Edmaier's Secret
(Ein Bericht von Lothar Gold, Stefan Sauerland und Peter Felix Schäfer)
Nun, es muss wohl so irgendwann im Herbst 2003 gewesen sein, als ich in einem Frankfurter Buchladen einen Bildband in die Hand nahm, auf dessen Frontcover u. a. auch eine Aufnahme der Coyote Buttes zu sehen war.
Als ich dann, wie bei einem Daumenkino, die Seiten an mir vorbei huschen ließ, stockte ich beim Anblick einer Seite, die eine ganz bemerkenswerte Felsformation zeigte. Es waren darauf mehrere lang gestreckte und dicht nebeneinander verlaufende Brainrocks zu sehen. Unwillkürlich stellte ich mir sofort vor, was für ein herrliches Gefühl es sein müsse im „Auf und Ab“ über diese riesigen Felsraupen zu wandern.
In dem dazugehörigen Bildtext wurde gesagt, dass es sich um eine Luftaufnahme (aus 400m Höhe) der Paria Wilderness, Utah, handele. „Das trifft sich ja prima“, dachte ich sofort, im April 2004 wollten wir ja sowieso diese grandiose Gegend besuchen. Nur wusste ich natürlich nicht wo sich die in dem Buch abgebildete Location exakt befindet.
Im Dezember desselben Jahres sah ich den gleichen Bildband in der Buch und Krimskramsabteilung des Senckenberg Museums in Frankfurt. Sofort nahm ich ihn in die Hand, schlug die mir bereits bekannte Seite 25 auf und betrachtete genüsslich die spektakulären Felsen. Etwa ein Woche später kaufte ich schließlich den Bildband GeoArt von Bernhard Edmaier, das ist die genaue Bezeichnung des Buches. So, jetzt lag die Keimzelle eines ungelösten Rätsels bei mir zuhause im Bücherregal. Die alles beherrschende Frage war jetzt nur noch: Wie kann ich die genaue Lage der abgebildeten Brainrocks ausfindig machen?
Eine kleine Detektivgeschichte nahm ihren Anfang. Als erstes kontaktierte ich Steffen und Peter, aber beide konnten mir zunächst auch nicht weiterhelfen. Die Vermutung „irgendwo auf dem Paria Plateau“ stand dabei auch im direkten Zusammenhang mit der Bildunterschrift.
Ich beschäftigte mich mit USAPhotoMaps und den darin verfügbaren Satellitenaufnahmen. Ein schier aussichtsloses Unterfangen. Es gab dabei einige „verdächtige Stellen“, die auf mich auch noch den Eindruck machten als seien sie nur äußerst schwer zugänglich.
Einige Monate verstrichen ohne dass sich irgendwelche neuen Aspekte ergaben. So war ich im April 2004 mit meiner Familie (zur bis dahin fünften Reise) im Grenzgebiet zwischen Utah und Arizona unterwegs. Zum ersten Mal auch mit einem Besuch in der spektakulären Wave, in den Coyote Buttes. Tatsächlich gab es in dieser Gegend einige Felsformationen, die „meinem“ Edmaier Bild sehr ähnelten, jedoch waren das alles nur kleinere Gebilde, die bei weitem nicht an die Ausmaße des „Originals“ heranreichten. Die Frage nach dem „Wo-sind-sie-denn-jetzt?“ blieb auf diesem Trip ungelöst.
Wieder verging einige Zeit, ohne dass irgendwelche neuen Hinweise für des Rätsels Lösung auftauchten. Ich versuchte dann über Anfragen an diversen Stellen im Internet voranzukommen. So sah ich am 16. Dezember 2005 ein Bild von „Martina Biesel“ in der fotocommunity, bei dessen Anblick ich fast vom Stuhl gefallen wäre:
Es zeigte Felsstrukturen, die denen auf dem Edmaier Bild so ähnlich sahen, wie nichts Anderes bisher. Die Nachforschungen ergaben, dass die Aufnahme in der White-Pocket- Gegend entstanden war. Sie ergaben aber auch, dass es leider nicht die „Richtigen“ waren.
Im Februar 2006 war ich dann selbst in der White Pocket unterwegs. Ich versuchte auch abseits der bekannten Locations, Stellen ausfindig zu machen, die die Lösung des „Secrets“ bedeuten würden. Es gab dort sehr viele ähnliche Strukturen, aber nicht die, nach der ich mich sehnte.
Schließlich kam ich auf die „glorreiche“ Idee, mich per Mail direkt an den Urheber des Rätselfotos zu wenden, Herrn Edmaier selbst. Antwort bekam ich von einer Frau Jung-Hüttl. Sie schrieb, dass sie bei dem Flug, während dem das Bild entstand, auch selbst mit an Bord gewesen sei. Der Flug war in der Nähe des Bryce Canyon gestartet worden und verlief entlang des Paria Tales. Die fragliche Aufnahme sei am Rande dieses Tales, in der Nähe der Coyote Buttes entstanden. Außerdem kenne sie die Gegend nur aus der Luft, falls sie wieder mal dort seien, wollten sie auf jeden Fall auch zu Fuß dort unterwegs sein. Wieder einen kleinen Schritt weiter, dachte ich, aber immer noch sehr weit entfernt vom ersehnten Ziel. Auf zwei weitere, „nachhakende“ Mails erhielt ich ebenfalls prompt Antworten. So erfuhr ich z.B. auch die Uhrzeit des Fluges, um anhand des Sonnenstandes und des Schattenverlaufs, die Himmelrichtung abzuleiten. Die Brennweite des Objektivs betrug 100 mm (Mittelformat) und die Aufnahme sei nicht beschnitten.
Parallel dazu hatte ich auch Mailkontakt mit Stefan Sauerland, den ich schon seit einiger Zeit aus einem Internetfotoforum kannte. Wir schickten uns einige Mails mit Ausschnitten aus den USAPhotoMaps zu, auf denen die vermuteten Stellen der Edmaier Brains zu sehen waren. Die Auflösung dieser Satellitenaufnahmen ist jedoch so grob, dass eine eindeutige Wertung der Richtigkeit des gefundenen Ausschnittes nicht möglich war.
Kurze Zeit später kam dann Google Earth, zunächst noch mit grober Auflösung der Vermillion Cliffs … (Lothar Gold)
Ja, und dann kam wohl meine Sternstunde. Ich bereite mich bereits seit geraumer Zeit mit Google Earth auf meine Trips jenseits geteerter Wege vor. Dieses Tool mit der dahinter verborgenen gigantischen Bilddatenbank ist unheimlich hilfreich, wenn es darum geht, sich unbekannte Gegenden bereits im Voraus aus der Vogelperspektive zu erschließen. Für mich persönlich beginnt der Urlaub dadurch bereits weitaus zuvor am heimischen PC und zudem ist kaum noch zeitraubendes Scouting vor Ort nötig.
Wie auch Lothar haben meine Freundin Marion und ich bereits viele Male das „Sandsteinwunderland“ der Vermilion Cliffs Wilderness besucht und uns bereits nach dem ersten Male zutiefst verliebt in dieses einmalige Landschaftsjuwel. Lothar hatte es also nicht sonderlich schwer, bei mir eine entsprechende Neugierde mit seinem Rätsel zu erzeugen.
Bereits mehrmals hatte ich die Vermilion Cliffs ganz nach Bauchgefühl online mit Google Earth „durchkämmt“, in der Hoffnung die nun von uns beiden gesuchte Formation zu entdecken. Vor nicht allzu langer Zeit stellte ich fest, dass Google Earth die Auflösung meines „Lieblingsquadranten“ zu meiner Freude deutlich erhöht hatte, wie es bereits zuvor an einigen Stellen des Colorado Plateaus geschehen war. Nun konnte man deutlich mehr Detail und damit auch Oberflächenstruktur erkennen, was meinen Forschertrieb natürlich erneut herausforderte.
Als gerade auch noch Lothar wenige Tage später in dem bereits erwähnten Internetfotoforum eines seiner Fotos mit dem Titel West Clark Bench zeigte, erschien mir plötzlich glasklar vor Augen, wo ich zu suchen hatte!
Bei unseren zahlreichen Trips über den Wirepass Trailhead in Richtung Wave war mir bereits mehrfach die von dort aus nordöstlich gelegene Abbruchkante der West Clark Bench aufgefallen. Diese Gegend sah nicht zuletzt durch mein Fernglas den Oberflächenstrukturen der Coyote Buttes sehr ähnlich. Diesen Bereich hatte ich bisher nicht wirklich unter die Lupe genommen. Wo sollten sich also „Edmaiers Brains“ befinden, wenn nicht hier?
Frau Jung Hüttl hatte auch mir bereits geschrieben, dass ihr Flug entlang des Paria Rivers führte und die gesuchten Formationen nur wenige Flugminuten von den eigentlichen Coyote Buttes mit der fantastischen Wave entfernt seien. Sie fragte übrigens auch, ob ich einen Herrn Namens Lothar Gold kennen würde, der ihr merkwürdigerweise die gleichen Fragen gestellt hätte… Na so was aber auch
So, jetzt aber los! Noch an meinem Arbeitsplatz erfolgte der Doppelklick auf das Google Earth Icon. Ich zoomte diesmal auf die westliche Abbruchkante der West Clark Bench, nur wenige Meilen entfernt von der eigentlichen Wave, der Hauptattraktion der nördlichen Coyote Buttes. Sofort entdeckte ich gleich mehrere Oberflächenstrukturen, die in Frage kamen „Edmaiers Brains“ zu sein. Ich speicherte mit Markern drei verdächtigen Orte und mailte sie direkt zu mir nach Hause.
Jetzt musste ich nur noch mit quälender Neugierde den Tag überstehen, um mich dann nach Feierabend umgehend an den heimischen PC zu setzen um mit Hilfe des Edmaier Bildbands, den ich mir natürlich längst zugelegt hatte, das Rätsel um die ominöse Location zu knacken.
Frau Jung Hüttl schrieb mir weiterhin in ihrer Mail, dass Edmaiers Aufnahme am frühen Vormittag entstanden sei, was mich darauf schließen ließ, dass die Schatten in Richtung Westen deuten müssen. Sofort drehte ich den Bildband um 180°, um die Ansicht gemäß Google Earth nach Norden auszurichten, denn nun zeigten die Schatten der Brains exakt nach Westen.
Am Schattenwurf sowie an dem davor befindlichen recht sandigen Wash konnte ich bereits nach kurzer Zeit mittels Ausschlussverfahren die meiner Meinung nach richtige Location herauspicken. „Edmaiers Secret“ war in diesem Augenblick geknackt!
Jetzt wurde es schleunigst Zeit, das Ganze Lothar Gold feierlich mitzuteilen, welcher es natürlich umgehend PFS eröffnete … (Stefan Sauerland)
Dank Lothars Ausdauer und Stefans innovativem Lösungsansatz war die genaue Lage von Edmaiers Secret, so nannten wir die Location inzwischen, nun klar. Eine Frage aber blieb nach wie vor unbeantwortet: Sieht diese Stelle aus der Froschperspektive genauso beeindruckend aus wie auf Edmaiers Luftbild? In unserem letzten Urlaub im Mai 2007 gingen wir der Sache auf den Grund.
Der erste Schritt bei der Routensuche zu einem vorgegebenen Ziel ist immer das genaue Studium der Topo Map. In unseren Fall zeigte sich, dass der Zugang zu Edmaiers Secret überhaupt kein Problem darstellen sollte, und so war es denn auch.
Ausgangspunkt unserer kleinen Halbtageswanderung war der Buckskin Gulch Trailhead an der House Rock Valley Road. Wir bezahlen die obligatorischen $ 5,-, legten das Ticket hinter die Windschutzscheibe und gingen los. Der Buckskin Gulch, der ja bekanntlich in etwa ab der Einmündung des Wire Pass Slots zu einem der längsten und tiefsten Slot Canyons der Welt wird, erwies sich hier als ein breiter, ganz problemlos zu begehender Canyon. Nach etwa 3 km kamen wir zu einem von links (Osten) einmündenden Wash (GPS: 12S 04 11 397 UTM 41 00 471, NAD 27 CONUS). Von hier aus gingen wir nun etwa einen halben km in Richtung Osten, wobei wir zunächst dem Wash folgten und dann (abkürzend) über Slickrock gingen. Nun konnte es nicht mehr weit sein. Wir erklommen einen kleinen Hügel (GPS: 12S 04 11 693 UTM 41 00 129, NAD 27 CONUS) und … sahen Edmaiers Secret! Schon bei diesem ersten Blick war uns klar, dass sich die Wanderung gelohnt hatte. Noch nirgendwo sonst hatten wir so gleichförmig erodierten Sandstein gesehen wie hier. Die nachfolgende Stunde verbrachten wir damit, die Gegend näher zu erforschen und zu fotografieren. Aber seht doch einfach selbst … (Peter Felix Schaefer)