Guten Morgen,
bitte alle wieder einsteigen, wir fahren weiter!
5.9.2007: Granite City - LebanonIn St. Louis wollen wir uns zuerst den Gateway Arch anschauen, den großen Stahlbogen, der die Expansion der USA nach Westen symbolisiert. Wir haben von Deutschland aus Karten für die 9:30-Tram gekauft und haben im Moment noch keine rechte Idee, was wir uns in diesen Kontext unter dem Begriff "Tram" vorstellen sollen. Über die I 270, I 255 und I 70 fahren wir nach Downtown St. Louis. Wir sind relativ spät dran, daher ist es dem guten Verhältnis zu unserem Navisystem nicht gerade förderlich, als das Ding uns auf der Interstate einmal falsch leitet und dann in Downtown zum (recht hübschen) Old Court House anstatt zum gewünschten Parkplatz führt. Allen Widrigkeiten zum Trotz sind wir um 9:15 am Gateway Arch, der in einer schönen Grünanlage steht. Der 192 Meter hohe Bogen ist schon aus einiger Entfernung von der Autobahn aus zu sehen. Aus der Nähe erkennt man erst, wie riesig das Ding ist. Direkt unterhalb eines der beiden Pfeiler ist der Eingang zum Museum of Westward Expansion und zu den Bahnen zur Aussichtsplattform. Da wenig los ist (die riesige Halle ist absolut leer), dürfen wir eine Bahn früher als gebucht nehmen. Die Bahn besteht aus einzelnen faßförmigen Kabinen, die an der Achse drehbar aufgehängt sind. So wird beim Anstieg der sich stetig ändernde Winkel des Bogens ausgeglichen. Das Gefühl, eingepfercht in so einer Viermannkabine hochgezogen zu werden, ist nichts für Leute, die zu Klaustrophobie neigen. Der Blick von der Aussichtsplattform des Bogens ist gigantisch: Wenn man nach unten schaut, sieht man fast 200 Meter Leere und links und rechts die Pfeiler, das ist definitiv nichts für schwache Nerven. Im Osten sieht man den breiten, braunen Mississippi, im Westen die Metropole St. Louis mit dem Old Court House, dem Busch Stadium und dem Edward Jones Dome.
Der Gateway Arch in St. Louis Denkmal für die Erbauer und Planer des Gateway Arch Blick vom Gateway Arch auf St. Louis Im Museum of Westward Expansion wird, didaktisch sehr schön aufbereitet, die Geschichte der Expansion der USA nach Westen erzählt. Wir sind überrascht, wie differenziert dabei das Schicksal der Indianer behandelt wird. Zum Beispiel wird dargestellt, wie über hunderte von Jahren immer wieder Friedensmedaillen an die Eingeborenen ausgegeben und die dazugehörigen Verträge kurz darauf wieder gebrochen wurden. Über die Jahre wandelte sich die Bedeutung der Medaillen von Symbolen eines Friedensvertrags zur simplen Belohnung für Indianer, die Arbeit für die Weißen verrichteten oder ihr Land aufgaben.
Nach dem Besuch des Gateway Arch schlendern wir am Ufer des Mississippi in Richtung von Laclede's Landing, die Stelle an der 1763 Pierre Laclede an Land ging, um einen kleinen Außenposten zu gründen. Auf dem Weg dorthin kommen wir am Missisippi an einen Denkmal für die erfolgreiche Rückkehr der Lewis and Clark Expedition vorbei. Diese Expedition verließ im Mai 1804 St. Louis und folgte zunächst dem Missisippi nach Norden. Man erreichte die Pazifikküste und kehrte erst im September 1806 nach St. Lous zurück, wo man die Expeditionsmitglieder längst tot glaubte. Laclede's Landing ist ein nettes kleines Altstadtviertel mit vielen Gaststätten und Kneipen.
Blick von Laclede's Landing auf den Gateway Arch Laclede's Landing Gegen Mittag verlassen wir St. Louis. Während bis jetzt der Himmel nur bedeckt war, beginnt es nun, mehr oder weniger heftig zu regnen. Nach ungefähr 100 Kilometern kommen wir nach Stanton, die Heimat der Meramac Caverns. Diese Höhlen sind unter anderem für ihre leicht penetrante Werbung berühmt: Im Umkreis von bestimmt 150 Kilometern wird man als Autofahrer durch überdimensionierte Werbetafeln zum Besuch der Höhlen animiert, in denen sich angeblich Jesse James vor der Polizei versteckt hat und durch einen Hinterausgang auch entkommen konnte. Wir wollen uns das natürlich anschauen. Im Inneren erschrecken wir zunächst, wir sind nämlich in einen der USA-typischen Andenkenläden mit angeschlossenem Fast-Food-Lokal gelandet. Ein paar hundert Meter weiter befindet sich der eigentliche Höhleneingang. Wir nehmen an einer Tour teil und sind angenehm überrascht. Hinter einer riesigen natürlichen Halle, die als Ballsaal benutzt wurde und noch wird (früher sind die Leute sogar mit dem Auto hier rein gefahren) und einer Halle mit dem größten nicht funktionierenden Foucaultschen Pendel der Welt, beginnt ein verwinkeltes Labyrinth mit vielen schönen Tropfsteinen. Kurz vor dem Ende der Führung kommen wir zu einer riesigen "natürlichen Leinwand", gebildet aus zusammengewachsenen Tropfsteinen. Die Amerikaner, pragmatisch wie sie sind, haben auch einen dazu passenden Vorführraum in den Berg gebaut. Als Demonstration wird die US-Flagge an die Wand projiziert, mit dröhnender "God bless America"-Untermalung. Kitsch as Kitsch can…
Jesse James-Statue vor den Meramac Caverns "Natürliche Leinwand" in den Meramac Caverns Wir fahren weiter, kommen in Cuba am Wagon Wheel Motel vorbei (leider ist es noch zu früh, um eine Übernachtungsmöglichkeit zu suchen). Kurz darauf erreichen wir Devils Elbow und damit eines der schönsten Teilstücke der Route 66. Hier kommt man über eine uralte Stahlbrücke, später schlängelt sich die schmale Straße an einem Berghang, mit Blick ins Tal auf die Route 66-obligatorische Bahnlinie, entlang. Hinter Waynesville, ein paar Kilometer weiter behauptet unser Bordcomputer plötzlich, der linke Hinterreifen hätte einen Luftdruck von exakt 0. Wir steigen aus und schauen nach: Der Reifen sieht eigentlich ganz OK aus. Ein paar Minuten später muss das Auto uns in dieser Meinung zustimmen, der Bordcomputer springt wieder auf die gewohnten 30 psi.
Brücke bei Devil's Elbow In einer kleinen Ortschaft sind wir zu sehr mit Navigieren beschäftigt und sehen ein "Road Closed"-Zeichen nur aus dem Augenwinkel. Nachdem die Straße befahrbar aussieht, fahren wir weiter und stehen knapp zehn Minuten später vor einer Baustelle. Zurück fahren wollen wir nicht, glücklicherweise zeigt unser Navisystem eine mögliche Umfahrung der Baustelle an, die ein paar hundert Meter zurück abzweigt. Das probieren wir aus und landen bald auf einer sehr unbequemen Gravel-Road. Wir folgen dieser sehr langsam und vorsichtig. Vorsichtig zum einen, um das Auto nicht zu beschädigen, zum anderen gibt es hier in der Gegend sehr lebensmüde Hunde. Diese rennen mehrmals ziemlich gezielt direkt vor unser Auto.
Die Gravel-Road führt uns glücklicherweise bald wieder auf die Route 66, so dass wir kurz darauf in Lebanon sind, wo wir uns ein Zimmer im Munger Moss Motel nehmen. Das ist ein richtig schönes altes Vintage Motel mit riesigem Neonschild. Die Begrüßung von Ramona, der Besitzerin, ist herzlich. Unser Zimmer ist sehr gepflegt, an der Wand hängen Route 66-Bilder.
Route 66 in Missouri Neonschild vor dem Muger Moss Motel Am Abend nimmt Dirk noch etwas unfreiwilligen Sprachunterricht: Da seine Zahnseide während den letzten Tagen irgendwo verloren gegangen ist, will er Nachschub kaufen. Als er im Walgreens in Lebanon nach "Tooth silk" fragt, erntet er nur Verständnislosigkeit. Eine detaillierte Beschreibung später hellt sich das Gesicht der Verkäuferin auf: "Ah, you mean floss!".
Die nächste Etappe gibt es übermorgen.
Schöne Grüße,
Dirk