Hallo,
@Katja: nicht daß ich hier falsch verstanden werde; ich habe das als gängiges Vorurteil wiedergegeben (selbst in diesem Forum in älteren Beiträgen zu finden), das ich selbst nicht teile. Zum einen finde ich das auch gut, daß die nicht jeden über 30 gleich rausschmeißen, zum anderen kommt es mir ausschließlich auf die Kompetenz und Souveränität an.
2. Tag Montag 07.05.2007
Die Nachtruhe war nicht so ganz perfekt. Irgendwas beim Essen hat mir den Magen offenbar ziemlich belastet (gegen Schluß der Reise gewinne ich den Eindruck, daß es jedesmal rumorte, wenn ich zum Essen von dem gechlorten Wasser getrunken hatte). Vor allem aber ist auf der Straße nicht gerade wenig Verkehr - wie wir am Abend erfahren nicht zuletzt die Folge von Ausweichverkehr wegen einer Baustelle in einer Parallelstraße. Schließlich habe ich beim Handy von Marianne die Zeit um eine Stunde zu früh eingestellt, so daß wir völlig verfrüht herumzukrusten anfangen und uns wundern, daß der für 7 Uhr angekündigte Kaffee im Vorraum noch nicht da ist....
Als Frühstück - von den beiden festen Zeiten hatten wir uns für die spätere, 8.30 Uhr, entschieden - gibt es ein Stückchen Melone mit Erdbeere und French Toast mit Apfel und Bacon zu einem ganz ordentlichen Kaffee. Dazu nehme ich Cranberry Juice, während Marianne vorsichtshalber bei Orangensaft bleibt. Unsere (einzigen) Mitgäste sind eine Frau aus North Carolina mit Tochter, die ein Visum für einen Sprachaufenthalt in Frankreich benötigt und dafür persönlich im Konsulat erscheinen muß, was bei hr etwas Zähneknirschen verursacht hat. Als wir schildern, welche Rahmenbedingungen für die Visa-Erteilung in den US-Konsulaten in Deutschland herrschen (vor allem, was man alles nicht mit hineinnehmen darf), scheinen sie etwas versöhnlicher zu werden.
Wir sprechen über Reisen und vieles mehr und erfahren dabei von dem Mädchen, daß es etliche schwarze Amerikaner gibt, die sich bewußt nicht African-Americans nennen lassen wollen, weil sie keinerlei Bezug zu Afrika in ihrer Person sehen - sondern dies eher als Abwertung empfinden. Sie sehen sich dezidiert als "Blacks". Außerdem erzählt sie, daß sie als Berufsziel "Farmer" hat, und zwar mit "sustainable" Betriebsform, ein offenbar zunehmend bedeutsam werdender Zweig.
Als wir aufbrechen, ist es noch ziemlich frisch trotz perfekter Sonne. Nach Abklärung mit der Innkeeperin, daß man um 10.00 an einer Führung teilnehmen kann, marschieren wir zunächst zum
Fox Theater. Dabei handelte es sich zunächst um einen Tempel der Shriner, einer freimaurerartigen Vereinigung. Erst später, nachdem den Shriners das Geld ausgegangen war, wurde es in eines der erfolgreichsten amerikanischen Kinos und Musicaltheater. In den 60ern verkam es zunehmend und wurde erst in der jüngeren Vergangenheit wieder restauriert. Innen gibt es einen großen Ballsaal bzw. Versammlungsraum mit pseudo-ägyptischen Motiven an Wand und Decke, einen kleineren Saal mit Glasoberlichtern und einer nachgebildeten Mihrab (Gebetsecke in einer Moschee) sowie den Theatersaal.
Fox Theater, Shriner-Symbol als Fußbodenmosaik
Fox Theater, Bühne im Ballsaal
Fox Theater, Skarabäus im Ballsaal
Im Zuscahuerraum gibt es nicht nur eine arabisch anmutende illusionistische Dekoration (Mauern, Türmchen, herabhängende Teppiche usw), sondern auch einen künstlichen Himmel, an dem Sterne blinken und über den Wolken ziehen - Las Vegas kann das auch nicht besser. Außerdem macht der Führer auf ein paar ganz hinten angebrachte Sitzreihen ohne "Sternenblick" aufmerksam. Die waren früher den schwarzen Besuchern vorbehalten und nur über eine separierte Treppe erreichbar. Alles in allen ein recht interessant gestaltetes Gebäude, durch das uns ein älterer Volunteer etwas zu langatmig führte (die Führung dauerte geschlagene 90 Minuten).
Fox Theater, Zuschauerraum
(In Richtung Bühne durfte man nicht fotografieren, weil das Bühnenbild für die laufende Aufführung unter Copyright steht)
Danach liefen wir ganz Downtown ab nach einer
Tour, die ich im Internet gefunden hatte. Zunächst kommen wir an vielen recht ansprechend gestalteten Wolkenkratzern von ca. 1900 - 1920 (u.a. Flatiron Buildíng, Candler-Building) sowie den Portman-Bauten aus den 60ern und 70ern (Hyatt Regency, Peachtree Center) vorbei.
Peachtree Center
Das Peachtree Center wird Kennern von San Francisco bekannt vorkommen. Das dortige Embarcadero Center wurde vom gleichen Architekten (Portman) unter Verwendung der gleichen Gestaltungselemente gebaut.
Alt und Neu: Winecoff Hotel (1913) und Westin Peachtree Plaza Hotel (1976)
Das Winecoff Hotel (vorne rechts) war Schauplatz des tragischsten Hotelbrandes der USA im Jahr 1946; nach vielen Besitzerwechseln und jahrzehntelangem Leerstand wird es jetzt Restauriert. Das Westin ist ebenfalls von Portman geplant (im Volksmund früher "Portmans erection...
)
English-American (Flatiron) Building (1897)
Der Zugang zu Underground Atlanta ist durch Baustellen etwas umständlich. Vor dem Eingang machen wir eine Pause auf einer Bank vor einem breit angelegten Brunnen. Dort können wir beobachten, wie sich ein Mensch an einer der alten Fassaden abseilt - plötzlich werden es mehrere. Der Blick durchs Tele bringt die Erklärung: es handelt sich um Fensterputzer!
da sind doch welche?...
Fassadenkletterer als Fensterputzer
(Ich vermute, daß es sich um ein Gebäude der Georgia State University handelt, bin aber für etwaige Korrekturen dankbar.)
Underground Atlanta ist ganz nett, aber nicht wirklich überragend. Es gibt ein paar historische Ecken und ein paar Rekonstruktionen dieser früheren Stadtebene mit erläuternden Fotos. Außerdem sind ein paar alte Autos ausgestellt.
alter Truck in Underground Atlanta
Schließlich gehen wir noch zum Capitol und zur City Hall und über die frühere Coca-Cola-Fabrik, die inzwischen der Universität gehört, zurück ins Zentrum. Dort nehmen wir in einem Coffee Shop ein nicht allzu ausgiebiges Mittagessen zu uns (Schokoladekuchen mit Coke bzw. Eclairs mit Wasser).
Georgia State Capitol (1889)
Hurt Building (1913)
Zurück zum Shellmont Inn nehmen wir ein Taxi, dessen Fahrer uns vermutlich bescheißt. Die Uhr läuft nicht und die kurze Strecke kostet uns 10 USD. Dafür gibt es halt nur einen Buck als Tip.
Wir steigen dann gleich in unser Auto und fahren zunächst nach Norden in den Stadtteil Buckhead. Dafür müssen wir auf die I 75, wo der Verkehr auch zu ganz normaler Tageszeit ziemlich dicht und heftig ist. Rechtzeitige Spurwechsel vor den Ausfahrten sind nicht immer ganz einfach - und werden von manchen Verkehrsteilnehmern mit ziemlicher Brutalität betrieben. Die Adresse von meinen verstorbenen Bekannten, wo ich früher zu Besuch war, finden wir aber trotz mehrfachen Abfahrens der Peachtree Battle Ave. nicht. Ganz offensichtlich steht das Haus nicht mehr. Die Hausnummer existiert auch nicht mehr. Bei benachbarten Nummer stehen dafür relativ neue große Häuser. Jedenfalls ist es ganz eindrucksvoll, die Peachtree Battle Ave ein paarmal auf und ab zu fahren und die Villen zu beäugen. Dasselbe gilt für die W Convay Ave, wo andere Bekannte wohnten. Hier hat sich das Navi übrigens außerordentlich gut bewährt.
Häuschen in Buckhead
Anschließend fahren wir zurück in ein anderes Wohngebiete, wo das "Haus im Park" steht. Überall stehen die tollsten Häuser in wunderbar grünen Gärten.
Von dort fahren wir schließlich noch zur
Martin Luther King, Jr. NHS, wo wir erst im Visitor Center ein wenig Geschichte rekapitulieren. Das Museum ist recht eindrucksvoll und in noch erträglichem Maß multimedial gestaltet. Dann gehen wir zum Grabmal und in die Auburn Ave., wo nicht nur das Geburtshaus von Martin Luther King, Jr., sondern ein ganzer Straßenzug vom NPS verwaltet wird. 1987 waren die kleinen Häuser in der Auburn Ave. nach meiner Erinnerung noch bewohnt und vorsichtig ausgedrückt nicht gerade die beste Ecke. Heute sind sie offenbar zum Teil museal, zum Teil bewohnt und recht gut hergerichtet. Durch Zufall sehen wir, daß im Geburtshaus eine Führung stattfindet und schließen uns - mit Erlaubnis des Rangers - an. Ein durchaus gutbürgerliches und sehr geräumiges Haus mit vielen Zimmern und Klavier im "Salon", mit Sicherheit weit über dem Durchschnitt für die damalige schwarze Bevölkerung. Allerdings wohnten mehrere Generationen - das Haus gehörte seinen Großeltern - und oftmals auch noch Verwandte auf Besuch in dem Haus. Dennoch war es der Familie auf Dauer nicht mehr gut genug - sie verkaufte das Holzhaus, um in ein Brickstone House zu ziehen.
Martin Luther King jr. Memorial
Häuserzeile mit Geburtshaus von Martin Luther King jr. (drittes von links)
Nachdem wir die übrigen Häuser in der unmittelbaren Umgebung, die inzwischen weitgehend vom NPS verwaltet werden, besichtigt haben, wollen wir über die Peace Plaza zum Parkplatz zurückgehen. Da wir von einem etwas wirr daherredenden jungen Kerl angequatscht werden, legen wir ein paar Wendungen ein.
Nach einer kurzen Erholungspause im Shellmont Inn gehen wir zu Fuß in das zwei Blocks entfernte
Restaurant Mitra in der Juniper Street. Ich nehme ein Steak mit Spargel (na ja, drei Stangen angegrillt), Marianne einen Lachs mit Couscous und Spezialsauce. Dazu gibt es zunächst ein Bier, dann je ein Glas ordentlichen Wein (9 bzw. 10 USD das Glas; Wein empfanden wir durchgängig als sehr teuer) und für mich ein Pellegrino. Das Essen war sehr gut, kostete mit Tip aber immerhin auch 100 USD für ein eingängiges Menu. Im übrigen war auch das Brot wie schon gestern ausgezeichnet.
Danach plaudern wir noch etwas mit unseren Innkeepern. Sie wollen das Haus für etwa 1,5 Mio USD samt Inventar (ohne für 1,25 Mio) verkaufen und nochmals etwas neues anfangen. Mit 58 (er ist in meinem Alter) sei es ja wohl sinnvoll, noch einmal etwas neues zu wagen. Außerdem haben sie wohl die steuerlichen Abzugsmöglichkeiten für das Haus genutzt. Bei einem neuen Haus wäre das wieder möglich. Ob das Shellmont Inn danach noch fortbesteht und mit welcher Qualität, bleibt abzuwarten.
Schließlich gehen wir noch auf die hintere Porch für den Reisebericht.
39 mi.