Ja, ich bin deutlich mehr betroffen, wenn Deutsche in einem deutschen Flugzeug sterben als wenn Papuaner in der xy Maschine abstürzen. Schließlich projeziert man solch ein Ereignis auf sich selbst und sein Umfeld und mit meinem unmittelbaren Lebensumfeld kann ich mich deutlich stärker identifizieren als mit Menschen und Ereignissen auf der anderen Seite des Erdballs.
Das geht mir genau so.
Und wenn, wie in diesem Fall Opfer aus dem Nachbarort kommen und man die Eltern eines zu Tode gekommenen Mädchens zum entfernten Bekanntenkreis zählt, dann empfindet man das in der Tat als echte Tragödie die einem Tage wenn nicht wochenlang mitnimmt. Selbst als ich noch nicht wusste, dass Passagiere aus unserer Region betroffen sind, hat mich dieser Absturz deutlich mehr betroffen gemacht als die Abstürze im asiatischen Raum oder über der Ukraine, ganz einfach weil es in unserem Nachbarland Frankreich passiert ist und nicht irgendwo weit weg auf der Welt.
Um jetzt nochmals auf die angesprochen, zusätzlichen psychologischen Untersuchungen für Piloten zurückzukommen:
JEDER, der im öffentlichen Raum irgendein Fahrzeug führt, ist grundsätzlich dazu geeignet, durch eigenes Fehlverhalten (mit welchen Ursachen auch immer) neben seinem eigenen Leben viele, viele andere Menschenleben zu gefährden.
Warum sich also jetzt die Berufgruppe der Piloten vornehmen? Weil es gerade "en vogue" ist?
Für Aktionismus und Einseitigkeiten bin ich auch nicht. Allerdings finde ich schon, dass man im Fall eines solchen Absturzes der ja mutmasslich auf eine psych. Erkrankung eines Flugzeugführers zurückgeht, Tests bei Verkehrspiloten anregen kann und von mir aus auch bei anderen Berufsgruppen die Passagiere befördern oder die Gefahrgüter transportieren, Zugang zu extrem giftigen, infektiösen oder radiaktiven Substanzen haben.
Eine tournusmässige Überprüfung auch der psych. Eignung im Rahmen von Arbeitsmedizinischen Untersuchungen - darüber sollte man nachdenken dürfen. Ggf. sollte da von Seiten der Verantwortlichen ein Arbeitskreis eingesetzt, Experten angehört werden etc. um dann nach ausreichender Datenlage, kritischer Bewertung und vor allem auch mit Distanz zu den aktuellen Ereignissen zu einem Ergebnis und ggf. weiteren Massnahmen zu kommen.
Es ist für mich überhaupt nicht nachvollziehbar, dass man nach Herz-Kreislauferkrankungen und Lungenerkrankungen und Beeinträchtigungen der Sinnesorgane schaut - Krankheiten die zwar zu den häufigen Krankheiten zählen, aber eher weniger in den ersten 4 Lebensjahrzehnten auftreten.
Gleichzeitig aber die Untersuchung von psych. Belastungen am Arbeitsplatz und deren Folgen (Depressionen, Angststörungen etc.) ausspart, obwohl diese Erkrankungen in den letzten 10 Jahren
nachweislich auf dem Vormarsch sind. Vgl. dazu diverse Veröffentlichungen z.B. von deutschen Krankenkassen, u.a. die Krankschreibungsdiagnosenauswertung). Diese Erkrankungen betreffen auch junge, fitte Arbeitnehmer und finden sich bei Arbeitnehmern zwischen dem 20. und 45. LJ deutlich häufiger als Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparates.
Ich gehe sogar so weit, dass ich glaube, dass Piloten ein erhöhtes Risiko für Medikamenten- und Alkoholabhängigkeit haben - durch den stressigen Job mit hoher Arbeitsbelastung und häufig wechselnden Schlafrhythmus durch Zeitverschiebung, wechselnde Flugdienstzeiten etc.
Wie verlockend ist der Griff zu Benzodiazepinen oder zu einigen Drinks an der Hotelbar um den Körper und den Geist in den Schlafmodus zu verhelfen wenn man gerade nicht schlafen kann aber eigentlich schlafen muss weil der Dienstbeginn am nächsten Tag einen ausgeruhten Körper und Geist verlangt?
Ich kann mir das sehr gut vorstellen, ohne dass jetzt pauschal
jedem Piloten unterstellen zu wollen. Das
könnte ein Problem sein, evtl. eines das man nicht so gerne hört und für das es keine einfache Lösung gibt in Zeiten von Kostendruck und Effizienzsteigerungen die in der Arbeitswelt verlangt werden.
Aber nur weil ein Pilot bei der Eingangsuntersuchung geistig fit und gesund war, einfach davon auszugehen dass diese glänzende psych. Gesundheit über 20-25 Jahre konstant bleibt, finde ich schon arg naiv.
Einen möglichen Substanzmissbrauch mal weiter gedacht:
Es ist ja nicht so, dass ein Mensch der regelmässig Benzodiazepine nimmt und um deren Wirkung dann aufzuheben ggf. eine Stimulanz schluckt bei längerem Gebrauch dieser Substanzen keine körperlichen Beschwerden und Folgeerkrankungen entwickelt und in seinen kognitiven Leistungen unverändert bleibt. Die Folgen sind aber nichtmit den derzeitigen Untersuchungsstandards messbar. Sie sind nicht in der Art und so offenkundig, dass man sie mit einem Standard-Labor, einfacher klinischerUntersuchung von Herz-Kreislauf-System, Überprüfung der Sinnesorgane und Fragebogeninterviews erkennen könnte.
Und da sehe ich einfach eine potentielle Lücke über deren Schliessung man viel eher nachdenken sollte als darüber die ärztliche Schweigepflicht auszuhöhlen und was für ein Quatsch gerade noch so durch die Politik geistert.