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Autor Thema: Our Great American Journey (auch “The No Sleep Tour”) - 6 Wochen + Tornadojagd  (Gelesen 47874 mal)

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Lupine

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Ups, habe wieder die gefahrenen Meilen vergessen: am Tag 8 waren es 130 Meilen.
Liebe Grüße,
Rike


sil1969

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Ups, habe wieder die gefahrenen Meilen vergessen: am Tag 8 waren es 130 Meilen.

Das waren aber wenige für eure Verhältnisse!  :zwinker:

Konntet ihr die Golfbälle und Baseballs auch einsetzen als Vergleich? Bekommen wir das noch zu sehen?
LG Silvia

Lupine

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Ja, das sind wenige Meilen für uns  :lol: Allerdings war ich beim Nachgucken eben sehr überrascht, wie viele es doch waren. In meiner Erinnerung sind wir irgendwie nur 20 Meilen gefahren oder so, aber Google Maps lügt nicht! Da haben wir uns in den Tagen davor wohl so sehr ans Fahren gewöhnt, dass diese 130 retrospektiv total wenig schienen.

Leider (oder zum Glück für unsere Windschutzscheibe) haben wir solch großen Hagel auf dieser Reise nicht live erlebt. Quartergröße maximal. Aber wir waren öfters in der Nähe von tennisballgroßem Hagel, haben ihn aber nicht gesehen oder auf den Kopf bekommen...  :lol:
Liebe Grüße,
Rike


Lupine

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Tag 9, 27.5.

Nach dem Frühstück packten wir das Auto, frühstückten und prüften die Wettermodelle am Computer. Es schien an zwei Stellen gute Gewitterbedingungen zu geben: einerseits im Osten Colorados und andererseits im Zielgebiet, das wir auch schon gestern angefahren hatten, nämlich im nördlichen mittleren Kansas. Wir entschieden uns dann für den Bereich in Kansas, was sich bald bestätigte, denn das SPC (Storm Prediction Center – Gewittervorhersagezentrum) hatte für den von uns ausgewählten Bereich ein „moderate“-Risiko für Schwergewitter herausgegeben, die zweithöchste Stufe.





 Wir fuhren auf der Interstate Richtung Osten und fuhren zunächst zum Wilson Lake, der in wunderschöner hügeliger Graslandschaft gelegen war.



 Es war wieder ein Stausee, wie fast alle Seen hier, doch dieses Mal sah er richtig schön aus – türkis-hell-himmelblau und ohne tote Bäume.



Das Wetter war heute jedoch nicht erträglicher als am anderen See, wieder heiß, feucht, und mit „Süddüse“, also starkem Südwind. Es waren lauter Boote und Jetskis unterwegs und überall waren Picknick Areas angelegt. Wir suchten uns eine aus, hielten an und gingen zum Ufer, hielten die Füße ins Wasser, wollten aber nicht baden gehen, da der See irgendwie etwas stank.



Das Ufer war mit interessanten Steinen übersät, die scheinbar metallische Einschlüsse im Fels waren.



Schließlich fuhren wir noch zu einem Aussichtspunkt auf den See, sehr hübsch, und beschossen uns mit unseren Walmart-Wasserpistolen.

Heute war übrigens Memorial Day, ein Feiertag in den USA, an dem den Veteranen und Kriegsopfern gedacht wird. Deswegen waren alle Friedhöfe, an denen wir vorbeikamen, überbordend (noch mehr als sonst) mit US-Flaggen geschmückt.

Dann machten wir uns weiter auf den Weg ins Gewitter-Zielgebiet für heute, wir fuhren also auf der Straße noch etwas weiter nach Osten und stellten uns dann auf einen Hügel mit fast 360-Grad-Rundumblick, so dass wir eventuell entstehende Gewitter sofort entdecken würden. Wir vertrieben uns die Zeit mit essen und Seifenblasen fliegen lassen. Und Gewitter waren zur berechneten Auslösezeit um 16 Uhr immer noch nicht am Horizont zu sehen, wir wurden langsam nervös. Noch eine geplatzte Lage? Wir entschieden uns, das Auto zu wenden und zurück zu fahren, und sobald wir über den Hügel kamen entdeckten wir dort auch große Cumuluswolken… genau an dem Bereich des Horizonts, den wir nicht hatten überblicken können.  :roll:



Über Nebraska, also ca. 100 km nördlich von uns, standen schon zwei dicke Superzellen, die bereits bewarnt wurden. Da das ganze an einer Luftmassengrenze auslöste, die quer über Nebraska und Kansas lag, war davon auszugehen, dass es an einer Linie auch bald bei uns auslösen würde. Als wir dann einen großen Aufwindschlot vor uns sehen konnten, hängten wir uns an diese werdende Gewitterzelle heran und verfolgten sie in der Hoffnung, dass sie genauso stark wie die Nebraska-Zelle werden würde.





Plötzlich wussten wir auch, dass wir im richtigen Gebiet unterwegs waren – Horden von Stormchasern waren um uns herum unterwegs, so auch Reed Timmer in seinem gepanzerten Tornadomobil, als wären sie gerade aus ihren Löchern gekrochen.



„Unsere“ Gewitterzelle machte sich immer besser und bildete bald eine solide Wolkenbasis aus, die dann auch schnell Wallcloud-verdächtig aussah (eine Wallcloud ist eine rotierende Wolkenabsenkung an der Gewitterbasis, aus der ggf. Tornados herauskommen können).



Wir verfolgten das schöne Gewitter, das nur sehr wenig Niederschlag abwarf, und standen an einem Beobachtungspunkt, wo links ein weiteres Gewitter mit einer Wallcloud auf uns zuzog und rechts von uns das rabenschwarze HP-Monster blitzintensiv vorbeizog. Eine HP-Superzelle ist ein rotierendes Gewitter, was „high precipitation“ hat, also eine hohe Niederschlagsrate, viel Hagel und Regen.





Leider macht genau diese HP-Zelle „unserem“ Gewitter bald den Garaus, denn sie war sehr dominant und saugte die ganze gute, feucht-heiße Luft ab. (Es hätte übrigens auch andersherum laufen können, das neue Gewitter hätte dem alten die Luft abgraben können und dann wären wir an der richtigen Zelle dran gewesen.) Daher mussten wir die Strategie wechseln und uns von unserer eingehenden Zelle verabschieden. Wir entschieden uns, jetzt doch die HP-Zelle anzufahren, auch wenn wir sicher keine schönen Wolkenstrukturen an der Basis sehen würden, da diese vermutlich völlig vom Regen eingehüllt sein würde.





Wir fuhren gar nicht besonders weit nach Norden, da zogen vor uns schon dicke Hagel- und Regenvorhänge an uns vorbei und verboten uns die Weiterfahrt. Wir beobachteten aus sicherer Entfernung das Spektakel mit Blitzen am dunkelblauen Horizont.









 Schließlich zog das Gewitter dann an uns vorbei und wurde von der hinter unserem Rücken untergehenden Sonne in den schönsten Rottönen angeleuchtet, besonders die Mammatuswolken am Amboss (dem oberen Teil) des Gewitters.







Im allerletzten Tageslicht und bei heftigen Blitzen um uns herum fuhren wir noch den Marker in Lebanon, Kansas, an, der den geographischen Mittelpunkt der 48 zusammenhängenden Festlandstaaten der USA anzeigt.



Dort machten wir im Licht der Autoscheinwerfer ein Foto von uns, fühlten uns toll  :lol: , und fuhren dann erschöpft zurück nach Hays, da wir die Stadt mittlerweile als komfortablen Aussichtspunkt auch für die morgige Lage auserkoren hatten.

Wir buchten unterwegs wieder das gleiche Motel, das wir von der letzten Nacht schon kannten (und der Typ an der Rezeption erkannte uns wieder). Abends aßen wir nur noch Mango und schliefen erledigt ein.   :knockout:

Gefahrene Meilen: ca. 160 Meilen

Liebe Grüße,
Rike


sil1969

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Sieht ja schon ganz schön bedrohlich aus... :staunend:

Aber die letzteren Fotos, z.B. das mit dem Stopp-Schild, sehen toll aus!
LG Silvia

Heike & Heimo

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Plötzlich wussten wir auch, dass wir im richtigen Gebiet unterwegs waren – Horden von Stormchasern waren um uns herum unterwegs, so auch Reed Timmer in seinem gepanzerten Tornadomobil, als wären sie gerade aus ihren Löchern gekrochen.



Schön, dass es nun ernst wird und euch das Jagdglück hold war. Ich soll euch von meinem Sohn Florian ausrichten, dass es sich bei dem gepanzerten Wagen um Sean Casey Fahrzeug handelt.


Besonders gefallen hat ihm dieses Bild:



Der Meinung bin ich. Auch das Bild mit der Wallcloud ohne Niederschlag gefällt mir sehr. Die Strukturen sind sehr schön zu sehen.

Gut finde ich, das ihr vorsichtig unterwegs seit. Wie gefährlich die Tornadojagd ist, hat der heutige Sommer bewiesen, als im Mai Tim Samaras und sein Sohn bei der Jagd starben. Samaras war immerhin ein Profi und von den Dreien aus Verrückt nach Tornados der vorsichtigste. Zumindest kam das so herüber.

Wir sind schon gespannt und freuen uns auf den nächsten Tag.
"Of all the books in the world, the best stories are found between the pages of a passport."

Lupine

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Sil, danke für das Lob! Und Heimo: danke für den Hinweis mit dem Chasingmobil. Wir dachten es sei Reed Timmers, aber ich hab's jetzt nochmal gegoogelt: die sehen zwar ähnlich aus, aber das hier ist tatsächlich Seans. Mensch, da kennt sich dein Sohn ja aus ;) Ihr beiden werdet bei den nächsten Tagen auch noch Spaß haben, es kommen noch einige Chasingtage. Wir sind aber wirklich vorsichtig unterwegs, das ist auch wichtig, ansonsten ist das ein zu gefährliches Hobby. Man muss eben immer den Respekt vor den Naturgewalten behalten.
Und was den tragischen Tod von Samaras und seinen Chasingkollegen angeht... dazu kommen wir hier im Rb auch noch.

Sorry, dass ich übers Wochenende nichts gepostet habe, aber da werkeln Heiko und ich im Moment immer an seiner Küche und da bleibt wenig Zeit fürs Internet. Dafür poste ich morgen gleich noch einmal, versprochen! Und jetzt gleich ein weiterer Tag:

Tag 10, 28.5.

Nach dem Frühstück und Packen entschlossen wir uns, in das einzige Museum in Hays zu fahren, so eine Art Heimatmuseum mit halb-berühmten Fossilien, da es vormittags ja sowieso noch keine Gewitter gibt. Der Parkplatz war unerwartet voll, denn wir dachten eigentlich, wir würden wohl die einzigen Besucher sein – doch dann stellten wir fest, dass alle regionale Kennzeichen hatten, also nur Mitarbeiter auf dem Parkplatz standen. Also doch die einzigen Besucher.  :hand:

Die nette Oma am Einlass verkaufte uns Tickets und erklärte uns voller Freude den ganzen Plan des Museums, offenbar war sie so glücklich, dass endlich mal jemand vorbeikommt. Als erstes gingen wir zur Klapperschlangenausstellung, wo man nicht nur erfuhr, dass es 33 verschiedene Arten auf dem nordamerikanischen Kontinent gibt (daher auch in wesentlich mehr Gegenden als wir erwartet hatten, z.B. auch im Nordosten der USA! – die sind dann allerdings weniger giftig), sondern auch lebendige Klapperschlangen in Terrarien anschauen konnte. Einige schliefen, andere verfolgten uns mit aufmerksamen Blicken, und es war sehr interessant, sie dabei zu beobachten, wie sie ihre Zunge herausstrecken oder mit dem Hinterteil klapperten.



Dann gingen wir in den zweiten großen Teil des Museums, den mit Fossilien. Dort war das bekannteste Artefakt ein „Fish within a Fish“, ein Fossil von einem großen Fisch, der einen kleineren Fisch in sich hatte und wohl weltweit einzigartig sein soll. Er wurde von einem Archäologen aus Kansas entdeckt und ist die Hauptattraktion des Museums.



Ein bisschen bizarr, aus „x within y“ wurde im Laufe der Reise ein Running Gag.  :doesig: Kansas soll aber auch deshalb für Fossilien so gut sein, weil sich hier geologisch lange Zeit nichts verändert hat und man daher weit in der Erdgeschichte zurückschauen kann.



Sehr interessant war dann auch noch eine große Leinwand, auf der ein Künstler die verschiedenen regionalen und geschichtlichen Besonderheiten und berühmten Persönlichkeiten von Kansas auf einer Karte des Staates festgehalten hatte. Das Spannendste auf der Karte war, dass Abraham Lincoln auf einer Wahlkampftour damals in einer Kleinstadt in Kansas gesagt bekommen hatte, er solle sich doch einen Bart wachsen lassen, um seriöser zu wirken, und dies habe dann zu seinem Wahlsieg beigetragen. 

Es gab auch einige weniger interessante Bereiche des Museums, wie zum Beispiel eine Bilderwand über eine Afrikareise der Angestellten, ausgestopfte Tiere oder einen Bereich mit Plastikdinosauriern (aber der T-Rex bewegte sich und machte Geräusche!  :lol: ) in einem Wald aus eingestaubten Plastikbäumen.



Wir schlichen uns dann an der Oma im Foyer vorbei, damit sie nicht traurig war, dass wir nur eine Stunde im Museum verbracht hatten und fuhren los.  :wink:

Wir machten uns jetzt auf den Weg nach Süden, denn der Blick auf die Wetterkarten verriet uns, dass wir bis nach Südkansas in die Region von Dodge City fahren mussten, um Gewitter zu sehen. Das Land war jetzt enorm platt und man konnte ewig weit bis zum Horizont schauen; die Straße war schnurgerade und machte nur hier und da mal einen Knick, ab und zu kam ein Silo vorbei. Die Hitze lies die Luft flimmern und manchmal überholten uns Trucks. Auf dem Weg kamen wir noch an einer Überraschung vorbei: einem Dorf namens Liebenthal, komplett mit einer Kirche im europäischen Baustil („St. Josephs-Kirche“ in Stein gemeißelt an der Kirche) und entsprechenden Häusern.



Außerdem stand in einem anderen Dorf eine Mini-Freiheitsstatue.



Auf der Fahrt konnten wir nun langsam sehen, wie sich entlang der Dryline, an der es heute auslösen sollte, einzelne Quellwölkchen bilden. Bis zur berechneten Auslöse um 16 Uhr war aber noch Zeit. Dennoch stand gegen 14 Uhr plötzlich ein großer Eisschirm am Horizont in Fahrtrichtung – ist das etwa ein Amboss vom Gewitter, das wäre doch viel zu früh?!  :kratz: Doch ein Blick aufs Radarbild bewies: an der Grenze zu Oklahoma stand eine isolierte prachtvolle Gewitterzelle, während an anderen Stellen noch keine Auslöse zu sehen war.



Wir hängten uns also an diese Zelle heran, und versuchten die restlichen 50 Meilen so schnell wie möglich hinter uns zu bringen, damit das Gewitter nicht wieder eingeht bevor wir kommen. Je näher wir kamen, desto prachtvoller baute sich die massive, einzeln stehende Superzelle mit den eindrucksvollsten Mammaten, die wir je gesehen hatten, vor uns auf.  :staunend2:







Und dann wurde die Zelle auch noch tornadobewarnt!



Als wir uns dann jedoch mit Mühe und Not an der richtigen Stelle zum Gewitter mit Blick auf die Wolkenbasis positioniert hatten, war die Tornadowarnung bereits wieder aufgehoben worden und auch das Gewitter selbst wirkte sehr zu unserer Enttäuschung von Nahem sehr zerpflückt und ohne schöne Strukturen. Auch wenn um uns herum mittlerweile überall Gewitter hoch gingen und überall Regen und Hagel fiel, waren wir etwas ratlos, welche der Zellen wir anfahren sollten. Letztlich waren alle nicht so toll, da sie sich gegenseitig die verfügbare Energie klauten; der atmosphärische „Deckel“ war mittlerweile großflächig gebrochen und daher die schönsten Entwicklungen des Tages wohl vorbei.



Letztlich entschlossen wir, heute Abend in Dodge City zu schlafen und buchten unterwegs ein Motel. Dann hangelten wir uns durch den Gewittersalat bis zur Stadt durch, und blieben unterwegs noch ab und zu in Gewittern stehen um Blitze zu beobachten. Bei der Einfahrt in die Stadt wurde es dann durch ein weiteres Gewitter enorm windig, Staub wurde aufgewirbelt, Bäume bogen sich teils bis zum Boden und der Regen wurde wagerecht gegen das Auto gepeitscht.



Als wir dann am Motel ankamen, hatten wir Schwierigkeiten im Wind die Türen zu öffnen und bereits die zwei Meter bis zur Eingangstür reichten, um eine ganze Menge Staub ins Auge zu bekommen. An der Rezeption unterhielten wir uns dann noch ein bisschen mit den anderen Gästen und den Angestellten über unsere Reise und das Storm Chasing. Zum Abendbrot aßen wir bei IHOP und wuschen dann Wäsche, während es draußen noch die ganze Nacht blitzte.  :wut54:

Gefahrene Meilen: 230 Meilen


Liebe Grüße,
Rike


sil1969

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Jetzt musste ich aber erstmal etwas googeln: Mammaten, Auslöse, Dryline, Eisschirm... noch nie gehört.  Kenne nur die Eisschirmchen auf den Eisbechern  :wink:
LG Silvia

Lupine

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Haha, okay.  :lol: Hast du bei allem was gefunden bei Google?
Ansonsten, damit sich andere das Googeln sparen können:

Mammaten: diese beuteligen Wolken an der Unterseite des Eisschirms von starken Gewittern, heißen deshalb Mammatus, weil sie aussehen wie die weibliche Brust (lat. "mamma")

Auslöse: der Moment, wenn Gewitter entstehen. Also quasi wenn die Aufwärtsbewegung der Luftmassen und damit die Wolkenbildung ausgelöst wird. Darauf warten wir natürlich den ganzen Tag, wenn wir Chasen!  :lol:

Dryline: eine Luftmassengrenze zwischen trockener heißer Luft (meist im Westen) und feuchter warmer Luft (meist im Osten). An der passiert besonders oft die Auslöse von Gewittern, daher ist es wichtig sie zu finden und sich dann an ihr zu positionieren.

Eisschirm: Auch Amboss genannt; ist der obere Teil einer Cumulonimbuswolke (einer Gewitterwolke). Eine Gewitterwolke hat generell die Form eines Amboss, da die Luft nach oben strömt und dann an der Tropopause abprallt und sich seitwärts bewegt, wodurch eine Art Schirm entsteht. Und durch die große Höhe sind die Wolken dort schon aus Eiskristallen (also Cirruswolken) und daher heißt dieser Teil der Wolke Eisschirm.
Liebe Grüße,
Rike


sil1969

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Danke für die Info!  :D
LG Silvia

Saguaro

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Re: Our Great American Journey
« Antwort #55 am: 27.01.2014, 16:45 Uhr »
Ansonsten, damit sich andere das Googeln sparen können: 

 :dankeschoen: für die Beschreibung, Rike. Fürs Guugeln habe ich nämlich zu wenig Zeit :socool:.

LG,

Ilona
Liebe Grüße

Ilona

"Man muss viel laufen. Da man, was man nicht mit dem Kleingeld von Schritten bezahlt hat, nicht gesehen hat." (Erich Kästner)


snowtigger

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Hallo Rike, da ich die ganze Zeit schon still mitlese, muss ich jetzt doch mal wat sagen:
Vielen, vielen Dank für diesen besonderen Reisebericht! Das ist wahnsinnig spannend und die Bilder ... saugut.
Ich bin ja nur "banal ungebildet" von Gewittern fasziniert und da lernt man jetzt mal richtig dazu!
Ich freu mich auf die nächsten Tagesberichte und weitere wahnwitzige Wolkenformationen.
September 2012: http://forum.usa-reise.de/index.php?topic=58760.msg798830#msg798830
September 2014: Yellowstone & the Highlights of Utah
August 2015: SFO > LAX > LAS Honeymoon USA

Lupine

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Danke für das Lob, Leute! Ich bin unheimlich froh, dass ihr so begeistert seid von unserer speziellen Reise  :wink:  :D :D

Tag 11, 29.5.

 Wir wachten in unserem Motel in Dodge City auf und bereiteten nach dem gratis hot breakfast die Abreise vor. Bevor wir heute wieder Gewitter jagten, wollten wir erst einmal die Stadt anschauen, die als Inbegriff von Westernstadt gilt. Als erstes fuhren wir zum Boot Hill Museum, in dem die alte Westernstadt-Main Street nachgebildet war. Es erschien uns jedoch zu teuer und zu disney-haft, so dass wir weiter in die echte historische Innenstadt fuhren. Vorher schauten wir jedoch noch eine alte Eisenbahnlok auf dem Parkplatz an, toll für Heiko als Eisenbahnfan.





 Dort waren die Häuser tatsächlich im typischen Westernstil mit solchen schwingenden Ladentüren und einem mit Holz überdachten Bürgersteig erhalten (oder nachgebaut  :lol:  ).





Wir liefen etwas herum, besonders lebendig erschien uns die Gegend aber nicht, und sobald man sich einen Block von dieser Main Street entfernte, sah die Stadt aus wie jede andere amerikanische Kleinstadt. Wir kamen jedoch noch an einer Statue von Longhorn Cattle, den typischen Rindern, einem Schild über die Geschichte der Stadt und einem Denkmal von Wyatt Earp, dem berühmten Sheriff von Dodge City, vorbei.



Dodge City lag einst entlang des Santa Fe Trails, einer historischen Handelsroute im mittleren Westen, und um Geld zu verdienen, eröffnete jemand in dieser Gegend einen Saloon, der dann so gut ging, dass sich rundherum weitere Geschäfte ansiedelten und Brücken und Häuser gebaut wurden und schwupps hatte man eine florierende Kleinstadt. Die Geschichte meinte es weiter gut mit der Stadt, denn später lag sie am Endpunkt einer Viehtriebroute aus Texas, d.h. die Longhorn-Rinder wurden aus Texas von ihren Cowboys monatelang nach Norden getrieben, und in Dodge City auf Eisenbahnwaggons Richtung Nordosten verladen – und die Cowboys bekamen ihren Lohn für die letzten entbehrungsreichen Monate ausgezahlt.
Was taten sie also? Sie kauften sich Kleidung, Essen, Schnaps und, nunja, Frauen. Und sie schlugen dabei völlig über die Stränge – weswegen der Sheriff Wyatt Earp so berühmt geworden ist durch seinen Kampf für Recht und Ordnung.



Warum ist Dodge City nun heute so verschlafen und ausgestorben? Irgendwann schleppten die Rinder aus Texas eine Krankheit ein, die das lokale Vieh befiel, weswegen schließlich – trotz aller ökonomischen Nachteile – das Viehtreiben aus dem Süden verboten wurde. Und damit brach der wichtigste Wirtschaftszweig der Stadt weg.

Schließlich brachen wir mit dem Auto wieder auf, besuchten noch einen historischen Marker, durch den der Santa Fe Trail führte (außer Präriegras und Hügeln war dort jedoch nicht viel zu sehen), und nahmen dann die Gewitterverfolgung auf. Für heute war eine recht gute Gewitterlage vorhergesagt und als unseren Standort hatten wir uns vorläufig Woodward in Oklahoma ausgesucht.





Wir fuhren zunächst Richtung Süden, und noch während wir nach Oklahoma unterwegs waren, entstanden überall kleinere Gewitter und Schauer.



Dieser Anblick gefiel uns nicht besonders, da diese Gewitterchen sich gegenseitig die Energie klauten und das Erhitzen des Bodens durch die Sonne, für Schwergewitterentstehung enorm wichtig, einschränkten.

Das wurde dann später auch vom SPC (dem Gewittervorhersagezentrum) bestätigt, die in einem Update die Lage etwas herabstuften, da die berechnete Erhitzung des Bodens so nicht eingetreten war. Wir hängten uns hier und da mal an eines der Gewitter heran, bekamen aber meist nur etwas Regen und ein paar müde Blitze ab und waren schon sehr enttäuscht, da auf dem Satellitenbild jetzt eine großflächige linienartige Auslöse über mehrere Bundesstaaten hinweg zu erkennen war – in der Regel ein gutes Zeichen dafür, „dass es das schon war“.  :knurrig:
 Letztlich sahen wir in der Texas Panhandle, also ein ziemliches Stück westlich von uns, jedoch noch die Auslöse einer nachlaufenden soliden Linie, die mehrere Tornado- und Schwergewitterwarnungen bekam. Um hinzufahren, waren wir jedoch zu weit weg, und so entschieden wir uns, lieber noch in Oklahoma zu bleiben und unser Glück zu versuchen. Bald löste es um uns herum doch noch recht explosiv aus, was uns noch Hoffnung verschaffte. Als wir versuchten, diese entstandenen Gewitter zu verfolgen, stellten wir jedoch fest, dass diese Zellen auch sehr schnell eingingen – und außerdem viel zu schnell zogen, um sie richtig zu verfolgen.



Enttäuscht wandten wir uns nun also doch der Squallline, der Gewitterlinie, zu, die mittlerweile im Begriff war, nach Oklahoma reinzuziehen.

Es wurde sehr schnell dunkelblau am Horizont und wir postierten uns auf einem Hügel, um sie auf uns zurollen zu lassen und eventuell eine schöne Böenfront mitzunehmen.



Interessanterweise wurden die Entwicklungen jetzt gegen Abend überall immer stärker, also war die Lage nicht grundsätzlich gefloppt, sondern hatte sich offenbar nur zeitlich nach hinten verschoben. Als die Linie also jetzt auf uns zurollte, gab es zwar keine tollen Wolkenstrukturen, aber dafür einen rabenschwarzen Niederschlagsvorhang, der genau auf uns zukam. Normalerweise lässt man sich ja als Gewitterjäger nicht vom Niederschlag überrollen, wenn man es vermeiden kann, doch hier konnten wir auf dem Regenradar genau sehen, dass kein allzu starker Niederschlag von der alternden Gewitterlinie mehr zu erwarten waren, also war es recht ungefährlich.

Es ging also los – zunächst frischte der Wind enorm auf, Böen schüttelten das Auto durch, dann platschten die ersten riesigen Regentropfen auf die Windschutzscheibe – und dann begann es zu hageln. Hagel?! Intensiviert sich die Zelle jetzt!?  :angst:



Heiko wendete das Auto, damit eventueller Großhagel zuerst die Heck- und nicht die Windschutzscheibe beschädigen würde, und ich checkte das aktuelle Radarbild: Bingo. Ein Bow Echo. Das ist eine plötzliche und unvorhersehbare Intensivierung eines Gewitters mit starken Winden und Niederschlag, bei der das Radarbild einer Gewitterlinie plötzlich aussieht wie ein Bogen oder ein Komma, eine ziemlich gefährliche Situation um mitten im Niederschlagskern zu stehen.
Also fuhren wir los, nachdem das Gröbste überstanden war, zurück in die Richtung aus der wir gekommen waren und damit quasi dem stärksten Niederschlag hinterher – überall lag bereits Hagel am Straßenrand, ca. mit der Größe von Kirschen, und kleinere Äste waren abgeschlagen. Schließlich waren wir aus der Gefahr wieder heraus und es regnete nur noch. Wir hielten unterwegs noch an einem Tornado-Memorial in einer Kleinstadt an und überlegten dann, was wir als nächstes machen, denn der Tag war noch nicht vorbei.



Schließlich setzten wir uns wieder vor die Gewitterlinie und beobachteten, wie sie langsam an uns vorbei nach Nordosten zog. Dabei hatten wir einen tollen Blick auf eine Böenfront, den dunklen Niederschlagskern und immer wieder großartige Wolke-Erde-Blitze. Regelmäßig checkten wir das Radarbild und stellten irgendwann fest, dass die südlichste Zelle (die oftmals die stärkste und tornadogefährlichste ist) der Linie eine dreiviertel Stunde vor Sonnenuntergang tornadobewarnt wurde. Wir machten uns also mit einem Affentempo auf den Weg nach Süden und erreichten im letzten Licht und bei heulenden Tornadosirenen im Örtchen Cordell das Gewitter, das jedoch höchstwahrscheinlich zu diesem Zeitpunkt nicht mehr tornadisch war, jedoch in einem unheimlichen, rötlichen Abendlicht angestrahlt wurde und heftig blitzte.







 Außer uns waren auch viele andere Storm Chaser dort und wir beobachteten das Gewitter noch bis in die völlige Dunkelheit.
Schließlich schauten wir mal auf die Uhr – oh oh, halb 10 abends schon. Obwohl die Jagd gegen Mittag schon fast wie beendet ausgesehen hatte, war sie jetzt doch viel länger als erwartet gegangen. Wir suchten uns im Internet ein Zimmer in einer Econo Lodge an der Interstate in Clinton heraus und fuhren hin. Während der gesamten Fahrt begleiteten uns unglaublich starke Stroboskopblitze, mit einer Frequenz von 2-3 Blitzen pro Sekunde (!).  :staunend2: Der Himmel war permanent weiß-lila erleuchtet und wir waren völlig fasziniert. Schließlich checkten wir im Motel ein, das gerammelt voll mit anderen Storm Chasern war, und schliefen schnell erschöpft ein. 

Gefahrene Meilen: 260 Meilen
Liebe Grüße,
Rike


Microbi

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Jetzt hätte ich diese Reise um Haaresbreite verpasst! Wie gut, dass Ihr noch nicht so weit seid - schon habe ich alles aufgeholt  :)

Mic

p.s.: Lewis & Clark sind meine Lieblingshelden. Sie "eroberten" den Westen ohne jemanden zu bekriegen und zu bekehren. Sie wussten nicht wie lange ihre Reise dauern würde und was sie erwartet. Echte Pioniere.
Die Tagebücher lesen sich etwas sperrig, sind aber super spannend.
p.p.s: Chicago galt am Ende des 19Jh-s als DER Umschlagplatz für landwirtschaftliche Produkte, was für einen schnellen Aufschwung sorgte.

womoontour

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Toll  :daumen:
sehr interessanter und ungewöhnlicher Bericht!
Habe ich wohl in der Vergangenheit falsch gemacht, dass ich vor schlechtem Wetter immer weggefahren bin.
Aber dafür muss man wohl, wie ihr, viel Ahnung haben.

Kompliment  :applaus:
womoontour