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Autor Thema: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933  (Gelesen 29464 mal)

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GreyWolf

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Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
« Antwort #45 am: 28.06.2011, 20:54 Uhr »
Die Weltausstellung
 
In Chicago treffen Heinz und Daniela Verwandte. Nämlich „Mieze“ und Ernst, die – wie wir später erfahren – in New York City wohnen. Da Ernst als „Schwager“ bezeichnet wird, muss wohl „Mieze“ dann die Schwester entweder von Heinz oder Daniela sein. Nach dem Körperbau tippe ich mal auf die Schwester von Heinz. Immerhin hat sie nicht seinen Schnurrbart ;-)

Hier sehen wir "Mieze" und Daniela vor einer großen Lokomotive:




Gemeinsam erkunden sie dann Chicago mit der Weltausstellung.

Hier die beiden noch einmal vor dem indianischen Dorf:



Und wenn wir gerade vom indianischen Dorf sprechen:




Bereits 1893 hatte eine Weltausstellung in Chicago stattgefunden. Als 1933 zum 100. Jahrestag der Gründung Chicagos (damals teilweise in Deutschland noch Chikago geschrieben) die zweite Weltausstellung dort stattfand, war der offizielle Titel „A Century of Progress International Exposition“. Thematisch widmete es sich also dem Fortschritt der vergangenen 100 Jahre. Dies stand im Kontrast zu den früheren Weltausstellungen, bei denen man die neuesten Produkte der Teilnehmerländer in einem regelrechten Wettstreit präsentierte. Stattdessen war die 1933er Ausstellung durch eine Wissenschaftsausstellung und insbesondere durch originalgetreu funktionierende Fabriken, die die Besucher durchschreiten konnten, geprägt. So konnte man z.B. zusehen, wie ein Ford-Auto zusammengesetzt wurde.

Hier zwei Gebäude:






Die Weltausstellung wurde auf einem schmalen, knapp fünf Kilometer langen Uferstreifen am Michigan See zwischen der 12. und 39. Straße südlich vom Stadtzentrum errichtet. Auf diesem Terrain befanden sich bereits das Sportstadion Soldier Field, das heute vollständig umgebaut den Chicago Bears als Heimat dient, und seit der Chicagoer Weltausstellung von 1893 das Field Museum.




Wie bei allen Weltausstellungen seit der Jahrhundertwende gehörte ein Vergnügungspark auch bei der Century of Progress zu den unverzichtbaren Anziehungspunkten. Hier wurden u.a. ein chinesischer Tempel, das Geburtshauses des ersten amerikanischen Präsidenten Abraham Lincoln und ein belgisches Dorf mit mittelalterlichen und barocken Häusern errichtet.

Und ein "Old Heidelberg"




Dahinter begann die nach dem Vorbild der Weltausstellung von 1893 'Midway' benannte Vergnügungszone, die Zerstreuungen aller Art bot: von einer Schlangenschau und einen Flohzirkus bis zur skandalumwitterten Striptease-Show des Showstars Sally Rand, die ich schon in meinem Reisebericht über eine Reise durch die USA im Jahr 1940 erwähnt habe. Außerdem waren die von anderen Weltausstellungen her bekannten Tanzvorführungen exotischer Völker hier untergebracht. In den Straßen von Paris waren große Nachtlokale, Tanzhallen, eine Nudistenkolonie und Spielhöllen untergebracht. Einige dieser Lokalitäten mussten von den Behörden wegen Verstoßes gegen die guten Sitten wieder geschlossen werden, überall aber wurde mit Freibier 1933 die Aufhebung der Prohibition gefeiert.

Das Wahrzeichen der Weltausstellung aber wurde der Sky Ride, eine Hochseilbahn, die über die Lagune führte. Zwei 600 Meter voneinander entfernte und 190 Meter hohe Stahlgerüsttürme überragten das ganze Gelände. In 70 Meter Höhe waren die Türme mit Stahlkabeln verbunden, an denen große Gondeln für jeweils 60 Passagiere hingen und von einem Turm zum anderen fuhren. Die Gondeln sahen aus wie Raketen und stießen bunte Rauchwölkchen aus. Nach drei Minuten allerdings war das Fahrvergnügen bereits vorbei.

Hier zwei Bilder dieser Bahn (wobei man leider die Gondeln nicht sieht)







Von Mai bis Oktober 1933 waren 22,5 Millionen Besucher zur Weltausstellung nach Chicago gekommen, was aber nicht reichte, um alle Geldgeber der Ausstellung auszuzahlen. Das Ausstellungskomitee beschloss daher, die Schau noch um einen weiteren Sommer zu verlängern. Die halbjährige Pause diente der Überarbeitung und Ergänzung der Ausstellungen.

Nach dem Ende der Ausstellung am 31. Oktober 1934 blieb einzig das Verwaltungsgebäude für die Chicagoer Parkverwaltung stehen, die aus dem Gelände einen Landschaftspark machte, nämlich mit dem Northerly Island Park und dem Burnham Park.

Es wäre zu viel, hier die Reisebeschreibungen von C.F. Werner und Just zu zitieren. Seitenweise beschreiben sie die verschiedenen Ausstellungsteile bis ins Detail, Werner bleibt 11 Tage in Chicago, von denen er viele auf der Ausstellung verbringt. Entsprechend viel schreibt er auch darüber.

Just schreibt zusammenfassend: „Es wird vieles auf der Ausstellung geboten. Bahnbrechend Neues weniger. Erstaunlich ist aber die geschickte Verdeutlichung und die Anschaulichkeit. Auch der schlichteste Besucher kommt auf seine Rechnung. Nicht das tote Modell steht dort, sondern alles in Bewegung und Tätigkeit. Und der Besucher darf es auch anrühren und selber probieren. Kino, Tonfilm, Dioramen, bewegte Figuren, alles wird in den Dienst der aufklärenden Reklame gestellt.“

Kritisch merkt er an: „Weltausstellung, wo sind die großen Ausstellungsgebäude der verschiedenen Staaten der Welt? England ist nicht vertreten, Frankreich nicht, Rußland nicht, Deutschland nicht. An der Flaggenstraße stehen nur die Pavillons kleinerer Staaten.“   Beim polnischen Pavillon muss er feststellen, dass dieser von den Polen nicht fertiggestellt werden konnte und nun als „Deutsches Haus“ eröffnet werden soll. „Eine Weltausstellung im wahren Sinne des Wortes ist also die Chicagoer Ausstellung nicht. Es ist eher eine amerikanische Angelegenheit, und wie es mir scheint, im großen und ganzen mehr Verkaufsangelegenheit als Ausstellung.“ (Just, S. 50 ff. stark gekürzt).

Als „Seltsamkeiten“ beschreibt Just dann noch folgende Dinge: Werbung für den Eintritt ins amerikanische Militär; ein internationales Wetteierlegen, Werbung für Möbelwachs, Ausstellung von Rechenmaschinen in einem griechischen Tempel, Brutkästen für frühgeborene Kinder mit richtigen Kindern darin und die Darstellung von Dinosauriern und Urmenschen.

Und dann noch folgendes: „Im Midway sind mehrere 'Schießstände'. Da wird mit großen Kugeln nach runden Scheiben geworfen. Trifft man, dann plumpst ein lebendiger Neger, der in einem Käfig sitzt, und dem durch den Kugelstoß das Sitzbrett weggezogen wird, ins Wasser. Das ist der Spaß. Einer unserer Reisegesellschaft wurde aber bitter enttäuscht. An einem solchen 'Schießstande' sollte aus einer verschlossenen Tür eine Negerin herauskommen und ins Wasser sausen. Er hoffte, es würde eine hübsche junge sein. Aber siehe da, als er traf und erwartungsvoll auf die sich öffnende Tür schaute, da kam – ein ganz altes Weib heraus gesaust und plumpste in Wasser.“ (Just, S. 54 ff.)

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SusanW

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Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
« Antwort #46 am: 29.06.2011, 15:02 Uhr »
Weiterhin ein sehr interesaater Bericht  :daumen:

Auf die Schlachthöfe hätt ich sicher gut verzichten können. :? Bei der Weltaustellung kommen mir Vergleiche mit der hier  -quasi vor unserer Haustür vernastalteten - Expo 2000 in den Sinn.
Liebe Grüße 
Susan

GreyWolf

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Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
« Antwort #47 am: 29.06.2011, 20:49 Uhr »
Bei der Weltaustellung kommen mir Vergleiche mit der hier  -quasi vor unserer Haustür vernastalteten - Expo 2000 in den Sinn.

Vielleicht hätte man auch da die Ausstellung so lange verlängern sollen, bis sie gewinnbringend ist? Also so etwa 30-40 Jahre.....
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TheWurst

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Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
« Antwort #48 am: 29.06.2011, 21:08 Uhr »
Das Wahrzeichen der Weltausstellung aber wurde der Sky Ride, eine Hochseilbahn, die über die Lagune führte. Zwei 600 Meter voneinander entfernte und 190 Meter hohe Stahlgerüsttürme überragten das ganze Gelände. In 70 Meter Höhe waren die Türme mit Stahlkabeln verbunden, an denen große Gondeln für jeweils 60 Passagiere hingen und von einem Turm zum anderen fuhren. Die Gondeln sahen aus wie Raketen und stießen bunte Rauchwölkchen aus. Nach drei Minuten allerdings war das Fahrvergnügen bereits vorbei.

Hier zwei Bilder dieser Bahn (wobei man leider die Gondeln nicht sieht)

Hallo, im Internet findet man einige Bilder davon, z.B. hier: http://blogs.voanews.com/tedlandphairsamerica/2011/06/17/worlds-fairs-then-now-and-whenever/ (ein bisschen runterescrollen)

Echt ein sehr interessanter Bericht, danke dass Du Dir die Mühe machst, das alles zusammenzutragen!

GreyWolf

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Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
« Antwort #49 am: 03.07.2011, 20:23 Uhr »
Pittsburgh

Von Chicago ging es dann zunächst mit dem Zug weiter nach Pittsburgh.
Pittsburgh, das in der Mitte des 18. Jhd. als französisches Fort gegründet worden war, hatte sich in der folgenden Zeit wegen seiner reichen Steinkohlevorräte und seiner günstigen Schifffahrsbedingungen zu einem Zentrum der amerikanischen Eisen- und dann Stahlindustrie entwickelt. 1911 produzierte Pittsburgh die Hälfte des amerikanischen Stahls. Es war zudem eine sehr deutsch geprägte Stadt, da ein Großteil der Einwanderer aus Deutschland zuzogen. Zeitweise gab es dort vier deutschsprachige Zeitungen. Und eine der wichtigsten Erfindungen aller Zeiten wurde dort gemacht: Ein deutscher Einwanderer namens Henry J. Heinz erfand den Ketchup!
(Ich werde später noch mehr über Deutsche in den USA schreiben. )

1930 hatte die Stadt 671.000 Einwohner und war damit die zehntgrößte amerikanische Stadt. Die Weltwirtschaftskrise traf die Stadt natürlich besonders hart.

Just schreibt über die Bahnfahrt und über Pittsburgh:
„Auf 20 Stunden Bahnfahrt müssen wir uns einrichten. Diesmal geht das Ausziehen und Schlafen schon besser. Der Zug freilich rußt und rasselt und brüllt immerfort wie ein Schwein dicht vor dem Schlachten. Als ich des Morgens beim Waschen und Rasieren bin, fahren wir durch das Alleghanny-Gebirge und halten in Pittsburgh am Zusammenfluss des Alleghanny-  und Monongahela-Flusses. Pittsburgh liegt schön auf den hohen steilen Ufern, ist aber in den Dunst vieler Fabriken gehüllt. Hier ist das Zentrum der Anthrazit-Steinkohlen und Stahlindustrie: Schornstein an Schornstein und elende, verräucherte Häuser.“ (Just, S. 61 f.)

Dass Just nicht mehr schreibt, zeigt, dass ihm Pittsburgh nicht gerade gefallen hat.

Unsere Reisenden Heinz und Daniela besuchen noch das „Carnegie-Museum“. Heute gibt es gleich vier Carnegie-Museen in Pittsburgh. Damals gab es zwei, die von dem Stahl-Tycoon Andrew Carnegie selbst in Auftrag gegeben worden waren, nämlich das Kunstmuseum und Naturkundemuseum, die 1895/96 ihre Pforten öffneten. Carnegie selbst ist eine interessante Person der Geschichte. Nachdem es ihm gelungen war, den weltgrößten Stahlkonzern aufzubauen, nutzte er seinen Ruhestand dafür, getreu seinem Motto: „Der Mann, der reich stirbt, stirbt in Schande“, mittels zahlloser Stiftungen Gutes zu tun. So sponserte er z.B. über 1.600 Bibliotheken, die genannten Museen und – vielleicht heute am bekanntesten – das  Konzerthaus Carnegie-Hall in New York City.

Ansonsten finden unsere Reisenden einen den Verkehr regelnden Schutzmann mit einem Sonnenschirm so spannend, dass sie ihn im Bild festhalten.





Bahnfahrt nach Washington D.C.

Weiter geht es nach Washington D.C.

Unterwegs steht bei einem Bild von Eisenbahnschienen: „Eisenbahnunglücksstelle bei Washington“.
Ich zweifelte sehr, ob ich über einen fast 80 Jahre vergangenes Eisenbahnunfall etwas finden würde. Aber Google sei Dank: Es dürfte sich um das Unglück „Crescent limited weck“ handeln, das sich am 24. August 1933 – also nur ein paar Tage, bevor Heinz und Daniela diese Strecke nutzten – auf der Amtrak Railroad Anacostia Brücke zutrug. Diese Brücke liegt in Washington D.C. und überquert den Anacostia Fluss.

Die damals 27 Jahre alte Brücke war an diesem Tag durch Hochwasser des Flusses, das wiederum von einem Hurrican ausgelöst wurde, so schwer beschädigt worden, dass ein Zug der Bahnlinie „Crescent limited“ entgleiste und teilweise in den Fluss stürzte. Aufgrund glücklicher Umstände verloren nur 2 Bahnbedienstete ihr Leben und 13 Passagiere wurden verletzt.
Binnen 4 Tagen wurde die Unglückstelle geräumt und eine provisorische eingleisige Brücke wurde installiert (wobei ein Arbeiter getötet und mehrere verletzt wurden). Über diese Brücke fuhr dann der Zug von Heinz und Daniela und sie durften sich angenehm gruseln.
Und tatsächlich: wenn man bei dem Bild ganz genau hinsieht, sieht man am oberen Bildrand etwas, was die eingestürzte alte Brücke sein könnte.


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GreyWolf

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Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
« Antwort #50 am: 04.07.2011, 20:26 Uhr »
Weiter geht es, Schlag auf Schlag:

Washington D.C.

Washington D.C. wurde bekanntermaßen als künftige Hauptstadt der USA in einem 10 mal 10 Meilen großen Gebiet an den beiden Ufern des Potomac gegründet und nahm im Jahr 1800 diese Funktion auf. Im Britisch-Amerikanischen Krieg wurde Washington von den Briten eingenommen und zerstört. Weniger wegen derer strategischen Bedeutung, sondern einfach um es den Amis mal so richtig zu zeigen, dass man sich nicht mit Großbritannien anlegte.
Danach wurde Washington wieder aufgebaut und wuchs in den Folgejahren nach und nach heran. Allerdings vergleichsweise langsam, 1930 hatte die Stadt aber doch 486.000 Einwohner. Der große Sprung kam dann aber mit der Wirtschaftskrise, als die amerikanische Regierung den Staatsapparat massiv ausbaute. 1940 hatte die Stadt dann schon 180.000 Einwohner mehr.

Natürlich besuchen die Reisenden die klassischen Sehenswürdigkeiten wie das Weiße Haus, das Capitol, den Soldatenfriedhof in Arlington etc. Ich verzichte darauf, sämtliche Fotos hier einzustellen, weil diese Stätten natürlich heute genauso aussehen wie damals. Drei bringe ich aber doch:

Blick aufs Kapitol:



Blick aufs weiße Haus:



Und Schwarze vor dem Landwirtschaftsministerium:




Daneben berichtet Just, der ja die gleiche Reise zwei Monate früher gemacht hat, noch von einem organisierten Besuch der Regierungsdruckerei und die Briefmarkendruckerei, der Kongressbibliothek und dem Smithsonian-Museum. Dort freut sich Just besonders, das Flugzeug „Bremen“ zu sehen, mit dem der deutsche Pilot Hauptmann Köhl mit seinem Passagier Freiherr  von Hünefeld 1928 den ersten Transatlantikflug in Ost-West-Richtung gemacht hatten (was damals entgegen der Hauptwindrichtung ein sehr waghalsiges Unternehmen war und 36 Stunden dauerte – vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Ehrenfried_Günther_Freiherr_von_Hünefeld).

Just berichtet über eine Stadtrundfahrt: „Wir machen gleich vom Zuge aus eine Rundfahrt durch die Stadt. Vorbei am Capitol und am Weißen Hause, das schmalhüftig wie ein besseres Gutshaus in einem Park liegt. Wie still und behäbig sind die Straßen, wie in einer kleinen, vornehmen Residenz. Und doch hat Washington 500.000 Einwohner, aber keine Fabriken. Überall sind neue Staatsgebäude im Bau. Alles soll größer und schöner werden. Gerade in der Zeit des Niedergangs der Wirtschaft!“ (Just, S. 62)
Und insgesamt beschreibt Just seine Eindrücke von Washington: „New York und Washington – welche Gegensätze! New York will Dollar machen und mit Wolkenkratzern protzen, Washington will weiß und schön sein. (Just, S. 65)

Die Reisenden steigen im Lee House Hotel an der Ecke 15th und L Street ab.



Der dem Fotoalbum beigefügte Hotelprospekt verrät uns, dass Einzelzimmer mit Bad 2,50 bis 4,50 Dollar kosteten und Doppelzimmer 4,00 bis 7,00 Dollar. Dafür gibt es dann ein „modernes, feuerfestes Gebäude mit 250 nach außen gerichteten Zimmer, jedes mit Bad und Dusche. Das Ganze in einer „most desirable“ Lage, einem Restaurant voller „loveliness“ und mit „fine-mannered service“. Na, das nimmt man doch gerne.
Leicht spöttisch schreibt Heinz zu dem Bild: „Nur 8 Stock“. Okay, für amerikanische Verhältnisse ist das halt klein.

Just kommentiert interessantweise ähnliches über seine Unterbringung: „Im Hotel dieselben Einrichtungen wie überall, Standardbett, der Glasschacht als Briefkasten mit Briefeinwürfen auf jedem Stockwerk. Am Morgen wundere ich mich beim Erwachen, daß ich Menschenstimmen von der Straße herauf höre und Vogelsang – ich wohne ja auch nur im 4. Stock.“

Das Lee House Hotel gibt es heute übrigens nicht mehr, es machte einem modernen Bau Platz.
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GreyWolf

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Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
« Antwort #51 am: 10.07.2011, 20:17 Uhr »
Philadelphia

Nach einem Zwischenstop in Mt. Vernon, dem Haus von George Washington, geht es weiter nach Philadelphia.
Hier sind für Heinz und Daniela zunächst einmal der Blick vom Hotel, dem Elks Hotel(?) ein Foto wert.



Besonders der Wasserbehälter auf dem Dach gegenüber scheint Heinz zu faszinieren, denn er schreibt das zum Foto dazu.

Und dann das Rathaus mit seinem 167 Meter hohen Uhrenturm. Das ist bis heute das höchste gemauerte Gebäude und war für 7 Jahre nach seiner Eröffnung im Jahr 1901 auch das höchste Bürogebäude der USA. Hier mit Daniela im Vordergrund:




Und was schreibt Just über Phili? „Der Eindruck der Stadt ist wieder ganz anders als der bisher besuchten Städte. Enge Straßen, ältere Häuser, zwei- oder dreistöckig aus rotem Backstein, mehr europäisch und historisch.“ (Just, S. 65)
Was kein Wunder ist, denn sie war immerhin schon 1682 gegründet und bei Ausbruch der amerikanischen Revolution die größte Stadt Nordamerikas. Nicht umsonst versammelte sich hier 1774 der erste Kongress, wurde hier 1776 die Unabhängigkeit proklamiert und 1788 die Verfassung der USA angenommen. Und von 1780 bis 1800 war sie die erste Hauptstadt der USA – bevor das dann Washington D.C. übernahm. In den 1930er Jahren hat sie an die 2 Millionen Einwohner.
Klar ist, dass Heinz und Daniela wie auch Just die typischen Sehenswürdigkeiten wie insbesondere die Independence Hall und die Freiheitsglocke besichtigen.

Hier abschließend ein Blick auf die Stadt vom New Art Museum





Atlantic City

Als nächstes findet sich im Fotoalbum Atlantic City.
Dabei ist es mir nicht klar, ob dies als Teil der organisierten HAPAG-Reise oder ein eigentständiger Ausflug war. Just erwähnt Atlantic City nicht. Das spricht eher dafür, dass es wohl ein eigenständiger Ausflug von Heinz und Daniela war. Oder es gab verschiedene Reiserouten.
Egal, diesmal müssen wir also auf Justs Kommentare verzichten. Aber dafür sind die Bilder umso aussagekräftiger.

Atlantic City, in New Jersey auf einer vorgelagerten Insel gelegen, ist mit heute 40.000 Einwohnern im Stadtkern und rund 275.000 in der Umgebung für Deutschland vielleicht eine bedeutende Ansiedlung – in Amerika kam und kommt es damit aber höchstens unter „ferner liefen“. Die relative Nähe zu New York City (ca. 120 km) und zu anderen großen Städten, die direkte Anbindung mit dem Zug und der breite und lange Strand (Heinz notiert hierzu „der größte Badestrand der Welt“ - keine Ahnung, ob das stimmt) führten aber dazu, dass dieser Bereich schon im 19. Jahrhundert als Tourismusziel bekannt wurde. 1874 kamen schon 500.000 Besucher per Bahn.

Ein ganz wesentlicher Teil seiner Anziehungskraft war die hölzerne Promenade, der sog. „Boardwalk“ entlang des Strandes. Ursprünglich gebaut, damit die Hotels nicht so viel Sand in die Lobbys bekamen, entwickelte er sich zu einer eigenständigen Attraktion. Sehen und gesehen werden, das Strandleben beobachten, die Attraktionen entlang des Walks genießen – bis 1944 wurde der Boardwalk auf 11 Kilometer verlängert.

Schon in den 1870er/1880er Jahren wurde Atlantic City als Kurzurlaubsziel so populär, dass eine Eisenbahnlinie allein den Verkehr nicht mehr bewältigen konnte. Zwei weitere wurden gebaut. Und auch eine Straße wurde dorthin gebaut. Damit waren dem weiteren Aufstieg erst mal keine Grenzen mehr gesetzt, riesige Hotels schossen in den Himmel. Bis in die 1920er Jahre folgte ein Höhenflug der Stadt. Insbesondere die Prohibition oder besser gesagt: deren Nichtdurchsetzung in der Stadt sorgten für weiteren Zulauf.
Als Heinz und Daniela dort ankamen, war die Stadt also auf einem Höhepunkt. Im Hotel Sindy(oder Cindy? schwer leserlich) abgestiegen, waren sie über den Trubel in der Sommerzeit sicher mehr als erstaunt. Das war dann doch was Anderes als die Kaiserbäder an der Ostsee.

Die folgenden Bilder zeigen zunächst einmal den Badestrand - einmal vom Hotel aus und dann von unten:







Beim letzten Bild frage ich mich, ob Heinz hier Daniela fotografiert hat oder die weniger bekleidete Dame rechts ..... :-)

Puh, ganz schön voll am Strand. Just hat Atlantic City nicht besucht, beschreibt aber ähnliche Szenen von Coney Island:
„Auf der breiten gedielten Promenade kann man kilometerweit am Strande entlang schreiten und das Badeleben betrachten. Da ist aber buchstäblich kein Sandfleckchen zu sehen, einer liegt, sitzt oder steht am anderen. Frauen und Kinder, Männlein und Weiblein bunt durcheinander. Und das Geschrei, wie in einem riesigen Vogelhause! Wir sehen uns das Gewühl der Badenden etwas genauer an. Das sind doch lauter Juden, alte wie junge! Juden und wieder Jüdinnen, gibt`s nichts anderes als Juden? Doch, Italiener und wieder Italiener. Es sind die Armenviertel in der Nähe, und freie Plätze hat New York zu wenig. Nein, schön sehen die Badenden nicht aus.“ (Just, S. 69).

Und dann kommen einige Fotos von Heinz und Daniela, die uns zu einem Thema zurückleiten, das wir schon gestreift haben: „Neger“.



"Die Negerfrage"

Dies ist ein Punkt, den ich bisher noch nicht angesprochen habe. Im Album finden sich wiederholt Bilder, auf denen gezielt Neger abgebildet wurden. Teilweise auf der Straße. Oder eben wie hier, wo sich Daniela teilweise davor stellt, wohl um zu verheimlichen, dass eigentlich die Schwarzen fotografiert werden sollen.







In zeitgenössischen Reiseberichten habe ich einmal eine Beschreibung gelesen, dass deutsche Touristen sich sogar mit schwarzen Babys auf dem Arm fotografieren ließen.

Nun ist dieses Ablichten per se nichts Ungewöhnliches. Als Tourist hält man natürlich das im Foto fest, was „besonders“, was „anders“ ist. Und Schwarze waren für den normalen Deutschen 1933 natürlich etwas Besonderes und Anderes. Sehr gut können wir das bei Karl August Busch nachlesen, der in seinem Buch „Quer durch Amerika“ seine Eindrücke einer USA-Reise vermutlich um 1900, schildert:
„Das erste, was mir [nach der Einreise in New York] auf dem amerikanischen Pflaster Hobokens auffiel, war – ein Neger. Bald sah ich sie überall, die man bei uns vielleicht nur einmal in Zoologischen Gärten bestaunt, als Portiers, Gepäckträger, Droschkenkutscher, Handwerker, Hilfsschaffner und dergleichen. Und eine der großen Nationalfragen der Union tauchte schon am Zolltor Hobokens vor mir auf – die Negerfrage.“ (S. 46 f.)


Im Gegensatz zu anderen europäischen Mächten gab es in Deutschland praktisch keine schwarze Bevölkerung. Das Deutsche Reich hatte nur kurze Zeit Kolonien in Afrika besessen und diese zum Ende des I. Weltkriegs verloren. Wenn Busch schreibt, als Deutscher habe man Schwarze höchstens im Zoo gesehen, so ist das durchaus zutreffend. Tatsächlich stellten deutsche Zoos immer wieder Schwarze quasi als „Ausstellungsstücke“ ein. Sie wurden dann in Gehegen so gezeigt, wie man sich eben so das Leben in Afrika vorstellte.
 
Während der Weimarer Republik gab es maximal 3.000 Schwarze im gesamten Deutschen Reich. Wobei man als Deutscher in einer Kleinstadt niemals einen Schwarzen zu Gesicht bekam. (Und vermutlich gerade diese geringe Zahl sorgte dafür, dass sie im Vergleich zu anderen „nicht-arischen“ Minderheiten offenbar vergessen wurden und vergleichsweise glimpflich davon kamen. Nur teilweise wurden sie in Konzentrationslager gesperrt und eine systematische Vernichtung, wie eben z.B. bei den Juden und „Zigeunern“, erfolgte nicht.)

Nachdenklich stimmen aber die deutschen Reiseberichte jener Zeit und auch das Album. Neben einigen neutralen Stimmen finden sich viele rassistische Bemerkungen über Schwarze.
C.F. Werner, den ich ja schon mehrfach zitiert habe, schreibt z.B. über Chicago:

.... und bald sind wir in der Negerstadt, die ca. 200.000 Schwarze beherbergt. Ich betonte schon, dass vor etwa 40 Jahren die wohlhabendsten Leute der Stadt hier ihre Wohnsitze aufgeschlagen hatten. In einem Haus, das früher eine Familie bewohnte, wohnen jetzt bis zu 20 Negerfamilien. Die hier befindlichen Häuser weisen alle noch keine eigenen Badezimmer auf, aber das tut nichts zur Sache, denn die 'Nigger' sind sehr wasserscheu.“ (S. 53)

Wobei Werner Ursache und Wirkung verwechselt. Die aus dem Süden zuwandernden Schwarzen, die hofften, in der Industrie Arbeit zu finden, mussten irgendwo unterkommen. Da der normale weiße Hausbesitzer aber keine Wohnungen an sie vermietete, blieb es letztlich nur, zu vollkommen überhöhten Preisen von Wucherern zu mieten. Das Ergebnis war, dass sich die Schwarzen also in Wohnblöcken zusammendrängen mussten, wobei sie für weniger Raum die gleichen Preise zahlen mussten wie die Weißen für größere Wohnungen in „weißen“ Wohnblocks. Und dann war eben auch oft kein Badezimmer dabei. Und da Schwarze oft als letzte eingestellt und als erste gefeuert wurden, führte dies schnell zu ghettoartigen Bedingungen.

Heinz ist wohl keine Ausnahme. Unter vielen Fotos, die er von Schwarzen macht, schreibt er „Jumbos“ (genau so, also mit Anführungszeichen). Das ist ein Begriff, den ich nirgendwo finden konnte, scheint mir aber eine herabsetzende Bezeichnung zu sein. So etwa wie „Bimbo“? Ich tippe einfach mal darauf, dass er diesen Begriff von seinen amerikanischen Verwandten aufgeschnappt hat.
Wer schon immer mal wissen wollte, wie man früher gereist ist: Alte Reiseberichte

Kar98

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Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
« Antwort #52 am: 11.07.2011, 03:13 Uhr »
Heinz ist wohl keine Ausnahme. Unter vielen Fotos, die er von Schwarzen macht, schreibt er „Jumbos“ (genau so, also mit Anführungszeichen). Das ist ein Begriff, den ich nirgendwo finden konnte, scheint mir aber eine herabsetzende Bezeichnung zu sein. So etwa wie „Bimbo“? Ich tippe einfach mal darauf, dass er diesen Begriff von seinen amerikanischen Verwandten aufgeschnappt hat.

Glaube ich nicht. "Bimbo" ist eine dusselige Schnepfe, und wird hat nicht die Bedeutung wie in Deutschland.

SusanW

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Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
« Antwort #53 am: 11.07.2011, 20:04 Uhr »
Wow, so volle Strände habe ich drüben ja noch nie gesehen  :shock:
Allerdings waren wir auch noch nicht in Atlantic City....
Liebe Grüße 
Susan

GreyWolf

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Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
« Antwort #54 am: 12.07.2011, 20:23 Uhr »
Zurück nach New York City

Zurück geht es nach New York. Für die anderen Reiseteilnehmer dürfte es nun wieder nach Hause gegangen sein. Heinz und Daniela kommen aber bei ihren Verwandten Ernst und „Mieze“ unter. Die in Brooklyn wohnen, und zwar 702 East 5th Street. Das Haus wurde 1905 gebaut und steht übrigens genauso immer noch (wie bindet man denn Google-Street View mit der Adresse ein?). Sein Wert beträgt nach Internetangaben derzeit ca. eine Million Dollar, also durchaus eine gute Wohngegend.

So sah es damals aus:



Und noch mal von der Seite:




Zunächst einmal zu Brooklyn: Wenn man von der Größe von New York City spricht, darf man nicht vergessen, dass diese nur durch Eingemeindungen erreicht wurde. Brooklyn war nämlich bis 1899 eine unabhängige Stadt mit über einer Million Einwohnern. Das Herz von New York City schlägt zwar in Manhattan, aber wer es sich leisten konnte und kann, wohnt in Brooklyn. 1930 hatte Brooklyn 2,5 Millionen Einwohner (rein nebenbei bemerkt: auch Berlin wurde erst am Ende des 19./ Anfang des 20. Jahrhunderts aus verschiedenen Städten wie z.B. Charlottenburg zusammengefügt).

Als unsere Reisenden dort ihre Verwandten besuchen, sind erhebliche Teile Brooklyns trotz der hohen Bevölkerungszahlen gute Wohngegenden mit Einfamilienhäusern. Der Film „Arsen und Spitzenhäubchen“ mit Cary Grant, der dort spielt, zeigt dies ja gut.

Da Ernst und „Mieze“ dort ein Haus haben, darf man annehmen, dass sie sich in Amerika ganz erfolgreich behauptet haben. Vermutlich sind sie in jungen Jahren ausgewandert und haben ihr Glück dort gemacht.

Deutsche in Amerika

Wenn wir gerade über Deutsche in den USA sprechen: Dass die Deutschen über lange Zeit eines der größten Einwandererkontigente für die USA gestellt haben, dürfte bekannt sein. Während der ersten Besiedlungswelle wurden die USA zwar im Wesentlichen von Englischsprachigen besiedelt (also Bewohnern von Großbritannien und Irland), aber 1607 kam auch der erste Deutsche (der dann schon im nächsten Jahr starb). Zunächst waren die deutschsprachigen Einwanderer religiös Verfolgte (man denke nur an die Amish, die ja zu großen Teilen bis heute noch einen deutschen Dialekt sprechen). Zur Zeit des Unabhängigkeitskrieges sollen ca. 225.000 bis 250.000 der Bewohner der Kolonien deutschsprachig gewesen sein. Und nach der Volkszählung von 1790 hatten immerhin schon fast 9 Prozent der Amerikaner deutsche Wurzeln.
In der Folgezeit verstärkte sich die Zuwanderung aus Deutschland. Zwischen 1850 und 1930 immigrierten 5 Millionen Deutsche in die USA – nicht zuletzt nach der gescheiterten Revolution von 1848.
Die genauen Zahlen sind natürlich schwer zu ermitteln, zumal ja dann in den USA nach und nach eine Vermischung mit anderen Einwanderern erfolgte. 2005 hatten von ca. 295 Mio US-Bürgern ca. 50 Mio. deutsche Vorfahren, also ca. ein Sechstel.

Deutsche Einwanderer waren dabei sehr beliebt, da sie als ordentlich und arbeitsam galten. Viele Deutsche, die sich mit Gelegenheitsjobs für einige Zeit in den USA durchgeschlagen und darüber Reiseberichte geschrieben haben, erwähnen, dass für sie als Deutsche die Jobsuche wesentlich einfacher war als für Arbeitslose anderer Herkunft.

Da man als Einwanderer sich oftmals an Einwanderern des gleichen Herkunftslandes orientierte, kam es zu sehr starken deutschsprachigen Siedlungen. Dies änderte sich zum einen durch den sinkenden Nachzug von Deutschsprachigen – andere Einwanderergruppen überwogen dann und ohnehin setzte sich mehr und mehr das Englische durch. Und zum anderen änderte es sich durch den I. Weltkrieg. Nach dem Kriegseintritt der USA gegen Deutschland kam es zu einer regelrechten Spionagehysterie gegenüber deutschsprachigen oder nur (vermeintlich) deutschfreundlichen Amerikanern (ähnlich wie dann im II. Weltkrieg mit den Japanern). Es ging so weit, dass in verschiedenen Bundesstaaten der öffentliche Gebrauch des Deutschen gesetzlich verboten wurde.

Die (Deutsch)Schweizerin R. Zurbuchen beschrieb in ihrer Reisebeschreibung „Kreuz und quer durch Nordamerika in den Jahren 1915 bis 1919“ ihre Erlebnisse, als sie wegen des Kriegseintritts der USA nicht mehr nach Europa zurückreisen konnte. Sie blieb daher bei Verwandten in Kansas.

„Leider wurde durch die einseitige Kriegspropaganda der Presse der Deutschenhaß im Landes herum künstlich geschürt. Er richtete sich nicht nur gegen die Deutschen Europas, die ‚Hunnen‘, wie sie in den Zeitungen genannt wurden, sondern auch gegen die vielen Deutschamerikaner im Lande selbst und gegen alle diejenigen, welche deutschklingende Namen trugen. Der Durchschnittsamerikaner weiß keinen Unterschied zwischen Schweizern und Deutschen zu machen und bezeichnet sie alle mit dem Sammelnamen ‚Dutchmen‘. Im ganzen Land wimmelte es von Detektiven, deren Aufgabe es war, jedes deutschfreundliche Wort aufzufangen und nach Washington zu berichten. Es kam vor, dass Deutschamerikaner wegen unvorsichtiger Bemerkungen ohne Verhör als unloyal eingesteckt [inhaftiert] wurden. Dieses bezahlte Spioniersystem säte ein gegenseitiges böses Mißtrauen im Volk. Bald ging man soweit, die deutsche Sprache in Amerika vollständig zu verbieten. Ein alter Farmer im Staate Iowa fragte seinen Nachbarn auf Plattdeutsch nach seinem Pflug, da er eben kein Englisch sprechen konnte – dabei wurde er von einem ihn hassenden Spion beobachtet und auf dessen Anzeige hin eingesteckt. In den großen Städten wurden die deutschen Lehrbücher in den Parks haufenweise verbrannt und die Schullehrer der deutschen Sprache wurden von einem Tag auf den anderen entlassen.
Hätte das amerikanische Volk selbst über den Eintritt in den Krieg abstimmen können, und nicht nur seine Senatoren, so wäre Amerika nie in den Krieg getreten. Nun musste auf alle erdenkliche Weise Propaganda gemacht werden, damit das Volk willig sei, seine Söhne in den Krieg zu senden und die vielen Kriegsanleihen zu kaufen.
Ein junger Kanadier ging in dem meistens von Deutschamerikanern bewohnten Städtchen Halstead in Kansas so weit, zu behaupten, dass alle Amerikaner, welche die Hunnensprache sprechen, unloyal seien, und die guten Leute wußten sich nicht anders zu helfen, als Beifall zu klatschen, um nicht als unloyal zu gelten.
Sogar die Kirchen boten ihren Hand zur Kriegspropaganda, indem von den Kanzeln herab verkündigt wurde, dass es des Herrn Jesu Wille sei, dass Amerika in Europa für die Aufrichtung der Demokratie kämpfe. Im ganzen Lande wurden die Leute gezwungen, Kriegsanleihen zu kaufen.


[Zurbuchen beschreibt detailliert einen Fall, wo ein mittelloser deutschamerikanischer Farmer aus ihrer Umgebung mit Waffengewalt gezwungen wurde, eine Spende für das Rote Kreuz zu geben,]

Auf dem Lande kam es vor, daß in der Nacht Farmhäuser mit gelber Farbe beschmiert wurden, was als Zeichen der Unloyalität galt. In unserer Nähe wurde dem Vater eines amerikanischen Offiziers sein Auto gelb angestrichen, nur weil man wußte, daß der alte Mann vor dem Kriege als Deutscher deutschfreundlich gesinnt gewesen war. Ihm selbst wurde aufgepaßt [aufgelauert], um ihn bei Gelegenheit mit Teer zu überschütten und mit bunten Federn zu schmücken.
Doch kamen Teerungen und gelbe Autos und Häuseranstriche vielfach vor.“
(Zurbuchen, S. 255 ff., gekürzt).


Noch einmal zu Ernst und „Mieze“ zurück. Hier sehen wir sie noch mal genau in Bildern:



(Von links nach rechts: Ernst, unbekannt, Heinz, Daniela, "Mieze")




(Von links nach rechts: "Mieze", Ernst, Daniela, Heinz)


Betrachte ich mir die Fotos, so finde ich schon, dass man gewisse Unterschiede zwischen den „Amerikanern“ Ernst und „Mieze“ und den deutschen Heinz und Daniela erkennen kann. Am meisten fällt mir der Schnurrbart von Heinz auf. Und tatsächlich gab es hier Unterschiede. Busch schreibt nach seinen Beobachtungen auf New Yorks Straßen: „Die Herren waren alle rasiert. Nirgends sah ich einen Schnurr- oder gar Vollbart!“ (Quer durch Amerika, S. 47)

Aber auch der Kleidungsstil und die Frisuren sind etwas anders. Ernst und „Mieze“ haben sich angeglichen.
In einem Punkt allerdings nicht: sie haben einen Hund.

Und das ist Eure Aufgabe bis zum nächsten Mal:
Was für einen Hund hatten Ernst und "Mieze" und wie hieß er?



Wer schon immer mal wissen wollte, wie man früher gereist ist: Alte Reiseberichte

mrh400

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Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
« Antwort #55 am: 12.07.2011, 20:52 Uhr »
Hallo,
(wie bindet man denn Google-Street View mit der Adresse ein?)
so: link

siehe Screenshot unten; StreetView aufrufen, rechts oben das Kettenglied-Symbol anklicken (siehe Mauspfeil), Link kopieren
Gruß
mrh400

dschlei

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Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
« Antwort #56 am: 13.07.2011, 00:29 Uhr »
Im Gegensatz zu der allgemeinen Information wurden auch tausende Deutsch-Amerikaner im WWII in den USA in Lagern interniert!

http://en.wikipedia.org/wiki/German_American_internment
With kind regards from the south bank of the Caloosahatchee River

Flying-N

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Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
« Antwort #57 am: 13.07.2011, 10:07 Uhr »
Wahrscheinlich hatten sie einen Schäferhund, der "Rex" hieß... stimmt's? Oder vielleicht einen Dackel?

Nic

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TheWurst

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Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
« Antwort #58 am: 13.07.2011, 10:21 Uhr »
Oder vielleicht einen Dackel
Namens Purzel  :lol:

mrh400

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Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
« Antwort #59 am: 13.07.2011, 10:36 Uhr »
Hallo,
Oder vielleicht einen Dackel
Namens Purzel  :lol:
wenn schon Dackel, dann Waldi  :lol:
Gruß
mrh400