Donnerstag, 14. September 2006Auch heute sind wir bereits vor dem Weckerklingeln wach und schälen uns aus unseren Schlafsäcken. Ein Blick aus dem Zelt ergibt einen leicht bedeckten Himmel. Während Frank den Waschraum aufsucht, beginne ich mit den Frühstücksvorbereitungen. Die bleiben nicht lange unbemerkt und zwei streunende Hunde belagern in ca. 5 Metern Entfernung unsere Sitzgruppe. Kaum drehe ich einem den Rücken zu, kommt er direkt näher. Frank eilt mir zur Hilfe und nachdem wir als Drohgebärde einen Trekkingstock an den Tisch stellen und den Stock lupfen, sobald einer der Hunde die Distanz verringert können wir in Ruhe frühstücken.
Mittlerweile sind auch unsere Nachbarn wach geworden und das Navajo Paar fährt mit dem Pick Up zum Frühstücken. Neben uns zeltet eine Gruppe Amerikaner und zwei junge Frauen haben die beiden Streuner schnell ins Herz geschlossen und knuddeln und streicheln sie während die Männer der Gruppe das Frühstück zubereiten. Die struppigen Vierbeiner lassen sie gewähren und geniessen die Streicheleinheiten sichtlich. Zum Dank schnappen sie sich dann in einem unbeobachteten Moment eine Tüte Mini-Bagels vom Tisch, sehr zur Erheiterung der umliegenden Camper. Uns tun die mageren Fellknäule leid, die hier auf dem Campground um Nahrung betteln.
Nachdem wir aufgegessen haben und das Zelt verstaut im Kofferraum liegt, verfüttern wir unsere Brotreste an die noch immer hungrigen Schlappohren. Auf einer Plastiktüte servieren wir noch die Reste des angerührten Milchpulvers und werden dafür mit einem dankbaren Blick aus treuen Hundeaugen belohnt. Nachdem die Beiden ihre Mahlzeit beendet haben und zum nächsten Stellplatz weiterziehen, räumen wir noch die Reste der Hundemahlzeit in den Papierkorb und fahren los.
Unser erstes Ziel heute Morgen ist der wohl bekannteste Aussichtspunkt des National Monuments. Die gut 18 Meilen bis zum Spider Rock Overlook fahren wir im gemächlichem Tempo bergauf und geniessen den Blick auf die Abbruchkante des Canyons und das Defiance Plateau. Die Berge in der Ferne sind die Chuska Mountains. Am Parkplatz des Spider Rocks parkt ein Reisebus und auf dem kurzen Trail zum Aussichtspunkt begegnen uns die Reisenden, eine französische Gruppe, die laut schnatternd ihrem Fahrzeug entgegenstreben. Jetzt haben wir den Aussichtspunkt für uns alleine, bekommen aber kurze Zeit später Gesellschaft von drei Deutschen, die aber sofort zum 2. Viewpoint weiterziehen. Wir geniessen am 1. Viewpoint die Aussicht auf die markante Felsnadel.
Nachdem wir den 244 m vom Talboden aufragenden Spider Rock gebührend bewundert haben, laufen auch wir weiter.
Vom 2. Punkt am Overlook bietet sich eine Aussicht, die bis zum Grund des gewaltigen Sandsteinturmes und in den Monument Canyon hinein reicht. Zur Verdeutlichung der Dimensionen dieses Wunderwerks der Natur: es ist fast so hoch wie das Empire State Building in New York. Im Glauben der Navajo ist der Fels der Sitz der mythischen Spider Women (Spinnenfrau). Von dieser hoch verehrten Göttin, erlernten sie die lebenswichtige Gabe des Spinnens von Wolle. Changing Women lernte von Spider Women das Weben und unterrichtete wiederum die Navajos. Spider Man zeigte den Navajos wie sie den Webstuhl und die Werkzeuge herstellen können und die schönen Verzierungen aus Muscheln und Türkisen anbringen können. Die weisse Spitze des Spider Rocks soll, wenn man einer weiteren Mythologischen Erzählung Glauben schenken darf, aus den sonnengebleichten Knochen von unartigen Kindern bestehen, die sich Spider Women geholt hat.
Da uns der Viewpoint so beeindruckt hat, laufen wir noch mal zum Auto und kehren mit dem Stativ zurück um ein gemeinsames Foto der Canyoncrawler zu schiessen. Wieder zurück am Auto, setzen wir unsere Panoramatour im Canyon de Chelly fort. Am Face Rock Overlook treffen wir auf Navajo-Frauen, die auf einfachen Holztischen und im Kofferraum ihrer Pick Up’s Handarbeiten und Schmuck zum Verkauf anbieten. Auch vom Face Rock View Point bieten sich phantastische Blicke auf die bis zu 300 m aufragenden Canyonwände.
Bei den Navajos auf dem Parkplatz erwerben wir eine schöne handbemalte Vase, die uns durch ihre filigranen Muster begeistert. Die Grossmutter der jungen Frau hat das Stück in mühevoller Arbeit mit einem Muster aus leuchtenden Farben und Linien versehen. Nachdem wir das gute Stück sicher unter dem Sitz verstaut haben, setzen wir unsere Erkundungstour fort.
Unser nächster Halt erfolgt am Sliding House Overlook, wo wir auf eine sehenswerte Erhebung auf dem Canyonboden blicken.
Am White House Overlook halten wir nur kurz, da wir hier bereits den gestrigen Abend zur Erkundung genutzt haben. Auf den Abstieg zur Ruine verzichten wir, denn in Mesa Verde warten noch viele Siedlungen auf uns. Der Navajo-Junge mit den Steintafeln ist nicht vor Ort, wahrscheinlich ist er noch in der Schule. Ich verabschiede mich schon mal innerlich von diesen schönen Steinzeichnungen. Mittlerweile haben sich die Wolken zu einer drohenden Regenfront zusammengeballt, aufkommender Wind kündigt ein Unwetter an.
Am Junction Overlook treffen wir auf 2 Navajokünstler, die ihre Steinmalereien und Felsritzungen zum Verkauf anbieten. Bei einem der Navajo erwerben wir eine sehr schöne Steintafel mit Ritzungen von klassischen Motiven der Mythologie und modernen Farbzeichnungen von Anasazi-Tongefässen unter einer Mondsichel. Der andere erläutert uns die Bedeutung seiner Kunstwerke. Er ritzt auffallend oft den traditionellen Flötenspieler, jedoch nur 3 der möglichen 4 Kokopellis. Er erklärt dies damit, dass er noch nicht alle 4 heiligen Berge in den 4 Himmelrichtungen besucht hätte. Der Kokopelli würde ihm das Übel nehmen, wenn er ohne die an diesem Ort durchzuführenden Zeremonien das Abbild ritzen würde.
Er berichtet uns, dass er in seinem Haus noch weitere Steintafeln hat und dass viele seiner Kunstwerke nach Europa, speziell nach Deutschland und Italien gehen. Die Amerikaner und Kanadier würden die grösseren Felsplatten bevorzugen um sie sich neben den Kamin zu hängen. Wir beneiden mal wieder die Amerikaner, die mit ihren grossen Wohnmobilen, Vans und Geländewagen reisen und bei ihren Mitbringseln kein Airline-Gepäcklimit fürchten müssen. Auch Sandgemälde könnte er uns in seinem Atelier zeigen. Wir lehnen ab, bedanken uns aber freundlich für seine Mühe, uns von seinem Glauben zu erzählen. Frank verkneift es sich, den Navajos von meiner Indianer-Internetseite zu erzählen, da diese seit einiger Zeit Offline ist und auf Überarbeitung wartet. Ansonsten hat er in jedem Gespräch mit einem Ureinwohner von der Website berichtet und ich konnte dann eine ganze Zeit lang erklären, warum ich mich in Europa ausgerechnet für die Geschichte der Indianer in den USA interessiere. Zwar haben sich dadurch schon viele nette Unterhaltungen ergeben, da mein Englisch aber nicht so perfekt ist, sind die Gespräche eher anstrengend.
Am Tsegi und Tunnel Overlook stoppen wir nur noch mal kurz und verlassen anschliessend den South Rim.
Am Visitor Centre stoppen wir erneut um uns den Hogan anzuschauen.
Um keine Zeit mit Kochen zu verlieren, biegen wir nochmal Richtung Chinle ab und gönnen uns im Burger King ein Menü - das muss bis heute Abend reichen. Unser nächstes Ziel ist der Canyon del Muerto, an dessen Abbruchkante der 17 Meilen lange North Rim Drive entlangführt.
Der Canyon erhielt seinen Namen 1882, als man bei einer Expedition in den Canyon auf die Grabstätten präkolumbischer Indianer traf. An der V-förmigen Mündungsstelle von Canyon de Chelly und Canyon del Muerto ragen die Canyonwände nur etwa 10 Meter hoch. Auch der Canyon del Muerto bietet bis zu 300 m hoch über den kleinen Farmhäusern, Wasserläufen und Cottonwoodbäumen aufragende Canyonwände. Am North Rim existieren 4 Overlooks, die man über von der Hauptroute abzweigende Fahrspuren erreicht. Der erste Overlook zur Ledge Ruin war aus uns unbekannten Gründen gesperrt, so gewinnen wir etwas Zeit und steuern den Antelope House Overlook an.
Das Antelope House ist benannt nach den Pronghorn-Antilopen-Felszeichnungen, die dem Künstler Little Sheep zugeordnet werden, der um 1800 im Canyon lebte. An der gleichen Felswand finden sich noch Malereien, die jahrhunderte Älter sind.
Die mehrstöckige Ruine wurde in den 1970er Jahren ausgegraben. Der eindrucksvolle kreisförmige Vorplatz wurde um das Jahr 1200 errichtet.
Wir machen noch einen Abstecher zum Fortress Viewpoint. Dieser Sandsteinfelsen diente den Navajos seit Jahrhunderten als natürliche Festung, zuletzt gegen Kid Carson in den Jahren 1863-64. Bei Gefahr kletterten die Navajos an Seilen hinauf und zogen diese hoch. Ihre Feinde bombardierten sie mit einem Hagel aus Steinen.
Unser nächster Halt ist Mummy Cave Overlook.
Wir blicken auf eine der grössten Cliffdwelling-Anlagen im Canyon de Chelly, benannt nach den beiden 1880 hier gefundenen Mumien. Die Siedlung bestand aus etwa 90 Räumen und mehreren Kivas. Eine tausendjährige durchgängige Besiedlung bis um das Jahr 1300 lässt sich archäologisch belegen. Die Bauten gleichen den Anlagen in Mesa Verde und man vermutet, dass die Erbauer von Mesa Verde eingewandert sind.
Dem nächsten Aussichtspunkt sehen wir mit gemischten Gefühlen entgegen. Es ist Massacre Cave. In dieser Höhle wurden im Jahr 1805 115 Navajo von Spanischen Soldaten niedergemetzelt. Nicht weit daneben blickt man auf Yucca Cave, eine Pueblo-Anlage aus 4 Räumen bestehend.
Nach so viel Unterricht in präkolumbischer und postkolumbischer Geschichte verlassen wir schliesslich den Canyon de Chelly Richtung Tsaile.
Jetzt wird es langsam spannend, auf unserer Hallwag-Karte haben die Strassen schon längst keine Nummern mehr, die Strecke Richtung Lukachukai ist nur als schmale, geriffelte graue Linie eingezeichnet und wäre demnach teilweise unasphaltiert. Ein Blick auf unsere neue AAA Indian Country Map gibt Entwarnung, wir können zumindest mit einer durchgängigen Teerdecke rechnen. Wir kommen am Dine College vorbei und biegen schliesslich bei Tsaile in die Indian Road 12 Richtung Lukachukai ein.
Der Name hört sich schon vielversprechend an und wir werden nicht enttäuscht. Vor uns breitet sich ein rotes Sandsteinpanorama vom Feinsten aus. Tafelberge die der kleine Bruder des Monument Valleys sein könnten, bestimmen das Bild. Würden wir geradeaus fahren, kämen wir über Round Rock nach Mexican Water und zum Highway 191. Wir haben uns aber für die Fahrt zum Mesa Verde die Strecke durch die Chuska Mountains ausgeschaut. In Lukachukai biegen wir in die Indian Road 13 Richtung Red Valley ein. Wir queren die Grenze zu New Mexico. Hier wird noch scharf geschossen, wie uns das Schild unschwer verrät.
Wenige Meilen östlich von Lukachukai schlängelt sich die Indian Road durch eine zauberhafte alpine Landschaft mit Espenwäldern, die bereits das spektakuläre rot-gelbe Kleid des Indian Summer tragen.
In Richtung Red Valley verflacht die Landschaft dann wieder, weder grüne Wälder noch Red Rocks, sondern gräuliches Gestein mit einzelnen Buttes mit so klangvollen Namen wie Mitten Rock und The Thumb.
Bereits bei der Abfahrt aus den Chuska Mountains nach dem Lukachukai Pass erblicken wir die markante Landmarke des Shiprock. Dicht an ihm vorbei führt die Indian Road und trifft 3,2 mls südlich des gleichnamigen Ortes auf die US 491 (auf alten Karten noch die US666). Kurz vor Shiprock braut sich ein heftiges Unwetter zusammen, das den Shiprock fast vollständig in Dunkelheit taucht.
Nur noch ein schmaler Streifen wird von der Sonne beschienen und sorgt damit für einen dramatischen Effekt. In der Nähe der Chuska Mountains liegen noch die Lukachukai Mountains (eher Hügel) und nördlich die Carizzo Mntns., die auch stattliche Höhen erreichen.
Wir können dem prasselnden Regen nicht davon fahren. Im Schneckentempo fahren wir auf dem Highway 491 Richtung Shiprock. Die Fahrbahnsenken sind bereits stellenweise überflutet und so kommen wir nur sehr langsam voran. Es beginnt bereits zu dämmern als wir am Chimney Rock beim Mountain Ute Tribal Park vorbeifahren, in Cortez ist bereits die Strassenbeleuchtung eingeschaltet. Eigentlich wollten wir heute direkt im Mesa Verde zelten, aber bei dem starken Regen entscheiden wir uns für einen Campground direkt vor der Zufahrt mit überdachten Zeltplätzen. Kurz vor 19.00 Uhr, gerade rechtzeitig bevor das Office schliesst, stehen wir frierend im Büro des
A & A Mesa Verde RV Park und Campground und füllen unsere Registration aus.
Wir haben Glück und die überdachten Zeltplätze sind noch frei. Es regnet noch immer in Strömen, als wir unter der Carport-ähnlichen Konstruktion im Licht der Stirnlampen unser Zelt errichten. Mit der Tischgruppe mit Bänken wird es jetzt eng unter unserem Verschlag, beim Vorbereiten des Abendessens stolpern wir mehrmals fluchend über die Zeltleinen. Es ist ziemlich kalt, sodass wir unsere Trekkingjacken überziehen. Nach einer heissen Dusche flüchten wir ins Auto und lesen im Schein der Leselampen noch gemütlich in unseren Büchern bevor wir uns gegen 10 PM in unseren Schlafsäcken ausrollen. Es regnet die ganze Nacht und der Regen prasselt unaufhörlich und geräuschvoll auf das Blechdach, trotzdem schlafen wir gut und träumen uns dem neuen Tag entgegen.
Gefahrene Meilen: 188
Übernachtung: A & A Mesa Verde RV Park und Campground 22,10 USD