10.9.2012 - Tag 6 - Switzerland meets America meets ItalyNach einer netten Nacht werden wir heute Morgen lieb begrüsst und sitzen bald alle vier zusammen unten im "Wintergarten" (ich weiss nicht, wie ich den Raum sonst nennen soll) um den Tisch. Ich habe mich extra schon hergerichtet, damit ich da am ersten Morgen bei "fremden" Leuten nicht im Pyjama am Frühstückstisch erscheine, aber das war unnötig. Brenda und Jack lümmeln ungezwungen in ihren Schlafklamotten rum, Brenda ungeschminkt, was ich bemerkenswert finde dafür, wie viel Wert viele amerikanische Frauen, die ich kennengelernt habe, auf ihr Äusseres legen, inklusive sie. Und wir sehen uns zum ersten Mal live und die beiden hängen hier ganz easy mit uns herum...find ich total cool.
Jack tischt uns leckeres Obst auf (diese Plastikboxen mit verschiedenen Obststücken drin, die man überall kaufen kann) und schiebt so Frühstückshamburger in...hm, ich wette, er hat sie in die Mikrowelle gesteckt, hier ist ja alles mikrowellentauglich.
Diese Dinger sind ein bisschen "speziell" und gehören nun nicht wirklich zu der Südstaatenküche, die ich hier grad so lerne zu lieben, aber wenn man herzhaft reinbeisst und sie einfach isst und sich sagt, dass das wirklich ganz toll schmeckt
, dann gehen die Dinger doch ganz ordentlich runter und lassen sich durchaus unter "Frühstück" verbuchen.
Der Rest des Vormittags verläuft ruhig, es ist Sonntag, jeder macht so ein bisschen sein Ding, Jack werkelt irgendwas im Büro herum, Brenda und ich sitzen im "Wintergarten" an unseren Laptops, meine Mutter schaut sich Bücher über Texas und den Nordosten an...ab und zu entsteht ein Gespräch oder eine der fünf hier lebenden süssen, aber sehr scheuen Katzen guckt durch die "Wintergartentür" rein, um die fremden Besucher mit grossen Augen zu betrachten.
Mittags tischt uns Brenda Cracker mit zwei ihrer absolut göttlichen Dips auf. Wie vor der Reise schon mal irgendwo erwähnt, ist sie eine leidenschaftliche Köchen und kocht auch in so nem Ladies-Club, wo sie auch Catering anbieten. Sie kocht mit Vorliebe alles, was die Leute hier in den Südstaaten gerne essen.
Der eine Dip ist süsslich, ein Ananas-Dip, wunderbar cremig und ziemlich raffiniert zu den gesalzenen Crackern.
Und here's my favourite: Chicken-Dip! Hähnchenbrust aus der Dose, Cream Cheese und Ranch-Gewürzmischung, alles pürieren, fertig...so easy, aber so unglaublich lecker, dass man denkt, da ist was weiss ich drin und das in was weiss ich für raffinierter Ausführung.
KLINGELINGELING!!! Meine Essens-Glücksglocken schallen ohrenbetäubend in meinem Kopf, ich liebe dieses Zeugs und könnte mich damit vollstopfen!
Und Brenda wiederum liebt es, wenn die Leute ihre Kochkünste loben und ist hin und weg in Anbetracht meines genussvoll verzogenen Gesichtes und der wohligen Stöhnlaute, die mir mit jedem Bissen entweichen.
DAS ist Essen, I just love it!
Hier ein paar Eindrücke vom Haus und der Umgebung:
Am frühen Nachmittag ist dann aber langsam Schluss mit dolce far niente. Es gibt nun ordentlich was zu tun für mich. Heute Abend kommen Brendas und Jacks Freunde, fünf sollens sein, um die Swiss Ladies zu begutachten und in den Genuss einer real Italian Lasagna zu kommen.
Ich bin ein bisschen nervös und hoffe, ich kriege das Baby ordentlich geschaukelt und lasse nicht aus Versehen die Salzpackung in die Hackfleischsauce fallen oder so. Ich möchte die Lasagne genau so lecker hinkriegen wie zu Hause und hoffe, vor lauter Anstrengen versaue ich sie nicht.
Brenda schaut mir logischerweise über die Schulter während ich koche, ein für sie neues Rezept lässt sie sich natürlich nicht entgehen. Und ziemlich fasziniert ist sie von dieser Verschmelzung von viiiiel Zwiebel, viiiiel Knoblauch, ordentlich Olivenöl, klitzekleinen Gemüsestückchen, feinem Hackfleisch, Pelatitomaten, Tomatenmark und zwei ganzen Flaschen Rotwein.
Aha...SO kocht man also eine italienische Fleischsauce...da ist kein Zucker und so drin? Kein Wasser? Interessant!
Auch die Bechamelsauce, die ich selbst mache, sorgt für Staunen, und alles, was ich ihr zum Kosten in den Mund schiebe, findet den selben Anklang wie zuvor ihr Essen bei mir. Und genau so gebannt gucke ich ihr zu, wie sich ihre Mimik verändert und ihr die witzigsten Töne entweichen.
Es gibt nichts Schöneres, als mit Leuten zu kochen und essen, die sowas genau so schätzen wie man selbst es tut. So macht das richtig Spass!
Uschi ist heute die Insalata Caprese-Beauftragte und schneidet perfekte Scheiben der roten und gelben Tomaten und des Mozzarellas, den wir hier im Fresh Market tatsächlich in original Konsistenz und Geschmack gefunden haben. Ein paar Sprenkel Aceto Balsamico di Modena, ein bisschen mit Olivenöl beträufeln, sanft mit Salz verwöhnen, ein Hauch Pfeffer dazu und mit frischen Basilikumstreifchen abrunden - et voilà!
Pünktlich um fünf, als die erste von Brendas Freundinnen an der Türe klingelt, steht die Lasagne ofenfertig auf der Theke und wir sind soweit ready.
Nun wird es spannend. Eine nach der Anderen kommen sie rein, die eine bringt ihren Boyfriend mit, grosses Hallo, ah, the Swiss Girls, nice to meet you, oh, it smells wonderful, hugs hier, Küsschen da, alle sind sie nun eingetroffen.
Wir sitzen im Wohnzimmer, die Lasagne entwickelt bereits ihre Parmesankruste im Ofen, und tratschen bei Brendas geilen (tschuldigung) Dips mit Crackern, Oliven und Pistazien über alles, was man halt so zu bereden hat, wenn zwei Kontinente aufeinander treffen.
Wir stehen Rede und Antwort bei den tausend Fragen, die sie uns über die Schweiz und über uns selbst stellen, posieren für viele Fotos und just have fun together.
Irgendwann merke ich, dass ich mir viele Gedanken über diese Situation hier im Wohnzimmer mache. Über die von den Europäern so oft erwähnte Oberflächlichkeit. Ich analysiere und beobachte, versuche zu spüren, was hier vor sich geht, wer was wie meint, wie sie a- und reagieren, mit uns und untereinander - und komme zu einigen Erkenntnissen. Aber dazu später mehr, in meinem Fazit, das ich zum Thema "Privatunterkunft" noch abgeben möchte.
Irgendwann hole ich dann das goldgelbbraune duftende Ding aus dem Ofen und wir können loslegen.
Bevor wir mit dem Essen beginnen, halten wir uns erneut an den Händen, während der Boyfriend, der mitgekommen ist, ein Gebet spricht. Er dankt dafür, dass wir hier alle zusammen kommen und dass zwei Menschen von so weit entfernt den Weg zu ihnen gefunden haben und bittet Gott, uns auf unserer Reise zu beschützen und sowas. Ich find das echt total schön, keine Ahnung warum, aber ich bin jedes Mal total berührt davon. Ich bedanke mich in Gedanken auch oft für alles, was ich habe und erlebe...aber so zusammen zu sein und es auszusprechen, finde ich einfach toll, egal ob mal christlich ist oder nicht. Vielleicht sollte ich das zu Hause auch einführen.
Nun belädt sich jeder seinen Teller in der Küche mit Salat und Lasagne, essen tun wir im Esszimmer am schön gedeckten Esstisch. Unsere kleinen Zahnstocher-"Dreiländer-Zusammenführ-Freundschaftsflaggen", USA, Schweiz und Italien, plus das das kleine Häppchen Swiss Chocolate für jeden, mit den typischen Schweizerbildern drauf, kommen gut an und werden gleich in die Handtaschen gepackt.
Das Einzige, das ich wissen will, ist: Wie schmeckt den Ladies und den zwei Herren, die in der Küche essen und darüber nicht ganz unfroh sind, glaube ich
, meine Lasagne? Ist sie doch eine Premiere für alle von ihnen und sind sie doch extra deswegen heute Abend hierher gekommen.
Und ich darf aufatmen: Sie sind begeistert! Und ich erleichtert! Nun kann ich entspannen, nichts versaut, alles gut!
Alle holen sich ein zweites Mal und am Schluss ist die Auflaufform fast leergeputzt. So muss das sein!
Brenda meint, würde ich hier leben, würden sie mich in ihrem Club zum Mitkochen engagieren. Well, ich fühle mich geehrt!
Den Rest des Abends verbringen wir mit Gesprächen über alles Mögliche. Wir reden über unwichtige, aber unterhaltsame Dinge, aber auch ein paar kritischere Themen werden angesprochen. So wollen die Damen zum Beispiel alles über das Gesundheitssystem in der Schweiz wissen. Überhaupt sind sie fasziniert von allem, was sie über unser Land und über Europa allgemein erfahren.
Und wir sind es ebenso...es macht Spass, hier im Kreis dieser Menschen zu sitzen und zu hören, wie sie sprechen, was sie beschäftigt, einfach zu sehen, wie so ein Treffen hier funktioniert und abläuft.
Manchmal ist das für mich ganz strange...irgendwie wie in einem Traum. So anders und doch wie überall, man sitzt einfach zusammen und isst und redet...und doch hat es diesen ganz eigenen amerikanischen Touch.
Und das war er, unser Abend, und ich darf auf ausdrücklichen Wunsch von allen diese Fotos hier veröffentlichen:
Rechts Jack, der Herr des Hauses:
Hinten links Brenda, unsere Gastgeberin, rechts neben ihr ich und schräg rechts vor mir im gestreiften Shirt meine Mom:
So wie sie gekommen sind, rauschen sie auch wieder davon: Laut und herzlich.
Eine von ihnen bleibt hier und hilft uns noch ein bisschen beim Aufräumen, ganz selbstverständlich, und das gefällt mir.
Als auch sie sich verabschiedet hat, sind wir alle vier ziemlich schnell im Bett. Ich bin müde, aber glücklich, das war ein rundum gelungener, sehr anregender, netter und zumindest für mich sehr faszinierender Abend.
Morgen ist Sightseeing angesagt...wir werden Birmingham ein bisschen besser kennenlernen. Ach ja, und eine ganze Menge essen.