Mittwoch, 25. Februar
Wir starten Richtung Sarasota. Die Räder sind auf dem Träger verstaut – natürlich zusätzlich mit einem eigens gekauften Seil verschnürt und mit einem Kettenschloss verknüpft, denn Dieter überlässt in Sachen Sicherheit nichts dem Zufall (
das hört sich, wenn ich Irenes Reisebericht an dieser Stelle ergänzen darf, ziemlich übel, weil pedantisch an. Fakt aber bleibt, dass der Fahrer auch für die Sicherheit der Ladung Verantwortung trägt, egal, ob sie sich vorne auf dem Beifahrersitz befindet oder weiter hinten. Dankbarkeit, Leben gerettet zu haben, erwarte ich ebenso wenig wie ich mich dafür schäme, vorsorglich mit der Gesundheit anderer Menschen umgegangen zu sein. Im Übrigen hat die Sache mit den Seilen (es waren zwei) und der Kette den Urlaub trotz des bisweilen immensen Zeitaufwands der Fixierung und Defixierung der Räder nicht getrübt. Zumindest nicht von meiner Seite). Zur Sicherheit jetzt wieder Irene:
Wir steuern das John and Mable Ringling Museum an, denn unser Florida-Urlaub soll eine Mischung aus Natur und Kultur werden. Shopping und City-Bummeln haben eher untergeordnete Priorität. Das Ringling ist definitiv eine Empfehlung. Man kann für 25 Dollar pro Person das Kunstmuseum, das Wohnhaus des Zirkuskönigs und ein kleines Zirkusmuseum besuchen. Wir beschränken uns auf das Museum und staunen über die alten Meister, die Ringling aus Europa herangeschafft hat. Rubens, Rembrandt, die große italienische Schule mit Meistern, die vielleicht nicht die ganz großen Namen tragen, aber phantastisch gemalt haben. Uns fallen vor allem die leuchtenden Farben der Bilder ins Auge. Hier haben die Restauratoren ganze Arbeit geleistet.
Das Ringling-Museum ist einen Abstecher wert.
Begeistert sind wir auch von den Wechselausstellungen. Ein Saal ist der aktuellen chinesischen Fotografie gewidmet. Und dann gibt es zeitgenössische US-amerikanische Kunst vom Feinsten. Einer der Höhepunkte: Nick Cave mit seinen Trash-Figuren, aber auch viele Namen, die wir noch nie gehört haben. Der Park im Innenhof des Museums ist nach französischem Vorbild angelegt – voller Skulpturen aus der Klassik, allerdings Kopien. Ein lebensgroßer Michelangelo dominiert alles.
Kein Plastik, aber auch nicht echt.
Das Ringling-Wohnhaus liegt wunderschön am Golf, aber die Schlange vor dem Eingang schreckt uns ab, und wir machen uns auf den Weg zum Campground.
Das Ringling-Domizil ist nicht gerade ein Behelfsheim.
Wir haben am Morgen telefonisch eine Site auf dem Platz „Sun and Fun“ reserviert, sicher einer der größten CGs in Florida. Die Karte weist über 1600 Plätze aus. Wir wollen mal sehen, wie es auf einem solchen Riesenplatz mit einem gigantischen Fun-Angebot zugeht. Und in der Tat: Das muss man eigentlich mal gesehen haben.
Eine Führerin lotst uns per Golfcar zu unserer Site. Sie ist gar nicht mal so eng, dafür ist der Wasserhahn in unerreichbarer Ferne für unseren 5-Meter-Schlauch. Das ist uns noch nie passiert. Wir überlegen eine Verlängerung zu kaufen, aber unser Tank ist noch dreiviertel voll, da geht es auch ohne Anschluss.
Inzwischen hat sich der Nebel verzogen, der uns die vergangenen Tage hartnäckig begleitet hat. Die Sonne scheint, es ist sommerlich warm. Dieter will unbedingt in den Pool. Tatsächlich handelt es sich um ein ausgewachsenes Freibad. Und hier sind sie, die Snowbirds. Grau und Weiß dominieren bei den Haarfarben, beeindruckende Gewichtsklassen lassen sich zu Wasser. Das ist so warm (rund 30 Grad), dass Schwimmen nicht in Frage kommt. Die Senioren lassen sich auf Schwimmnudeln durchs Wasser treiben – vorzugsweise sitzend, während sie eifrig Konversation betreiben.
Der Pool entpuppt sich als ausgewachsenes Schwimmbad. Auch sonst gibt es auf dem
Campground vieles, was das (Senioren-)Herz erfreut.
Auf dem Weg zurück durchqueren wir die Unterhaltungs-Areas: Shuffleboard, Petanque, Horseshoes und ein seltsames Spiel, bei dem gefüllte Stoffsäckchen in ein Loch in einem Holzbrett geworfen werden müssen. Überall herrscht reger Betrieb, es haben sich Mannschaften gebildet, die gegeneinander antreten, man kennt sich offenbar, und es geht laut und lebhaft zu. Das Monatsprogramm weist fast jeden Tag ein anderes Highlight auf. Heute Abend gibt es Live-Musik an der Pool-Bar. Der Pool ist bis Mitternacht geöffnet.
Vorher aber spielen wir eine Runde Pool-Billard. Dieter hat den Billardraum mit sechs Tischen entdeckt. Außer uns ist kein Mensch da, Bälle, Queues und Kreide sind kostenlos zu benutzen.
Dieter will abends noch eine Runde schwimmen. Als wir kommen, spielt das Duo schon, aber kein Mensch ist mehr im Wasser. Da entdecken wir hinter dem Freibad das Hallenbad. Das ist von 6 bis 8 geöffnet, und hier taucht auch Irene ein. Das Bad ist so groß wie ein städtisches Schwimmbad, herrlich warm und sehr gepflegt. Im Eingangsbereich ein großer Kraftraum, in der oberen Etage sehen wir aus dem Bad allein zehn Laufbänder, dahinter erstreckt sich offenbar noch ein Gym. Alles kostenlos zu nutzen. So langsam verstehen wir, wie die Senioren in Florida ihren Lebensabend verbringen. Sie lassen es sich einfach gutgehen. Praktisch alles in dieser Camping-Stadt ist behindertengerecht – ins Bad kommen Rollstuhlfahrer mit einem Lift. Wer nicht gut zu Fuß ist, bewegt sich mit dem Golfcar durch das weitläufige Gelände. Viele Leute haben kein Wohnmobil wie wir, sondern ein festes Mobilhome mitsamt Vorgärtchen, Gartenzwerg und lichterkettenbehangener Plastikpalme. Riesige Flatscreens hängen in den Domizilen. Das hat mit Camping wenig zu tun. An Unterhaltung und Abwechslung ist jedenfalls kein Mangel, und die sozialen Kontakte ergeben sich schnell.
Wir hören noch eine halbe Stunde der etwas schrägen Country-Musik in der Poolbar zu, trinken ein Bier und lassen den Tag ausklingen.