Mittwoch, 20. September 2006Unsere freudige Stimmung wird gedämpft, als wir den Zeltreissverschluss öffnen und einen von Wolken verhangenen, trüben Himmel über Moab erblicken. Eigentlich steht heute die Wanderung zur Morning Glory Bridge im Negro Bill Canyon auf dem Programm, aber es sieht sehr nach Regen aus. Nach Frühstück und Morgentoilette sind wir schnell einsatzbereit und beschliessen im Visitor Centre die aktuelle Wettervorhersage abzuholen. Wir müssen erst gar nicht bis ins Visitor Centre, denn an einem Infoboard im Store unseres Campgrounds hängt der Wetterbericht für die nächsten Tage: mostly/partly cloudy, Thunderstorms, Showers, Temperaturen um die 70° Fahrenheit (um die 20°) – viel zu kühl für die Jahreszeit. Unsere Gesichter werden immer länger, als wir nochmals einen Blick in die Beschreibung des Negro Bill Canyon Hikes werfen: wir müssen auf den 4,5 Meilen im „Narrow Canyon“ mehrmals durch den Fluss und das bedeutet nasse Füsse. Über die Flash Flood Gefahr im Canyon finden wir nichts. Sicherheitshalber verabschieden wir uns wegen der unsicheren Wetterlage für heute vom Negro Bill Canyon und fahren weiter gen Moab.
Wir haben noch Alternativen für eine Wanderung. Im Internet bin ich auf Fotos von einem Gebiet gestossen, dass sich Behind the Rocks nennt, und nicht weit vom Stadtzentrum Moab entfernt sein soll. Je nach Lust und Laune kann man hier zwischen 1 und 5 Stunden durch bizarre Felsformationen wandern und für den Fall dass man noch nicht genug Navajo-Sandstein genossen hat, bietet sich das Nachbargebiet des Hidden Valley für weitere Wanderungen an. Für einen Besuch gibt es mehrere Möglichkeiten: Zufahrt über eine Dirtroad 12 Meilen südlich von Moab (wie sie Laurent Matres beschreibt), Zufahrt über den Kane Creek Boulevard in Moab (Beschreibung aus Foghorn Outdoors: Utah Hiking). Behind the Rocks ist bei 4-Wheelern und Mountainbikern populär und kann mit tollen Arches (Pritchett und Tuhkuhnikivats Arch) und einem Labyrinth aus Sandsteinzinnen und -türmen aufwarten. Es gibt keine gekennzeichneten Wanderwege, man läuft einfach der Nase lang und sucht sich seinen eigenen Pfad.
Wir folgen der Beschreibung aus unserem Foghorn Trailguide und biegen bei McDonalds in Moab in den Kane Creek Boulevard ein. Vor lauter Vorfreude vergessen wir jedoch am Abzweig unseren Meilenzähler zu nullen und folgen dem Kane Creek Boulevard vorbei an Sportstätten und durch Wohngebiete. Als irgendwann die Teerdecke endet und die Strasse als Gravel Road weiter in die rötliche Canyonlandschaft von Moab führt, fragen wir uns, ob wir schon die 3 Meilen bis zum unmarkierten Trailhead zurückgelegt haben.
Sind wir an einem Viehgatter vorbeigefahren ? Ich meine ja, ungefähr in Höhe der verfallenen Felswohnungen aus jüngerer Zeit. Frank stimmt mir zu, wir müssen schon mehr als 3 Meilen unterwegs sein, ihm gefällt die Landschaft aber so gut, dass er der Strasse noch ein Stück folgen möchte. Auf dem groben Massstab des Delorme Atlas & Gazetteer versuche ich den Strassenverlauf zu verfolgen. Laut Karte müsste sogar eine Rundfahrt über Hunter Canyon und Pritchet Canyon oder Hurrah Pass und Jackson Hole möglich sein.
Da wir die Strassenbeschaffenheit anhand der groben Karte nicht abschätzen können, beschliessen wir soweit zu fahren wie es geht und ggf. umzukehren. In der Nähe der Strasse entdecken wir einen grossen Felsbrocken mit Petroglyphen und nach kurzem Abstieg besichtigen wir das stark zerstörte Rock Art Panel und sind uns nicht mal sicher, ob die Felsritzungen tatsächlich indianischen Ursprungs sind.
An einer Kreuzung wissen wir nicht in welche Richtung wir fahren müssen und bereuen zum ersten Mal, dass wir im Store unseres Camprounds nicht die detaillierten Topo Maps von Latitude 40° gekauft haben. Wir folgen der breiteren Strasse und befinden uns noch immer auf der Kane Creek Road, die mittlerweile als Dirt Road immer tiefer in die zerklüfteten Canyons um Moab führt. Wir identifizieren den Kane Springs Canyon. Der Himmel hat sich mittlerweile zu einer einzigen weiss-grauen Wolkensuppe zugezogen und ich befürchte, dass es jeden Moment zu regnen beginnt.
Frank lässt sich davon nicht beirren und chauffiert unseren Trailblazer gelassen durch mehrere trockene Flussbetten. Ich sorge mich, ob die Flussbetten trocken bleiben, falls wir umkehren müssen, doch Frank hat das Offroad-Fieber gepackt und er denkt gar nicht daran umzukehren.
Wir passieren weitere Campsites und treffen vereinzelt auf geparkte Pick-Ups deren Fahrer mit ATVs hier irgendwo im Gelände umher brettern.
Das beruhigt mich ein wenig, wenn die Strasse bei Regen Gefahr laufen würde, unpassierbar zu werden, wären die ATVler wahrscheinlich schon auf dem Rückweg ?? Ganz wohl ist mir trotzdem nicht, zumal der Strassenzustand sich zunehmend verschlechtert. Frank umkurvt gekonnt die ärgsten Rippen und gewaltige Schlaglöcher, zirkelt den Trailblazer souverän durch tiefe Washes und über hochragende Felsbrocken. In einer Kurve die von einem weiteren Wash durchzogen ist, ist die Strasse zum Teil weggespült, auf der anderen Seite grenzen Felsvorsprünge den Aktionsradius ein. Ich verabschiede mit schon mal gedanklich von unserer Ölwanne, doch Frank nimmt auch gekonnt dieses Hindernis.
Etwa ½ Meile vor uns sind zwei hochbeinige Jeeps unterwegs die jetzt auf einer ebenen Fläche parken und eine Ladung Jeeptouristen ausspucken. Bevor wir zu dem Plateau gelangen, sind die bunten Geländewagen bereits wieder unterwegs und wir haben das Plateau für uns alleine. Wir schiessen Fotos, filmen und geniessen die Aussicht auf die wilde, zerklüftete Landschaft die der Colorado River im Laufe der Zeit in den Sandstein gegraben hat.
Wir verfolgen den Strassenverlauf und sehen die Jeeps plötzlich nur noch ganz langsam vorwärts kommen. Dort scheint ein wirklich schwieriges Hindernis zu sein, es vergehen 2 Minuten bevor die Fahrzeuge wieder mehr Fahrt aufnehmen können.
Meine Bitten umzukehren, werden jetzt erhört, zumal der Himmel jetzt von grau-schwarzen Wolken verdunkelt wird. Bei dem Gedanken an die ganzen Washes die wir auf dem Rückweg wieder durchfahren müssen, werde ich ganz blass, auch Frank ist die Grosswetterlage jetzt nicht mehr geheuer und er gibt auf dem Rückweg ordentlich Kitt. Wir haben eine markante Stelle ausgemacht, nach dessen Passage wir wahrscheinlich nicht mehr festsitzen würden. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Kurze Zeit später tropft der erste Regen auf die Scheibe, zunächst noch spärlich, doch es dauert nicht lange bis dicke Regentropfen gegen die Scheibe trommeln. Frank meint noch immer halb so schlimm, aber nur deswegen, weil wir genügend Lebensmittel, unsere Fleeceinlets und eine gute Ausrüstung an Bord haben. Er möchte trotzdem nicht im Schlamm festsitzen und gibt weiterhin Gas.
Das haarige Flussbett ist noch immer trocken, nur ein wenig matschig, aber das bewältigt unser Trailblazer locker. Die Staubwolke hinter unserem Fahrzeug verschwindet, bei Nässe haftet der Belag. Es ist jetzt nicht mehr weit bis zu der Stelle die wir als kritisch eingestuft haben und wir scheinen den Wettlauf mit den Elementen zu gewinnen. Als wir uns nach Durchfahrung dieses breiten Flussbettes auf der anderen Seite des Canyons wieder nach oben schrauben, kann ich wieder lächeln und der Abenteuergeist übernimmt wieder die Oberhand. Bald haben wir wieder Gravel unter den Reifen und als wir wieder auf Asphalt fahren mache ich den Vorschlag, den Schauer abzuwarten und bei McDonalds den Meilenzähler zu nullen, den vorhin verpassten Trailhead zu suchen und doch noch zu wandern. Dies stösst bei Frank auf wenig Gegenliebe:
Bist Du wahnsinning, Du hast doch gelesen, dass der Aufstieg steil und bei Nässe rutschig und nicht ungefährlich ist. Ich halte mich nicht für wahnsinniger als er, der bei drohendem Regen immer weiter auf einer Dirt Road fährt. Doch ich schmolle diesmal nicht, sondern kümmere mich um Plan B. Es gibt ja noch einen Weg um Behind the Rocks zu erleben: die Poison Spider Mesa.
Doch zunächst halten wir in Moab im City Market und gönnen uns jeder einen knackigen Salat von der Salad Bar. Als wir aus dem Supermarkt kommen, hat der Regen nachgelassen und auf dem Campground ist es wieder trocken. Wir geniessen unseren Salat mit Hähnchenbrust, Ei, Tomaten, Gurken, Champignons, Ham, Käse und Ranch Dressing und wir planen den Rest des heutigen Tages.
Gegen die asphaltierte Potash Road und den „kurzen“ Aufstieg zur Poison Spider Mesa hat Frank nichts einzuwenden, anschliessend wollen wir uns noch um unseren Schmutzwäscheberg kümmern. Bei noch immer bedecktem Himmel fahren wir auf der US 191 nach Norden und biegen 3 Meilen nördlich von Moab in die State Road 279 ein. Die Potash Road trägt den Beinamen
Lower Colorado River Scenic Byway und folgt nach kurzer Zeit den Windungen des Colorado Rivers. Wir beschliessen die Potash Road bis zum Ende des Asphalts zu erkunden und nach den Trailheads zur Poison Spider Mesa und Corona Arch Ausschau zu halten.
An der Wallstreet entdecken wir in den Felsen Rockclimber, wenig später halten wir um die Indian Paintings zu bewundern. Ich kann nicht wirklich viel erkennen und so fahren wir alsbald weiter zu den Dinosaur Tracks. Auf dem Parkplatz, der gleichzeitig der Trailhead zur Poison Spider Mesa ist, beginnt es wieder leicht zu regnen und wir verbringen etwa 30 Minuten damit, das Ende des Schauers abzuwarten. Kaum ist der letzte Regentropfen auf die Scheibe gefallen, springen wir aus dem Auto, schultern die Rucksäcke und beginnen den Aufstieg über die Jeep-Route. Wagemutige SUVler könnte die Piste auch noch ein Stück nach oben fahren, doch ein Blick auf die derben Felsabsätze am Beginn genügt, wir hatten wir heute schon genug Offroad-Abenteuer.
Also stapfen wir den steilen Jeep-Track nach oben und kommen ganz schön ins Schnaufen. Frank brummelt, hoffentlich würden sich die Mühen auch lohnen und hechtet dann mit einem Sprung von der Strasse, als zwei ATVs im Höllentempo um die Kurve brettern. Sie sind genauso erschrocken wie wir, halten kurz an und entschuldigen sich für die unvorsichtige Fahrweise. Kein Problem, Franks Reflexe haben ihn ja vor einem Schaden bewart, Adrenalin pumpt trotzdem durch unsere Gefässe und wir rasten eine Weile, bis sich unser Pulsschlag wieder normalisiert. Da einige ATV-Spuren cross-country, abseits der Piste führen, beschliessen wir, die endlosen Kehren ebenfalls durch eine Cross-Country-Route abzukürzen. So ist der Aufstieg zwar noch steiler aber wir sparen einiges an Zeit und verkürzen die 2,5 Meilen Distanz ein wenig. Langsam tauchen hinter den Felswänden die ersten Spitzen auf, der Colorado River und die Strasse wird immer kleiner, die Sicht leider nicht besser.
Es ist so trüb, dass von den La Sal Mountain-Gipfeln, die über den roten Felsen drohnen, nichts zu sehen ist.
Schade - gerade die schneebedeckten La Sal Mountains hätten einen reizvollen Kontrast über den Felsnadeln von Behind the Rocks ergeben. Da es immer mehr eintrübt, und sich bereits der nächste Regenschauer ankündigt, steigen wir gar nicht bis zur optimalsten Fotostelle hinauf, sondern schiessen ein paar Fotos, filmen ein wenig und steigen wieder ab.
Wir schaffen es noch trocken bis ins Auto auf dem Weg zum Corona Arch Trailhead klatschen aber die nächsten dicken Tropfen auf die Windschutzscheibe und der Hike zum Corona Arch ist für heute gestorben. An der Gold Bar Recreation Site laufen wir auf der betonierten Bootsrampe bis zum Colorado und besichtigen die Landungsstelle der Raftboote.
Am Long Canyon halten wir für ein Foto des Jug Hundle Arch, fahren bis zum Ende des Asphalts, wenden dann und fahren gemächlich zurück nach Moab um unsere Schmutzwäsche zu waschen. Zuvor fahren wir aber nochmals in den Supermarkt, um uns nach dem wettertechnisch durchwachsenem Tag wenigstens ein anständiges Abendessen zu gönnen.
Bepackt wie die Nikoläuse mit zwei grossen blauen Müllsäcken stapfen wir nach Rückkehr auf den Campground zum Laundry und füllen 2 Maschinen mit Wäsche, die wir zuvor in Hell und Dunkel sortiert haben. Nachdem wir auch noch genügend Quarters für die anschliessende Trocknung eingetauscht haben, kehren wir zur Campsite zurück um uns ums Abendessen zu kümmer. Frank brät Fleisch, ich bereite die Hash Browns und den Salat vor. Uns gegenüber campt eine Reisegruppe von Trek America, die es geschafft haben, 5 Zelte auf einem gekiesten Stellplatz zu platzieren. Dafür können sie wahrscheinlich jeden Atemzug im Nachbarzelt hören. Nach dem Essen schichte ich die Wäsche in den Trockner während Frank sich um den Abwasch kümmert und die beiden Latitude 40° Topomaps im Campgroundstore käuft.
Wir besprechen den nächsten Tag: wir wollen zum Sunrise am Mesa Arch und gehen daher früh schlafen. Hoffentlich spielt das Wetter mit.
Gefahrene Meilen: 85
Übernachtung: Moab Valley RV Resort 20,71 USD