1. Tag Samstag 29.08.2015: München – Vancouver
Heute geht es endlich los - unsere zweite Reise nach Kanada und zugleich die zweite Reise in nördlichere Gefilde an der Westküste Nordamerikas. Um nicht in Hektik zu geraten, stehen wir schon gegen 06:00 auf und machen uns gemütlich fertig. Auf dem Balkon gibt es einen Joghurt als erstes Frühstück – wenn wir gewußt hätten, daß das für den Urlaub von wenigen Ausnahmen abgesehen unser letzter Essensaufenthalt im Freien war.
Gegen 07:20 starten wir in Richtung Autobahn zum Flughafen, wo wir freie Fahrt haben, so daß ich streckenweise meine Reisegeschwindigkeit von 180 km/h fahren kann – da wird jetzt dann drei Wochen Enthaltsamkeit herrschen. Das Thermometer zeigt jetzt schon 18° C – auch das werden wir in den nächsten drei Wochen nurmehr vereinzelt haben.
Kurz vor 08:00 sind wir an der Einfahrt zum Parkhaus P8, wo wir per Internet einen Platz reserviert haben. Auf den Hinweisschildern ist es als "geschlossen" gekennzeichnet – das geht ja gut los. Wir probieren es trotzdem und siehe da, die für die Reservierung genutzte Kreditkarte ermöglicht die Einfahrt. Wir suchen einen Platz nicht allzu weit weg von den Laufbändern über P 20 zum Terminal 2 und setzen uns mit unserem Gepäck dorthin in Bewegung.
Die Gepäckabgabe am Business-Schalter geht problemlos und schnell (zum Glück muß man wenigstens da noch nicht betteln, damit einem das Gepäck aufgegeben wird – ich halte die Gepäckautomaten für eine Zumutung). Bei der Sicherheitskontrolle findet nur die Navi-Halterung (so eine Art gummiummantelte Metallplatte für das Armaturenbrett) größere Aufmerksamkeit. Erstmals auf unseren Reisen wurde der Zweck des Teils aber sofort richtig erkannt. Außerdem muß ich den Fotoapparat auslösen.
Noch sind wir ja innerhalb von Schengen unterwegs - wir fliegen ja zunächst nur nach Frankfurt, so daß wir die untere Lounge nutzen. Wir nehmen ein zweites flüssiges Frühstück mit Trinkschokolade und Orangensaft zu uns und lesen die heutige Süddeutsche.
Nach einer knappen Stunde begeben wir uns zum Gate für unseren kurzen Flug nach Frankfurt, in dem wir ein drittes Frühstück erhalten, das mir aber nicht besonders in Erinnerung geblieben ist.
Es geht los: Blick von Osten auf die Isar mit Marzling und Freising
"Selbstportrait" unseres Fliegers in Frankfurt
In Frankfurt haben wir zwar theoretisch viel Zeit, müssen aber wie üblich den langen Weg durch den Tunnel nehmen. Zunächst finden wir nirgends auch nur den geringsten Hinweis auf den Flug nach YVR. Am Anfang des Tunnels ist zwar eine große Anzeigetafel, auf der steht "Abflug A, B und Z", es ist aber kein Flug nach YVR gelistet, obwohl das Zeitfenster weiter reicht. Da aber überhaupt kein Flug ab B verzeichnet ist, läßt sich halbwegs logisch schließen, daß B wohl richtig sein muß (auf die Bordkarte allein kann man sich ja nicht verlassen – schon gar nicht in Frankfurt). Bei B geht dafür die Anzeige noch nicht bis 13:25.
Wir gehen daher auf gut Glück für eine gute halbe Stunde in die Lounge. Marianne ißt Wiener mit Kartoffelsalat, ich eine Grütze. Damit uns nicht langweilig wird, kommt jetzt mit der FAZ die nächste Zeitung dran.
Zeitnah bewegen wir uns zum Boarding zum Gate 25, das inzwischen in Übereinstimmung mit der Bordkarte angezeigt wurde. Dort angekommen lesen wir allerdings, daß wir zum Gate 20 müssen, also laufen wir halt wieder ein Stück zurück (man merkt – ich hasse den Flughafen Frankfurt). Am Gate 20 bewegt sich wenig. Irgendwann kommt eine Ansage, daß es noch etwa 10 Minuten dauern wird – was aber angeblich nicht zu Verspätung führen wird. Aus den 10 Minuten werden natürlich 20 bis wir reindürfen. Bis dann wieder ein Koffer eines nicht angetretenen Passagiers rausgeholt wird, wird es letztlich so spät, daß wir mit 33 Minuten verspäteter Ankunftsprognose starten.
Die Maschine ist mir der sogenannten neuen Business-Class der Lufthansa ausgestattet. Die Sitze sind wirklich deutlich besser als die alten, allerdings sind die Staumöglichkeiten nicht mehr ganz so ausgefeilt (z.B. kein Schuhfach, kein Brillenfach, sondern ein Bügel an der Rückseite des Vordersitzes, wo man ohne Abschnallen nicht hinkommt). Immerhin finde ich einen Haken, an dem ich den Tracker aufhängen kann, den ich den Flug verfolgen lasse.
Unsere Flugroute
Der Flug führt uns zunächst stark nordwärts. Über Land haben wir nicht allzu viel Sicht. Dafür sind später ein paar Blicke auf einen Windpark und auf Bohrplattformen in der Nordsee möglich.
Zum Mittagessennehmen wir als Vorspeise Thunfisch bzw. Entenbrust – beides ist sehr gut. Danach esse ich Rindsfilet und -bäckchen (leider ziemlich verschmurgelt bzw. trocken), während Marianne mit dem Lachs mehr Glück hat. Als Nachtisch kommt bei mir der Käse und bei Marianne ein Obstsalat auf den Tisch. Dazu trinken wir einen Weißburgunder, ich zum Hauptgang noch einen Medoc und zum Nachtisch einen Portwein.
Rhein bei Mainz
Thunfisch
Nach einer Stunde dösen haben wir dann einen geradezu genialen Blick auf Grönlands Ostküste mit Berggipfeln, Fjorden, Gletschern und Eisbergen. Über der Insel wird es dann wieder trüb, so daß eine weitere Runde dösen angesagt ist. Über Baffin Island klart es wieder auf und auch später über dem kanadischen Festland hat man schöne Blicke zum Boden. Ab der Mitte von Alberta hört die Sicht dann allerdings auf und in British Columbia sind nur noch sporadische ganz kurze Blicke möglich. Die Berge, die wir auf unserem letztjährigen Flug nach Los Angeles bewundern konnten, verstecken sich total.
Grönland beim Kong Oscar Fjord
Grönland - Kong Oscar Fjord
Grönland - Eisberge in einem Nebenarm des Kong Oscar Fjord
Baffin Island - Borden Peninsula
Baffin Island
erste Anzeichen der Zivilisation in Lutselk'e am Great Slave Lake
Slave River
kein Dinosaurier-Fußabdruck, sondern ein offenbar durch Mineralabbau belasteter See, dessen Namen ich nicht herausgefunden habe; der Doppelsee dahinter ist der Kilome Lake
Schließlich bekommen wir noch ein kleines Nachmittagmenu – Gemüse-Ingwereintopf mit Hähnchen, Salat und einen Heidelbeerstreuselkuchen. Vor Vancouver kommt die Ansage, daß es in Vancouver windig sei – aber es "soll nicht" regnen. Der Landeanflug wird dann heftig rumpelig durch Wolken, die offensichtlich regengetränkt sind. Erst kurz vor Landung hat man wieder ein wenig Sicht. Wir landen mit fast 40 Minuten Verspätung.
Blick auf Strait of Georgia und Vancouver Island beim Landeanflug
Die letzten Meter vor dem Flughafen Vancouver
Wir kommen als erste aus dem Flieger und werden nach einem nicht allzu langen Weg auf der Galerie der Terminalhalle in eine lange Schlange eingewiesen, die sich als Fortsetzung einer weiter entfernten nicht weniger langen Schlange herausstellt. Es ist ausreichend Personal vorhanden, um die Schlangen zu kanalisieren. Das Ganze ist gut organisiert und man ist auch dauernd in Bewegung und schiebt sich bzw. sein Handgepäck vorwärts. Dennoch benötigen wir gute 50 Minuten bis zum Schalter. Unser Pech war offensichtlich, daß aufgrund der Verspätung eine Reihe von großen Fliegern entgegen dem Flugplan vor uns ankamen – u.a. aus London, Amsterdam und Tokyo.
Der Immigration Officer fragt nach unserem Ziel und nach etwaigen Aufenthalten in Westafrika und Kontakten mit Ebola-Patienten. Wer da mit "ja" antwortet, wird sich wohl auf eine längere Quarantäne (oder auf eine sofortige Rückreise?) gefaßt machen müssen.
An einem völlig überfüllten Band warten wir dann nochmals eine Ewigkeit auf das Gepäck – was haben die eigentlich damit in der vergangenen Stunde gemacht? Zudem bestätigt sich wieder einmal meine These, daß "Priority" bedeutet, daß das Gepäck als erstes eingeladen wird und somit logischerweise als letzes beim Ausladen drankommt. Dafür beschränkt sich die anschließende Zollkontrolle auf das nahezu blicklose Einsammeln der im Flieger ausgefüllten Zettel.
Die Autovermieter sind hier in einem Parkhaus direkt gegenüber vom Terminal untergebracht, so daß uns nur ein kurzer Fußweg bevorsteht. Meine Anmeldung bei Avis als preferred member ist offenbar mißlungen, wir werden zum normalen Schalter weitergeschickt. Dort lassen wir eine ewige Wartezeit mit völlig lustlosen Typen und Typinnen über uns ergehen. Zum Glück erwischen wir dann einen halbwegs agilen Mitarbeiter, was uns aber auch nicht allzu viel nützt. Denn es beginnt ein unendlich langes Hin und Her, bis ein Auto in unserer Kategorie gefunden ist. Zuerst wollte er uns einen X3 oder einen X5 andrehen. Auf unsere Frage "same price" kam als Antwort ein unbestimmtes "a little bit more", worauf wir ablehnten (außerdem – was soll ich mit einem BMW in Amerika, das kann ich hier haben). Schließlich besinnt er sich darauf, daß unsere Kategorie typischerweise ein Ford Edge oder ein Jeep Grand Cherokee sei, was er aber nicht garantieren könne. Er fragt nach unserer Vorliebe – Jeep –, was er aber nicht garantieren könne (hab' ich doch gerade schon mal gehört?). Schließlich wird mit einiger Telefoniererei ein Auto gefunden und wir bekommen einen Vertrag mit dem üblichen Versicherungsgeplänkel. Alle Freude war zu früh, denn das Auto war nämlich noch nicht da, sondern sollte außen angeliefert werden.
Nach neuerlicher Wartezeit kommt ein schwarzer Grand Cherokee angefahren. Das Auto ist in einem ganz ordentlichen Zustand trotz knapp 27' km auf dem Tacho. Die Ausstattung läßt nichts zu wünschen übrig: Schaltpaddel am Lenkrad, Schiebedach, Sirius, Gepäckraumabdeckung (für unsere Koffer leider zu niedrig) usw. Erst von innen entdecken wir einen kleinen Steinschlag mitten in der Scheibe, den wir reklamieren und im Protokoll nachtragen lassen – mal sehen, ob sich das verschlimmert. Es ist nach 17:00, als wir dort endlich wegkommen. Inzwischen regnet es ziemlich nachhaltig. Wir waren übrigens nicht die einzigen, die dort mit längeren Wartezeiten zu kämpfen hatten – da herrscht offensichtlich die reine Mangelverwaltung.
Die Fahrt zum Residence Inn Vancouver Downtown gestaltet sich dank Navi relativ problemlos. Bei der Fahrt über den Hwy 99 und die Brücke über den False Creek gewinnen wir den Eindruck einer nicht sonderlich attraktiven Hochhausstadt – irgendwie fühle ich mich an den Anflug auf den alten Flughafen von Hong Kong erinnert. Vor Schreck machen wir gar keine Fotos (kommen aber noch später bei der Rückfahrt von Vancouver Island). Unser Hotel ist ein nahe an Downtown gelegenes Residence Inn. Das Zimmer ist sehr schön, die Parkgarage gut erreichbar, allerdings mit teilweise etwas engen Stellplätzen.
Wir entscheiden uns für einen Stadtspaziergang in der näheren Umgebung, um trotz der trüben Witterung noch etwas wach zu bleiben. Als wir das Hotel verlassen, empfängt uns ein z.T. ziemlich kräftiger Schnürlregen. Wir gehen dennoch einen Teil einer ausgedruckten self guided walking tour. Zunächst marschieren wir Richtung Downtown und suchen die vielgerühmte Robson Street auf, die allenthalben als "die" Einkaufsmeile gepriesen wird. Wir sind allerdings ziemlich enttäuscht. Nach ein paar wenigen Läden von Nobellabels kommt eine Ansammlung von billigen Kruschtläden und wenig einladend ausschauenden Restaurants. Anschließend führt uns der Weg dann in ein paar ganz hübsche Wohnviertel im West End mit schönen alten Häusern. Einen geradezu kolossalen Wolkenbruch überstehen wir in einem Hauseingang.
Vancouver - Fairmont Hotel
Vancouver - Haro & Bute Street - stand bei unserem Besuch für schlappe 5 Mio CAD zum Verkauf
Vancouver - Glasfenster am Haus "Beaconsfield" (884 Bute Street) - Baujahr 1909
Vancouver - "The Roslyn" (Barclay & Jervis Street) - Baujahr 1926
Vancouver - Roedde House Museum (1415 Barclay) - Baujahr 1896
Vancouver - historische Fire Station No 6 (1001 Nicola) - Baujahr 1907
Vancouver - Urban Gardening in der Bute Street
Wir sind einigermaßen durchnäßt, so daß wir wenig Lust auf eine Restaurantsuche haben – außerdem sind wir ja im Flieger zur Genüge abgefüttert worden. Wir gehen daher zurück ins Hotel, wo wir uns zunächst umziehen.
Unten im Hotel gibt es eine Bar, wo wir eine gute Chowder und ein Bier genießen. Da wenig los ist, können wir uns ganz gut mit dem Kellner unterhalten, der aus Hannover stammt und einige Zeit in Australien gelebt hat, bevor er sich in Vancouver dauerhaft niedergelassen hat. Nach allem, was er erzählt, ist das Leben und vor allem das Wohnen in Vancouver eine ziemlich teure Angelegenheit. Dennoch möchte er wohl nicht mehr weg, weil er die insgesamt relaxte Atmosphäre schätzt.
Kurz vor dem Umkippen fallen wir todmüde ins Bett.
39 km - 14 km