16. April: Takayama – Matsumoto - TokioHeute morgen checke ich um viertel nach sieben Uhr aus, und zwar schweren Herzens. Das Ryokan in Takayama war neben dem Tempel in Koyasan bisher die schönste Unterkunft auf meiner Reise, mit persönlichem Service. An meinem Fach am Schuhregal stand mein Name, das fand ich schon mal sehr nett. Und ich musste nie nach meinem Zimmerschlüssel fragen oder die Zimmernummer nennen, sondern wurde vom Personal an der Rezeption sofort erkannt und ungefragt mit meinem Zimmerschlüssel beglückt. Das heiße Bad des Hotels habe ich wegen meiner Erkältung leider nicht ausprobiert, schade.
Nach dem Auschecken gehe ich zum Busterminal am Bahnhof und bin froh, dass es sich mit dem Fuß heute schon wieder deutlich besser läuft. Das Ticket ist schnell gekauft, dann muss ich noch zwanzig Minuten warten bis der Bus nach Matsumoto schließlich vorfährt. Netterweise übernimmt es der Busfahrer, das Gepäck der Fahrgäste zu verstauen, so kann ich entspannt in den nur halb besetzten Bus steigen und die Fahrt genießen. Die Route führt in knapp zweieinhalb Stunden durch die japanischen Alpen, durch Tunnel, über Pässe, vorbei an Wintersportorten und Heilbädern.
Um viertel nach zehn ist dann der Busbahnhof nahe dem JR-Bahnhof in Matsumoto erreicht. Ich gehe mit meinem Koffer erst mal in den Bahnhof, um für ihn ein schönes Schließfach zu suchen. Das findet sich zwar, es liegt aber in oberer Reihe, also muss ich den Koffer hochwuchten. Puh, geschafft, und jetzt schnell los zur Burg von Matsumoto. Bis dahin ist es nur etwas mehr als ein Kilometer zu gehen, und dank des ausgedruckten Plans finde ich (fast) ohne Umweg dorthin.
Die Burg von Matsumoto ist eine der schönsten und besterhaltenen Burgen Japans. Sie wurde bereits ab 1592 gebaut und 1635 um weitere Türme ergänzt. Wahrscheinlich wegen des dunklen Äußeren wird sie auch „Krähenburg“ genannt.
Ich kaufe mir ein Ticket und schaue mir die Burg von innen an. Zuerst muss man wie üblich die Schuhe ausziehen und bekommt eine Tüte, um sie mitzunehmen, denn man verlässt die Burg über einen anderen Ausgang. In der Burg selbst ist natürlich wieder alles effizient japanisch organisiert. Man wird durch einen abgesteckten Parcours geführt, und zwischendurch gibt es auch mal eine Abkürzung zum Ausgang für den eiligen Besucher. So eilig habe ich es zum Glück nicht und kann mir alles anschauen. Von innen kommt mir die Burg deutlich kleiner vor als von außen, und vor allem die Treppen sind eng und steil. Zu den beiden obersten Etagen führen die steilsten Treppen, auf denen zudem Gegenverkehr herrscht. Aber für die Mühe wird man oben dann auch mit einem schönen Blick über die ganze Burganlage und Umgebung belohnt. Den Blick auf die Japanischen Alpen mit ihren schneebedeckten Berggipfeln kann man aber leider nur erahnen.
Zum Abschluss spaziere ich noch ein wenig durch die Parkanlage und am Burggraben entlang, wo natürlich das fast obligatorische Hochzeitspaar fürs Fotoshooting bereitsteht.
Dann gehe ich wieder zurück zum Bahnhof, kaufe mir noch ein paar Backwaren, hole meinen Koffer und mache mich schließlich auf die Suche nach meinem Zug, dem Shinano Nr. 9 um 13.05 Uhr nach Nagano. Der richtige Bahnsteig ist auch schnell gefunden, aber wo hält der Wagen mit meinem reservierten Sitzplatz? Mehr oder weniger hilfreiche Schilder am Bahnhof zeigen an, wie die Züge aussehen, die hier halten. Leider habe ich keine Ahnung, wie ein Shinano aussieht, aber immerhin finde ich es kurz vor der Abfahrt heraus.
Mein Waggon hält dann übrigens doch nicht unter dem dafür vorgesehenen Schild, sondern etwa zehn Meter weiter, aber das kann ich verschmerzen und hüpfe an Bord. Der Koffer passt gerade so hinter die letzte Sitzreihe, und als ich selbst am Platz bin, fährt der Zug auch schon los. Die Fahrt dauert nur knapp fünfzig Minuten, dann erreicht der Zug auch schon Nagano.
Hier habe ich über eine halbe Stunde Zeit zum Umsteigen und erstehe an einem der Verkaufsstände eine Packung Kitkat in limitierter Geschmacksrichtung, nämlich mit japanischem Chili. Kitkat soll es in Japan ja in einem Dutzend Geschmacksrichtungen geben, nur gesehen hatte ich sie bisher noch nie. Am Bahnsteig kann ich noch ein Foto vom bereitstehenden „Asama“-Shinkansen machen. Der Waggon ist fast leer und füllt sich während der eineinhalbstündigen Fahrt nach Ueno auch kaum.
In Ueno anzukommen, ist dann ein ganz merkwürdiges Gefühl. Hier bin ich am allerersten Abend zum ersten mal durch Tokios Straßen gelaufen, völlig unbedarft, die ganze Reise noch vor mir. Jetzt finde ich meinen Weg zum Hotel schon quasi im Schlaf. Im Hotel weiß man, dass ich schon einmal hier war. Ob ich die Erklärung zu Zimmer, Hotel und heißem Bad nochmal bräuchte, fragt der Mitarbeiter. Ich brauche sie nicht, und das Einchecken ist innerhalb von zwei Minuten erledigt. Ich bilde mir zuerst ein, dass das Zimmer, dass ich jetzt bekomme, ein paar Zentimeter breiter ist als das erste, aber offenbar liegt das nicht am Zimmer, sondern daran, dass ich inzwischen die kleinen Zimmer gewöhnt bin, denn wie ich später feststelle, ist das Zimmer exakt gleich groß. Ein Blick hinunter auf den Teich zeigt, dass die Kirschblüte in Tokio vorüber ist. Hier sah es vor zwei Wochen noch ganz anders aus.
Im Zimmer bleibe ich nur ein paar Minuten, dann mache ich mich auf den Weg zur U-Bahn-Station Ueno. Die liegt direkt am Ueno-Bahnhof. Meine Suica-Card, die in Kyoto schon versagt hatte, versagt auch hier, dabei muss sie für die U-Bahnen in Tokio wirklich funktionieren. Ein kurzer Check am Schalter, dann bekomme ich die Karte wieder ausgehändigt, und jetzt geht sie auch. Keine Ahnung, ob sie defekt war und wodurch. Ich nehme die Ginza-Linie, die jetzt am Nachmittag zwar nicht leer ist, aber ich finde sogar noch einen Platz. An der Station Gaienmae steige ich aus und folge dem Schild „Jingu Stadium“. Heute gehe ich nämlich zu einem Baseballspiel. Die Swallows aus Tokio spielen heute gegen die Giants, ebenfalls aus Tokio, und ich bin gespannt auf das Lokalderby. Ein Baseballspiel habe ich bisher noch nie gesehen, auch nicht in den USA. Ich bin gespannt, was mich erwartet.
Das Spiel soll um 18.15 Uhr beginnen, und ich bin um halb sechs am Stadium. Eine Mitarbeiterin hilft mir, das richtige Tor zu finden, dort hilft man mir dabei weiter, meinen Platz zu finden. Ich setze mich und schaue erst mal vergnügt zu, wie die Teams unten ein paar Bälle werfen. Maskottchen treten auf, und auf der Leinwand werden die Spieler vorgestellt. Eine Cheerleadertruppe gibt es ebenfalls, man singt die Hymne der Swallows, und bevor das Spiel beginnt, erhebt man sich zur Nationalhymne. Ich mag das alles, und bei einem der Biermädchen bestelle ich mir dann noch für sündhaft teure 750 Yen ein Bier.
Dann geht es aber los: Zuerst sind die Gäste am Schlag, und da wird leider ordentlich gepunktet. Aber dann wechseln die Teams, und der Spieler der Swallows erzielt gleich mit dem allerersten Schlag einen Homerun, da tobt das Stadion. Die Fans holen kleine Regenschirme hervor und schwenken sie, wie süß! Anscheinend machen sie das immer, wenn die Swallows abräumen.
Während des Spiels komme ich mit einem Mann aus Washington DC ins Gespräch. Der ist völlig hin und weg von den Sprechchören und Gesängen der Fans und erzählt mir, dass es in den USA bei Baseballspielen solche selbst organisierten Anfeuerungen nicht gibt. Ich muss leider zugeben, dass die Giants bessere Gesänge haben als die Heimmannschaft, die Swallows, und leider punkten die Giants auch öfter als die Swallows.
Das Ende des Spiels lasse ich dann aus und schiebe mich schon mal Richtung U-Bahn, denn bei der Vorstellung, mich eine Viertelstunde später mit all diesen Fans in die Züge zu quetschen, kriege ich schon Schweißausbrüche. Stattdessen humpele ich mit meinem bösen Fuß, der mir die steilen Treppen in Matsumoto offenbar übelnimmt, ohne Eile zurück und fahre wieder nach Ueno. Hm, nach dem Baseballspiel habe ich Lust auf Burger und Pommes Frites. Leider ist am Hard Rock Café Warten angesagt, also gehe ich weiter und kehre tatsächlich am zweitletzten Abend in Japan zum ersten mal in einem McDonalds ein.
Im Hotel wasche ich noch eine verstaubte Jeans in der Waschmaschine, erfahre in den Nachrichten, dass die Swallows leider mit sieben zu acht gegen die Giants verloren haben und schreibe das Reisetagebuch von heute. Und Geldzählen ist heute abend leider auch angesagt. Hm, noch 14.500 Yen. Davon werde ich morgen wahrscheinlich ca. 2000 Yen als Eintrittsgeld brauchen, evtl. 2000 Yen für ein Taxi am Flughafen und ca. 1500 Yen für ein Kofferschließfach und verschiedene U-Bahn-Fahrten. Also lege ich mir 6.000 Yen zurück, und die restlichen 8.500 Yen dürfen für Souvenirs und meine Verköstigung draufgehen.
Um kurz vor zwölf lege ich mich schlafen. Nur noch ein Tag Tokio, dann beginnt leider schon die Heimreise.
Ausgaben des Tages
Busticket Y 3190
Burg Matsumoto Y 610
Snacks und Getränke Y 2000
Baseballticket ? (vorab gezahlt)
1 ÜN im Hotel Coco Grand Ueno Shinobazu Y 10.800