Freitag, 14. Oktober
Wüstenstadt TucsonDiesen Weg kennen wir schon: Durch die malerischen Tucson Mountains geht es wieder Richtung Saguaros. Kurz vor dem National Park biegen wir aber Richtung Arizona Desert Museum ab. Zu unserer Überraschung ist es schon um 9.30 Uhr ziemlich voll auf den Parkplätzen. Direkt nach dem Eingang (Tickets 20,50 Dollar pro Person) werden wir von einer weißhaarigen, aber sehr drahtigen Volunteer angesprochen. Es stellt sich heraus, dass sie in Deutschland geboren ist und jedes Jahr nach Bayern zu Verwandten reist. Sie mag Deutschland und gibt uns den Tipp, gleich zur ¨Raptor-Show¨ zu gehen, zu der eigentlich nur ¨members¨ des Museums zugelassen sind. Eine Freiflugschau von Vögeln erwartet uns. Es geht los mit einem Raben, dann folgen eine große Eule und Falken. Die Tiere sind zum ersten Mal nach einem halben Jahr Sommerpause wieder bei einer Flugshow. Ganz nah streichen sie über die Köpfe der Besucher. Dem großen Falken, der zuletzt dran ist, gefällt offenbar die Freiheit. Er kommt nicht zu den heftig winkenden Rangern zurück, sondern schwingt sich stattdessen Richtung Berge davon. Sicher wird er aber später wiederkommen.
Die Vögel werden mit Winkzeichen angelockt und nach dem Anflug mit Fleischhäppchen belohnt. Suchbild mit kamerascheuem Raben.Wir wandern den Desert Loop Trail ab. Das Desert Museum ist eine Mischung aus Botanischem Garten, Wüstenpark und Zoo. Die didaktische Aufbereitung macht - wie immer in Amerika - richtig Spaß. Wir gehen auch den Kids Trail. Hier ist manches so nett und anschaulich präsentiert, dass wir uns gerne bücken, um die Klapperschlange hinter dem Fenster einen halben Meter über dem Boden zu sehen. An einem Felsbrocken steht ein unauffälliges ¨Lift¨. Das haben wir übersehen, aber der Junge neben uns hebt den (Kunststoff-)Stein sofort an und entdeckt darunter interessante Käfer (natürlich hinter Glas).
Wir sehen ein Javalina im Schatten dösen. Diese Tiere sehen aus wie Wildschweine, gehören aber einer anderen Gattung an. Höhepunkt ist der Mountain Lion. Ein beeindruckend großer Puma jagt durch sein Terrrain. Er ist so lebhaft, dass wir ihn von allen Seiten zu sehen bekommen.
In freier Wildbahn haben wir den Mountain Lion leider nicht zu Gesicht bekommen. Aber auch der Museums-Zoo vermittelt einen Eindruck von der Eleganz seiner Bewegungen.Schon am Vormittag ist es brütend heiß im Museum. Für diese Jahreszeit sind die Temperaturen mit über 93 Grad Fahrenheit (34 Grad Celsius) außergewöhnlich hoch. Wir gönnen uns einen Eiscafe in Phoebe's Imbiss. Vorher waren wir im Reptilienhaus und im Aquarium. Bei den Reptilien steht ein Volunteer, der eine Schlange in der Hand hält. Irene sucht auf der Kamera das Schlangenbild, das wir im Slide Rock State Park geschossen haben. Der Experte identifiziert das Tier als Arizona Mountain King Snake. Sie ist, wie alle King Snakes, harmlos. Heimisch ist sie im kühleren Norden des Staates, nicht im heißen Süden.
Im Reptilienhaus ist eine ganze Reihe von unauffällig gefärbten Klapperschlangen zu sehen - sie wirken ganz harmlos. Und Irene kann endlich ihr Lieblingswüstentier, das Gila Monster, aus der Nähe beobachten. Leider schläft es gerade. Um so lebhafter sind die Skorpione. Sie sind im Vergleich zu den Exemplaren, die man aus Spanien kennt, winzig. In dem dunklen Terrarium erkennt man zunächst gar nichts. Erst wenn man den Lichtknopf drückt, sieht man die fluoreszierenden Körper mit dem charakteristisch eingerollten Schwanz. Ob wir in der Wüste auch schon einem Mini-Skorpion begegnet sind, ohne es zu merken?
Frösche,Klapperschlange,und endlich das friedlich schlummernde Gila-Monster.Nach den Tieren und Pflanzen wollen wir uns eine Dosis Wildwest-Romantik geben. Old Tucson liegt gleich um die Ecke. Im Gegensatz zum Desert Museum ist hier wenig Betrieb. Mehr als 100 Western und Serien wurden in dieser nachgebauten Stadt gedreht. Die wohl auch bei uns bekannteste: High Chaparell. Wir durchstreifen die Kulissen. Zum Teil handelt es sich um komplette Häuser, die auch innen eingerichtet sind, zum Teil stehen nur halb verfallene Fassaden. Man kann sich mit einer kleinen Bahn oder per Pferdekutsche durch die Stadt fahren lassen. Night tours werden von September bis Halloween angeboten. Dann spukt es in der Dunkelheit überall in Old Tucson, wir sehen die entsprechenden Dekorationen in der Mittagssonne leuchten. Für uns am interessantesten ist die chronologische Videozusammenfassung der vielen Filme, die hier gedreht wurden. In den 50ern und 60ern hatte Old Tucson seine große Zeit, aber die letzten Streifen stammen aus dem 21. Jahrhundert. Viele Western-Helden von Rang und Namen standen hier vor der Kamera.
Eine Kunstwelt: Old Tucson, aber für Freunde des Westerns sicher einen Abstecher wert.Wir fahren in die Stadt zurück, um unser Basislager für die kommenden zwei Tage zu beziehen. Dieter hat den Sentinel Campground an der Grande Street ausgesucht, der als einziger so stadtnah gelegen ist, dass wir gut zum Football-Stadion der Universität kommen. Schön sei der Platz nicht, hat Dieter verlauten lassen, aber zumindest mit Pool ausgestattet.
Unser Campground ist ein komplett asphaltierter, nicht allzu großer Parkplatz. Immerhin haben wir einen Außensitzplatz, der allerdings jetzt um 3 in der prallen Sonne liegt. Wir schwitzen bei weit über 30 Grad, deshalb kühlen wir uns erst mal im Pool ab. Das Becken ist klein, aber mit sehr erfrischendem Wasser gefüllt (unheated). Genau das Richtige für uns.
Gegen 4.30 sind wir bereit zu weiteren Taten. Wir haben ein Logistikproblem zu lösen. Um zum Footballspiel morgen Mittag zu kommen, hat uns die Campgroundlady empfohlen, ein Verkehrsmittel namens Link zu nehmen. Es soll ein paar Blocks weiter einen Kiosk geben, wo wir die Fahrkarten dafür kaufen können. Wir machen uns auf den Weg - ungefähr eine Meile an der Grande Street entlang, die zum Glück mit einem Bürgersteig versehen ist. Von einem Kiosk allerdings keine Spur. Stattdessen treffen wir auf eine hilfsbereite Familie, die an einer Bushaltestelle wartet. Nach längerem Palaver empfiehlt uns die Mutter, mit dem Bus nach Downtown zu fahren und dort ein Ticket für den Link-Suntrain zu kaufen. Der Bus kommt auch prompt. Dieter will zwei Tickets für 3 Dollar kaufen, aber der Fahrer winkt ab. Wir sollen einfach durchgehen und uns setzen, auf Bargeschäfte ist er nicht eingerichtet. So bekommen wir ein kostenloses Shuttle in die Stadt.
Im Bus treffen wir auf eine andere hilfreiche Seele. Durch Irenes Berlin-Tasche aufmerksam geworden, will sie wissen, was wir so machen. Sie berichtet, dass sie kürzlich in der Schweiz war. Nach dem Aussteigen führt sie uns zu der Ticketbox, wo wir unsere 24-Stunden-Karten lösen können.
Das klappt allerdings nur mit Problemen: Unsere sämtlichen Kreditkarten erkennt der Automat nicht, und bei den Dollarnoten müssen wir zigmal probieren, bis er die 8 Dollar schluckt. Als es endlich klappt, sind wir total entgeistert, denn im Entnahmefach liegen statt der von uns gekauften zwei insgesamt fünf Sunpasses. In diesem Moment kommt glücklicherweise ein Link-Mitarbeiter vorbei und fragt, ob er uns helfen kann. Er gibt uns zwei Tickets und nimmt die anderen drei an sich - sie sind vermutlich irgendwie liegengeblieben.
Nun sind wir auf den folgenden Tag vorbereitet und können uns den Anforderungen des Abends widmen, die da heißen: Essensaufnahme. Wir suchen mit Googles Hilfe Restaurants und finden uns schließlich in einem Laden wieder, der mexican food des etwas gehobeneren Genres anbietet. Allerdings ist das Licht so schummerig, dass wir die Getränkekarte nur mit Hilfe unserer Taschenlampe entziffern können. Bei der Speisekarte ist das nicht nötig, denn sie wird uns auf einer großen Tafel vorgehalten und Gericht für Gericht vorgelesen. Wir entscheiden uns für Lachs (Dieter) und Geschnetzeltes (Irene). Dazu gibt es Salat, köstlichen Reis, Bohnen und Tortillas. Es ist wirklich lecker, auch wenn man sich vorkommt wie im Dunkelrestaurant.
Mit unserem Sunpass fahren wir per Link-Tram nach Hause. Der Pass wird mit dem ersten Gebrauch aktiviert, indem man ihn im Zug auf den Scanner legt. Ab jetzt gilt er 24 Stunden. Das dürfte für unser Football-Abenteuer morgen reichen.
So liebt man eine Wettervorhersage. Aber selbst die Sonne hat ihre Schattenseiten...