03.10.2006 Dry Tortugas NP Schon sehr zeitig mussten wir heute wegen des geplanten Tagesausfluges aus den Federn – um 6.30 Uhr klingelte der Wecker. So zeitig, dass es noch nicht einmal Frühstück gab im „Angelina“. Einerseits ein echter Verlust, andererseits sollte sich dieses Opfer mehr als lohnen. Wir packten also alle unsere Siebensachen in den Trailblazer und fuhren los – ausgecheckt hatten wir ja in weiser Vorraussicht schon tags zuvor. Unser Weg führte uns hinauf in den Norden der Stadt zum dort befindlichen Yachthafen. Zusammen mit einem Häuflein von etwa 35 anderen Teilnehmern checkten wir für die Überfahrt zum „Dry Tortugas NP“ ein.
Zu diesem sehr abgelegenen, kleinen Nationalpark verkehren täglich nur zwei Fähren: Die „Yankee Freedom II“ und die von uns gebuchte „Fastcat“. Die letztere Variante hat den Vorteil, dass sie deutlich billiger ist und sogar etwas schneller; der Nachteil der viel kleineren „Fastcat“ wurde uns aber vor dem „Boarding“ gleich noch vom Captain dargelegt: Durch die geringe Größe ist sie natürlich viel eher ein Spielball der Wellen als die größere Fähre, und insbesondere gegen Seekrankheit empfindlichen Passagieren kann dies schnell auf den Magen schlagen. Der Captain erläuterte uns, dass am heutigen Tage ein sehr starker Seegang sei – sogar der stärkste, bei dem eine Überfahrt überhaupt noch durchgeführt wird. Wäre es noch etwas ärger, dann würde die Fähre schlichtweg gecancelt. Er warnte alle Teilnehmer, die diesbezüglich empfindlich seien, einen anderen Termin zu wählen – was letztendlich auch insgesamt vier Passagiere taten.
Der Rest konnte dann boarden und wurde freundlich von den zwei Männern und einer Dame begrüßt, die zusammen mit dem Captain die Crew bildeten. Noch vor dem Auslaufen wurde das Frühstücksbuffet auf dem Schiff eröffnet, das wie das spätere Mittagessen im Fahrpreis enthalten ist. So holten Claudia und ich das im „Angelina“ versäumte nach und ließen uns erst einmal einen frischen Kaffee und ein paar Donuts schmecken.
Schon bald ging es aber in gemächlichem Tempo aus dem Yachthafen heraus. Wir genossen den morgendlichen Blick auf Key West vom Meer aus und das laue Wetter. Kaum waren wir aus dem Seichtwasserbereich heraus, zeigte uns der Captain, wie viel Power in dem Katamaran stecken und gab richtig Gas. Das Ding hatte wirklich mächtig Dampf; dagegen war die Fähre vom John Pennekamp SP eine lahme Krücke...
Ich verzog mich schon bald aufs Achterdeck und genoss den Sonnenaufgang von dort aus. Insgesamt sollte die Überfahrt etwas mehr als zwei Stunden dauern; allerdings musste der Captain wegen des schon erwähnten starken Seegangs immer wieder Gas zurücknehmen, damit sich die Fahrt nicht zu rau gestaltete. Etwa auf halber Strecke überholten wir dann langsam, aber unaufhaltsam die viel größere „Yankee Freedom II“, und insgeheim freute ich mich, die günstigere und auch noch etwas schnellere Variante gebucht zu haben.
Unter den Passagieren befanden sich aber auch etliche, die die Warnungen des Captains vor Fahrtantritt wohl zu leichtfertig in den Wind geschlagen haben. Immer wieder wurden Passagiere, deren Gesichtsfarbe irgendwo zwischen aschfahl und mintgrün lag, durch das Personal aus dem Innenraum nach Achtern begleitet, wo sie dann über die Reling hängend ein Ferngespräch mit dem Klärwerk hatten.
Dank des Fahrtwindes klappte das ganz gut ohne irgendwelche ekligen Reste auf dem Deck, und ich war einerseits froh, dass mir der Seegang absolut nichts ausmachte; andererseits fand ich die Szenerie fast schon amüsant und diskutierte mit einem Member der Crew, was denn bei einer Überfahrt der „Highscore“ gewesen war – er entgegnete irgendwas von „gut 70“, was man bei einer maximalen Passagierzahl von 100 durchaus als beachtlichen Wert bezeichnen kann...
Nach knapp 2 ½ Stunden Fahrt tauchte dann vor uns das heutige Tagesziel auf:
Wir umfuhren die Insel fast einmal komplett und legten dann an. Vor Ort warteten bereits einige Park Ranger – nachdem wir das erste der öffentlichen Boote waren, sind die Ranger wohl mit irgendeinem kleineren eigenen Boot vor uns gekommen. „Was für ein langer Weg zur Arbeit“ dachte ich mir – „was da ein deutsches Finanzamt wohl zur zu veranschlagenden Entfernungspauschale sagen würde...?“
Als erstes stand die kleine Führung durch Ft. Jefferson an, die mit zum Ausflugsprogramm gehörte. Wir erfuhren, dass die Insel früher ein Versteck und Stützpunkt der Piraten im Golf von Mexico war, ehe sich die Regierung entschloss, dem üblen Treiben dieser Freibeuter ein Ende zu bereiten und ein Fort auf einer der kleinen Inseln zu bauen. So wurden – damals immer noch mit Segelschiffen – über die Jahre nicht weniger als 16 Millionen (!) Naturziegelsteine nach Dry Tortugas geschafft und dort nach und nach das Fort Jefferson errichtet. Das Fort selbst wurde rundherum mit zahllosen Kanonen ausgerüstet, die eine maximale Reichweite von ca. 5 Meilen hatten. Allerdings wurde vom Fort, außer zu Übungszwecken, niemals auch nur ein einziger Schuss abgefeuert.
Da überdies die Trinkwasserversorgung erhebliche Probleme bereitete – auf der Insel gibt es kein Süsswasser, und das für das Fort konzipierte Zisternensystem funktionierte nie richtig – war der sehr aufwändige Bau letztendlich ein „Schuss in den Ofen“. Zumindest der Zweck, dass Piraten die Inseln nicht mehr für ihre Zwecke nutzen konnten, wurde aber erfüllt. Später wurde das Fort noch als Gefängnis genutzt, was aber aufgrund der oben bereits beschriebenen Probleme nach einiger Zeit auch wieder aufgegeben wurde. Letztlich beeindruckte uns vor allem der doch mächtige Bau – bedenkt man, dass alles per Segelschiff hierher geschafft werden musste, eine doch reife Leistung!
Während der Führung gelangt man auch auf den oberen Rundgang des Forts, wo sich auch ein Leuchtturm befindet. Von hier konnte man unten am Strand ein provisorisches, selbstgebautes Boot erkennen, das überdies mit Absperrleine umringt war.
Meine erste Vermutung stellte sich als zutreffend heraus: Auf Nachfrage erläuterte uns der Führer, dass etwa eine Woche zuvor ca. 15 (!) Erwachsene mit dieser selbstgebauten Nussschale von Cuba aus die Flucht ins „gelobte Land“ gewagt und auch geschafft hatten – auch wenn es sich bei Dry Tortugas nur um ein winziges Eiland handelt, ist man ja dennoch schon auf US-Territorium. Das Boot wurde übrigens in Handarbeit aus normalen Brettern gefertigt und leidlich abgedichtet, als Motor wurde ein Auto-Motor aus irgendeinem Uralt-Pkw, wie sie in Cuba üblich sind, verwendet.
„Wow, was für ein Wagnis!“, dachte ich mir. Mir ging der starke Seegang bei der Überfahrt durch den Kopf und ich stellte mir bildlich vor, was die See wohl mit diesem erbärmlichen Teil anstellt, wenn auch nur die geringste Brise aufkommt – und wir fuhren mit starken Motoren und mit einem viel größerem, seetauglichem Katamaran ja nur etwa 40 Meilen – diese armen Kerle hatten an die 100 Meilen hinter sich; mit einem besseren Scheibenwischermotor!
Wir erfuhren, dass früher jedes dieser Boote, wenn möglich, von der Küstenwache noch auf See aufgebracht wurde und die Flüchtlinge dann als „Illegale“ die Deportation nach Cuba zu erwarten hatten. Da aber aufgrund dessen immer mehr dieser Leute beim Anblick der Küstenwache über Bord sprangen und dann oft wegen ihres entkräfteten Zustands ertranken, ist man davon abgekommen und lässt sie an Land gehen. Dort steht ihnen – weil sie ja „die USA erreicht haben“ eine Art privilegierter Flüchtlingsstatus zu und sie erhalten eine befristete Aufenthaltsgenehmigung, mit der sie sogar eine Arbeitsstelle annehmen dürfen.
Nach der Führung wurde das Mittagessen eingenommen. Hierzu werden Tische und Bänke, die in der Nähe des Anlegeplatzes fest installiert sind, genutzt. Dieses bestand zwar nur aus Kaltverpflegung, vor allem Sandwiches zum selberbasteln, Salaten und Obst, aber wir wollten uns ohnehin die Bäuche nicht zu voll stopfen. Schließlich sollte nach dem Essen der Höhepunkt des Tages folgen: Das Schnorcheln an den Riffen rund um Dry Tortugas.
Wir erhielten von der Crew der „Fastcat“ noch einige Tipps, wo man die schönsten Eindrücke und die schönsten Riffe betrachten kann und stürzten uns ins Vergnügen.
Zuerst schwammen wir etwa 150 m hinaus, wo wir im immer noch seichten und kristallklaren Wasser wiederum wunderschöne Eindrücke gewannen. Hier ist zu sagen, dass die sicherlich auch genialen Erlebnisse vom John Pennekamp SP noch getoppt wurden, weil das Wasser hier noch viel seichter ist und man förmlich in den Riffen umherschnorchelt – alles ist praktisch in „Griffweite“, obwohl wir selbstredend aufpassten, keinesfalls irgendetwas zu berühren...
Nach etwa einer halben Stunde hatte Claudia genug vom Schnorcheln und ich machte allein weiter. Hatten die Jungs vom Boot nicht irgendwas von „along the wall“ gesagt...? Ich schwamm also an der Außenmauer des Forts entlang und war hin und weg – hier hatte sich ein, wenn auch nur kleines, wunderschönes Riff gebildet, mit unzähligen verschiedenen Korallen und zahlreichen Fischen in allen Farben. Was für ein Anblick! Wie ich später feststellte, kann man von oben, also von der begehbaren Mauer aus, nicht mal ansatzweise erahnen, was für eine schöne Unterwasserwelt sich dort befindet! Immer wieder traf ich auf Schwärme der verschiedensten Fische, und obwohl sich hier ja oft Touristen tummeln, zeigten diese keinerlei Scheu sondern näherten sich zum Teil noch neugierig, wenn man gemächlich dahinschwamm und keine abrupten Bewegungen machte.
Durch Zufall kam ich darauf, doch auch mal den Bereich zu erforschen, wo hunderte dieser Pfosten mit schrägen Stützen im Abstand von ca. zwei Metern im Wasser stehen (fragt mich jetzt nicht, für was diese ursprünglich mal dienten).
Kaum war ich in den Bereich gekommen, fühlte ich mich, als wäre ich in eine unglaubliche Unterwasserwelt eingetaucht. Bedingt durch die offensichtlich optimalen Bedingungen durch die ganzen Pfosten und Schrägstützen hatte sich hier ein wunderschönes Korallenriff gebildet, wobei man gar nicht mehr wusste, wohin man zuerst blicken sollte. Unglaubliche Formen und Farben gab es hier zu sehen, und Myriaden an Fischen, Krebsen und Seesternen. In der Enge der Balken und der ankommenden Brandung der rauen See war es nicht immer einfach, nichts zu berühren, ich schaffte es aber dennoch. Gut eine dreiviertel Stunde schnorchelte ich hier durch die Pfosten und genoss diese atemberaubende Welt des Riffs.
Ich kann es vorwegnehmen: Diese Schnorcheltour war einer der absoluten Höhepunkte der gesamten Reise – absolut unvergessliche Eindrücke konnte ich da gewinnen!
Leider verging die Zeit viel zu schnell und ich kehrte pünktlich zu Claudia zurück die inzwischen am Strand ein Sonnenbad genommen hatte – und damit übrigens auch rundherum zufrieden war.
Wir kehrten zurück aufs Boot und gerieten sofort mit anderen Tour-Teilnehmer ins Plaudern über das unter Wasser Gesehene. Schon bald legte die „Fastcat“ wieder ab und wir steuerten gen Key West. Kurz nach Dry Tortugas gab es auf offener See allerdings noch einen technischen Halt: Irgendetwas hatte sich in einer der beiden Schrauben verheddert, weshalb ein Crewmitglied mit Küchenmesser bewaffnet hinuntertauchte und das Zeug abschnitt. Ein Spektakel für alle – ein donnernder Applaus war dem guten Mann natürlich sicher...!!!
Dann konnte es auch schon losgehen. Mit Volldampf ging es zurück, und jetzt bei der Rückfahrt war die See noch rauer als zuvor. Für mich auf dem Achterdeck bedeutete das: Zwei Stunden Thrill-Ride vom Feinsten, andere hatten allerdings wieder ihre kleinen Problemchen mit dem Magen...
Ich genoss die Rückfahrt sehr und ließ mir die Sonne auf den Pelz brennen, während ich mich an der frischen Luft mit vielen anderen Teilnehmern unterhielt. Dazu gab es gratis Softdrinks bis zum Abwinken von der selbst für US-Verhältnisse unglaublich freundlichen Crew. „Hey, könnte es nicht immer so sein?“ dachte ich mir und schon jetzt kam ich mit Claudia überein, dass die Idee, den Ausflug nach Dry Tortugas mitzumachen, eine sehr, sehr gute war...
Nachdem wir am Spätnachmittag in Key West wieder eingelaufen waren, verabschiedeten wir uns von unserer Crew, nicht ohne ein Trinkgeld hinterlassen zu haben.
Nun hieß es –leider- Abschied nehmen von Key West. Wie sich im späteren Verlauf der Reise herausstellen würde, zählte es zu den absoluten Filetstücken unseres „Honeymoons“ – diejenigen, die schon einmal bei schönem Wetter dort waren, wissen mit Sicherheit, wovon ich rede...
Wir fuhren die einzig mögliche Route Richtung Osten und überlegten, wo wir denn nächtigen wollten. Claudia studierte das Couponheft und fand auch einige recht erschwingliche Unterkünfte. Wir beschlossen, einfach so weit zu fahren wie wir Lust hatten und dann zu entscheiden.
Letztlich blieben wir in Marathon, also immer noch auf den Keys, hängen und bezogen Quartier im „Black Fin Resort“, für das wir auch einen Coupon hatten. Ich wollte gleich als erster duschen, doch als ich mich noch im Zimmer ausgezogen hatte, begann Claudia lauthals zu lachen...
Der Grund hierfür war, dass ich zwar mittels angezogenem T-Shirt dafür Sorge getragen hatte, dass meine ohnehin recht blasse Haut am Rücken keinen Sonnenbrand beim Schnorcheln davonträgt, aber dabei einen ganz wichtigen Fact vergessen hatte: So ein T-Shirt geht halt nur runter bis zum Allerwertesten, und auch auf den Oberschenkeln gibt es „nackte Haut“... Jedenfalls hatte ich jetzt die Abdrücke meiner „Speedo“-Badehose formschön auf der Rückseite meiner Oberschenkel – das was unter der Hose war: weiß, das darunter: „lobsterfarben“...
Claudia meinte, dass sie eine Creme für solche Fälle dabei habe und wir diese nach dem Duschen auftragen könnten. Allein das Duschen gestaltete sich irgendwie schwierig: Zuerst kam nur kaltes Wasser – dann, nach einigem Schrauben an den beiden Hähnen, auch heißes, und schließlich nur noch heißes. Und das tollste: Das Wasser ließ sich jetzt überhaupt nicht mehr abdrehen, egal was ich auch unternahm! Zum Duschen war es zu heiß, so blieb mir nichts anderes übrig, als das Ding erstmal laufen zu lassen, mich anzuziehen und bei der Rezeption nachzufragen.
Die schickten auch gleich den „Haustechniker“, der das Ding recht schnell wieder reparierte und mir dann den Grund für das Malheur erklärte: Man mag es kaum glauben, aber diese Hähne hatten zwei unterschiedliche Gewinde installiert! Das Kaltwasser funktionierte, wie gewohnt, mit Rechtsgewinde, das Heißwasser aber mit Linksgewinde! Deshalb auch die Konfusion mit dem Warm- und Kaltwasser! Ich hatte ständig verkehrt herum gedreht, und dabei versehentlich den Hahn abgeschraubt!
Schließlich schafften wir es doch noch, uns beide frisch zu machen und fuhren anschließend in eine nahe gelegene Music-Bar namens "Porky's Bar", wo es sogar Live-Musik gab. Ich gönnte mir zur Krönung dieses wundervollen Tages „Spare Ribs all u can eat“, Claudia hielt sich an Shrimps schadlos. Schon nach einmal „Nach-Ordern“ war ich aber auch pappsatt und wir fielen gegen 22 Uhr hundemüde ins Bett.
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Roundtrip nach Dry Tortugas: 174 € für zwei Personen, incl. Verpflegung und Führung
Eintritt Dry Tortugas NP: Im NPP enthalten
Abendessen Porky's Bar: 35 €, incl. Tipp
Hotel: Black Fin Resort, 52 € mit Couponbook - na ja, geht so...