Der erste richtige Reisetag in Tokio ist ziemlich vollgestopft mit Eindrücken und Fotos, also habe ich ihn in zwei Teile zerlegt. Wir starten mit dem ersten Teil:
30. März: Tokio - Teil 1 (Shinjuku, Harajuku)Ich fasse es nicht: Mein Handy weckt mich eine Stunde zu früh. Zuerst fällt es mir gar nicht auf, als ich mich völlig verschlafen aus dem Bett arbeite, aber dann merke ich, dass die Uhr im Zimmer und meine Armbanduhr erst sieben Uhr anzeigen statt acht Uhr wie das Handy. Dämliches Ding! Obwohl es keinen Netzzugang hat und obwohl ich die Uhrzeit gestern abend von Hand einstellen musste, hat es sich heute Nacht fröhlich gemäß der deutschen Sommerzeitumstellung eine Stunde vorgestellt.
Noch eine Stunde zu schlafen ist aber auch keine wirkliche Option, stattdessen schalte ich den Fernseher ein und sehe zwei Menschen in einer Art Frühstücksfernsehen, die fasziniert ein Glas Erdbeermarmelade betrachten und schließlich aufgeregt plappernd ein Stück Toast essen. Dann folgt die Wettervorhersage, und die bestätigt leider das, was Wetter.com mir gestern schon verkündet hat und was auch der Blick aus dem Hotelzimmer erahnen lässt: Regen den ganzen Tag. Aber immerhin soll es morgen schöner werden.
Gegen viertel vor acht gehe ich frühstücken. Die Auswahl ist groß, wenn man auf japanisches Frühstück steht. Ich fühle mich im Moment noch als wäre es mitten in der Nacht und bekomme kaum das kleine Brötchen (mit Erdbeermarmelade
) und das Minicroissant hinunter. Beides zusammengenommen stellt quasi die westliche Frühstücksalternative da. Mal sehen, ob ich mich morgen an die japanische Variante traue.
Gegen viertel vor neun gehe ich zum JR-Bahnhof Ueno und sehe dabei offenbar derart zielstrebig und orientiert aus, dass mich sofort ein anderer Ausländer fragt, wie man denn hier zum Ueno-Park kommt. Das weiß ich aber leider auch nicht. Im Bahnhof komme ich um 8.58 Uhr an, der Schalter zum Eintausch das Railpasses ist noch geschlossen, öffnet aber zum Glück 2 Minuten später. Ich händige meinen Gutschein aus, mein Railpass wird ausgestellt, dann gehe ich ins danebenliegende Ticketcenter, um drei Reservierungen für nächste Woche zu machen. Das klappt zum Glück auch, und netterweise kann ich hier direkt auch die Suica-Card kaufen, die im Nahverkehr ganz praktisch ist, weil man damit bargeldlos U-Bahn u.ä. fahren kann, wofür der Railpass nicht gilt. Dann suche ich die Yamanote Linie, mit der ich nach Shinjuku fahren will. Auch das klappt gut, denn die Linie ist mit Richtungsangabe auch auf englisch ausgeschildert. Es ist gerade erst zwanzig nach neun, da sitze ich schon in der Bahn. Das hatte ich mir wirklich komplizierter vorgestellt.
Leider entwickelt sich nicht alles nach meinen Wünschen, vor allem das Wetter nicht. Vorhin ist es noch trocken gewesen, und als ich in Shinjuku aus dem Zug steige und relativ leicht den gewünschten Ausgang finde, obwohl der Bahnhof Shinjuku in meinen Reiseführern als eine Art Labyrinth des Minotaurus geschildert war, nieselt es nur ein wenig. Aber als ich mich dann auf den Weg zum Shinjuku Gyoen mache, einem schönen Park, in dem es viele Kirschbäume geben soll, wird der Regen immer stärker. Nein, sich bei diesem Wetter irgendwo in einem Park rumzudrücken, macht echt keinen Sinn, sehe ich schließlich ein, drehe wieder um und suche mir was trockenes, nämlich das riesige Kaufhaus Takashimaya in der Nähe des Bahnhofs. Dort schlendere ich etwas ziellos durch die Etagen. Vieles sieht aus wie in Nobel-Kaufhäusern überall auf der Welt, und zwischen Dolce & Gabbana, Fendi und Co. fühle ich mich in meiner nassen Jacke etwas deplaziert. Immerhin findet sich – zu ebenfalls sehr exklusiven Preisen – auch etwas Japanisches, was immer es ist, vielleicht eine japanische Sammelpuppe?
Nach dem Besuch im Kaufhaus gehe ich auf der Suche nach Fotomotiven noch tapfer eine Weile durch die Straßen rund um den Bahnhof.
Aber es beginnt bald derart zu regnen, dass ich aufgebe und wieder zum Bahnhof zurückgehe. Wieder will ich mit der Yamanote-Line fahren, wieder ist der Bahnsteig gut ausgeschildert. Im Zug wird die nächste Station angezeigt, die Zeit, bis zu den kommenden Stationen und die Seite, auf der man aussteigen muss. Ich steige schon an der übernächsten Station aus, in Harajuku, und im Bahnhof zeigt auch schon ein Schild den Weg Richtung Meiji-Schrein, den ich besuchen will.
Dort will trotz des Wetters nicht nur ich hin. Wahre Völkerscharen machen sich auf den Weg zum Schrein, unter anderem auch diese beiden Japanerinnen.
Etwas später hole ich die beiden ein, als sie gerade erschöpft ihren Koffer abstellen, den sie auf dem Schotter nicht rollen können. Ich biete ihnen an, den Koffer zu tragen, und entweder sind sie wirklich dankbar dafür oder sie sind zu höflich, um das abzulehnen, wer weiß das schon, jedenfalls trage ich den Koffer ein Stück, bis sie zur „Wedding Registration“ abbiegen müssen. Sie sind heute nämlich Gäste einer Hochzeit im Meji-Schrein.
Ich fotografiere erst mal die geopferten Sake- und Weinfässer, bevor ich weiter zum Meiji-Schrein gehe.
Bevor man den Schrein betritt, lässt man Wasser über die Hände rieseln, um sich zu reinigen. Das hat zwar eigentlich der Regen schon erledigt, aber ich schließe mich der Tradition natürlich an. Anscheinend sind die Shinto-Götter aber der Meinung, es müsse dann doch etwas mehr Wasser sein, denn als ich durch das Tor aufs Schreingelände gehe, fängt es richtig an zu schütten. Aber immerhin: Ich bin heute bei diesem Sauwetter nur als Touristin hier. Diese Menschen dagegen heiraten heute und hätten sich das Wetter wahrscheinlich auch anders gewünscht:
Ich spendiere den Göttern ein wenig Münzgeld und hoffe, dass sich das positiv auf das Wetter auswirkt. Netterweise steht dort, wie man es richtig macht: Münzen in den Kasten werfen, zweimal verbeugen, zweimal in die Hände klatschen, und zum Abschluss einmal verbeugen. Das kriege selbst ich hin. Oder? In der Beschreibung fehlt doch was, nämlich das Beten. Ich beobachte die anderen. Aha, gebetet wird nach nach dem Händeklatschen und vor dem abschließenden Verbeugen. Dann kaufe ich noch ein Ema-Täfelchen, das ich mit einer Bitte beschrifte und zu den anderen hänge. Und weil ich gerade feststelle, dass man hier auch noch zu recht zivilen Preisen eine rosige Zukunft kaufen kann, lege ich noch Y 800 für einen Glücksbringer hin.
Weiter geht es in Harajuku. Zuerst gehe ich die Takeshita-dori hinunter, sozusagen die Einkaufsmeile für japanische Schulmädchen. Einige laufen perfekt aufgestylt hier herum, bei anderen hat der Regen schon sichtbare Spuren hinterlassen. Netterweise bedienen einige Geschäfte hier durchaus die gängigen Klischees über die Kleidung junger Japanerinnen. Ob bizarr oder im „Pin up“-Stil, hier findet sich, was man als westlicher Ausländer schon mal als typisch japanisch im Fernsehen gesehen hat. Fotos sind übrigens in den Läden nicht sonderlich erwünscht, aber den ein oder anderen Schnappschuss aus der Hüfte schaffe ich trotzdem.
Von der Takeshita-dori sind es nur noch ein paar Meter bis zur Omotesando, der Prachtstraße Harajukus, zumindest was die hier teilweise vertretenen Designer angeht. Ich streife erst in einem Einkaufscenter herum, um wieder trocken zu werden und gehe schließlich noch ins „Omotesando Hills“, in der Hoffnung, dort eine Etage mit Restaurants und Cafés zu finden. Stattdessen höre ich hysterische Schreie und sehe Menschen, die sich fotografierend über Geländer beugen. Was ist hier los? Sehe ich etwas gleich irgendeinen japanischen Fernsehstar? frage ich mich und hole lieber mal schnell die Kamera raus. Ja, das sind sie, Fernsehstars, und auch noch gleich vier an der Zahl: Es sind die Teenage Mutant Ninja Turtles!
Sie posieren vor vielen Menschen mit Teenage-Mutant-Ninja-Turtles-Augenbinden, es wird fotografiert wie bei den Oscars, dann löst sich die Menschenmenge auf. Ich mache mich auf ins Erdgeschoss. Vielleicht kann ich ja einen der Turtles von nahem fotografieren. Aufregend! Und so herrlich japanisch! Unten angekommen wartet eine Turtle-Ausstellung, ich bekomme gleich mal kostenlos einen Energy-Drink in die Hand gedrückt und arbeite mich dann Richtung Bühne, wo nach einem kurzen Vorgeplänkel auch bald die Turtles erscheinen und ein Interview geben.
So, jetzt brauche ich aber eine Pause. Ein kleines Café liegt auch direkt hier im Gebäude, ich nehme Nudeln mit Gemüse, einen Matcha-Tee und Soja-Eis. Das erste schmeckt gut, an die beiden anderen muss ich mich wohl erst gewöhnen.
ENDE Teil 1