16. Tag / Samstag, 04.06.2005Wir wachten mal wieder mitten in der Natur auf, und recht früh.
Unser improvisierter Übernachtungsplatz war nicht so ganz eben gewesen und wir mussten feststellen, dass unser Körper doch sehr ans Schlafen in der Waagerechten gewöhnt ist.
In ca. 200 m Entfernung stand ein einzelnes Haus, wahrscheinlich ein Angestellter des Prov. Parks. Unser Kommen hatte man dort gar nicht bemerkt und jetzt schlief wohl noch alles. Es war ja auch Wochenende.
Wir wollten uns einen schönen Platz zum Frühstücken suchen und fuhren los.
Wo war heute eigentlich die Sonne
Alles doch rechts grau und diesig.
Kaum hatten wir uns wenige Kilometer von der Küste entfernt, fanden wir eine ganz andere Landschaft vor. Nur noch wenig Wald, in erster Linie Felder und Wiesen.
Wo war unser Frühstücksplatz
Sollte es etwa heute nicht richtig laufen?
Diesmal nicht falsch abgebogen, sondern geradeaus gefahren, wo wir hätten abbiegen müssen.
So lernten wir Paisley kennen.
Dieser Ort hatte wirklich schon bessere Tage gesehen. Die rotbraunen, einstöckigen Ziegelhäuser strahlten nicht gerade Wohlstand aus. Welch Unterschied zu Southampton.
Ich drehte bei der nächsten Gelegenheit unser WoMo um.
Die meisten Geschäfte in der „Hauptstraße“ standen leer. Doch neben einem angestaubten Antiquitätengeschäft strahlte ein Laden frisch geweißt:
„Popeye’s Diner“. Die Suche nach einem Frühstücksplatz hatte sich soeben erledigt; wir würden heute „aushäusig“ frühstücken.
Der Laden war gut besucht. Doch von außen sahen wir, dass zumindest noch ein Tisch, quasi im ehemaligen Schaufenster, noch frei war.
Als wir eintraten verstummten schlagartig alle Gespräche. Wie im typischen Wild-West-Film. Die Zeitungen wurden gesenkt. Alle, aber auch wirklich alle, Augen starrten uns an.
„Wie, Fremde in unserer Stadt.“, das war mit Sicherheit der Gedanke der hier Versammelten.
Als wir nett gegrüßt und uns an den einzigen freien Tisch gesetzt hatten, war die Aufregung vorbei und man widmete sich wieder seinen Gesprächen oder der Zeitung.
Wir bestellten üppig und wären hinterher fast geplatzt.
Für 4 Pötte Kaffee, Spiegeleier mit Speck, Toast und gebackenen Bohnen, 3 Pancakes mit 3 Würstchen und Ahornsirup bezahlten wir 12,- Can$ incl. Taxe und Tip (= ca. 8,- EURO).
Es war super köstlich und höchst orginell und deswegen werden wir Paisley nie vergessen.
Über den Highway 10 steuerten wir unser nächstes Ziel an. Unsere „Schwesterstadt“
Die Ortseingangsschilder sind ja in Canada eher unscheinbar, doch diese Wand riss alles raus.
Einige Wochen später brachte unsere Tageszeitung in Hannover einen Bericht über die „Han(n)over“ in aller Welt, da hatten sie ein Foto genau von dieser Wand dabei. Und witziger weise war genau das gleiche Auto drauf. Es gehört einem Drugstore, der in dem Haus untergebracht ist, und parkt immer dort.
„THE PLACE TO BE…“, na, ja.
Besonderen Charme hatte die Stadt nun wirklich nicht, wenn man mal von dem Park am Ortseingang absah. Der war wirklich spitze, mit festen Grillgeräten und vielen Sitzmöglichkeiten.
Aber man leistete sich eine eigene Polizei.
Wir hatten uns ja auf den Besuch vorbereitet und ich hatte einige Prospekte / Flyer eingepackt.
Als der Polizeiwagen bei Rot an einer Ampel hielt und ich ihn fotografiert hatte, ging ich anschließend hin und bedankte mich für das Foto. Und dann gab ich dem Beifahrer, mit der Bemerkung, „An Information from the real Hannover.“, eine Werbebroschüre in der auf die Fußball-WM 2006 hingewiesen wurde.
Weil die Ampel umsprang musste der Wagen weiterfahren. Aus der Entfernung sahen wir aber noch, wie der Beifahrer wild gestikulierend dem Fahrer die Broschüre zeigte.
Es hatte angefangen leicht zu regnen und wir wollten weiter.
Die „Rentner-Gang“ in Southampton hatte uns doch gestern etwas von einem „Farmers Market“ erzählt. Sollte der nun in Elmira oder in St. Jacobs sein?
Egal, wir würden ihn schon finden. War ja auch nicht weit auseinander.
Aus unserem Reiseführer wussten wir, dass es sich Mennonitengemeinden handelt. Hier war die Pferdekutsche noch ein wichtiges (für die Mennoniten sogar einziges) Verkerhsmittel.
Wir waren gespannt, wann wir die ersten sehen würden.
Natürlich immer, wenn man überhaupt nicht damit rechnet.
Wir hatte gerade mal Hanover einige Kilometer hinter uns gelassen, als uns diese entgegenkam.
Einfach ein bizarres Bild. Sie fahren in aller Ruhe neben der Straße. Zum Teil haben sie auch eigen Fahrspuren.
Wir waren neugierig, ob wir auf dem Bauernmarkt noch weitere sehen würden.
In Elmira fanden wir einige kümmerliche Stände. Fast alles Mennoniten, die bereits am einpacken waren. Das heißt, die Frauen waren am rackern und die Männer holten die Pferde. Die hatten da schon ihr eigenes Rollenverständnis.
Die Männer trugen Strohhüte, weiße Hemden und schwarzen Anzug oder schwarze Hose und gleiche Weste.
Die Frauen hatten Häubchen auf und trugen lange, dunkle Kleider. Einige hatten auch bunte Kleider an – aber lang – und nur leichte Häubchen auf. Wahrscheinlich die liberalere Fraktion.
Das konnte doch nicht der angepriesene Bauernmarkt gewesen sein. Dann sollte der wohl doch in St. Jacobs sein.
Als wir dann in den Ort einfuhren, wurden mal wieder alle unsere Erwartungen übertroffen. Aber gründlich.
Rummel!
Die kleine Hauptstraße war voll. Voll von Fahrzeugen und Menschen.
Beidseitig reihte sich ein Geschäft an das andere. Immer schön unterbrochen von Restaurants jeder Klasse (nur keine Fast-Food-Ketten).
So etwas hatten wir ja nun nicht erwartet. Wir mussten erst mal mühsam einen Parkplatz suchen. Inzwischen war auch wieder die Sonne draußen und das Wetter war so, wie wir es von den letzten Tagen gewohnt waren.
Wir machten uns daran, den Trubel zu erkunden.
Die Geschäfte boten alles, was man sich nur denken kann. Vom typischen Kanada-Kitsch bis zu mennonitischen Handarbeiten. Zum Beispiel Puppen, die aussahen wie kleine Kinder, die sich schämten. Angezogen mit handgearbeiteter Kleidung.
Die Geschäfte waren zum Teil so versteckt, das man sie nur durch Zufall fand. Alles was in der Nähe der Hauptstraße lag, war um- oder ausgebaut worden. Scheunen, eine große Mühle, kleine Fabrikationsstätten usw. Einfach unglaublich. Zum Teil war ein irrer Aufwand betrieben worden. Viel war klimatisiert (was bei der inzwischen aufgekommenen Wärme ganz willkommen war) und ein Zentrum war größtenteils unterirdisch angelegt.
Hier konnte man sich z.B. auch mit Weihnachtsartikeln(!) eindecken.
Es gab aber nicht nur Nepp und wir waren froh, dass unsere Gepäckmenge im Flieger begrenzt war.
Trotzdem wurde einem Country-Sänger, der vor einem Lokal sang und sich auf der Gitarre begleitete
(und zwar sehr gut), schnell noch eine CD abgekauft. Schade, dass man hier nur Bilder und kein Ton einstellen kann (oder doch???).
Wir fanden einen schattigen Platz vor einem der Restaurants und besprachen bei einem kühlen Drink
unser weiteres Vorgehen.
Diese Nacht mussten wir auf einen Campground, denn unser Wagen brauchte eine Entsorgung. Die Entscheidung fiel auf einen Platz in der Zwillingsstadt Waterloo – Kitchener, angeblich der deutschesten Stadt Canadas. Nicht deswegen, sonder trotzdem.
Kitchener hieß übrigens früher mal Berlin.
Wenn man sich die Karte betrachtete, dann hätten wir auch eine europäische Rundreise machen können. In nur einer Stunde mit dem Auto hätten wir die folgenden Orte besuchen können:
Breslau, Cambridge, Mannheim, Petersburg, Baden, New Hamburg, London, Rostock, Bamberg, Heidelberg, Paris, Oxford und und und…
Der Campground war in Ordnung. Natürlich nicht mehr so großzügig wie die bisherigen, aber das war ja auch kein Wunder. Wir befanden uns ja hier am Rand einer größeren Stadt.
Schräg gegenüber stand das Spiegelbild unseres Wohnmobils. Ebenfalls von „Cruise Canada“.
In der Nähe der Rezeption hatten wir schon deutsche Stimmen gehört. Vielleicht gehörte die deutsche Familie ja zu diesem Wagen. Als wir unser Feuer entfachten, bemerkten wir, dass wir richtig vermutet hatten. Es waren tatsächlich Deutsche, die zu dem Wagen gehörten, nur keine Familie, sondern drei Frau, alle so Anfang 30.
Etwas später kam eine mit resolutem Schritt rüber (ich dachte schon, sie wollte sich über den Rauch unseres Feuers beschweren) und wollte wissen, ob wir die Axt gekauft oder gemietet(?) hätten.
Ich bot sie ihr zum Kauf an, weil wir sie nicht mehr benötigen würden.
Sie erzählten (die anderen beiden waren noch dazu gekommen), dass sie erst am Anfang ihrer Tour wären. Was sie vor sich hatten war das, was wir bereits hinter uns hatten. So konnten wir ihnen noch einige Tipps geben.
Fortsetzung folgt