist das Farbspiel des Sonnenunterganges ziemlich blass. Der Trubel erlaubt es nicht, die Eindrücke in Ruhe auf sich wirken zu lassen.
Wir ergreifen bald wieder die Flucht und fahren zur Maswik Lodge. An der Rezeption dann der Schock: es liegt keine Reservierung für uns vor. Stephan beharrt darauf, gebucht zu haben und die Dame schaut noch einmal nach. Sie hatten eine Buchung für uns, aber die war für gestern und wir sind nicht aufgetaucht. Nun müssen wir einsehen, dass es unser oder besser gesagt Stephans Fehler ist, er hat für den falschen Tag gebucht. Na super, und was nun?
Im Nationalpark sind alle Unterkünfte ausgebucht, uns bleibt nichts anderes als hinaus zu fahren. Das passt überhaupt nicht in unsere Planung, denn wir wollen uns morgen noch mehr Zeit für den Grand Canyon nehmen und dann wieder in nördlicher Richtung weiterfahren. Ohne viel Hoffnung halten wir in Tusayan, wo wir wider Erwarten noch ein Zimmer im Quality Inn and Suites auftun, allerdings zum stolzen Preis von $140. Autsch! Das ist wirklich eine teure Nacht, zusammen mit dem Preis für das nicht in Anspruch genommene Zimmer kommen wir auf $ 210. Aber das ist immer noch besser als bis nach Flagstaff fahren zu müssen. Wir gehen zum Abendessen ins Tusayan Cafe, wo wir beim Warten noch ein paar Deutsche treffen und ein wenig plaudern. Das Cafe ist in Ordnung, aber nichts Außergewöhnliches. Während des Essens diskutieren wir eifrig, ob wir am nächsten Tag einen Rundflug machen sollten oder nicht und entscheiden uns in Anbetracht der schon entstandenen Kosten schließlich dagegen. Die Vernunft siegt! Todmüde gehen wir ins Bett, wo mich ein paar sehr lustige South Park-Folgen noch vom Schlafen abhalten, bis auch hier die Vernunft siegt.
Übernachtung: Quality Inn & Suites, 127 Euro