Danke für das Lob, Leute! Ich bin unheimlich froh, dass ihr so begeistert seid von unserer speziellen Reise
Tag 11, 29.5. Wir wachten in unserem Motel in Dodge City auf und bereiteten nach dem gratis hot breakfast die Abreise vor. Bevor wir heute wieder Gewitter jagten, wollten wir erst einmal die Stadt anschauen, die als Inbegriff von Westernstadt gilt. Als erstes fuhren wir zum Boot Hill Museum, in dem die alte Westernstadt-Main Street nachgebildet war. Es erschien uns jedoch zu teuer und zu disney-haft, so dass wir weiter in die echte historische Innenstadt fuhren. Vorher schauten wir jedoch noch eine alte Eisenbahnlok auf dem Parkplatz an, toll für Heiko als Eisenbahnfan.
Dort waren die Häuser tatsächlich im typischen Westernstil mit solchen schwingenden Ladentüren und einem mit Holz überdachten Bürgersteig erhalten (oder nachgebaut
).
Wir liefen etwas herum, besonders lebendig erschien uns die Gegend aber nicht, und sobald man sich einen Block von dieser Main Street entfernte, sah die Stadt aus wie jede andere amerikanische Kleinstadt. Wir kamen jedoch noch an einer Statue von Longhorn Cattle, den typischen Rindern, einem Schild über die Geschichte der Stadt und einem Denkmal von Wyatt Earp, dem berühmten Sheriff von Dodge City, vorbei.
Dodge City lag einst entlang des Santa Fe Trails, einer historischen Handelsroute im mittleren Westen, und um Geld zu verdienen, eröffnete jemand in dieser Gegend einen Saloon, der dann so gut ging, dass sich rundherum weitere Geschäfte ansiedelten und Brücken und Häuser gebaut wurden und schwupps hatte man eine florierende Kleinstadt. Die Geschichte meinte es weiter gut mit der Stadt, denn später lag sie am Endpunkt einer Viehtriebroute aus Texas, d.h. die Longhorn-Rinder wurden aus Texas von ihren Cowboys monatelang nach Norden getrieben, und in Dodge City auf Eisenbahnwaggons Richtung Nordosten verladen – und die Cowboys bekamen ihren Lohn für die letzten entbehrungsreichen Monate ausgezahlt.
Was taten sie also? Sie kauften sich Kleidung, Essen, Schnaps und, nunja, Frauen. Und sie schlugen dabei völlig über die Stränge – weswegen der Sheriff Wyatt Earp so berühmt geworden ist durch seinen Kampf für Recht und Ordnung.
Warum ist Dodge City nun heute so verschlafen und ausgestorben? Irgendwann schleppten die Rinder aus Texas eine Krankheit ein, die das lokale Vieh befiel, weswegen schließlich – trotz aller ökonomischen Nachteile – das Viehtreiben aus dem Süden verboten wurde. Und damit brach der wichtigste Wirtschaftszweig der Stadt weg.
Schließlich brachen wir mit dem Auto wieder auf, besuchten noch einen historischen Marker, durch den der Santa Fe Trail führte (außer Präriegras und Hügeln war dort jedoch nicht viel zu sehen), und nahmen dann die Gewitterverfolgung auf. Für heute war eine recht gute Gewitterlage vorhergesagt und als unseren Standort hatten wir uns vorläufig Woodward in Oklahoma ausgesucht.
Wir fuhren zunächst Richtung Süden, und noch während wir nach Oklahoma unterwegs waren, entstanden überall kleinere Gewitter und Schauer.
Dieser Anblick gefiel uns nicht besonders, da diese Gewitterchen sich gegenseitig die Energie klauten und das Erhitzen des Bodens durch die Sonne, für Schwergewitterentstehung enorm wichtig, einschränkten.
Das wurde dann später auch vom SPC (dem Gewittervorhersagezentrum) bestätigt, die in einem Update die Lage etwas herabstuften, da die berechnete Erhitzung des Bodens so nicht eingetreten war. Wir hängten uns hier und da mal an eines der Gewitter heran, bekamen aber meist nur etwas Regen und ein paar müde Blitze ab und waren schon sehr enttäuscht, da auf dem Satellitenbild jetzt eine großflächige linienartige Auslöse über mehrere Bundesstaaten hinweg zu erkennen war – in der Regel ein gutes Zeichen dafür, „dass es das schon war“.
Letztlich sahen wir in der Texas Panhandle, also ein ziemliches Stück westlich von uns, jedoch noch die Auslöse einer nachlaufenden soliden Linie, die mehrere Tornado- und Schwergewitterwarnungen bekam. Um hinzufahren, waren wir jedoch zu weit weg, und so entschieden wir uns, lieber noch in Oklahoma zu bleiben und unser Glück zu versuchen. Bald löste es um uns herum doch noch recht explosiv aus, was uns noch Hoffnung verschaffte. Als wir versuchten, diese entstandenen Gewitter zu verfolgen, stellten wir jedoch fest, dass diese Zellen auch sehr schnell eingingen – und außerdem viel zu schnell zogen, um sie richtig zu verfolgen.
Enttäuscht wandten wir uns nun also doch der Squallline, der Gewitterlinie, zu, die mittlerweile im Begriff war, nach Oklahoma reinzuziehen.
Es wurde sehr schnell dunkelblau am Horizont und wir postierten uns auf einem Hügel, um sie auf uns zurollen zu lassen und eventuell eine schöne Böenfront mitzunehmen.
Interessanterweise wurden die Entwicklungen jetzt gegen Abend überall immer stärker, also war die Lage nicht grundsätzlich gefloppt, sondern hatte sich offenbar nur zeitlich nach hinten verschoben. Als die Linie also jetzt auf uns zurollte, gab es zwar keine tollen Wolkenstrukturen, aber dafür einen rabenschwarzen Niederschlagsvorhang, der genau auf uns zukam. Normalerweise lässt man sich ja als Gewitterjäger nicht vom Niederschlag überrollen, wenn man es vermeiden kann, doch hier konnten wir auf dem Regenradar genau sehen, dass kein allzu starker Niederschlag von der alternden Gewitterlinie mehr zu erwarten waren, also war es recht ungefährlich.
Es ging also los – zunächst frischte der Wind enorm auf, Böen schüttelten das Auto durch, dann platschten die ersten riesigen Regentropfen auf die Windschutzscheibe – und dann begann es zu hageln. Hagel?! Intensiviert sich die Zelle jetzt!?
Heiko wendete das Auto, damit eventueller Großhagel zuerst die Heck- und nicht die Windschutzscheibe beschädigen würde, und ich checkte das aktuelle Radarbild: Bingo. Ein Bow Echo. Das ist eine plötzliche und unvorhersehbare Intensivierung eines Gewitters mit starken Winden und Niederschlag, bei der das Radarbild einer Gewitterlinie plötzlich aussieht wie ein Bogen oder ein Komma, eine ziemlich gefährliche Situation um mitten im Niederschlagskern zu stehen.
Also fuhren wir los, nachdem das Gröbste überstanden war, zurück in die Richtung aus der wir gekommen waren und damit quasi dem stärksten Niederschlag hinterher – überall lag bereits Hagel am Straßenrand, ca. mit der Größe von Kirschen, und kleinere Äste waren abgeschlagen. Schließlich waren wir aus der Gefahr wieder heraus und es regnete nur noch. Wir hielten unterwegs noch an einem Tornado-Memorial in einer Kleinstadt an und überlegten dann, was wir als nächstes machen, denn der Tag war noch nicht vorbei.
Schließlich setzten wir uns wieder vor die Gewitterlinie und beobachteten, wie sie langsam an uns vorbei nach Nordosten zog. Dabei hatten wir einen tollen Blick auf eine Böenfront, den dunklen Niederschlagskern und immer wieder großartige Wolke-Erde-Blitze. Regelmäßig checkten wir das Radarbild und stellten irgendwann fest, dass die südlichste Zelle (die oftmals die stärkste und tornadogefährlichste ist) der Linie eine dreiviertel Stunde vor Sonnenuntergang tornadobewarnt wurde. Wir machten uns also mit einem Affentempo auf den Weg nach Süden und erreichten im letzten Licht und bei heulenden Tornadosirenen im Örtchen Cordell das Gewitter, das jedoch höchstwahrscheinlich zu diesem Zeitpunkt nicht mehr tornadisch war, jedoch in einem unheimlichen, rötlichen Abendlicht angestrahlt wurde und heftig blitzte.
Außer uns waren auch viele andere Storm Chaser dort und wir beobachteten das Gewitter noch bis in die völlige Dunkelheit.
Schließlich schauten wir mal auf die Uhr – oh oh, halb 10 abends schon. Obwohl die Jagd gegen Mittag schon fast wie beendet ausgesehen hatte, war sie jetzt doch viel länger als erwartet gegangen. Wir suchten uns im Internet ein Zimmer in einer Econo Lodge an der Interstate in Clinton heraus und fuhren hin. Während der gesamten Fahrt begleiteten uns unglaublich starke Stroboskopblitze, mit einer Frequenz von 2-3 Blitzen pro Sekunde (!).
Der Himmel war permanent weiß-lila erleuchtet und wir waren völlig fasziniert. Schließlich checkten wir im Motel ein, das gerammelt voll mit anderen Storm Chasern war, und schliefen schnell erschöpft ein.
Gefahrene Meilen: 260 Meilen