Donnerstag, 4. Mai 2006Der Wecker vom Handy weckte mich um 5 Uhr. Nach Erledigung des morgendlichen Programms, warf ich Punkt 6 Uhr den Zimmerschlüssel in die dafür vorgesehene Box und fuhr zum Mono Lake. Es war verdammt frisch und ich zog mir noch meine Regenjacke über, die ich zur Vorsicht eh dabei hatte. Leider hatten sich die Wolken, die gestern im Laufe des Nachmittags aufgezogen waren, nicht verzogen, so dass genau dort, wo die Sonne eigentlich auftauchen sollte, ein dickes Wolkenband war
Tapfer harrte ich der Dinge, die da kommen würden
Das Schauspiel von Sonne und Wolken war sehr schön, leider hatte ich aber nur ein paar Mal wenige Minuten Zeit, um ein Bild von den im Morgenlicht leuchtenden Tufas zu machen. Aber auch wenn es nur weinige Momente waren, schön war es trotzdem und das frühe Aufstehen hat sich gelohnt
Dann fuhr ich nach Benton, welche heute meine erste Ghost Town werden sollte. Die Strecke über den Highway 120 ist sehr schön: Erst die Vulkanlandschaft, die durch die Mono Craters geschaffen wurde. Dann hat man eine Zeit lang das Gefühl, man befindet sich in der Nähe von Flagstaff: Viele Bäume und der Boden hat noch immer die graue Farbe der Vulkane. Danach könnte man glauben, dass nun der Chiricahua National Park anfängt und später wechselt man nach Utah, denn die Klippen eines Hochplateaus heben sich rot von der Umgebung ab. Wirklich eine sehr, sehr schöne Strecke und kaum befahren
Die Ghost Town Benton war mir nicht ghostig genug bzw. war noch zu neu, aber die Einwohner schienen gegen 9.30 Uhr noch in den Federn zu liegen
D.h. die Gebäude waren zwar relativ modern aber ausgestorben wirkte trotzdem alles. In Beton endete der Highway 120 und ich bog nach links auf den Highway 6 ab.
Über den Montgomery Pass erreichte ich dann Nevada. Die Straße führte schnurgerade in ein Tal und da war sie wieder: meine so heißgeliebte endlose Weite
Am Horizont sah man ein paar interessante Felsen. Ich versuchte gar nicht erst, diesen Eindruck mit der Digi einzufangen, es würde sowieso nicht gelingen.
Nachdem ich sehr lange geradeaus gefahren war, bog ich dann nach rechts auf die 265 ab und fuhr wieder sehr lange geradeaus. Irgendwie wirkte die Gegend so, als ob dort deutsche Ghost-Town-Jägerinnen auf Nimmerwiedersehen verschwinden könnten
Man hatte das Gefühl, dass – wenn überhaupt möglich - alles noch karger und einsamer wurde. Außer mir war dort gar niemand unterwegs. Es hätte mich überhaupt nicht gewundert, wenn plötzlich das “Titty Twister” aus “From Dusk Till Dawn” vor mir gestanden wäre
Eingelullt von der grellen Sonne, der schnurgeraden Straße und der Einöde fuhr ich mit den max. erlaubten 70 mph so vor mich hin. Die Hitze flimmerte über dem Asphalt. Dieser war an manchen Stellen ausgebessert. Nix besonderes.
Und kurz bevor ich wieder an so ein ausgebessertes Stückchen kam, erkannte ich es als Schlange
Was soll ich sagen
Es war zu spät
Keine Zeit zum Bremsen oder Ausweichen
Mir tat das sehr leid, aber warum muss dieses dumme Tier auch ausgerechnet mitten auf der Straße liegen! Es hätte rechts und links davon locker 50 Meilen Platz gehabt, aber nein, ausgerechnet der glühend heiße Asphalt musste es sein...
Irgendwann erreichte ich Silverpeak.
Was war denn das
Überall Industrieanlagen
Nein - so hatte ich mir eine Ghost Town nicht vorgestellt. Ich hielt mal kurz an, aber nur weil plötzlich das ziemlich neue Post Office von Silver Peak vor mir stand und warf meine Postkarten ein. Pflichtschuldig machte ich auch ein paar Bilder von alten Häusern und dann aber nix wie weg
Nur wohin? Lt. Karte sollte jetzt eine Straße zum Highway 95 führen, es stand auch ein Wegweiser rum, allerdings hatte der keine „offiziellen“ Schilder, sondern so Holzteile, auf die halt was draufgepinselt war. Ich sah auch keine Straße, sondern nur eine total verdreckte Dirt Road. Ich fuhr einmal im Kringel und entschied mich dann für diese Dirt Road, denn die ganzen Meilen zurück zum Highway 6, darauf hatte ich keine Lust.
Kaum auf der Dirt Road, kam ich an unzähligen Gruben in der Erde vorbei, in denen irgendwas Chemisches vor sich hinreifte. Ich war mir sicher, würde ich da versehentlich rein fahren (selbstverständlich gab es wieder keine Absperrungen und die Gruben waren genau auf der Höhe der Straße), sowohl Blazy als auch ich würden uns unauffindbar in unsere Bestandteile auflösen
Die Dirt Road war eine Dirt Road im wahrsten Sinne des Wortes, der Straßenbelag war nämlich so dermaßen verdreckt, dass man ihn nicht erkennen konnte - vorhanden war er aber.
Ich näherte mich nun den Felsen, die ich vorher aus großer Entfernung gesehen hatte und stellte fest, dass diese in ganz netten Farben leuchteten.
Außerdem wuchsen auf dem Boden ganz flache Sträucher oder Grasbüschel und dazwischen standen vereinzelt kleine Joshua Trees.
Ich erreichte Goldfield, eigentlich mein nächstes Ziel. Nur wurde ich gerade von zwei Trucks so dermaßen gehetzt, dass ich im Strom mitschwamm.
15 Meilen südlich von Goldfield bog ich dann auf die 266 und ein paar Meilen später auf die 774 ab. Ich erreichte Gold Point, welches auf einer kleinen Anhöhe liegt. Das war doch schon viel eher eine Ghost Town nach meinem Geschmack. Es waren ein paar Wolken aufgezogen und die Türme der Minen hoben sich fast schwarz von der Landschaft ab.
Ich parkte Blazy und ging die Main Street entlang.
Selbstverständlich verschwand da die Sonne gerade ganz hinter einer dicken Wolke. Also fuhr ich etwas aus dem Ortskern raus und konzentrierte mich auf einzeln stehenden Häuschen.
Ich war ausgestiegen, um ein paar Bilder zu machen, und als ich dann Blazy wieder startete, blinkten mir zwei Lämpchen entgegen: eines mit einem Werkzeugschlüssel und eines mit einer Art Warndreieck und einem schlingernden Auto...
Na klasse! Hier draußen in der Pampa musste so was passieren!
Ich stellte den Gang auf Parken und stieg noch mal aus. Natürlich hatte ich sofort den Reifen in Verdacht. Der war aber in Ordnung und fahren ließ sich Blazy auch ganz normal. Das Lichterkonzert hat mich trotzdem genervt und beunruhigt. Also habe ich Blazy aus- und wieder angemacht: Alles wieder ok, nix hat mehr geblinkt.
Trotzdem wollte ich nun doch vorsichtshalber wieder mehr in die Zivilisation und brach deshalb meine Erkundungstour in Gold Point vorzeitig ab. Mir tat´s leid, denn da gab es schon noch einige Ecken, die ich mir gerne angesehen hätte. Nur kurz vorm Ortsausgang hielt ich noch mal an, denn dort stand eine sehenswerte Ansammlung dieser alten Häuser. Ich schlenderte rum und knipste ein paar Bilder, als plötzlich aus dem alten Haus, zu dem ich mit dem Rücken stand, laute Radio- oder Fernsehgeräusche kamen.
Ich hab vielleicht einen Satz gemacht
Ich wirbelte rum und stand einer großen Parabolantenne gegenüber
Hilfe - dort wohnt tatsächlich noch jemand
Ich glaub´s ja nicht
Konnte ich es mir in Darwin schon nicht vorstellen, dass dort noch jemand wohnt, hier schon gleich dreimal nicht.
Ich machte mich aus dem Staub...
Da ich morgens die Kühlbox nicht frisch mit Eis aufgefüllt hatte, waren meine ganzen Getränke nun alle lauwarm, wieso ich beschloss, in Goldfield was zu trinken. Schon auf der Durchfahrt war mir eine Art Saloon aufgefallen, übrigens der Einzige, an dem nicht ein Closed-Schild hing. Den Laden steuerte ich an. Als ich reinkam war ich über die Einrichtung sehr überrascht: alte dunkle Möbel, eine tolle alte Bar - richtig gemütlich. Ich war zufällig im Mozart Club gelandet, einem historischem Gebäude aus der Blütezeit von Goldfield.
Ich bestellte mir einen Eistee und die nette Bedienung brachte mir dann noch einen Stadtplan, auf dem die historischen Gebäude eingezeichnet sind, eine Broschüre über die Geschichte und die Sehenswürdigkeiten vom ganzen County und einer CD “Nevada - Come alive on U.S. 95”. Ich war perplex und neugierig und fragte sie nach dem Preis. Das kostet gar nix, wenn sich Touristen tatsächlich mal dorthin verirren, dann bekommen sie dies als Geschenk und als Dankeschön, dass sie sich die Zeit nehmen und sich auch ein wenig für die alten, glorreichen Tage dieser Gegend interessieren.
Wow - eine tolle Geste. Ich habe mich wirklich gefreut
Auch ohne diese Geschenke wäre ich danach noch rumgebummelt, denn für Goldfield hatte ich mich ja schon von vornherein interessiert. Schließlich würde ich dort auf den Spuren “alter Bekannter” wandeln: So wie die Earps kam auch ich eines Tages über Umwege von Tombstone nach Goldfield.
Also schlenderte ich noch ein wenig durch die recht junge Ghost Town, denn diesen Status hat sie erst seit 1996. Und man kann erkennen, dass die Menschen dort noch immer irgendwie darum kämpfen, die Ghost Town wieder zum Leben zu erwecken. Noch haben sie nicht ganz aufgegeben und man sieht - leider bisher erfolglose - Versuche, dem Verfall und der Abwanderung Einhalt zu gebieten. Ich würde mir wünschen, dass es ihnen gelingt, denn zu ihren Glanzzeiten muss die Stadt sehr schön und bedeutend gewesen sein, was man anhand einiger imposanter Gebäude erahnen kann. Sie unterscheidet sich zwar komplett von Ghost Towns wie Bodie oder Gold Point, ist ja aber auch später entstanden, was sich in der Bauart auswirkte.
Gegen 15.30 Uhr erreichte ich Tonopah - einer Stadt, die meiner Meinung nach nur deshalb noch nicht den Status einer Ghost Town hat, weil hier zwei Highways aufeinander treffen und irgendwo im Umkreis von ca. 100 Meilen ja mal ein paar Tankstellen sein müssen. Ansonsten wirkt auch Tonopah wie eine Stadt, die langsam ausstirbt. Auch hier hängt an jedem zweiten Haus ein Schild “for sale” oder in den leeren Geschäften “closed”.
Nachdem ich einmal durch den Ort gefahren war, entschied ich mich für das Best Western, alle anderen Unterkünfte waren “closed” oder wirkten so schäbig, das wollte ich mir einfach nicht antun. Ich checkte ein und brachte mein Gepäck auf´s Zimmer. Dieses hat zwar auch schon bessere Tage gesehen
aber für eine Nacht war es ok.
Da ich seit Tagen kein Handy-Netz hatte und mal fix meinen Eltern ein Lebenszeichen senden wollte, machte ich das Notebook an, schrieb ein E-Mail und schaute mal kurz in die Foren.
Dann machte sich der Hunger bemerkbar, ich hatte ja heute noch gar nix gegessen. Also erkundigte ich mich an der Rezeption nach einem Lokal. Mir wurde ein mexikanisches Restaurant empfohlen – mit dem Hinweis, dies sei übrigens das einzige Restaurant im Ort, welches man auch wirklich empfehlen könne. Alle anderen solle man lieber meiden.
Humpf - mexikanisch ist ja nun nicht gerade mein Favorit aber na ja. Ich bestellte mir irgend so eine Fladenrolle mit Hühnerfleisch. War ganz lecker, nur viel zu viel und nach der Hälfte hatte ich dann auch vom Geschmack genug. Dazu genehmigte ich mir eine Magarita, die wirklich sehr lecker war. So lecker, dass ich anschließend ausnutzen musste, wieder in Nevada zu sein und mich noch an die Bar setzte, um eine zweite Magarita zu trinken. Dort kam ich dann mit Pablo, dem Barkeeper ins Gespräch und wir quatschten über Gott und die Welt. Ich wollte eigentlich meine Magarita gerade bezahlen und mich auf den Weg ins Motel machen aber wir waren so nett am Tratschen, da ließ ich mich noch für eine weitere überreden. Eine Weile später gesellte sich dann noch Paul dazu und so unterhielten wir uns dann zu dritt noch eine lange Zeit. Gegen 7:30 Uhr verabschiedete ich mich, denn nun wollte ich mich auf den Heimweg machen. Pablo weigerte sich, als ich meine beiden Drinks bezahlen wollte: Ich soll es als Dankeschön für das nette Gespräch sehen. Das war mir irgendwie arg peinlich, denn ich sitze doch nicht da und tratsche mit den Leuten, nur damit ich meine Rechnung nicht begleichen brauche. Ich hab mich aber auch drüber gefreut.
Im Motel dann das übliche Programm: Erst unter die Dusche, Bilder überspielen, Reisebericht tippen...
Gegen 23.00 Uhr knipste ich das Licht aus.
Gefahrene Meilen: 258