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Autor Thema: Bis-ans-Ende-der-Welt-Tour 2011: Vier Wochen durch Patagonien  (Gelesen 61631 mal)

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Sandra33

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Re: Bis-ans-Ende-der-Welt-Tour 2011: Vier Wochen durch Patagonien
« Antwort #195 am: 24.11.2012, 18:55 Uhr »

Von diesen Bussen haben wir auch einige gesehen - beeindruckend, welche Entfernungen die teilweise auf den dortigen Schotterpisten zurücklegen. Diese Fahrzeuge haben immer einen recht guten Eindruck gemacht - mit Ausnahme, wenn sie direkt vor uns an einer Grenzstation angekommen sind und alle Passagiere vor uns an der Passstelle anstanden. In diesen Momenten waren die Busse mir immer extrem unsympathisch :wink: 8)


Normalerweise teile ich Deine Meinung und fand die Busse an den Grenzen auch nicht nett. Dieses Mal muß ich den Betrachtungswinkel wechseln  :lol:


Da uns Dein Wunsch nach schönem Wetter nicht mehr wirklich viel hilft, schiebe ich ihn einfach mal schnell weiter zu Sandra, die in Kürze ja auch diese Gegend besuchen wird...


 :dankeschoen:
Dann kann ja nichts mehr schiefgehen ;-)

Zwei Fragen hätte ich zu Ushuaia: In welchem Hotel seid Ihr gewesen und würdest Du die Bootsfahrt weiterempfehlen? Bei wem habt ihr gebucht? Die Bilder sahen sehr schön aus.

LG Sandra


wuender

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Re: Bis-ans-Ende-der-Welt-Tour 2011: Vier Wochen durch Patagonien
« Antwort #196 am: 25.11.2012, 17:54 Uhr »
Zwei Fragen hätte ich zu Ushuaia: In welchem Hotel seid Ihr gewesen und würdest Du die Bootsfahrt weiterempfehlen? Bei wem habt ihr gebucht? Die Bilder sahen sehr schön aus.

Wir waren in der Hosteria Les Eclaireurs. Recht günstig und bei TripAdvisor sehr gut bewertet. Dafür ein klein wenig ab vom Schuss (und wir waren uns bis zum Ende unseres Aufenthalts nicht sicher, wie die Umgebung des Hotels einzuordnen ist). Die etwas abgelege Lage ist nicht weiter schlimm, denn mit dem Auto ist man in fünf Minuten in der Innenstadt und am Hafen gibt es ausreichend kostenlose Parkplätze. Trotzdem würde ich - sollte ich nochmal dort hinkommen - versuchen, ein Hotel in Laufnähe von Hafen bzw. der Avenida San Martin zu bekommen.

Die Bootsfahrt war super und ich kann sie nur weiterempfehlen. Falls Ihr die Rückfahrt mit dem Bus nehmt, könnt Ihr mit der Estancia Haberton auch noch eine der Top-Sehenswürdigkeiten des südlichen Feuerland anschauen.

Es gibt am touristischen Teil des Hafens eine Ansammlung von Buden verschiedenen Anbieter, die allesamt Touren auf dem Beaglekanal vermitteln. Dort würde ich in aller Ruhe einen Tag vor der Fahrt die Tickets kaufen. Letztendlich durchgeführt werden diese Touren dann wohl übrigens von nur einer (oder maximal zwei) Reedereien (so war zumindest unser Eindruck) - man kann also nicht allzuviel falsch machen.

Ich habe zur Verdeutlichung hier mal in Google maps direkt auf die Buden gezoomt (die graubraunen Punkte direkt in der Mitte, links unterhalb dem Label "Canoero Catamaranes" und rechts oberhalb des einen Hauses mit blauem Dach.) Direkt bei "Canoero Catamaranes" steht übrigens das bekannte "Fin del Mundo"-Schild und rechts oberhalb davon sieht man den großen Parkplatz auf dem wir immer unser Auto gelassen haben.

Morgen geht es weiter im Bericht...

Schöne Grüße,
Dirk

wuender

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Re: Bis-ans-Ende-der-Welt-Tour 2011: Vier Wochen durch Patagonien
« Antwort #197 am: 26.11.2012, 07:39 Uhr »
Guten Morgen allerseits,

und weiter geht es. Wir verlassen Ushuaia, machen eine schöne Wanderung in den südlichen Ausläufern der Anden und besuchen dann den chilenischen Teil von Feuerland.

22.11.2011: Ushuaia - Porvenir
Heute schlafen wir ein klein wenig länger aus, frühstücken, bezahlen unser Hotel und fahren los. Auf derselben Stecke, über die wir vor zwei Tagen gekommen sind, geht es nach Osten aus der Stadt heraus und in die Berge. Das Wetter ist ähnlich wie gestern: Wolkig aber trocken, so dass wir die heute Vormittag geplante Wanderung zur Laguna Esmeralda im Valle Tierra Mayor in Angriff nehmen können. Unser Wanderführer beschreibt detailliert, wie man mit dem Bus oder Taxi zum an einer Schule für Schlittenhunde gelegenen Ausgangspunkt der Wanderung gelangt. An eine Anfahrtsbeschreibung für Autofahrer hat leider niemand gedacht und wir kommen bei der Suche nach dem Trailhead ziemlich ins Schwimmen. Nachdem wir ein paar Minuten von einem falschen Parkplatz aus einem recht interessanten Trail ins Nichts gefolgt sind, finden wir letztendlich doch die Einfahrt zum Valle des Lobos, der Schlittenhundeschule mit angeschlossenem Cafe und Restaurant. Direkt vor uns sind drei Jungs da, die sich mit dem Taxi haben herfahren lassen. Als die drei am Cafe vorbeimarschieren wollen, werden sie vom Cafe aus zurückgepfiffen: Für die Wanderung ist eine Registrierung nötig und es werden zehn Pesos Eintritt pro Person fällig. Dafür gibt es eine kleine kopierte Karte des Wegverlaufs sowie eine mündliche Beschreibung.

Der Trail führt uns zunächst an den Huskies der Schule vorbei, an blaue Plastiktonnen angebunden und zu unserer großen Verwunderung trotz schon ziemlich fortgeschrittenem Vormittag noch ziemlich schläfrig. Weiter geht es durch ein kurzes Stück Wald, über eine wackelige kleine Holzbrücke und auf eine offene und mit Peat Bogs bedeckte Fläche. Wie wir vorgestern im Parque Nacional Tiera del Fuego festgestellt haben, handelt es sich bei Peat Bogs um eine Art Moor und daher gestaltet sich der Weg dementsprechend schlammig und matschig. Wir kommen vorbei an mehreren großen Biberdämmen, hinter denen sich beeindruckende Seen aufgestaut haben. Leider bekommen wir aber keinen der Bauherren der Dämme zu Gesicht.


Biberdamm entlang des Trails zur Laguna Esmeralda.

Weiter geht es in einen Wald, hier führt der Weg ein kurzes Stück relativ steil bergauf, ehe wir eine zweite Moorfläche erreichen. Es sind relativ viele Vögel unterwegs, vor allem die frech vor uns rumhüpfenden Magellanämmerlinge sind sehr auffällig.


Ein Magellanämmerling.

Ein letztes Stück führt der Weg auf eine Felsbarriere hinauf und dann sind wir an der Laguna Esmeralda angelangt. Dabei handelt es sich um einen wunderschönen See, eingerahmt von schneebedeckten Bergen. Direkt hinter dem See hängt ein Gletscher, der Glaciar Ojo del Albino. Das Wasser der Laguna Esmeralda ist schön grün gefärbt und steht damit in deutlichen Gegensatz zu den vielen türkisgefärbten Gletscherseen, die wir im Verlauf unserer Reise gesehen haben. Leider ist das Wetter immer noch nicht wirklich gut, so dass wir auf die Möglichkeit verzichten, denn See zu umrunden um noch ein Stück in Richtung des Gletschers zu marschieren. Wir genießen ausgiebig die Stimmung und brechen dann wieder auf.


Die Laguna Esmeralda.

Der Rückweg zur Hundeschule gestaltet sich etwas abenteuerlicher als der Hinweg: Der Mensch, der uns die Karte in die Hand gedrückt hat, hat uns erklärt, dass wir zurück auch etwas abseits des Weges laufen könnten, wenn wir uns nur am Fluss orientieren und diesen niemals überqueren. Das klappt zunächst auch ganz gut aber dann finden wir uns in einem ziemlich weglosen Waldstück wieder.


Rückweg von der Laguna Esmeralda über Peat Bogs.

Da die grobe Richtung klar ist und die verschiedenen hier fließenden Flüsse und Bäche das Gebiet gut eingrenzen, stapfen wir querfeldein durch die Wildnis ehe wir nach einiger Zeit wieder auf einen Weg und etwas später sogar auf große Holzstangen stoßen. Diese markieren im Winter die Strecke, auf der die Hundeschlitten unterwegs sind. Irgendwann kommen wir auf dieser Strecke zu unserem Hinweg zur Laguna und folgen diesem das letzte Stück zum Parkplatz. Die Schlittenhunde sind nun auch etwas wacher - einige von ihnen beobachten uns jedenfalls aufmerksam mit großen hellblauen Augen.


Ein Husky im Valle des Lobos.

Wir brechen auf und fahren die schon bekannte Strecke wieder zurück: Durch das Valle Tierra Mayor, über den Paso Garibaldi, vorbei an der Hosteria Kaiken am Lago Fagnano - wo wir vor drei Tagen übernachtet haben - an Tolhuin und an Rio Grande.


Sägewerk am Lago Escondido.


Ruta 3 in Feuerland kurz vor Rio Grande.

Die Landschaft ändert sich wieder von Wald zu Steppe. Am argentinischen Grenzposten stellen wir unseren Pick Up auf dem letzten Stück Asphalt für die kommenden paar hundert Kilometer hinter einem LKW ab und erledigen in der Grenzstation die fälligen Formalitäten. Es ist sehr viel los - direkt vor uns ist ein Reisebus aus Chile eingetroffen und dessen Insassen wollen natürlich auch alle durch die Immigration. Letztendlich kommen wir doch überraschend schnell dran und können uns den letzten von vielen Argentinienstempeln in unsere Pässe hauen lassen. Dann geht es ein paar Meter weiter zum Zoll. Der Beamte, der hier Dienst hat ist irgendwie auf Valium: Er schaut sich minutenlang unsere Dokumente an, schaut zwischendrin auch mal aufmerksam bei den Dingen zu, die am Nachbarschalter getrieben werden, nippt dann langsam an einer Tasse Kaffee und schaut sich dann wieder unsere Dokumente an. Schließlich haut er mit viel Rumms den benötigten Stempel auf das Dokument welches die Ein- und Ausreise unseres Autos dokumentiert. Fertig. Die chilenische Grenzstation ist ja etwa 15 Kilometer Schotterpiste entfernt. Auf dieser Strecke entdecken wir zunächst neben der Straße zahlreiche Schafe mit sehr jungen Lämmern. An einer Stelle kommen wir sogar an einer Art Schafskindergarten vorbei - hier kommt eine ganze Gruppe von Lämmern angaloppiert und läuft eine Weile neben uns her. Süß.


Schafskindergarten zwischen den Grenzstationen von Argentinien und Chile.

Direkt vor der chilenischen Grenze entdecken wir mit Schrecken aber neben den Schafen aber auch noch etwas anderes und zwar einen kleinen Krater und einen mehrere Zentimeter langen Riss am Rand unserer Windschutzscheibe. Dieser Schaden war auf der Fahrt in Argentinien definitiv noch nicht da und wir haben seitdem keinen Einschlag mitbekommen. Hat eventuell der LKW, hinter dem wir an der Grenzstation unser Auto abgestellt haben, beim Anfahren ein Steinchen hochgewirbelt und auf unsere Scheibe geschmissen? Herausfinden werden wir das nie und ein gewisses Mysterium bleibt. Die ganze Geschichte ist so oder so saublöd, nach so langer Strecke über Gravel ohne Schäden und in Anbetracht dessen, dass laut unserem Mietvertrag Glasschäden voll auf uns gehen. Und so ein sich vom Rand der Scheibe in deren Mitte ziehender Riss kann definitiv nicht geklebt werden.

Die Einreise nach Chile erfolgt problemlos und schnell. Um nicht die komplette Strecke zwischen Ushuaia und Punta Arenas doppelt fahren zu müssen, haben wir uns entschieden, einen Abstecher über die Ortschaft Porvenir zu machen, der größten chilenischen Ansiedlung auf Feuerland. Diese Ortschaft liegt an der Westküste der Insel. Die Strecke dorthin führt am Meer entlang und es soll viele Tiere geben. Zunächst fahren wir 44 Kilometer auf gutem Gravel mehr oder weniger schnurgerade nach Westen durch die Steppe. Dann kommen wir an eine große Kreuzung mitten im Nichts. Eigentlich müssten wir hier geradeaus weiter fahren, wir folgen aber ein paar Kilometer der Strecke nach Süden, um uns die Überreste der alten Estancia Caleta Josefina anzuschauen. Diese Estancia wurde 1893 gegründet und war eine der erfolgreichsten Estancias auf Feuerland. Heute ist hier nichts mehr los und außer dem kleinen Krankenhaus der Estancia und einer riesigen Lagerhalle stehen auch keine Gebäude mehr. Ein wenig weiter südlich befindet sich nicht weit von der Straße entfernt der Friedhof der Estancia. Dieser sogenannte englische Friedhof wurde 1976 zum Nationalmonument erklärt. Wir schauen uns den Friedhof und die alten Gebäude ausführlich an, fahren zurück zu der großen Kreuzung und nehmen dort die nach Westen führende Y-71.


Englischer Friedhof der Estancia Caleta Josefina.


Unterwegs auf der Y-71 entlang der Bahia Inutil Richtung Porvenir.

Auf dieser erreichen wir recht bald das Meer bzw. die große Bahia Inutil. Die Landschaft ändert sich von grasbewachsener Steppe zu Buschland. Wir sehen jede Menge Schafe und Pferde. Die Begegnungen mit Wildtieren beschränken sich dagegen auf Guanacos und viele Wasservögel. Wir überholen einen PKW mit einem Nummernschild aus New Jersey. Auch wenn der Fahrer sein Gefährt ganz bestimmt nicht die komplette Strecke hergefahren hat - schließlich besitzt die Panamericana zwischen Panama und Kolumbien in den Darien-Sümpfen eine große Lücke, finden wir diese Begegnung trotzdem cool. Unsere Begegnungen mit nicht aus Chile und Argentinien stammenden Nummernschildern beschränkten sich bisher auf Expeditionsmobile aus Deutschland, den Niederlanden, Frankreich und Großbritannien.


Ein Guanaco.

Weiter im Westen kommen wir an armseligen Wellblechhütten mitten am Meer vorbei. Wir hoffen, dass es sich dabei nicht um dauerhafte Wohngebäude handelt, sondern nur um temporäre Unterstände für die hiesigen Fischer. Ein paar Kilometer später - insgesamt 144 Kilometer hinter der chilenischen Grenzstation - erreichen wir schließlich Porvenir. Diese Ortschaft wurde 1894 gegründet und blühte in Folge eines Goldrauschs schnell auf. Ein großer Teil der zu dieser Zeit nach Porvenir gekommenen Einwanderer stammte aus Kroatien, was auch heute noch an den Straßennamen und den Namen der Hotels und Restaurants deutlich wird. Nach dem Goldrausch ging es mit Porvenir bergab und nach der Beschreibung, die wir in dem Buch von Klaus Bednarz gelesen haben, erwarten wir eine äußerst ärmliche und heruntergekommene Ortschaft. Wir sind positiv überrascht, als wir ein hübsches Städtchen mit bunten Häusern und netten Einwohnern finden. Sicherlich gibt es einige ärmlich wirkende Gebäude, aber die gibt es in jeder Ortschaft hier. Unser Hotel ist schnell gefunden und nach einem leckeren Abendessen geht es ins Bett.


Porvenir.

Übermorgen geht es weiter...

Schöne Grüße,
Dirk

wuender

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Re: Bis-ans-Ende-der-Welt-Tour 2011: Vier Wochen durch Patagonien
« Antwort #198 am: 28.11.2012, 07:41 Uhr »
Guten Morgen allerseits,

Heute verlassen wir Feuerland wieder und besuchen auf dem Fastland noch einen kleinen Nationalpark, der sich als absoluter Geheimtipp entpuppen wird. Dann geht es zurück nach Punta Arenas, wo wir ja schon vor fünf Tagen einen kurzen Halt eingelegt haben.

23.11.2011: Porvenir - Punta Arenas
Wir schlafen gemütlich aus und frühstücken. Dann wollen wir unser Gepäck in das Auto einladen und bekommen einen Schreck: Nach der beschädigten Windschutzscheibe hat unser Pick Up nun noch ein weiteres Zipperlein dazu bekommen. Der rechte Hinterreifen ist platt. Das ist derjenige Reifen, den wir schon in El Chalten haben reparieren lassen und dessen Profil stellenweise auch nicht mehr allzu gut ausschaut. Was tun? Nachdem wir heute keine allzu lange Etappe vor uns haben entscheiden wir, nach Möglichkeit den Reifen noch vor Ort reparieren zu lassen. Katharina geht zurück ins Hotel und fragt, ob es hier eine Gomeria - eine Reifenreparaturwerkstatt - gibt. Die Frau an der Rezeption hat keine Ahnung und holt die Putzfrau zu Hilfe. Diese weiß auch nicht weiter und letztendlich wird ein zufällig anwesender anderer Gast gefragt. Dieser weiß Bescheid und bietet auch gleich an, uns zur Gomeria zu fahren. Eigentlich wollten wir ja nur den Weg wissen - wir haben ja zwei Reservereifen dabei und hätten auch selber fahren können - aber wir wehren uns nicht dagegen. Also wird der Reifen abgebaut, Katharina bleibt mit dem Gepäck am Hotel und Dirk fährt mit unserem Helfer zur Gomeria. Diese hat laut dem dort hängenden Schild offiziell noch geschlossen. Egal - scheinbar kennt man sich, denn einen langen Druck auf die Klingel und ein paar erklärende Worte später wird extra für uns geöffnet. Der Reifen wird abgegeben und begutachtet. Die Reparatur soll 45 Minuten dauern. Dirk wird wieder zum Hotel zurückgebracht. Eigentlich wollen wir nun einen Reservereifen montieren und selber zur Gomeria fahren, um dort auf die Reparatur des lecken Reifens zu warten. Doch der andere Gast wartet mit uns und holt gemeinsam mit uns den reparierten Reifen auch wieder ab. Unser herzliches Dankeschön für die Hilfe nimmt er an, den Pesos-Schein den wir ihm als Vergütung für Zeit und Benzin zustecken wollen lehnt er allerdings vehement ab. Eine Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft - das ist der Wahnsinn. Ein kleiner Wermutstropfen bleibt jedoch, und zwar bezieht sich dieser auf unsere Spanischkenntnisse: Diese haben zwar ausgereicht, um bisher halbwegs unfallfrei durch die Reise zu kommen und alle nötigen Gespräche irgendwie hinzubekommen. Heute müssen wir aber zum wiederholten Male feststellen, dass es für einen ungezwungenen Smalltalk leider eben doch nicht reicht - das ist ein großer Unterschied zu unseren bisherigen Reisen nach USA und Australien. Wir nehmen uns fest vor, vor einer möglichen weiteren Reise nach Südamerika intensiver Spanisch zu pauken und brechen auf.


Unterwegs in Porvenir.

Zunächst schauen wir uns kurz Porvenir an. Besonders interessant finden wir die zahlreichen an der Hafenmole aufgestellten Kunstwerke, Statuen und Denkmäler, die neben wichtigen Personen der chilenischen Geschichte auch diverse Gegenstände wie Weltkugeln oder Anker zeigen. Auch ein aus Holz geschnitzter Ureinwohner der Gegend steht hier herum. Ehe wir nach Norden aufbrechen, fahren wir noch zum Fährhafen von Porvenir. Hier fährt einmal pro Tag eine Fähre nach Punta Arenas und wieder zurück.


Statue eines Selknam-Indianers in Porvenir.

Hinter dem Hafen folgen wir ein Stück einer fast direkt am Ufer verlaufenden Schotterstraße bis zur Stelle, an der die große Bahia Inutil in die Magellanstraße mündet. Hier befindet sich ein Aussichtspunkt auf die Magellanstraße und ein großes weißes Stahlkreuz. Der Himmel ist wieder fast vollständig mit Wolken bedeckt. Wir bleiben nicht sehr lange, denn schließlich werden wir die Magellanstraße ja heute hoffentlich heute noch ein weiters Mal aus der Nähe, und zwar von einer Fähre aus, sehen. Also zurück nach Porvenir und dort auf die Y-65 Richtung Norden und der Laguna Cisnes abgebogen. Die Laguna Cisnes ist ein großes Naturschutzgebiet nördlich der Stadt. Hier gibt es kaum Vegetation aber jede Menge Wasservögel wie Flamingos und diverse Arten von Schwänen, Enten und Gänsen. Obwohl die Straße in einem gewissen Abstand zum See verläuft, sehen wir immerhin viele Gänse und auch Ibisse. Zudem überquert vor uns ein patagtonischer Fuchs die Straße und verschwindet im Buschwerk. Die Straße ist ein gutes Stück asphaltiert und selbst der folgende Gravel ist sehr gut zu fahren.


Ein patagonischer Fuchs etwas nördlich von Porvenir.

Wir fahren durch fast vollkommen flache Steppe mit einem endlos entfernt scheinenden Horizont. Die Straße verläuft schnurgerade und da kein einziges Auto entgegen kommt oder überholt macht das Fahren richtig Spaß. Nach einigen zig Kilometern endet der Gravel und wir kommen wieder auf die große Ruta 257, die uns zur Fährstation bei Puerto Espora führt - hier sind wir vor vier Tagen auf unserer Etappe nach Tolhuin mit südlicher Fahrtrichtung vorbei gekommen. Am Fähranleger ist heute deutlich mehr los als damals, dennoch kommen wir problemlos auf die nächste Fähre und auch das Beladen der Fähre geht recht flott von sich.


Unterwegs in Feuerland auf der Y-65 Richtung Norden.

Während der Fährfahrt über die Magellanstraße stehen wir wieder auf Deck und beobachten, wie die Küste von Feuerland langsam hinter uns verschwindet und gleichzeitig das Festland immer näher kommt. Im Wasser können wir auch dieses Mal wieder einen Delfin und einen Pinguin erspähen. Wieder auf dem Festland angekommen könnten wir nun direkt nach Punta Arenas zurück fahren - das wäre aber irgendwie witzlos, denn dann hätten wir stattdessen auch die Fähre direkt von Porvenir aus nach Punta Arenas nehmen können. Wir haben uns aber für diesen Urlaub noch einen letzten Nationalparkbesuch inklusive Wanderungen rausgesucht. Und zwar wollen wir zum fast direkt an der Grenze nach Argentinien gelegenen Parque Nacional Pali Aike.


Begegnung zweier Fähren auf der Magellanstraße.

Wir folgen zunächst für 14 Kilometer der Ruta 257, bis wir wieder auf die Ruta 255 treffen, der großen Verbindungsstraße von Punta Arenas Richtung dem in Argentinien gelegenen Rio Gallegos. Dieser Straße folgen wir ein paar Kilometer nach Osten und biegen dann bei der Ortschaft Punta Delgada nach Norden auf eine kleine Gravelroad ab. Der Nationalpark liegt 28 Kilometer nördlich und diese sehr rumpeligen 28 Kilometer haben es in sich - vor allem, wenn man sie mit einem Riss in der Windschutzscheibe fährt. Es lohnt sich aber, alleine auf der Fahrt zum Parque Nacional Pali Aike sehen wir jede Menge Guanacos, Nandus und einen patagonischen Fuchs.


Ein Nandu im Parqua Nacional Pali Aike.

Am Eingangshäuschen zum Park, mitten im Nichts gelegen, bezahlen wir den Eintritt und bekommen eine Parkkarte. Der Nationalpark schützt unter anderem eine Lavahöhle, in der die mit 11000 Jahren ältesten Spuren menschlicher Besiedlung in der weiteren Umgebung gefunden wurden und zudem Reste eines Mylodons. Dann gibt es große Lavafelder mit interessanten Lavaformationen, mehreren großen Vulkankegeln und Kratern. Und als drittes die Laguna Ana, einen See, an dem sich sehr viele Vögel befinden. Wir wollen uns nach Möglichkeit alle drei Punkte anschauen und fahren zunächst zum Trailhead der Wanderung, die zu den Kratern Morada del Diablo und Pozos del Diablo führt. Diese Wanderung führt über weite Strecken durch bzw. über das Escorial del Diablo, das sich hier ausdehnende weite Lavafeld. Im Verlauf des Weges bieten sich sehr interessante Blicke auf die Struktur der Lava. Diese ist relativ porös, was darauf schließen lässt, dass der Vulkan beim Ausbruch auch viele Gase ausgestoßen hat. Wir sehen an bzw. in aufgebrochenen Lavabrocken filigrane Strukturen, die an die Boxwork-Strukturen erinnern, die wir in den USA zum einen im Wind Cave National Park und zum anderen an der Wave gesehen haben. Zum anderen haben sich in der Lava viele Blasen und Tunnel gebildet. Der Hohlraum dieser Blasen ist typischerweise etwa einen halben Meter hoch, die Wanddicke 15 Zentimeter. Teilweise sind diese Blasen durch den Einfluss der Erosion geöffnet worden, was sehr interessante Einblicke ermöglicht. Nach etwa eineinhalb Kilometern erreichen wir den Morada del Diablo, einen interessanten Vulkankrater. Das letzte Stück Anmarsch ist sehr lustig, denn es führt durch eine surreale Landschaft von phantastisch geformten Lavatürmen, Felsen und Strukturen.


Morada del Diablo im Parqua Nacional Pali Aike.

Der Pozos del Diablo, noch etwa zwei Kilometer weiter besteht aus zwei separaten Kratern: Der erste ist ein "echter" Vulkankrater und etwas neuer als der zweite. Am Rand des tiefen Kraters befindet sich ein Aussichtspunkt. Die steil abfallenden Innenwände bestehen aus sehr losem Geröll. Das Ganze erinnert ein wenig an den Cinder Cone im Lassen Volcanic National Park und wir sind froh, hier nicht aus dem Kraterinneren rausmarschieren zu müssen. Das sieht aber scheinbar nicht jeder so: Wir beobachten zwei Hasen, die sich in wilder Jagd quer über die Kraterwände hetzen, dabei immer wieder fast auf dem losen Geröll ausrutschen und in die Tiefe purzeln.


Weg über das Escorial del Diablo zum Pozos del Diablo.


Maar des Pozos del Diablo.

Der zweite Krater, etwas nördlich des ersten gelegen, ist riesig. In Wirklichkeit handelt es sich auch nicht um einen Vulkankrater, sondern um ein Maar, also eine Stelle, an der eine unterirdische Lavablase eingesackt ist. Die Seitenwände sind mit Gras bedeckt, so dass das ganze ein wenig wie eine große Vertiefung in der umgebenden Steppenlandschaft wirkt. Wir laufen zurück zum Auto und fahren zur Cueva Pali Aike, der Höhle, an der die Spuren historischer Besiedlung durch Tehuelche-Indianer gefunden wurden. Hier gibt es einen kurzen Rundweg entlang einer senkrechten Lavawand, an dessen Ende sich die etwas unspektakuläre Höhle befindet. Da sich das Ganze etwas erhöht auf einem Hügel befindet, bieten sich vom Trail aus an der einen oder anderen Stelle schöne Blicke auf die endlose Weite der Steppe und die darauf grasenden Guanacoherden.


Einblütige Pantoffelblume.


Lavawand an der Cueva Pali Aike.

Wir wollen uns zum Abschluss noch die Laguna Ana anschauen und fahren daher zurück zum Parkeingang. Dort biegen wir nach Norden ab und folgen ein paar Kilometer einer rumpeligen Gravelroad zu dem See. Gerade die letzten paar hundert Meter zu einem Viewpoint auf dem See haben es in sich. Die Wanderung, die vom Aussichtspunkt zum etwas unterhalb gelegenen See führt müssen wir uns leider sparen, da es genau in diesem Moment recht heftig zu regnen anfängt. Also kurz aussteigen, ein Foto machen, einsteigen und wieder losfahren. So stellen wir uns den Besuch von Nationalparks eigentlich nicht vor. Zu allem Überfluss erweist es sich als keine glückliche Idee, aufgrund der recht kühlen Temperaturen die Heizung und das Gebläse des Autos zu aktivieren. Die Kombination aus heißer Luft im Wageninneren und kaltem Regen draußen führt zu Spannungen in der Windschutzscheibe und wir können sehen, wie der Riss in der Windschutzscheibe binnen ein paar Sekunden um mehrere Zentimeter wächst. Wir schalten die Heizung wieder aus und glücklicherweise  behält der Riss seine aktuelle Größe. Im Verlauf der nun insgesamt 32 Kilometer langen Fahrt auf Ripio zurück zur 255 wird der Riss von uns argwöhnisch im Auge behalten. Während der Fahrt kommen wir neben zahlreichen anderen Tierbeobachtungen noch an einer kleineren Guancaoherde vorbei, die ein sehr kleines und süßes Jungtier dabei haben. Leider kennen wir uns mit Guanacos nicht gut genug aus um abschätzen zu können wie alt dieses Tier wohl sein wird.


Guanacoherde mit Jungtier.

Die letzten rund 160 Kilometer nach Punta Arenas verlaufen problemlos. Unser Auto, das uns in den letzten Tagen doch mehr kleinere Probleme gemacht hat als erwartet und erhofft, ist wieder brav. Wir checken in denselben Hotel ein, in dem, wir schon vor fünf Tagen waren. Abendessen gibt es wieder in einem Restaurant in der Innenstadt von Punta Arenas.

Übermorgen geht es weiter...

Schöne Grüße,
Dirk

Saguaro

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Re: Bis-ans-Ende-der-Welt-Tour 2011: Vier Wochen durch Patagonien
« Antwort #199 am: 28.11.2012, 08:23 Uhr »
Nun bin ich auch endlich wieder uptodate  :groove:. Die Landschaft ist so toll - ich frage mich gerade, wie schön die erst bei  :sun: aussieht.

LG,

Ilona
Liebe Grüße

Ilona

"Man muss viel laufen. Da man, was man nicht mit dem Kleingeld von Schritten bezahlt hat, nicht gesehen hat." (Erich Kästner)


wuender

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Re: Bis-ans-Ende-der-Welt-Tour 2011: Vier Wochen durch Patagonien
« Antwort #200 am: 28.11.2012, 20:05 Uhr »
Die Landschaft ist so toll - ich frage mich gerade, wie schön die erst bei  :sun: aussieht.

Tja, genau diese Frage haben wir uns auch die ganze Zeit gestellt :wink:

Dass das Wetter dort unten enorm wechselhaft ist, ist ja klar. Und wir sind im Nachhinein auch froh, dass wir die fünf Tage Wolkenwetter auf Feuerland und nicht in den Torres del Paine oder im Parque Nacional Los Glaciares hatten. Andererseits wären ein paar mehr Wolkenlücken schon ganz nett gewesen...

Ich bin sehr gespannt, wie es den anderen aktuellen Patagonien-Reisenden aus diesem Forum ergeht: Danilo und Anja müssten ja inzwischen schon wieder zurück sein und Sandra bricht recht bald auf.

Schöne Grüße,
Dirk

unterwegsontour

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Re: Bis-ans-Ende-der-Welt-Tour 2011: Vier Wochen durch Patagonien
« Antwort #201 am: 29.11.2012, 10:14 Uhr »

Wetter kann man sich nie aussuchen und ich bin immer froh - egal wo ich bin - wenn es einigermaßen klappt. Aber je nach Reiseland/-Zeit muss man halt mit dem jeweiligem Wetter sich zurechtkommen, teilweise kann man ja schon mit schlechtem Wetter rechnen.  Ich finde es liegt auch viel an der Einstellung, ich bin jemand der hinterher gerne die Schlecht-Wetter-Stunden vergißt ... bin oft erstaunt wieviele Wolken, dunkler Himmer dann hinterher auf den Fotos zu sehen ist  :grins:

Hatte auf einer Tour mal jemand dabei, der ganz erstaunt war, das es im REGENwald soviel regnet!   :lachroll:



"The sky above, the earth below and dreams dance in your head."

wuender

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Re: Bis-ans-Ende-der-Welt-Tour 2011: Vier Wochen durch Patagonien
« Antwort #202 am: 29.11.2012, 11:24 Uhr »
Hatte auf einer Tour mal jemand dabei, der ganz erstaunt war, das es im REGENwald soviel regnet!   :lachroll:

:dance: Das erinnert mich irgendwie an unseren Besuch im Olympic NP vor vier Jahren. Da haben wir uns mit genau diesem Argument ("das hier ist ja ein Regenwald") über das nicht ganz ideale Wetter getröstet.

Und auch im aktuellen Bericht hatten wir ja schon solche Erlebnisse:

Im Prinzip ein großer Spaß. Aber nicht, wenn das Unterholz, durch das man sich schlägt tropfnass ist und man somit eine kostenlose Dusche von oben erhält. Zudem nimmt auch die Stärke des Regens im Laufe der Zeit wieder deutlich zu, so dass auch die Schlammpfützen auf dem Weg deutlich größer und teilweise sogar richtig unangenehm zu überqueren werden. Zum Glück haben wir halbwegs vernünftige Wanderausrüstung dabei. Zum Beispiel die robusten und alpenerprobten Wanderschuhe helfen schon sehr. Leider liegen gerade unsere nun dringend nötigen Regencapes im Auto... Wasser von oben, unten, links und rechts. Das Wort "Regenwald" beinhaltet ja einen Bestandteil, der Wasser von oben nicht unbedingt ausschließt, aber irgendwann wird es unangenehm. Allerdings wollen wir auch nicht aufgeben [...]

Unsere nächste Reise wird uns so oder so (es stehen noch zwei Alternativen zur Wahl) zumindest teilweise in eine Wüste führen - mal schauen, wie das Wetter dort wird...

Schöne Grüße,
Dirk

freddykr

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Re: Bis-ans-Ende-der-Welt-Tour 2011: Vier Wochen durch Patagonien
« Antwort #203 am: 29.11.2012, 18:51 Uhr »
Ich kann schon mal sagen, bis auf einen Schneesturm im Torres del Paine hatten wir meist sonniges Wetter.
Viele Grüße,
Danilo


wuender

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Re: Bis-ans-Ende-der-Welt-Tour 2011: Vier Wochen durch Patagonien
« Antwort #204 am: 29.11.2012, 20:59 Uhr »
Ich kann schon mal sagen, bis auf einen Schneesturm im Torres del Paine hatten wir meist sonniges Wetter.

Glückspilze!

Schöne Grüße,
Dirk

wuender

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Re: Bis-ans-Ende-der-Welt-Tour 2011: Vier Wochen durch Patagonien
« Antwort #205 am: 30.11.2012, 07:39 Uhr »
Guten Morgen allerseits,

heute schauen wir uns ein wenig in Punta Arenas um...

24.11.2011: Punta Arenas
Für unseren letzten vollen Tag in Patagonien hatten wir drei mögliche Programme angedacht: Entweder eine Bootsfahrt zur Isla Magdalena, auf der es eine große Pinguinkolonie gibt. Nach den schönen Erlebnissen bei den Pinguinkolonien am Seño Otway und der Isla Martillo im Beaglekanal streichen wir diese Alternative. Oder wir könnten mit dem Auto die knapp 60 Kilometer Richtung Süden nach Fuerte Bulnes fahren und dort die Rekonstruktion eines 1843 errichteten chilenischen Forts anschauen. Keine zwei Kilometer entfernt von Fuerte Bulnes befinden sich die Überreste von Puerto Hambre, der 1584 angelegten ersten spanischen Siedlung hier in der Gegend. Aufgrund der spärlichen Vegetation fanden die etwa 300 Siedler von Puerto Hambre keine Nahrung und verhungerten. Der Name Puerto Hambre bedeutet auf Deutsch Hungerhafen. Nachdem wir sehr froh sind, das Auto mit einer in einem Stück befindlicher Windschutzscheibe nach Punta Arenas gebracht zu haben, verzichten wir aber auch auf diese Besichtungsmöglichkeit. Stattdessen entscheiden wir uns für eine geruhsame Stadtbesichtigung.

Also schlafen wir für unsere Verhältnisse lange aus und sind tatsächlich einmal die letzten Gäste am Frühstückstisch. Das erste Ziel unserer Besichtigungstour ist der direkt hinter unserem Hotel gelegene Cerro de la Cruz. Hier würde eine der senkrecht zur Uferlinie verlaufenden Straßen zu steil verlaufen, um dort mit den Auto hoch oder runterzufahren. In San Francisco wird an so eine Stelle die Lombard Street hingebaut und es ergibt sich eine Touristenattraktion. In Punta Arenas dagegen unterbricht man den Verlauf der Avenida Fagnano, baut Fußgängertreppen hin und oben, wo es wieder flacher wird, einen Aussichtspunkt. Das ergibt auch eine Touristenattraktion, nämlich einen tollen Aussichtspunkt, von dem aus wir die gesamte Stadt sehen, dahinter die Magellanstraße und - ganz am Horizont - Feuerland. Glücklicherweise herrscht zum ersten Mal seit einigen Tagen wieder etwas besseres Wetter und der Himmel zeigt einige blaue Stellen.


Blick vom Cerro de la Cruz auf Punta Arenas.

Nach unserem Besuch beim Cerro de la Cruz laufen wir ein Stück entlang der Avenida España nach Süden. Bei dieser Straße handelt es sich neben der Avenida Indepencia und der Avenida Colon um eine der drei breiten Prachtstraßen, die das Stadtgebiet von Punta Arenas durchlaufen. Zwischen den beiden Fahrtspuren gibt es einen breiten Grünstreifen mit interessant zurechtgestutzten Bäumen sowie jeder Menge Statuen von uns mehr oder weniger bekannten Menschen. Anhand dieser Statuen können wir feststellen, dass unser Wissensstand über die chilenisch-argentinische Geschichte im Vergleich zu vor vier Wochen merklich angewachsen ist: Einige Menschen sind im Laufe dieser Zeit von der Gruppe der uns weniger bekannten Menschen in diejenige der bekannten gewechselt.


Wandmalerei in Punta Arenas.


Statue von Bernado O'Higgins.

Wir laufen die Avenida España vor bis zur Kreuzung mit der Avenida Indepencia, folgen dieser bis ans Ufer der Magellanstraße und laufen dort etwas weiter nach Süden. Hier ist eine nette Promenade direkt am Wasser angelegt worden. Am Plaza 21 de Mayo finden wir den Hindutempel von Punta Arenas. Ein sehr interessantes Gebäude, bestehend aus einem quaderförmigen Grundkörper mit einer Kuppel obendrauf. An der Kuppel befinden sich indisch angehauchte Ornamente, die zum Beispiel Elefanten darstellen. Das alles ist in einer Art Ockerfarbe angestrichen, aber leider ist der letzte Anstrich auch schon ein wenig her und die Farbe blättert an der einen oder anderen Stelle ziemlich ab.


Hafen von Punta Arenas.

Wir laufen wieder zurück nach Norden, in Richtung Stadtzentrum. Rechts von uns zunächst die Magellanstraße, dann zum Hafen von Punta Arenas gehörende Gebäude wie Verwaltung und Lagerhallen. Auf der Höhe der Kreuzung mit der Avenida Indepencia kommen wir an einen Andenkenladen, etwas weiter befindet sich ein großer Supermarkt. Beide Geschäfte werden besucht und wir decken uns mit Mitbringseln für die daheim gebliebenen Freunde und Verwandten ein. Und auch für uns landet ein Glas Dulce de Leche im Gepäck. Hinter der Kreuzung mit der Avenida Errazuriz kommen wir an eine fast direkt an der Hafenpromenade gelegene Freifläche, die anscheinend vor nicht allzu langer Zeit liebevoll umgestaltet wurde. Im Zentrum steht ein Monument mit dem Stadtwappen von Punta Arenas und darum herum befindet sich ein geometrisches Raster. In dieses Raster eingelassen sind die Namen wichtiger Orte in Chile wie Städte, Seen, Wüsten usw. Den Abschluss bildet ein großes Wasserbecken, welches die Magellanstraße darstellen soll. Wir überqueren die Straße, um zum Ufer der echten Magellanstraße zu gelangen. Von hier aus haben wir wieder einen freien Blick auf das Wasser und auf die alte Hafenmole von Punta Arenas. Nachdem diese nicht mehr benötigt wurde, ließ man sie als Rückzugsgebiet für die heimischen Kormorane stehen. Heute besteht die Mole nur noch aus ein paar aus dem Meer ragenden Holzfragmenten. Darauf befindet sich eine beeindruckende Menge an Kormoranen.


Alte Hafenmole von Punta Arenas.


Unterwegs in Punta Arenas.

Wir laufen am Schifffahrtsmuseum vorbei nach Westen und erreichen nach zwei Straßenblöcken die Plaza de Armas. In fast allen südamerikanischen Städten und Ortschaften ist dieser Platz, der zumeist einen kompletten Block im Straßenraster einnimmt, das absolute Zentrum der Stadt, um das sich die Kirche und die wichtigsten Verwaltungsgebäude gruppieren. In Punta Arenas stehen an der Plaza die Kathedrale, diverse Hotels und Banken und einige sehr repräsentative Bauten, die von den Familien Menendez und Braun errichtet worden sind. Das sind zwei der Familien, die vor mehr als hundert Jahren durch den Handel mit Wolle ein Vermögen anhäufen konnten. Jose Menendez ist uns ja schon vor fünf Tagen begegnet, als wir uns mit der Geschichte der Estancia San Gregorio beschäftigt haben.


Palacio Sara Braun in Punta Arenas.


Repräsentatives Gebäude an der Plaza von Punta Arenas.

Allgemein wirken die Gebäude an der Plaza nicht so, wie man sich naiverweise Gebäude in einer abgelegenen Stadt am Ende der Welt vorstellen würde. Die meisten davon würden in einer der großen Metropolen der Welt auch nicht sonderlich auffallen. Der zentrale Bereich einer Plaza de Armas ist immer als schöner Park gestaltet. Hier in Punta Arenas wird eine von vielen Bäumen bestandene Rasenfläche von einem spinnennetzförmigen Netz von Wegen durchzogen. Die Wege laufen in der Mitte der Plaza zusammen, hier befindet sich eine große Statue von Fernando Magellan. Wir nutzen die schöne Plaza für eine ausgedehnte Pause und setzten dann die Erkundung der Stadt fort.


Plaza des Armas mit der Statue von Fernando Magellan.


Kathedrale von Punta Arenas.

Unser nächstes Ziel ist der große Friedhof der Stadt, etwa acht Straßenblöcke nördlich der Plaza gelegen. Der Friedhof ist von einer hohen Mauer umgeben und er beinhaltet neben jeder Menge Einzelgräber auch beeindruckende Mausoleen der reichen Familien der Stadt. Der Friedhof ist vor allem wegen dieser Mausoleen bekannt, es gibt Stimmen, die ihn als den schönsten Friedhof von Südamerika hinter demjenigen von Buenos Aires bezeichnen. Prominent vertreten sind hier natürlich wieder die Familien Menendez und Braun. Wir schauen uns ausführlich um, auch in den Bereich abseits der Mausoleen: Interessant ist hier zum einen das teilweise sehr hohe Alter der Grabsteine. Und zum anderen fällt auf, wie viele unterschiedliche Nationalitäten bei der Besiedlung von Patagonien beteiligt waren. Am prominentesten sind englischsprachige oder deutsche Grabinschriften. Es gibt auch viele Sammelgräber, zum Beispiel für Marineangehörige oder Feuerwehrmänner. Aber auch für Mitglieder der Deutschen Krankenkasse gibt es ein Grab und eines für die deutschen Marinesoldaten, die 1914 bei der Seeschlacht vor den Falklandinseln starben. Ein deutsches Geschwader hatte damals vor der chilenischen Küste bei Coronel, Luftlinie 1800 Kilometer von Punta Arenas entfernt, eine Schlacht gegen britische Kriegsschiffe überlegen gewonnen, seine Fahrt fortgesetzt und schließlich über die Zwischenstation Punta Arenas den Atlantischen Ozean erreicht. Es war geplant, Port Stanley auf den Falklandinseln anzugreifen, um an die dortigen Kohlevorräte zu gelangen. Dieser Plan scheiterte aufgrund der starken Präsenz britischer Kriegsschiffe in Port Stanley. Es wurden fünf deutsche Schiffe versenkt, wobei 2200 Menschen ums Leben kamen. Einzig der kleine Kreuzer Dresden konnte entkommen, lieferte sich in den patagonischen Fjorden ein monatelanges Versteckspiel mit den Briten und wurde im März 1915 vor der Robinson-Crusoe-Insel von der eigenen Besatzung versenkt.


Mausoleum der Familie Menendez auf dem Friedhof von Punta Arenas.

Um kurz nach drei Uhr verlassen wir den Friedhof wieder und laufen einige hundert Meter zurück in Richtung Stadtzentrum zum Museo Regional Salesiano. Dieses Museum bietet eine umfassende Ausstellung über Flora, Fauna sowie die Geschichte von Patagonien und Feuerland. Wie der Name sagt, wurde das Museum von den Salesianern angelegt, die ja bei der Christianisierung der hiesigen Ureinwohner nicht unbedingt immer eine glorreiche Rolle gespielt haben. Das Museum aber ist sehr interessant, vor allem weil hier sehr alte Bereiche in ihrer ursprünglichen Anordnung und ziemlich aktuelle und pädagogisch gut gestaltete Bereiche direkt aufeinander folgen. Gleich im Erdgeschoss befindet sich der älteste Teil des Museums, ein wildes Gemisch aus ausgestopften Tieren, Knochen, Informationen über Magellan und einer nachgebauten Höhle mit prähistorischen Handabdrücken. In den weiteren Stockwerken - insgesamt gibt es vier davon - erfahren wir (wie auch schon in den beiden Museen, die wir in Ushuaia besucht haben) viel über das Schicksal der Ureinwohner. Das allgemeine Schicksal der Eingeborenen und ihre fast vollständige Ausrottung wird dabei durchaus differenziert dargestellt - der Versuch, den Indianern den christlichen Glauben und die Lebensweise der Weißen aufzuzwingen wird dagegen eher neutral und unkritisch bewertet. Dennoch ein sehr lehrreiches und interessantes Museum, welches wir erst kurz vor der Schließung um 17:30 Uhr wieder verlassen.


Das Haus von Charley Milward - interessant für jeden Leser von Bruce Chatwin.

Wir laufen heim zu unserem Hotel und beginnen, unser Auto aufzuräumen und Koffer zu packen. Zum Abendessen geht es wieder in die Stadt, wo wir uns ein sehr gemütliches und uriges Lokal aussuchen. Mit einem leckeren Steak bzw. einem mit Centolla gefüllten Pfannkuchen, kombiniert mit einem guten Weißwein, läuten wir das Ende dieses sehr schönen Aufenthalts in Patagonien und Feuerland ein, denn morgen geht es leider schon wieder zurück nach Europa.

Übermorgen geht es weiter...

Schöne Grüße,
Dirk

Saguaro

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Re: Bis-ans-Ende-der-Welt-Tour 2011: Vier Wochen durch Patagonien
« Antwort #206 am: 30.11.2012, 14:27 Uhr »
Ich bin ein bekennender Geschichtsmuffel  :oops: (du weiß schon, Columbus und so ...  :socool:). Deshalb habe ich von Punta Arenas nur die Bilder angeschaut  :zwinker: . So fiel mir auf, dass der Himmel immer mehr seine blaue Farbe zeigte. Das hätte er die ganze Zeit schon machen sollen  :sprachlos:.

Leider wird man dort auch nicht in eine "Lombard Street" investieren, denn wer will schon kopieren  :zwinker:.

LG,

Ilona
Liebe Grüße

Ilona

"Man muss viel laufen. Da man, was man nicht mit dem Kleingeld von Schritten bezahlt hat, nicht gesehen hat." (Erich Kästner)


Sandra33

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Re: Bis-ans-Ende-der-Welt-Tour 2011: Vier Wochen durch Patagonien
« Antwort #207 am: 30.11.2012, 16:12 Uhr »
Zwei Fragen hätte ich zu Ushuaia: In welchem Hotel seid Ihr gewesen und würdest Du die Bootsfahrt weiterempfehlen? Bei wem habt ihr gebucht? Die Bilder sahen sehr schön aus.

Wir waren in der Hosteria Les Eclaireurs. Recht günstig und bei TripAdvisor sehr gut bewertet. Dafür ein klein wenig ab vom Schuss (und wir waren uns bis zum Ende unseres Aufenthalts nicht sicher, wie die Umgebung des Hotels einzuordnen ist). Die etwas abgelege Lage ist nicht weiter schlimm, denn mit dem Auto ist man in fünf Minuten in der Innenstadt und am Hafen gibt es ausreichend kostenlose Parkplätze. Trotzdem würde ich - sollte ich nochmal dort hinkommen - versuchen, ein Hotel in Laufnähe von Hafen bzw. der Avenida San Martin zu bekommen.

Die Bootsfahrt war super und ich kann sie nur weiterempfehlen. Falls Ihr die Rückfahrt mit dem Bus nehmt, könnt Ihr mit der Estancia Haberton auch noch eine der Top-Sehenswürdigkeiten des südlichen Feuerland anschauen.

Es gibt am touristischen Teil des Hafens eine Ansammlung von Buden verschiedenen Anbieter, die allesamt Touren auf dem Beaglekanal vermitteln. Dort würde ich in aller Ruhe einen Tag vor der Fahrt die Tickets kaufen. Letztendlich durchgeführt werden diese Touren dann wohl übrigens von nur einer (oder maximal zwei) Reedereien (so war zumindest unser Eindruck) - man kann also nicht allzuviel falsch machen.

Ich habe zur Verdeutlichung hier mal in Google maps direkt auf die Buden gezoomt (die graubraunen Punkte direkt in der Mitte, links unterhalb dem Label "Canoero Catamaranes" und rechts oberhalb des einen Hauses mit blauem Dach.) Direkt bei "Canoero Catamaranes" steht übrigens das bekannte "Fin del Mundo"-Schild und rechts oberhalb davon sieht man den großen Parkplatz auf dem wir immer unser Auto gelassen haben.

Morgen geht es weiter im Bericht...

Schöne Grüße,
Dirk

Danke Dirk!
Das mit den Parkplätzen am Hafen war auch noch eine wertvolle Info für mich, da wir eine Nacht bereits an Bord im Hafen übernachten und das Auto noch behalten.

wuender

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Re: Bis-ans-Ende-der-Welt-Tour 2011: Vier Wochen durch Patagonien
« Antwort #208 am: 01.12.2012, 08:48 Uhr »
(du weiß schon, Columbus und so ...  :socool:).

Hm - mal nachdenken. Columbus ist doch der Mensch, ohne den es dieses Forum nicht geben würde - oder? :rollen:

Der schöne blaue Himmel war am kommenden Tag übrigens schon wieder weg - aber dazu kommen wir morgen im Bericht 8)

Das mit den Parkplätzen am Hafen war auch noch eine wertvolle Info für mich, da wir eine Nacht bereits an Bord im Hafen übernachten und das Auto noch behalten.

Dann kann ja wirklich nichts mehr schiefgehen.

Wieviel Zeit hast Du eigentlich für Südpatagonien und Feuerland eingeplant? Ich erinnere mich nur daran, dass Deine Reise all die Dinge nachholen soll, die beim letzten Mal ausgefallen sind: Die Kreuzfahrt sowieso aber später dann auch der Torres del Paine wegen den Streiks bzw. Grenzblockaden (ich möchte gar nicht darüber nachdenken, was die Folge gewesen wäre, wenn im Verlauf unserer Reise irgendjemand eine der argentinisch-chilenischen Grenzstationen mitten im Nichts dicht gemacht hätte).

Schöne Grüße,
Dirk

Sandra33

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Re: Bis-ans-Ende-der-Welt-Tour 2011: Vier Wochen durch Patagonien
« Antwort #209 am: 01.12.2012, 17:35 Uhr »
"(ich möchte gar nicht darüber nachdenken, was die Folge gewesen wäre, wenn im Verlauf unserer Reise irgendjemand eine der argentinisch-chilenischen Grenzstationen mitten im Nichts dicht gemacht hätte)."

Dann wäre wohl Umplanen angesagt gewesen  8) Aber Ihr hattet ja mit dem Vulkan auch so Eure speziellen Erlebnisse...
Wir sind zuerst eine Woche im TdP, dann 3 Tage in Ushuaia und dann mit dem Schiff zwei Tage Falklands und 5 Tage Antarktis plus einige Seetage... noch 5einhalb Wochen  :D

LG Sandra