30.12.2022Die Nacht im "Suites" Motel ist unruhig. Auf den Fluren wird viel umhergelaufen, gegen 1:00 (ok, in Wahrheit ja 0:00
) höre ich teilweise noch Musik aus den anderen Zimmern.
Ich bin kurz davor, mich zu beschweren...
Irgendwann rüttelt es dann auch an meiner Tür und jemand will eintreten. Gut, dass ich die Kette vorgehängt habe, sonst hätte tatsächlich eine fremde Person im Zimmer gestanden, denn aus mir unerklärlichen Gründen konnte die Person die Tür öffnen. Wer weiß, wie viele Codes da gültig sind. Naja, nach einiger Zeit wird es dann aber auch in Juarez ruhiger und ich finde etwas Schlaf. Durch das fehlende Fenster hat man auch überhaupt kein Zeitgefühl.
Gegen 6:30 (meiner gefühlten Zeit) stehe ich auf, mache mich fertig und verlasse das Hotel. Eine Bedienstete folgt mir noch bis vor die Tür und fragt mich, ob ich abreise - Die brauchen wahrscheinlich das Zimmer schnell
Es ist noch stockdunkel, kaum jemand ist unterwegs. Es hat geregnet bzw. tröpfelt sogar ein wenig. Ein paar Fotos mache ich nun in der Umgebung des Hotels.
Da ich leidenschaftlicher Starbucks-City Mug-Sammler bin (ich dürfte schon um die 70 Stück haben), muss noch eine Tasse aus Mexiko her. Starbucks hat allerdings im Zentrum keine Filiale, sondern etwas weiter entfernt in der Nähe der Rio Grande Shopping Mall einige Kilometer östlich. Glücklicherweise gibt es Uber in Juarez, denn zu Fuß oder mit anderen Öffis begebe ich mich bestimmt nicht dort hin.
Das Uber ist schnell bestellt und die nette Fahrerin fährt mich durch die Straßen von Juarez... als ich die sehe, weiß ich, warum ich da sicherlich keine Spaziergänge machen wollte. Sowas Heruntergekommenes habe ich noch nie gesehen, man fährt durch die reinsten Ghettos, die an das PC-Spiel GTA erinnern. Als wir die Umgebung der Shopping Mall erreichen, ändert sich das Stadtbild wieder etwas zum Besseren und es wirkt wie eine typisch US-amerikanische Ausfallstraße mit Kettenrestaurants und -geschäften. Es gibt neben einigen mexikanischen Ketten natürlich Mc Donald's, Wal-Mart, BurgerKing, Applebee's - und natürlich auch Starbucks, der - zu meiner Überraschung - gerade erst aufgemacht hat.
Die Gegend kommt mir sicher vor und man fühlt sich glatt heimisch - wie in den USA eben
Nun hoffe ich, dass der Starbucks auch die Tassen im Angebot hat - das wäre jetzt echt schade, doch ich habe Glück: Es gibt "México" und "Chihuahua". Dazu gibts dann noch einen Kaffee und schnell bin ich mal eben 750 Pesos los, was natürlich viel für Mexiko ist. Die Tassen allein kosten 330 Pesos das Stück (fast 17 Euro), ein paar Euro mehr als in den USA oder auch in Europa (In Istanbul hab ich 2022 für eine City Mug umgerechnet 5 Euro bezahlt).
Auf dem Starbucks-Beleg wird auch eine Uhrzeit angegeben und ich wundere mich, wieso da was von 6: nochwas steht. So langsam wird mir klar, dass ich seit gestern Nachmittag in der falschen Zeit lebe und ich heute Morgen schon kurz nach 5 losgegangen bin
Für meine Mutter soll ich spezielles Kosmetik-Puder besorgen, das ich ihr 2018 schon aus Mexiko mitgebracht habe. Ich schaue nun im nahegelegenen Wal-Mart, der exakt so aussieht wie in den USA, werde aber leider nicht fündig. Auch zum Frühstücken finde ich hier nichts, sodass ich mich nochmal auf den "Strip" begebe. Vieles hat geschlossen, aber mit Mc Donald's kann man nichts falsch machen. Hier bestelle ich mir ein mexikanisches Frühstück, was durchaus schmackhaft und noch dazu günstig ist (für Mc Donald's-Verhhältnisse). Mich interessieren ja ohnehin auch internationale Ketten in anderen Ländern.
Da es hier außer Kettenrestaurants nicht viel Weiteres zu sehen gibt, soll mein nächstes Ziel der Plaza de la Mexicanidad sein. Dieser ist auch vom Scenic Drive in El Paso sichbar. Dafür bestelle ich mir wieder ein Uber, das wirklich sehr günstig in Juarez ist. Für nicht einmal fünf Euro fährt mich ein netter Mexikaner zum Platz und gibt mir auch noch ein paar Tipps für meinen Aufenthalt in Juarez.
Es ist nicht viel los, aber das "Monument to the Mexican People" ist schon ziemlich beeindruckend; auch tagsüber. Rundherum stehen Karussells, die schon etwas historisch für westliche Gewohnheiten wirken, aber wohl noch regelmäßig in Betrieb sind.
Positiv an dieser Ecke von Juarez ist, dass ich nun wieder volles US-amerikanisches Netz und somit Internet habe und weiterrecherchieren kann, was ich mir anschaue. Es geht erstmal Richtung Rio Grande. Ich finde es hier einfach beeindruckend, wie man die nur einen Katzensprung entfernten US-Freeways von El Paso mit den entsprechenden Schildern sehen kann und man sich selbst in einer ziemlich abgeriegelten Zone befindet. Wie viele Menschen werden niemals legal auf die andere Seite kommen, obwohl es alles so nah ist?
Als Nächstes möchte ich zum "Monumento a Juárez", der Weg ist aber etwas beschwerlich. Ich bewege mich über diverse Firmengelände, wo auch ziemlich viel Müll und Dreck herumliegt langsam aber sicher dort hin. Irgendwann komme ich dann auch an der "Puente Internacional de las Américas" vorbei, einem weiteren Grenzübergang, aber rüber in die USA will ich hier noch nicht. Das Denkmal von Benito Juarez befindet sich dann am Rande eines Parks. Auch hier sind nicht viele Menschen unterwegs und die Stimmung wird komisch, als ich an den ganzen Autoschlangen, die am Grenzübergang warten, vorbei bin.
Nach einem Rundgang um das Denkmal schaue ich mich ein wenig weiter im Park um. Gepflegt ist dieser nicht gerade. Von weitem höre ich Schüsse - gehe ich zumindest davon aus. So langsam wird es mir wirklich etwas mulmig und irgendwie reicht es mir auch. Auch liegt ein merkwürdiger Geruch in der Luft. Trotz Bedenken lege ich den Weg zum Grenzübergang zu Fuß zurück, noch ein wenig durch den "Parque Público Federal El Chamizal", dann entlang eines Wohngebietes an der "Calle Ing. David Herrera", das wirklich alles andere als vertrauenserweckend aussieht. Vor einem vergitterten Haus steht ein altes Auto, ein "Drogendealer" (zumindest so stelle ich sie mir vor
), geht gerade hinein... GTA in Real Life! Immer wieder mache ich einige Fotos, fühle mich aber nicht so ganz sicher. Ich möchte nun wirklich wieder zurück in die USA, doch die Brücke (Paso del Norte) ist noch ca. 2 km entfernt. Auf der Straße sind wieder große Pfützen und ich warte immer ein wenig den Verkehr ab, dass mich keiner auf dem Fußweg vollspritzt.
In unmittelbarer Nähe des Grenzübergangs treffe ich dann auf dieses Flugzeug:
Nun möchte ich noch meine letzten Pesos loswerden. Als ich die Av. Benito Juarez erreiche, kaufe ich mir für 20 Pesos noch eine Flasche Wasser... ein Fehler. Als ich nämlich an den Eingang zur Brücke komme, erwartet mich eine Bezahlstation und einige Mexikaner, die dort als Geldwechsler fungieren. Man kommt da nur mit Quarters und Dimes durch (35 US-Cent). Da ich nun mein letztes Bargeld in dem Shop gelassen habe, weiß ich in dem Moment gar nicht, was ich machen soll, denn US-Bargeld habe ich auch nicht mehr und jetzt wegen 35 Cent in Mexiko was abheben gehen?. Ich sage zu dem Mexikaner, dass ich gestern umsonst rüber konnte und ich nicht damit gerechnet habe, dass es jetzt was kostet. Er spendiert mir dann die 35 Cent und lässt mich ziehen. Ich soll ihn dann das nächste mal bezahlen... Mir ist die Sache noch heute unangenehm und ich hätte ihm gerne die 20 Pesos gegeben. Man lernt nie aus, so ganz bargeldlos geht es in Mexiko dann leider nicht.
Kurze Zeit später stehe ich auch schon in einer längeren Schlange, natürlich ganz anders als auf dem Hinweg. Es geht nur träge voran, währenddessen bestaune ich aber immer wieder die Grenzanlagen. An der exakten Grenzmarkierung stehen mexikanische Beamte und checken, ob wir ausreichende Papiere für die USA haben. Auf US-Seite angekommen, werden gerade Mexikaner an der Schlange vorbei zurück in ihr Land geführt...
Nach etwa einer 3/4 Stunde komme ich dann auch ins Gebäude der Customs and Border Protection. Hier sieht es aus wie am Flughafen. Auch hier ist nochmal einige Zeit Warten angesagt. Es gibt eigentlich überhaupt keine westlichen Touristen, die mit mir dort anstehen, aber Juarez ist wohl auch nicht das attraktivste Ziel.
Als ich dann dran bin, kommt natürlich die typische Frage, was ich in Mexiko gemacht habe. Ich denke mir, dass "Tasting Mexican Food" eine gute Antwort sei, und das stimmt auch so. IO: "Is it your favorite food?". Ich sage mal "ja"...obwohl das eigentlich nicht stimmt. Nach einem Röntgen meines Rucksacks bin ich dann auch wieder in Texas. Der Unterschied zu Mexiko ist hier noch minimal...