17.10.2005 Rundfahrt durch die White Mnt.s: Hobo Railroad, Flume Gorge, Jackson (128 Meilen)Auch heute bin ich wieder früh auf den Beinen. Ich versuche, den Jetlag so lange wie möglich auszunutzen und abends früh ins Bett zu gehen. Da ich nun außerhalb einer Stadt bin, gelingt das auch einigermaßen.
Ich habe für heute einen Platz im Frühzug der Mount Washington Cog Railway reserviert. Ich dachte mir, erstens zwinge ich mich so zum Frühaufstehen, damit ich auch etwas vom hart erarbeiteten Urlaubstag habe und zweitens wollte ich nicht auf weitere Touristen auf der Bergspitze treffen, die mit einem früheren Zug oder über die Straße hier heraufgekommen sind.
Kurz vor Erreichen der Talstation entscheide ich mich allerdings um. Als ich vom Motel abgefahren war, schien noch die Sonne, doch jetzt hat sich der Himmel wieder zugezogen und Mount Washington komplett in Nebel eingehüllt. Dafür ist mir mein Geld doch echt zu schade. Ich bezahle doch nicht über 60$ für eine Fahrt durch den Nebel. 60$ sind eine Menge Holz, doch ich wäre eisenbahnverrückt genug gewesen, bei schönem Wetter dieses Geld zu investieren.
Stattdessen fahre ich einfach weiter auf der US302 und US3, bis ich auf die Autobahn durch den Franconia Notch State Park treffe. Irgendwie eine seltsame Angelegenheit: eine einspurige Autobahn! Als das Tal wieder breiter wird, staune ich nicht schlecht, als ich von mehreren LKW überholt werde. Nein, nicht landschaftsgenießender schleichender Tourist. Ich selbst bin ja schon 15 Meilen zu schnell unterwegs.
Ist schon ein Vorteil, wenn man sämtliche Abfahrts- und Öffnungszeiten der regionalen Attraktionen auswendig kennt. So weiß man immer und überall, was man als nächstes unternehmen kann. Und so weiß ich zum Beispiel auch, dass ich eigentlich über eine Stunde zu früh für eine Fahrt mit der Hobo Railroad dran bin, doch gerade ist eine ganze Busladung auf dem Weg ins Bahnhofsgebäude. Ich frage einfach mal bescheiden an, ob ich mit deren gecharterten Zug mitfahren darf. Die Antwort lautet ja, aber in einem anderen Waggon, damit ich also nicht in den Genuss von deren Unterhaltungsangebot komme.
Na und? Ist doch wunderbar. Ein ganzer Waggon für mich alleine, garantierter Fensterplatz und niemand, der mich nach Strich und Faden vollquatschen kann. So kann ich mich voll und ganz auf die Landschaft konzentrieren. Über Lautsprecher bekommen wir Informationen über die Gegend und den Maßregeln, was man im Zug alles nicht darf, z.B. Herumlaufen, während wir nur so dahin schleichen. Manchmal übertreiben es die Amis wirklich mit ihren Vorsichtsmaßnahmen.
Auf der Rückfahrt (gleiche Strecke einfach wieder zurück) setze ich mich auf die gegenüberliegende Seite, um eine neue Perspektive der doch recht eintönigen Fahrt zu bekommen. Es geht meist durch blattlose Wälder und bis auf ein paar Bahnübergänge, die wir passieren, fehlt irgendwie die Abwechslung.
Bis der nächste Zug den Bahnhof verlässt, werfe ich noch ein kleines Mittagessen im hiesigen McDonald’s ein. Irgendwie gehört so ein Fastfood-Besuch zum USA-Urlaub dazu und drückt auch die richtige Stimmung aus.
Am Bahnübergang baue ich nun mein Stativ auf und muss mich ein wenig beeilen, denn ich höre den Zug bereits den Bahnhof verlassen. Nachdem alle Bilder im Kasten sind, fahre ich kurzerhand zum nächsten Bahnübergang, nur, um hier das Spielchen zu wiederholen. Eben im Zug habe ich mir gemerkt, wie lange die Bahn zwischen den einzelnen Übergängen trödelt und so habe ich genügend Zeit, mein Stativ in Stellung zu bringen.
Das ganze mache ich auch noch ein drittes Mal, wobei der Lokführer mich wohl schon kennen müsste. „Da steht der ja schon wieder“.
Auf der Rückfahrt nach Lincoln wollte ich eigentlich die Landschaft filmen, doch leider wäre nur ein anderer Kinokracher möglich: Regentropfen und das unerbittliche Quietschen der Scheibenwischer. In der Hauptrolle: Der Regen.
Am Visitor Center der Flume Gorge erkaufe ich mir in Form einer Eintrittskarte das Recht, zwei Covered Bridges und eine enge Schlucht mit einigen Kaskaden und Wasserfällen zu sehen. Die Dame am Schalter warnt mich noch, ich könnte da hinten etwas nass werden, doch ich winke nur lächelnd ab. Durch den anhaltenden Regen bin ich das bereits.
Vom Visitor Center werden fußkranke per Shuttlebus ein paar Meter transportiert, doch die auf dem Weg liegende Covered Bridge ist mir doch ein Fußmarsch und ein paar Fotos wert. Hinter der Endstelle des Busses ist der Weg spürbar voller.
Das Tal verengt sich und der Bretterweg, unter dessen Stufen sich ein kleiner Wasserfall austobt, ist vom Spritzwasser feucht und rutschig. Ich gelange zum großen Wasserfall, der das Ende der Schlucht markiert, und muss einsehen, die Dame hat mehr als Recht. Hier wird man besonders nass. Meine Kameras werden vor dem Durchqueren der Gischtwand sicher unter der Jacke verstaut. Dann heißt es Augen zu und durch. Ein paar besonders Wasserscheue kehren dagegen um. Wunderbar, so ist im hinteren Teil des Parks und auf dem Weg zur zweiten Covered Bridge wenigstens nicht so viel los.
Wenig los ist auch im Örtchen North Woodstock. Aber ich bleibe neugierig. Hätte ja sein können, dass ich noch das eine oder andere sehenswerte Örtchen entdecke.
Auf dem Programm steht eine weitere Fahrt auf dem Kancamagus Highway. Entlang dem Pemigewasset River führt ein 3 Meilen langer Wanderweg zu einigen Wasserfällen, doch irgendwie ist mir heute nicht mehr nach Wasser, so dass ich etwa nach einem Viertel der Strecke wieder umkehre.
Besonders schön präsentiert sich der Kancamagus Highway auch nicht. Von der Traumstraße der White Mountains habe ich mir ehrlich gesagt mehr versprochen. Der Höhepunkt der Laubfärbung ist auch hier scheinbar lange vorüber. Vielleicht liegt es aber auch am anhaltenden, starken Wind, der die Geschichte ein wenig beschleunigt. Als ich auf die Bear Notch Road Richtung Bartlett abbiege, wird es spürbar ruhiger. Hier fahren nur wenige Touristen, obwohl die Straße in meinen Augen noch schönere Aussichtspunkte als vom Kancamagus Highway bietet.
Als ich Jackson erreiche, wird es langsam dunkel. Über eine sehenswerte Covered Bridge, von denen es in Neuengland so viele wie Sand am Meer gibt, erreiche ich die Hauptstraße des Ortes und sehe auch schon die Pumpkin People, die so kurz vor Halloween die Stadt bevölkern. Hier läuft sogar ein kleiner Wettbewerb und man kann abstimmen, wer aus Kürbissen auf seinem Grundstück die schönsten Männchen baut. Eine Übersichtskarte führt zu den etwa 40 Teilnehmern, die sich wirklich einiges einfallen gelassen haben. In einem Vorgarten helfen sie bei der festlichen Schmückung des Hauses, woanders spielen sie Indianer und noch woanders wird gerade eine Kürbisdame vernascht.