Dienstag, 20. 9. 2005: Auch Handys können pünktlich sein
Es läutet um 7:30 Uhr. Dass das nicht nötig gewesen wäre, zeigt sich 3 Minuten später. Vor unserer Schlafzimmertür, die direkt auf die Straße geht, beginnt ein Höllenlärm. Mit ist sofort klar, was das bedeutet - die Straßenarbeiter beginnen genau vor unserer Finca mit den Pflasterarbeiten und noch genauer exakt vor unserem Schlafzimmer, dessen Tür zur Straße so "antik" ist, dass man durch Ritzen den Arbeitern bei ihrer Tätigkeit zusehen kann. Ein wildes Herumgeschreie von etlichen Männern, anscheinend gibt es Differenzen, möglicherweise ist das aber auch alles ganz normal und sie unterhalten sich nur über Fußball
Mich interessiert der Inhalt der Gespräche nicht, ich erhebe mich aus dem Bett.
Gerade in diesem Moment höre ich ein lautes Donnern, als sei etwas gegen unsere Hauswand geworfen worden. Achja, das sind ja die Steine, die sie für die Pflasterungen brauchen
Na super
Ich gehe halb verschlafen ins Bad und dann hinunter, um unser Frühstück zu richten. Kurz darauf erscheint Michi mit den Worten "das hat ja wirklich keinen Sinn". Damit meint er wohl den Versuch, weiter zu schlafen.
Trotz allem frühstücken wir gemütlich, beratschlagen, was wir unternehmen könnten.
Ich beschließe, als Erstes mal hinaus zu gehen und das Ganze fotografisch festzuhalten. Das kann nie schaden. Als Zweites gehe ich, bewaffnet mit dem Camcorder ins Schlafzimmer und nehme die enorme Lautstärke der Bauarbeiten auf Band. Wegwerfen kann ich das immer noch.
Michi ruft A. an, allerdings arbeitet sie offensichtlich als Kinderkranken- oder Säuglingsschwester im Krankenhaus in Las Palmas und kann logischerweise nicht weg. Sie verspricht, S. bzw. ihren Mann zu kontaktieren, die beiden sollen sich die Lage vor Ort ansehen.
Ok, das Mindeste wäre erledigt, wir packen unsere sieben Zwetschken und verlassen die Finca.
Michis heutiger Vorschlag ist, in Maspalomas ein wenig herumzuschlendern und dann über meine heißgeliebte GC 105 Richtung Norden zu fahren.
Daher fahren wir über Fataga nach Masmalomas, stellen unseren Jeep vor dem "Shopping Center Tropical" ab und ziehen Richtung Strand. Warum, weiß ich nicht, denn ein Strand zieht uns beide nicht an. Zu diesem Zeitpunkt ist es 12:45 Uhr.
im Hintergrund die Dünen von Maspalomas
Kaum sind wir am Strand, spricht uns ein mitteljunger Mann an, er möchte uns Rubbellose überreichen. Ich lehne gleich mal ab, Michi hat es nicht ganz so leicht, nimmt ein Los entgegen, mir wird auch nochmal eines hingehalten. Also gut, meinen Segen hat der Mann, ich nehme auch ein Rubbellos, irgendwo wird schon ein Papierkorb zu finden sein.
Der Mann erklärt uns, worum es geht, nämlich darum, drei Felder aufzurubbeln.
Dahinter verbirgt sich entweder ein "1-Euro-Stern", ein "2-Euro-Stern" oder ein "3-Euro-Stern".
Ich habe einen "1-Euro-Stern" und Michi hat ------- einen ------- "3-Euro-Stern" Noch haben wir nicht die geringste Ahnung, was das bedeutet, bekommen es aber rasch erklärt.
Der "1-Euro-Stern" bedeutet, man bekommt in der Sonnenland-Tourismuszentrale ein T-Shirt (sicherlich mit dem entsprechenden Aufdruck), den "Gewinn vom "2-Euro-Stern" weiß ich nicht mehr und der "3-Euro-Stern" bedeutet den Hauptgewinn. Dieser wird in 3 Kategorien unterteilt:
1. Man bekommt 601 Euro in bar ausbezahlt,
2. man bekommt 1 Woche Gran Canaria oder Teneriffa (Unterkunft) bezahlt, Hotel nach eigener Wahl,
3. man bekommt einen angeblich niegelnagelneuen, weil noch warmen, Camcorder, den letzten Stand, wenn's wahr ist.
Wir werden "eingeladen", in ein Taxi, das selbstverständlich nicht wir bezahlen müssen und zur Tourismuszentrale fährt, einzusteigen. Michi und ich vereinbaren, da wir insgesamt angeblich nur 90 Minuten Zeit aufbringen müssen, das zu wagen. Allerdings bin ich dermaßen skeptisch, dass ich Michi verklickere, wir lehnen jedes Getränk, das wir angeboten bekommen ab und trinken unser eigenes, ich werde es als Diabetikergetränk angeben, was ja nicht mal falsch ist.
Nach kurzer Fahrt landen wir in der Tourismuszentrale, steigen aus dem Taxi, eine junge Frau bezahlt den Fahrer und von einer anderen jungen Frau werden wir gebeten, ihr zu folgen.
Oh Mann, was wird uns wohl erwarten Irgendein Touristennepp jedenfalls. - Andererseits, was soll uns schon passieren, wir werden keinesfalls etwas unterschreiben, uns zu nichts überreden lassen, was kann dann sonst noch sein
Es wird jedenfalls spannend...
Wir werden von einem etwas älteren Herrn im Empfang genommen, der stellt sich als J. vor und sei Osttiroler. Den entsprechenden Dialekt hat er jedenfalls.
Er führt uns als Erstes auf die Besucherterrasse, wo die Sonne auf uns knallt. Ich verlaute, ich hätte gerne (wegen Michi, aber das muss J. ja nicht wissen) etwas Schatten. "Ja, bald" kommt retour. Von diesem Moment an ist mir der Typ unsympathisch.
Einige Zeit später, in der Zwischenzeit haben wir alles über seine halbe Verwandtschaft erfahren, was uns nicht interessiert, gelangen wir endlich in den Schatten und werden zu kleinen Tischen gebeten. Dass wir nicht der einzige Tisch sind, ist auch mal klar. Noch zig andere Tische mit Gästen stehen herum. Alle werden bequasselt, auf den Tischen liegen Zettel mit irgendwelchen ominösen Zahlen (Euro-Summen). Mir stellen sich die Haare auf, am liebsten würde ich abzischen, aber das geht nicht so einfach, denn ich möchte wissen, was mit Michis Hauptgewinn ist und die Zeit bis dahin müssen wir leider verharren.
J. erklärt uns alles - oh Wahnsinn - „Interessantes“ über die "Firma" Sonnenland, wo nicht überall auf der Welt sie Unterkünfte zu den allergünstigsten Preisen haben, auch können sie die billigsten Flüge vermitteln.
Auf meine Bitte, doch mal den günstigsten Flug von Linz nach Honolulu, Abflug 8. 12. 05, Rückkunft 12. 1. 06, zu suchen, beauftragt J. einen "Kollegen", der nach einiger Zeit mit dem - meint er - erfreulichen Ergebnis zurückkommt, der Flug sei für knapp über 800 Euro zu haben. Ich erkläre dem guten Mann, das kann wohl nicht sein, denn jetzt, fast Ende September, für Anfang/Beginn Mitte Dezember überhaupt noch einen Flug von Linz nach Honolulu zu bekommen, das sei schon nahezu undenkbar und sein Preis noch dazu.
Der Mann macht kehrt und kommt nach einiger Zeit freudestrahlend zurück. Er habe einen Flug für exakt den Zeitraum gefunden, den ich ihm genannt habe (und für welchen Zeitraum war der Flug zuvor von ihm gedacht
). Die Flüge seien noch verfügbar, Preis pro Nase knapp 1.700 Euro. Ich lache mich fast schief, erkläre ihm dann aber, dass unser Flug von Linz nach HNL für diesen Zeitraum 1.150 Euro gekostet habe. Da wird der gute Mann etwas blass, aber er bleibt senkrecht, sodass ich nicht erste Hilfe leisten muss
Die 90 Minuten sind längst um, unsere eigenen Getränke neigen sich zu Ende und Michis Blicken nach hat auch er schon lange die Nase voll und möchte weg. Doch so leicht geht das nicht
Wir sind in J.s Fesseln, hier heraus zu kommen, scheint schwierig zu sein.
Nach langem Hin und Her, weil ich schon die längste Zeit dränge, ich will heute noch die GC 105 fahren, geht J. langsam mit uns ins Innere der Tourismuszentrale. Hier will er uns ins Internet einführen, wie Buchungen funktionieren etc. Oh Mann, langsam reicht es uns wirklich
Und wie Buchungen etc. übers Internet funktionieren, braucht mir weder J. noch sonst jemand erklären.
Etwas genervt gehen wir mit ihm und setzen uns vor einen Monitor. J. bedient das Programm, schwärmt davon, wie viele Fincas die Firma im Landesinneren von Gran Canaria zu vermieten habe, wie viele Hotels auf Hawai'i über diese Firma gebucht werden können.
Doch für J. ist es wie verhext: Er will uns die Fincas auf Gran Canaria zeigen, exakt zwei findet er und dann fehlen noch die Preise. Er meint, das sei ein Einzelfall, denn gerade gestern noch hatte er anderen Interessierten (wir sind gar nicht interessiert
) die diversen Fincas inklusive der Preise vorgeführt. Tja, entweder hat er in unserer Anwesenheit Pech oder … Naja, lassen wir das.
Ich schlage J. vor, er soll ein Hotel in Kihei auf Maui suchen, welches von der Firma vermittelt wird. Macht er doch glatt und schlägt ein Hotel direkt in Kihei vor. Er wisse zwar nicht, wo Kihei läge, aber Pi'ilani Hwy. als Adresse meint er, würde sich ausgezeichnet anhören. Da ist er bei mir fehl am Platz
Der Pi'ilani Hwy. in Kihei ist nämlich sozusagen die Schnellstraße, die östlich an Kihei vorbei führt und dort möchte ich nun wirklich in keinem Hotel wohnen, sondern viel lieber an der South Kihei Road. Zu dumm auch An der South Kihei Road kann er nichts anbieten
Pech gehabt.
Dann gehe ich zu Australien über und ersuche ihn, er solle doch bitte schön ein Hotel in White Cliffs suchen oder zumindest eines in der Nähe, soweit man in Australien von "Nähe" reden kann.
Ach, wie schön, er findet zwar kein Hotel in White Cliffs, aber eines, das "gleich in der Nähe sein müsste", nämlich in Melbourne Ich frage J., ob er wisse, wie weit White Cliffs von Melbourne entfernt sei, Antwort "nein, kann aber nicht weit sein". Ich bin vor Lachen fast am Platzen
J. meint, ich werde ihm unheimlich, ich wisse mehr als er (Kunststück...), wir sollten zum letzten Punkt, nämlich dem "großen X am weißen Blatt Papier", kommen.
Und nun stellt sich heraus, was das große X bedeutet.
Es bedeutet, wenn wir bereit sind, sofort (
) per Kreditkarte Euro 8.000,- an die Firma zu überweisen, würden wir 10 Jahre lang die Preisgarantie bekommen, nämlich jene Preisgarantie, dass die Apartments, die die Firma dzt. um - beispielsweise - 249,- Euro/Woche vermietet, auch in 10 Jahren noch um denselben Preis vermietet. Michis Anmerkung zu J. "... ja, wenn es die Firma dann überhaupt noch gibt". Hilfe, ich kann fast nicht mehr
Ein "Kollege" J.s nähert sich, ein Deutscher. Er bietet uns "ausnahmsweise" etwas an, was er sonst nicht macht, nämlich, Euro 4.000,- zu investieren, dafür haben wir dann eine 2-jährige Preisgarantie.
Michi erklärt den beiden, so schnell will er sich nicht entscheiden, er möchte ein paar Mal darüber schlafen, wir sind ja noch eine Woche hier. Doch davon wollen die beiden nichts wissen, entweder jetzt und sofort überweisen oder der Deal (welcher Deal
) gilt nicht mehr.
Michi fragt, worin das Problem bestehe, würden wir z. B. in zwei Tagen wieder kommen und dann überweisen und auch unterschreiben (was wir nie täten, das nur nebenbei).
J.: "Wenn das jeder zweite Kunde machen würde, könnten wir uns vor lauter Menschen nicht mehr bewegen".
Michi: "Dann lassen wir es eben bleiben".
J. schlägt die Hände über seinem Kopf zusammen. "... und so ein Kunde entgeht mir...". Sein Jammer ist groß, unserer gar nicht vorhanden
Das Einzige, was J. noch bleibt, ist die Auszahlung der Gewinne, darum kommt er nicht herum. Ich kassiere mein T-Shirt, Michi seinen Gutschein für den 1-wöchigen Aufenthalt auf Gran Canaria oder Teneriffa, einzulösen in den nächsten 18 Monaten, allerdings muss man bis maximal 14 Tage nach der Rückkehr in die Heimat ein bestimmtes Formular abgeschickt haben.
Anmerkung: Haben wir natürlich nicht gemacht.Achja, noch etwas muss J. veranlassen: Die Taxifahrt für uns zurück zum Shopping Center. Eine junge Frau übernimmt die Bezahlung des Taxifahrers, wir steigen ein und lassen uns zurück fahren.
Eines möchten wir gerne wissen: Wieviele andere Touristen haben sich auf einen „Deal“ eingelassen
Beim Shopping Center beschließt Michi, nach über 20 Jahren wieder mal einen Frisör aufzusuchen, weil ich vor dem Urlaub (und auch er) keine Zeit mehr hatte, ihm die Haare zu schneiden. Ich gehe in der Zwischenzeit ins Internet, doch kurz darauf taucht Michi wieder auf, der Frisör im Hotel hat heute Ruhetag. Auch gut. Ich mache den Vorschlag, eine vernünftige Schere und einen kleinen Kamm zu kaufen und ihm dann im Garten der Finca die Haare zu schneiden. Gesagt, getan.
Doch ehe wir zur Finca fahren, machen wir noch Stopp beim Mercadona Shopping Center in Vecindario, um Lebensmittel zu kaufen. Dann geht es nach Sta. Lucía. Diese ungezählten Kurven von der Südküste nach Sta. Lucía beherrsche ich mittlerweile so gut, dass ich die Strecke jetzt bereits in maximal 25 Minuten zurücklegen kann. Früher brauchte ich dafür mindestens 1,5 Stunden, musste immer wieder rausfahren, um Einheimische vorbeizulassen, das ist nun kaum noch nötig.
Bei der Finca angekommen, sehen wir S.s Mann in "unserem" Garten. Es sieht fast so aus, als hätte er auf uns gewartet, denn kurzerhand erklärt er "cleany". Michi und ich strahlen um die Wette und als wir die Finca betreten, riecht alles wunderbar nach Zitrus, Meister Proper oder so.
Wir haben frische Bettwäsche bekommen, die Fliesenböden sind alle aufgewischt und vor die Schlafzimmertür hat er ein Leintuch genagelt, um den ärgsten Schmutz draußen zu halten. Michi und ich sprechen ihm unseren Dank aus, er strahlt wie ein frisch lackiertes Auto und geht in die laundry hinüber.
Kaum haben wir unsere Lebensmittel weggeräumt, gehen wir, bepackt mit dem Schneidewerkzeug für Michis Haare, in den Garten. 20 Minuten lang "schnipp-schnapp", dann hat er eine Sommerfrisur.
Anschließend stürze ich mich in die Küche, um unser Abendessen zu richten und am späteren Abend telefoniere ich mit B.
Kilometerstand am Ende des Tages: 29.275