5. Tag: 15.08.2018
„Dunkler Tannenwald dräute finster zu beiden Seiten des Wasserlaufs. Der Wind hatte kürzlich die weiße Schneedecke von den Bäumen gestreift, sodass sie aussahen, als drängten sie sich unheimlich finster in dem schwindenden Tageslicht aneinander. Tiefes Schweigen lag über dem Lande, das eine Wildnis war, ohne Leben, ohne Bewegung, so einsam, so kalt, dass die Stimmung darin nicht einmal traurig zu sein schien. Vielmehr lag ein Lachen darüber, ein Lachen schrecklicher als jede Traurigkeit, freudlos wie das Lächeln der Sphinx, kalt wie der Frost und grimmig wie die Notwendigkeit. Die unerbittliche, unerforschliche Weisheit des Lebens und seiner Anstrengungen. Es war die echte Wildnis, die ungezähmte, kaltherzige Wildnis des Nordens“ – aus „The Call Of The Wild“, Jack London
Haines Junction, Yukon – Tok, Alaska
Am frühen Morgen versucht Frank nochmals sein Foto-Glück am Dezadeash River. Obwohl mehr Wolken am Himmel sind, kann die Ausbeute sich sehen lassen.
Nach einem üppigen Frühstück in der Unterkunft wird frühzeitig ausgecheckt. Zum Abschied machen wir noch ein Foto der örtlichen Kirche.
Bevor wir uns endgültig auf den langen Weg nach Alaska machen, loggen wir nochmals in das Internet im Visitor Center ein. Außerdem wird vollgetankt; im Yukon und in Alaska sollte man darauf achten, dass der Tank nicht zu leer wird. Zwischen einigen Tankstellen liegen ganz schöne Entfernungen.
Heute gibt es einen reinen Fahrtag, den wir nur für kurze Fotostopps unterbrechen. Die Fahrt verläuft sehr ruhig, es sind erneut nicht viele Autos auf dem Alaska Highway unterwegs.
Es geht vorbei am Kluane Lake, den wir schon gestern besucht hatten. Relativ schnell erreichen wir den kleinen Ort Burwash Landing, in dem man an der Straße die weltgrößte Goldpfanne bewundern kann.
Am Kluane River Overlook halten wir vergeblich nach Tieren Ausschau. Die „Milepost“ hatte uns was das angeht mehr versprochen. Was wir tatsächlich sehen, sind eine Menge Wolken, die in Fahrtrichtung Alaska immer dichter werden.
Als nächstes halten wir im wirklich gigantischen Donjek River Valley nahe am Fluss. Es ist nicht übermäßig viel Wasser vorhanden, vermutlich sieht es hier im Frühsommer ganz anders aus.
Einige Zeit später erreichen wir den netten Pickhandle Lake; jetzt ist auch die Sonne zurückgekehrt.
Außerdem gibt es Wildlife: Zwei Enten! Wir sind schon etwas enttäuscht, dass das alles ist. Dafür ist es aber menschenleer. Wir sind total allein.
Ein paar Kilometer weiter kommen wir zum White River, der in der „Milepost“ als sehr gefährlich und für Boote ungeeignet beschrieben wird. Wir wollen ja auch nur vom Ufer aus fotografieren.
Bevor wir die Grenze erreichen, halten wir in Beaver Creek bei Buckshot Betty`s und stärken uns mit wirklich leckerem Kuchen und viel Kaffee. Die guten „Frank`s“ Saucen probieren wir nicht, müssen sie aber auf Fotos verewigen.
Außerdem bewundern wir die kleine „Our Lady of Grace mission“, die aus einer alten Nissenhütte entstanden ist. Nissenhütten sind nach dem Ingenieur Nissen benannt. Im Ruhrgebiet haben sie eine leicht abweichende Wortherkunft
.
Gut gestärkt erreichen wir das Grenzgebiet. Die echte Grenze ist durch eine schnurgerade Schneise im Wald gekennzeichnet.
Wir fotografieren schon mal das „Welcome to Alaska“- Schild, sind aber noch nicht eingereist.
Die echte Grenzstation erreichen wir etwa 500 Meter nach dem Schild. Wie immer steht vor der Einreise die Einreiseformalität. Wir hatten gedacht, eine Einreise in die USA auf dem Landweg sei ohne ESTA gut machbar. Ist sie grundsätzlich auch, dauert nur etwas länger, weil man aussteigen und einige Formulare ausfüllen muss. Die Grenzbeamten sind jedoch sehr freundlich und helfen, damit es schneller geht. Schließlich sind die Formalitäten erledigt und wir dürfen einreisen. Trotzdem sind wir uns anschließend im Auto mal wieder sicher, dass wir unser Europa ohne Grenzen auf jeden Fall behalten wollen.
Es geht weiter durch unendlich erscheinende Wälder. Sturmschäden werden hier offensichtlich nicht immer sofort behoben.
Unser nächster Anlaufpunkt ist das Tetlin National Wildlife Refuge. Dort gibt es eine herrliche Aussicht und im Visitor Center W-LAN, dass wir ausgiebig nutzen. Da wir relativ weit oben sind, kann man auch weit gucken. Bis zum Horizont erstreckt sich unberührte Natur.
Während der letzten Kilometer bis zu unserem Ziel, Tok, halten wir noch einmal kurz am Tanana River.
Tok selbst ist ein übersichtlicher und nicht sehr ansprechender Ort, liegt aber sehr verkehrsgünstig, da sich hier der Alaska Highway und der Glenn Highway kreuzen. Angeblich gibt es in Tok die größte Entzugsklinik in Alaska, wir sprechen aber lieber niemanden darauf an. Trotzdem oder gerade deshalb gibt es im Ort einen Liquor Store, in dem wir Alaskan Kölsch kaufen. Frank muss sogar seine ID an der Kasse vorlegen. Als er diese Aufforderung mit eine freundlichen „thank you“ erwidert, wirkt die Verkäuferin für einen kurzen Moment sogar amüsiert. Ansonsten lächelt sie eher wie bei uns in Westfalen üblich nach innen. Im Grocery Store decken wir uns anschließend mit einigen Lebensmitteln ein.
Heute haben wir eine Cabin im Garten einer Familie gebucht. Das schöne, große Grundstück liegt etwas außerhalb, lässt sich aber gut finden. Leider sind die Vermieter nicht da, aber es hängt eine freundliche Karte an der Haustür, also tun wir wie geheißen und belegen die Cabin.
Es gefällt uns alles wirklich sehr gut und wir fühlen uns sofort wohl.
Das Bad ist zum Glück nicht draußen im Wald.
Nach einiger Zeit fährt ein Auto vor, aus dem der etwa sechzehnjährige Sohn der Vermieter mit seinem Gewehr aussteigt. Er kümmert sich so gar nicht darum, dass wir vor der Cabin sitzen. Gut so, denn wir hatten schon ein bisschen Angst
. Kurz danach erscheint Debbie, die Vermieterin, und bringt uns zur Begrüßung zusätzlich zu den Lebensmitteln im Kühlschrank sehr leckere Pfannkuchen. Sie ist die erste wirklich freundliche Begegnung, die wir in Alaska haben. Da wir von der langen Fahrt total erledigt sind, sind wir sehr dankbar, dass wir genügend Essen haben und nicht mehr ausgehen müssen. Dass kein W-LAN und kein Fernseher vorhanden sind, ist uns völlig egal. Nach den gefühlt abertausenden Bäumen, Bergen, Flüssen und Seen hätten weitere Eindrücken in unserem Kopf keinen Platz mehr gefunden. Die Naturbeschreibungen Jack Londons stimmen offensichtlich heutzutage immer noch. Wir schaffen es gerade noch, einiges aufzuschreiben, um die Fotos besser zuordnen zu können und schlafen bereits kurz nach Sonnenuntergang zufrieden ein.
Cloudberry Cabin, 117 €
Gefahrene Kilometer: 491