15. August: Eineinhalb Meilen können sehr lang seinDieter bekommt am Morgen in Montrose endlich die heiß ersehnte Gitarre. Er hat lange überlegt, eine eigene mitzunehmen, aber wir haben die Gepäckkosten gescheut (unser Gitarrenkoffer hat Übermaße, das macht die Sache richtig teuer). Bei unserem letzten USA-Trip hat er sich eine einfache Gitarre im Walmart gekauft, allerdings mit Stahlsaiten. Diesmal sollten es schon Konzertgitarren-Saiten sein. Im Musikgeschäft in Montrose werden Dieter und Jonas auf Anhieb fündig: Eine sehr gut erhaltene, gebrauchte Ibanez, Baujahr 2003, mit wunderschönem Klang. Dieter handelt vom Preis noch 40 Prozent und die Steuer herunter und ist glücklich. Die abendliche Campsite-Musik ist gesichert.
Abends wird es romantisch - z.B. mit "Suzanne" von Leonard Cohen.
Statt die Gitarre am Ende der Reise wie ursprünglich geplant zu verschenken, wird sie in Luftpolstern verpackt nach Deutschland überführt.
Unser Ziel an diesem Tag ist Moab mit dem Arches Nationalpark. Wir haben ihn auf unserer Reise 2007 nicht gesehen, weil wir den Bryce als Wendepunkt zurück an die Westküste gewählt hatten. Auch Canyonlands, Mesa Verde und vieles andere fehlen uns noch, aber wenigstens der Arches sollte diesmal dabei sein, auch wenn uns diese Entscheidung einen zusätzlichen Schlenker von etlichen Meilen kostet und einen gewissen Zeitdruck beschert. Gleichwohl: Die Straße 128 von der Interstate 70 (kurz hinter Cisco) nach Moab lohnt den Aufwand. Am Colorado River, der hier noch ein schmales Flüsschen ist, führt die Straße mit sagenhaften Panorama-Aussichten entlang. Uns geht das Herz auf, die roten Steine sind doch etwas ganz Besonderes! Diese Straße sei allen Reisenden ans Herz gelegt, gerade weil sie in unseren Reiseführern keine Erwähnung findet. Hier ein paar Eindrücke:
Wir verlassen Colorado und erreichen Utah. In Moab Valley RV Resort haben wir vorgebucht – nötig wäre es wohl nicht gewesen. Aber wir sind recht früh da und beschließen, parallel zur Pool-Entspannung ein paar Maschinen Wäsche zu waschen. Da es weit über 30 Grad hat, ist die Mannschaft ohnehin erst gegen Abend zu einem Trip in den Park zu bewegen. Dass die ganze Sache dann doch nicht nach Plan verläuft, hängt mit diversen Wäscheproblemen zusammen, die ich aus persönlichen Gründen nicht näher erläutere (welcher Knopf startet noch mal die Maschine, Irene???) Jedenfalls kommen wir erst gegen 6.30 pm weg. Die Sonne scheint, steht aber schon tief. Der Delicate Arch soll sich laut Reiseführer beim Sonnenuntergang im besten Licht zeigen. Das wollen wir sehen, und ein kleiner Hike ist auch ganz nach unserem Geschmack – wobei sich das „unser“ auf Jakob und Irene beschränkt, muss man fairerweise sagen.
Da wir in den Park noch ein ganzes Stück hineinfahren müssen, erreichen wir den Trailhead erst gegen 7.30 pm. Der Parkplatz ist gut gefüllt, wir sind nicht die einzigen, die den Delicate im Sonnenuntergang sehen wollen. Jakob und Julian stürmen im Laufschritt voran. Die eineinhalb Meilen, die laut Reiseführer zu bewältigen sind, wollen sie in Windeseile schaffen. Dahinter folgt Irene, die Nachhut bildet der Rest. Leider entpuppt sich der kleine Hike als echte Herausforderung. Steile Anstiege, hinter denen man stets das Ziel vermutet, sind nur der Auftakt zu noch steileren Passagen. Wir marschieren tapfer, während die Hoffnung schwindet, das Ziel noch im Sonnenlicht zu erreichen. Viele Leute kommen uns bereits entgegen – untrügliches Zeichen dafür, dass die Foto-Session eigentlich schon beendet ist. Irene sieht inzwischen weder Jakob und Julian vor sich noch die anderen hinter sich. Die Kameraausrüstung hat Dieter im Rucksack – tolle Logistik. Aber der alpine Anstieg und die Kraxelei über Felsplatten machen richtig Spaß, auch wenn sie die Kondition auf eine harte Probe stellen.
Da kommen Jakob und Julian in Sicht. „Mama, das hätte ich ja nicht gedacht, dass du das schaffst“ - Mama ist stolz. Die Jungen gehen noch einmal das letzte Stück mit hinauf. Ein Felsband führt um einen Berg herum, links geht es steil in die Tiefe. Das wird Dieter mit seiner latenten Höhenangst ohnehin nicht schaffen, vermutet Irene, die ein bisschen das schlechte Gewissen plagt, den Gatten mit recht schwerem Gepäck, aber ohne einen Tropfen Wasser schnöde seinem Schicksal überlassen zu haben.
Allein, ohne Wasser, aber mit eisernem Willen kämpft sich Dieter voran.
Die letzte Kurve – der Delicate Arch wölbt sich gegen den Himmel. Zwar ohne Sonne, aber dafür mit einem silbernen Halbmond über sich. Wunderschön, zumal es der erste Bogen ist, den wir sehen.
Nach fünf Minuten, oh Wunder, kommen Jasmin und Dieter um die Ecke gebogen. Erschöpft und durstig, aber sie haben es geschafft.
Jonas und Lisa sind weiter unten geblieben. Noch sind viele Leute am Delicate Arch, auch Kinder turnen herum. Sie scheinen keine Eile zu haben. Wir machen uns nach fünf Minuten Rast aber auf den Rückweg – der Hinweg hat uns doch eine Menge Respekt eingeflößt. Zurück geht es natürlich schneller, aber innerhalb von Minuten ist die Dunkelheit hereingebrochen. Wir haben keine Taschenlampe dabei. Der Mond gibt diffuses Licht, und wir hängen uns immer wieder an Hiker, die offenbar wissen, wo der Pfad herführt, und leuchten mit den Snartphones. Denn auf den Felsplatten fehlt jede Orientierung. Schließlich kommen wir um 9 Uhr am Auto an – ein richtiges Abenteuer mit einem Schuss Leichtsinn.
Da wir auch viel zu wenig Wasser mit hatten, haben wir vor allem Durst. Bei Dennys in Moab kehren wir ein und schütten Wasser und Cola in uns hinein. Das bestellte Essen (75 Dollar, 15 Dollar Tip) ist viel zu reichlich.
Was lernen wir aus dieser Aktion? 1. Mehr Wasser mitnehmen, das Warnschild am Trailhead (2 Liter pro Person) ernst nehmen.
2. Wandern im Felsgebiet kostet Zeit. Wenn die Meilenangabe stimmt (1,5 m, das sind 2,5 km), dann haben wir rund 45 Minuten dafür gebraucht, das sind pro Meile eine halbe Stunde.
3. Es gibt wenig Warnhinweise. Jeder ist für sich selbst verantwortlich. Keine Sperrung bei Einbruch der Dunkelheit, kein Hinweis auf Schuhwerk. Kleine Kinder und junge Mädchen mit Flipflops kraxelten neben uns am Abgrund entlang – da waren wir vergleichsweise gut ausgerüstet.
4. Ergänzung von Dieter: Überprüfe, was eine Frau unter dem Begriff "nur ein paar Schritte" versteht und kontrolliere, wer in der Wüste den Zugang zum Wasser hat.