23.08.Als der Wecker klingelt, wachen wir wie aus dem Koma auf. Dadurch, dass es nachts zum ersten Mal still war, hatten wir endlich durchgeschlafen und gut geschlafen – sehr wohltuend nach den Großstadtstrapazen der letzten Tage. Als nächstes packten wir unsere Sachen zusammen (was für mich vor allem Umpacken bedeutete, denn ich war ja mit „großem Gepäck“ – meinem Koffer und meinem Backpackingrucksack – angereist. Jetzt packte ich alle Sachen, die ich während der Reise vermutlich noch brauchen würde in den Koffer und alles andere in den Rucksack, der dann ganz hinten im Auto verstaut wurde) und aßen dann das gratis Motelfrühstück – besonders hervorzuheben waren hier die leckeren, aber gefährlichen Waffeln zum Selbermachen… da habe ich mich gleich erstmal verbrannt.
Nach dem Auschecken besuchten wir unseren „Lieblingswalmart“
noch einmal, um ein paar Kisten, Proviant und eine Hose zu kaufen.
Auf dem Weg in die Innenstadt von Philadelphia hielten wir dann noch bei einem Aldi (!) an, um das Angebot anzuschauen. In Australien gab es ja auch Aldi, aber hier war das Angebot natürlich nicht vergleichbar mit Deutschland, aber nicht einmal vergleichbar mit Australien (also keine deutschen oder deutschähnlichen Produkte). Nur ein leckeres „Made in Germany“ Marzipanbrot haben wir gekauft, das war aber auch richtig gut!
Mit dem Auto fuhren wir mutig in die Innenstadt von Philadelphia hinein, in der Hoffnung, einen Parkplatz dort zu finden. Dabei machten wir einige Umwege durch die Innenstadt, die wirklich sehr schön und grün war, mit kleinen Backsteinhäusern und vielen Bäumen. Das Glück war uns hold, denn nur zwei Blocks vom „Independence Park“ (da wo die Liberty Bell hängt) entfernt hatten wir schon einen Parkplatz gefunden, obwohl wir uns nicht ganz sicher waren, ob wir da nicht doch ein Knöllchen bekommen oder ob man eine Parkscheibe braucht in Amerika (letztlich haben wir einen Zettel aufs Armaturenbrett gelegt).
(ich habe gerade Staci, meine Mitbewohnerin gefragt, und sie hat gesagt, dass in Amerika keine Parkscheiben oder ähnliches nötig sind...die fahren einfach herum und schauen sich die Plates an, und schauen ob ein Auto viel zu lange parkt
)
Dann liefen wir die zwei Blocks bis zum Independence Park, kamen als erstes zu einem Haus mit einem Uhrenturm drauf – der Independence Hall. Es waren einige Ausflugsgruppen und Schulklassen unterwegs und die Gartenanlagen rund um die historischen Gebäude waren wunderschön bepflanzt.
Wir hielten uns aber nicht besonders lange bei der fotogenen Independence Hall auf, sondern machten uns auf die Suche nach der Liberty Bell, unserer eigentlichen „Mission“ für heute. Eigentlich dachten wir, wir bräuchten dafür Tickets, kamen dann aber plötzlich an ein Schild „Zur Liberty Bell da lang und man braucht keine Tickets“. Prima!
Fast vollständig ohne Wartezeit ging es (natürlich wieder durch die Security) ins Museum, wo eine kleine Ausstellung war, und ehe wir uns versahen standen wir schon vor dieser historischen Glocke: sie wurde immer geläutet, wenn zum Beispiel die Declaration of Independence (Unabhängigkeitserklärung) oder die Constitution (Verfassung) verlesen wurde und stellt für die Amerikaner ein wichtiges Symbol für Freiheit dar. Sie war nicht einmal hinter Glas ausgestellt – also sehr „volksnah“.
Anschließend liefen wir noch kurz ins Visitor Center, um zu fragen, wo man die Declaration of Independence eigentlich sehen kann. Der nette Herr erklärte uns dann, dass es zwei Versionen gäbe: die eine vom 4. Juli 1776, die wider verbreitetem Glauben eine gedruckte und unbekannte Version ist, vom Datum her genau am Independence Day, dem Nationalfeiertag der Unabhängigkeit – diese Version hängt hier in Philadelphia. Dann gäbe es noch eine handgeschriebene berühmte Version, die erst etwas später angefertigt wurde, aber die das Gesetz rechtsgültig gemacht hat (offensichtlich wurden Gesetze damals erst rechtskräftig wenn sie per Hand geschrieben worden waren) – und diese Version hängt in Washington DC. Wir liefen also als nächstes zurück zur Independence Hall, um dort kurz die gedruckte Version anzuschauen, die in einem kleinen dunklen Raum ausgestellt war.
Zurück am Auto stellten wir fest, dass wir kein Knöllchen bekommen hatten und konnten also beruhigt weiterfahren! Der nächste Programmpunkt war etwas seltsam: Philadelphia ist laut Statistiken die Mordhauptstadt der USA, mit der größten Rate an Morden pro Einwohner. Diese Morde passieren jedoch nicht direkt neben der Liberty Bell, sondern eher in einem kleinen Getto nördlich von der Innenstadt, durch das wir wenigstens einmal eine Rundfahrt machen wollten, um noch einmal einen Eindruck von den dunklen Seiten Amerikas zu bekommen. Auf dem Weg nach Norden wurde es sehr sehr schnell ärmlich (innerhalb von ca. 1 km), was wir überhaupt nicht erwartet hatten. Es war sehr verkommen, es gab nur noch 1-2geschossige Häuser, Müll liegt herum, verlassene Fabrikgebäude, Fenster die mit Brettern verkleidet oder Häuser mit eingeschmissenen Fensterscheiben gab es… also nicht sehr angenehm.
Und inmitten dieses districts gab es eine große Universität, die Temple University, in die gerade die Studenten nach der Sommerpause wieder einzogen (überall wuselten Leute und schleppten Kisten)… und das ist wieder typisch Amerika: die Studenten dort sind mit Sicherheit sehr behütet, es gibt eine eigene Campuspolizei und man hat kaum Kontakt mit den Einheimischen, eine „Bubble“ (Blase) eben (ist hier in Middlebury auch so). Als wir durch die Nebenstraßen um die Universität gefahren sind, sahen wir auch viele (vor allem Schwarze) Menschen auf den Stufen vor ihren Häusern und taten einfach nichts, andere putzten aber auch ihre Häuser oder strichen die Häuser an, also sie schienen so ihr Auskommen mit diesem Viertel zu haben und schienen nicht völlig unglücklich. Ich glaube diese Menschen haben einfach einen völlig anderen Alltag, der eben auch mit Gewalt und Armut einher geht, und sind sicher nicht zu beneiden, eben ein Nebeneffekt in einem Land, in dem es keine großen sozialen Sicherungssysteme gibt.
Als nächstes fuhren wir zurück ins Zentrum, wieder auf die Interstate, die wie in jeder „vernünftigen Amerikanischen Großstadt“
mitten durch die Innenstadt fährt oder sie zumindest tangiert. Wir fuhren nun durch einen der urbanisiertesten Bereiche des ganzen Landes, vorbei an Werbeschildern, allerlei großen Städten, Container- und Militärhäfen, aber auch zum Teil durch relativ unberührte Natur… schließlich kamen wir nach Baltimore, und weil wir uns verfahren hatten, kamen wir sogar noch an einem Stadion vorbei, wo wohl ein großes Spiel gewesen sein musste an diesem Tag (Football? Baseball?), denn alle waren in Lila Fankleidung.
Ausgerüstet unterwegs:
Wir fuhren weiter und zu Sonnenuntergang erreichten wir schließlich Washington DC. Bereits von der Interstate aus konnte man das Kapitol und das Washington Monument sehen, und auf dem Weg ins Hotel fuhren wir durch die gesamte Innenstadt, mit wunderschöner Architektur, echt ein toller erster Eindruck. Am Hotel angekommen, war das ein riesiger Brummer von Hotel, das wir aber auch nur durch einen „Trick“ buchen konnten: Priceline! Und so waren wir günstig (zu Motelpreisen!) an dieses Hotel gekommen.
Heiko bat um ein Zimmer mit Ausblick, und so landeten wir in der 7. Etage, mit einem herrlichen Blick über Washington (O-Ton: „Man konnte vom Klo aus das Washington Monument sehen“), mit einer wunderschönen luxuriösen Ausstattung, mit Daunenbett und allem drum und dran, ahhhh das war einfach SOOO genial!!!
Blick aus dem Hotelzimmer!
Da der Abend noch jung war, oder besser gesagt, weil wir wussten, dass wir an den nächsten Tagen sicher fertiger sein würden, machten wir uns abends noch einmal auf den Weg in die Innenstadt, um einen schicken Kneipenbezirk/etwas zu Essen zu finden. So landeten wir recht bald in einem hübschen, belebten Stadtteil, mit historischen Häusern und vielen Bäumen und Bepflanzungen, aber auch vielen Kneipen. Wir flanierten, und setzten uns in ein Steakrestaurant, wo Heiko ein Steak aß und ich einen Burger mit Rindfleisch, Feta, Tomate und Bacon, richtig, richtig lecker („der war wirklich lecker, und ich bin kein Burgerfreund“).
Dazu Rotwein (ich wurde strikt nach meinem Pass gefragt, ob ich denn auch 21 bin – was für eine Umgewöhnung) und nach dem Essen noch ein toller Spaziergang, es war warm nachts um 11, die Zikaden zirpten… allerdings waren wir, wie wir die wachsende Vermutung hatten, im Schwulenbezirk gelandet (was wir später im Reiseführer verifizierten), was uns nicht weiter störte, aber es war schon interessant, Vierergrüppchen von Männern beim Küssen und Umarmen zuzugucken.
Bevor wir dann nach Hause fuhren, wollten wir noch am Weißen Haus vorbeifahren, was wir auch taten – und waren begeistert! Leider hatten wir das Navi nicht mehr im Auto, und wir kannten den Rückweg nicht so gut, wie wir es geglaubt hatten, und so gestaltete sich die Rückfahrt zum Hotel „etwas schwierig“.
Nach einer halben Stunde und einer Rundfahrt durch gefühlt alle Stadtteile von Washington waren wir dann wieder im Hotel. Wir setzten uns noch etwas auf eine Terrasse, die sonst niemand nutzte (warum auch immer, denn es war herrlich), und genossen den Abend – aber schliefen sofort ein.
Nachdem wir wieder hochgeschreckt waren, bewegten wir uns schnell aufs Zimmer, um am nächsten Morgen nicht als Obdachlose auf der Terrasse aufgefunden zu werden.
Die restlichen Bilder gibt es wie immer im Album. (Passwort D00494).
http://s169.photobucket.com/albums/u224/Elli_0991/USA%20Northeast%202012/Day%206/?albumview=slideshow