Da ich noch keine "Trinkgelddiskussion" mitgemacht habe, finde ich das Thema ganz interessant.
Zum einen kann ich (glücklicherweise?) sagen, dass ich eigentlich noch nie schlecht bedient worden bin - wir gehen im Urlaub de fakto jeden Abend gut essen (Junk Food gibts nur tagsüber - abends darfs was besseres sein) und haben schon alles mögliche ausprobiert. Insgesamt waren wir sicherlich schon mehr als 100 Mal zu essen - und ich kann mich nicht erinnern, jemals einen Grund zur Klage gehabt zu haben (was den Service betrifft - das Essen war leider nicht immer gleich gut).
Aber die spannende Frage nach den obligaten 15% - die stellt sich für uns, trotz der vielen Erfahrungswerte, immer wieder neu. Zum einen gibt es Restaurants, da wird einfach in die Rechnung schon 15% Service eingetragen (da kann man dann höchstens noch mehr geben als 15%), bei anderen steht zwar was von 15% in der Karte, aber es bleibt dem Kunden überlassen, und bei eigentlich den meisten Restaurants steht keine konkrete Zahl in der Speisekarte, sondern nur der pauschale Hinweise "Service not included" oder ähnlich.
Ich tue mir da bisweilen schwer, grundsätzlich 15% zu geben und will das auch begründen: ob ich ein simples Nudelgericht für 9,-$ bestelle oder ein 22 Unzen Ribeye Steak für 38,-$, ist für den Kellner eigentlich unerheblich - er muss mir das Essen plus mein obligates Bier an den Tisch bringen. Da wir immer zu zweit sind, macht das Rechnungen aus in der Spannweite von (die bisher günstigste) 21,-$ (bei Pizza Hut) bis 120,-$ (in einem Steakhaus). Die 21 Dollar runde ich problemlos auf 25 Dollar auf und bin weit im gründen Bereich. Aber statt 120,-$ dann 140,-$ hinzublättern, da tu ich mir schwer. Der Arbeitsaufwand der Kellner war vergleichbar - wieso soll der eine 4 Dollar bekommen, der andere dagegen 20 Dollar?
Höchst interessant fand ich einen Abend in San Diego (das war in unserem ersten USA Urlaub 1996) - da haben wir an einem Abend mit freundlichen Einheimischen zusammen gegessen (wir hatten uns am Abend vorher in einer Pianobar kennengelernt) und als es ans bezahlen ging, wollt ich die obligaten 15% drauflegen - worauf mich einer der anderen Männer (wir waren insgesamt 3 Paare) mehr oder minder als bekloppt bezeichnete, das wäre viel zu viel. Als ich ihm erklärte, dass ich das so von meinem Reiseführer gelernt hätte, sagte er mir, das wäre die typische Touri-Abzocke, kein Einheimischer käme auf die Idee, so viel Trinkgeld zu geben! Interessant!
Seitdem versuche ich (bislang nahezu erfolglos) immer wieder mal zu erheischen, was denn andere Einheimische in den Staaten für Trinkgelder geben. Passend dazu ist mir im letzten Jahr im "Eddy Mc Stiff" noch folgendes unangenehm aufgefallen: dort war in die Speisekarte ein kleines Blättchen in schlechtem Deutsch einfügt über "Tipping in den USA" (oder so ähnlich) und es wurde mir dort unverhohlen angeboten, mindestens 25% - 30% Trinkgeld zu geben. Hammer. Ein vergleichbares englisches Dokument gab es in der Karte nicht...
Und dann fällt mir noch der Abend in Tucson ein (im "Silver Saddle" - siehe meinen Reisebericht), die Kellnerin hatte eine Zeit lang in Deutschland gejobbed (aber nur kurz, konnte leider kein Deutsch), weswegen wir ein nettes Gespräch führten. Da sie die deutsche Mentalität des "Trinkgelds" ja nun auch kannte, fragte ich auch sie, wie es denn mit den magischen 15% Tipp in den USA wäre, ob es wirklich eine Art "Bürgerpflicht" wäre. Auch sie sagte ganz ehrlich, das wäre so nicht, man solle geben, wie es einem gefallen hätte und einen Zwang dazu gäbe es schon gar nicht.
Im Grunde gesehen verhalte ich mich in den USA nicht viel anders als zu Hause - wenn es mir gefallen hat (und wie gesagt, ich hatte noch nie einen Grund zur Klage), gebe ich Trinkgeld (oder eben "Tipp"). Nach Bauchgefühl, ohne groß zu rechnen, aufgerundet auf eine adäquate Hausnummer. Ob das dann 10% oder vielleicht 20% sind - das hängt dann eben davon ob, wieviel es absolut ist und wie "krumm" der Originalbetrag war. Stoische 15% habe ich noch nie gegeben.
Grüße
Rainer