PhiladelphiaNach einem Zwischenstop in Mt. Vernon, dem Haus von George Washington, geht es weiter nach Philadelphia.
Hier sind für Heinz und Daniela zunächst einmal der Blick vom Hotel, dem Elks Hotel(?) ein Foto wert.
Besonders der Wasserbehälter auf dem Dach gegenüber scheint Heinz zu faszinieren, denn er schreibt das zum Foto dazu.
Und dann das Rathaus mit seinem 167 Meter hohen Uhrenturm. Das ist bis heute das höchste gemauerte Gebäude und war für 7 Jahre nach seiner Eröffnung im Jahr 1901 auch das höchste Bürogebäude der USA. Hier mit Daniela im Vordergrund:
Und was schreibt Just über Phili?
„Der Eindruck der Stadt ist wieder ganz anders als der bisher besuchten Städte. Enge Straßen, ältere Häuser, zwei- oder dreistöckig aus rotem Backstein, mehr europäisch und historisch.“ (Just, S. 65)
Was kein Wunder ist, denn sie war immerhin schon 1682 gegründet und bei Ausbruch der amerikanischen Revolution die größte Stadt Nordamerikas. Nicht umsonst versammelte sich hier 1774 der erste Kongress, wurde hier 1776 die Unabhängigkeit proklamiert und 1788 die Verfassung der USA angenommen. Und von 1780 bis 1800 war sie die erste Hauptstadt der USA – bevor das dann Washington D.C. übernahm. In den 1930er Jahren hat sie an die 2 Millionen Einwohner.
Klar ist, dass Heinz und Daniela wie auch Just die typischen Sehenswürdigkeiten wie insbesondere die Independence Hall und die Freiheitsglocke besichtigen.
Hier abschließend ein Blick auf die Stadt vom New Art Museum
Atlantic CityAls nächstes findet sich im Fotoalbum Atlantic City.
Dabei ist es mir nicht klar, ob dies als Teil der organisierten HAPAG-Reise oder ein eigentständiger Ausflug war. Just erwähnt Atlantic City nicht. Das spricht eher dafür, dass es wohl ein eigenständiger Ausflug von Heinz und Daniela war. Oder es gab verschiedene Reiserouten.
Egal, diesmal müssen wir also auf Justs Kommentare verzichten. Aber dafür sind die Bilder umso aussagekräftiger.
Atlantic City, in New Jersey auf einer vorgelagerten Insel gelegen, ist mit heute 40.000 Einwohnern im Stadtkern und rund 275.000 in der Umgebung für Deutschland vielleicht eine bedeutende Ansiedlung – in Amerika kam und kommt es damit aber höchstens unter „ferner liefen“. Die relative Nähe zu New York City (ca. 120 km) und zu anderen großen Städten, die direkte Anbindung mit dem Zug und der breite und lange Strand (Heinz notiert hierzu „der größte Badestrand der Welt“ - keine Ahnung, ob das stimmt) führten aber dazu, dass dieser Bereich schon im 19. Jahrhundert als Tourismusziel bekannt wurde. 1874 kamen schon 500.000 Besucher per Bahn.
Ein ganz wesentlicher Teil seiner Anziehungskraft war die hölzerne Promenade, der sog. „Boardwalk“ entlang des Strandes. Ursprünglich gebaut, damit die Hotels nicht so viel Sand in die Lobbys bekamen, entwickelte er sich zu einer eigenständigen Attraktion. Sehen und gesehen werden, das Strandleben beobachten, die Attraktionen entlang des Walks genießen – bis 1944 wurde der Boardwalk auf 11 Kilometer verlängert.
Schon in den 1870er/1880er Jahren wurde Atlantic City als Kurzurlaubsziel so populär, dass eine Eisenbahnlinie allein den Verkehr nicht mehr bewältigen konnte. Zwei weitere wurden gebaut. Und auch eine Straße wurde dorthin gebaut. Damit waren dem weiteren Aufstieg erst mal keine Grenzen mehr gesetzt, riesige Hotels schossen in den Himmel. Bis in die 1920er Jahre folgte ein Höhenflug der Stadt. Insbesondere die Prohibition oder besser gesagt: deren Nichtdurchsetzung in der Stadt sorgten für weiteren Zulauf.
Als Heinz und Daniela dort ankamen, war die Stadt also auf einem Höhepunkt. Im Hotel Sindy(oder Cindy? schwer leserlich) abgestiegen, waren sie über den Trubel in der Sommerzeit sicher mehr als erstaunt. Das war dann doch was Anderes als die Kaiserbäder an der Ostsee.
Die folgenden Bilder zeigen zunächst einmal den Badestrand - einmal vom Hotel aus und dann von unten:
Beim letzten Bild frage ich mich, ob Heinz hier Daniela fotografiert hat oder die weniger bekleidete Dame rechts .....
Puh, ganz schön voll am Strand. Just hat Atlantic City nicht besucht, beschreibt aber ähnliche Szenen von Coney Island:
„Auf der breiten gedielten Promenade kann man kilometerweit am Strande entlang schreiten und das Badeleben betrachten. Da ist aber buchstäblich kein Sandfleckchen zu sehen, einer liegt, sitzt oder steht am anderen. Frauen und Kinder, Männlein und Weiblein bunt durcheinander. Und das Geschrei, wie in einem riesigen Vogelhause! Wir sehen uns das Gewühl der Badenden etwas genauer an. Das sind doch lauter Juden, alte wie junge! Juden und wieder Jüdinnen, gibt`s nichts anderes als Juden? Doch, Italiener und wieder Italiener. Es sind die Armenviertel in der Nähe, und freie Plätze hat New York zu wenig. Nein, schön sehen die Badenden nicht aus.“ (Just, S. 69).
Und dann kommen einige Fotos von Heinz und Daniela, die uns zu einem Thema zurückleiten, das wir schon gestreift haben: „Neger“.
"Die Negerfrage"Dies ist ein Punkt, den ich bisher noch nicht angesprochen habe. Im Album finden sich wiederholt Bilder, auf denen gezielt Neger abgebildet wurden. Teilweise auf der Straße. Oder eben wie hier, wo sich Daniela teilweise davor stellt, wohl um zu verheimlichen, dass eigentlich die Schwarzen fotografiert werden sollen.
In zeitgenössischen Reiseberichten habe ich einmal eine Beschreibung gelesen, dass deutsche Touristen sich sogar mit schwarzen Babys auf dem Arm fotografieren ließen.
Nun ist dieses Ablichten per se nichts Ungewöhnliches. Als Tourist hält man natürlich das im Foto fest, was „besonders“, was „anders“ ist. Und Schwarze waren für den normalen Deutschen 1933 natürlich etwas Besonderes und Anderes. Sehr gut können wir das bei Karl August Busch nachlesen, der in seinem Buch „Quer durch Amerika“ seine Eindrücke einer USA-Reise vermutlich um 1900, schildert:
„Das erste, was mir [nach der Einreise in New York]
auf dem amerikanischen Pflaster Hobokens auffiel, war – ein Neger. Bald sah ich sie überall, die man bei uns vielleicht nur einmal in Zoologischen Gärten bestaunt, als Portiers, Gepäckträger, Droschkenkutscher, Handwerker, Hilfsschaffner und dergleichen. Und eine der großen Nationalfragen der Union tauchte schon am Zolltor Hobokens vor mir auf – die Negerfrage.“ (S. 46 f.)
Im Gegensatz zu anderen europäischen Mächten gab es in Deutschland praktisch keine schwarze Bevölkerung. Das Deutsche Reich hatte nur kurze Zeit Kolonien in Afrika besessen und diese zum Ende des I. Weltkriegs verloren. Wenn Busch schreibt, als Deutscher habe man Schwarze höchstens im Zoo gesehen, so ist das durchaus zutreffend. Tatsächlich stellten deutsche Zoos immer wieder Schwarze quasi als „Ausstellungsstücke“ ein. Sie wurden dann in Gehegen so gezeigt, wie man sich eben so das Leben in Afrika vorstellte.
Während der Weimarer Republik gab es maximal 3.000 Schwarze im gesamten Deutschen Reich. Wobei man als Deutscher in einer Kleinstadt niemals einen Schwarzen zu Gesicht bekam. (Und vermutlich gerade diese geringe Zahl sorgte dafür, dass sie im Vergleich zu anderen „nicht-arischen“ Minderheiten offenbar vergessen wurden und vergleichsweise glimpflich davon kamen. Nur teilweise wurden sie in Konzentrationslager gesperrt und eine systematische Vernichtung, wie eben z.B. bei den Juden und „Zigeunern“, erfolgte nicht.)
Nachdenklich stimmen aber die deutschen Reiseberichte jener Zeit und auch das Album. Neben einigen neutralen Stimmen finden sich viele rassistische Bemerkungen über Schwarze.
C.F. Werner, den ich ja schon mehrfach zitiert habe, schreibt z.B. über Chicago:
.... und bald sind wir in der Negerstadt, die ca. 200.000 Schwarze beherbergt. Ich betonte schon, dass vor etwa 40 Jahren die wohlhabendsten Leute der Stadt hier ihre Wohnsitze aufgeschlagen hatten. In einem Haus, das früher eine Familie bewohnte, wohnen jetzt bis zu 20 Negerfamilien. Die hier befindlichen Häuser weisen alle noch keine eigenen Badezimmer auf, aber das tut nichts zur Sache, denn die 'Nigger' sind sehr wasserscheu.“ (S. 53)
Wobei Werner Ursache und Wirkung verwechselt. Die aus dem Süden zuwandernden Schwarzen, die hofften, in der Industrie Arbeit zu finden, mussten irgendwo unterkommen. Da der normale weiße Hausbesitzer aber keine Wohnungen an sie vermietete, blieb es letztlich nur, zu vollkommen überhöhten Preisen von Wucherern zu mieten. Das Ergebnis war, dass sich die Schwarzen also in Wohnblöcken zusammendrängen mussten, wobei sie für weniger Raum die gleichen Preise zahlen mussten wie die Weißen für größere Wohnungen in „weißen“ Wohnblocks. Und dann war eben auch oft kein Badezimmer dabei. Und da Schwarze oft als letzte eingestellt und als erste gefeuert wurden, führte dies schnell zu ghettoartigen Bedingungen.
Heinz ist wohl keine Ausnahme. Unter vielen Fotos, die er von Schwarzen macht, schreibt er
„Jumbos“ (genau so, also mit Anführungszeichen). Das ist ein Begriff, den ich nirgendwo finden konnte, scheint mir aber eine herabsetzende Bezeichnung zu sein. So etwa wie „Bimbo“? Ich tippe einfach mal darauf, dass er diesen Begriff von seinen amerikanischen Verwandten aufgeschnappt hat.