Dienstag, 24.7. -- Seattle - Seaside Als wir am nächsten Morgen aufwachten, hatten wir alle eine kurze, schlechte und traumvolle Nacht hinter uns – es ging uns also nur geringfügig besser als am Abend zuvor. Gegen halb 6 war die Nacht zu Ende und die Sonne schien ins Fenster und enthüllte zum ersten Mal den Ausblick aus unserem Zimmer auf ein paar Bäume, den International Blvd und alte Wohnwagen.
Wir begannen den Tag damit, unsere Koffer aus- und neu einzupacken, um sie reisefähiger und praktischer zu machen. Einige Sachen wurden dauerhaft ins Auto verfrachtet, andere kamen längerfristig in den Koffer und so ziemlich alles wurde umgepackt. Die Stimmung an diesem Morgen war nicht perfekt und ich persönlich war ziemlich depressiv und wollte zurück nach Hause. Wir überlegten uns außerdem, doch nicht mehr ins Boeing Aviation Center nach Everett zu fahren, obwohl wir bereits Karten vorreserviert hatten, da uns dies überfrachtet vorkam und wir den Wunsch verspürten, den Großraum Seattle zu verlassen.
Als nächstes gingen wir zum Frühstück und erlebten unser erstes amerikanisches, im Preis inbegriffenes Continental Breakfast – Pappteller, Plastikbesteck, Orangensaft, Kaffeeplürre, pappige Pancakes („Runde Teigfladen mit neutralem Geschmack“), süße Teilchen, Cornflakes, Bagels, Cream Cheese und Obst: nicht besonders lecker, aber sattmachend.
Als wir dann draußen auf dem Parkplatz des Hotels standen und die Sonne uns entgegenblinzelte, das Auto langsam vertrauter wurde, wir wieder erste Fotos machten und wir uns mit dieser neuen Situation zu arrangieren begannen wurde die Stimmung euphorischer. Wir sahen die Stadt nun bei Tag und nachdem das Navi sich gefangen hatte, machten wir uns auf den Weg auf die Straßen von Amerika! Wir fuhren nun, bereits um 8.30 Uhr, über die I-5 southbound langsam aus dem Stadtgebiet Seattles heraus, während Werner sich weiter an das Auto und das Fahrgefühl gewöhnte, was er heute schon als sehr positiv erlebte. Die wichtigsten Verkehrszeichen lernten sich einfach und schnell, wenngleich es ein paar Unsicherheiten mit der Geschwindigkeitsbegrenzung gab. Uns fiel auf, dass amerikanische Verkehrszeichen doch recht touristenfreundlich sind, da viele Sachverhalte in Textform aufgeschrieben sind statt als Symbol. Die Landschaft war „wie in Thüringen oder im Alpenvorland, nur weiiter, gröößer und ohne Ende“ (O-Ton). Die Fahrt tat uns an dieser Stelle wirklich gut, da wir uns nun freier und optimistischer fühlten und uns gleichzeitig auch an das Auto gewöhnten, das ja nun für die nächste Zeit das einzige konstante Stück „Heimat“ darstellen würde.
Wir fuhren als nächstes bei einem Viewpoint von der Interstate ab, von dem aus man wunderbar in die Weite des Landes schauen konnte: Wälder und Wiesen, so weit das Auge reichte.
Nach einem Mittagsmahl bei Subway und der Feststellung, dass der Supermarkt Safeway überteuert ist, waren wir zurück auf der Interstate und konnten während der Fahrt auch die schneebedeckte Spitze des Mt. Rainier imposant und beeindruckend aus der Landschaft ragen sehen. Wir erwarteten auch, den Mt. Saint Helens zu sehen, fuhren also wieder von der Interstate ab in Richtung Mt. St. Helens National Park. Bis wir zum Visitor Center kamen, hatten wir ihn jedoch immer noch nicht gesehen und hielten uns so etwas im Visitor Center auf. Die Frage, ob sich eine Weiterfahrt in Richtung Mount St. Helens lohnen würde, wurde verneint, weil man dafür doch recht viel Zeit bräuchte. Wir liefen also beim Visitor Center nur einen kleinen Trail, der um den Silver Lake führte und mit 1.6 ebenerdigen km nicht besonders schwer war. Wir liefen zwischen Bäumen hindurch zum See, der vor 2500 Jahren bei einem Erdrutsch, der durch einen Ausbruch des Mt. St. Helens verursacht worden war, aufgestaut wurde.
Auf dem Weg begegnete uns auch unser erstes Hörnchen, ein Zwergchipmunk, das fotogen auf einem bemoosten Ast saß und uns anschaute. Weiter ging der Weg auf einem Boardwalk, der direkt über den sumpfigen See führte, wo gelbe Teichrosen wuchsen und Libellen umherschwirrten.
Es folgte ein aufgeschütteter schmaler, aber bewachsener Wall, in den der Boardwalk mündete und auf dem der Weg weiterging. Dort schwirrten allerlei Vögel und anderes Getier entlang, während rechts und links das Wasser des Sees war. Über einen Boardwalk ging es zurück zur Gabelung des Weges mit dem Hörnchen, das mittlerweile verschwunden war.
Nach dem Losfahren, dem Erreichen der Interstate und einiger Fahrt kamen wir in die Stadt Kelso beim Columbia River, die die letzte Stadt in Washington darstellte und durch die wir jeden neuen Eindruck aufnehmend hindurchfuhren, hier fiel uns zum Beispiel besonders stark das Schachbrettmuster amerikanischer Städte auf. Anschließend fuhren wir über die große, große Brücke über den grooßen, großen Columbia River, an dessen Ufern ein Umschlagplatz für Holz war, der Werners Interesse auf sich zog. Gleichzeitig erreichten wir auch die Grenze zu Oregon, unserem zweiten Bundesstaat.
Die Straße schlängelte sich den Berg hinauf und bot atemberaubende Ausblicke auf die Weite des Columbia River. Wir waren nun auf der Straße,die direkt südlich des Columbia River zur Küste durch weitläufige, grüne Nadel- und Mischwälder zur Oregon Coast führte. In Astoria machten wir eine Pause und liefen etwas durch die Historic Waterfront, wo Häuser, Restaurants und Shops auf einer stegartigen Plattform angeordnet waren und einen wunderbaren blick auf die weitläufige Mündung des Columbia River boten.
Nun rief der Hunger und wir eilten so schnell es ging in das nächstbeste Restaurant, die Auswahl war in Astoria zugegebenermaßen auch nicht allzu groß. Die Atmosphäre in diesem Restaurant war nicht besonders angenehm, mit anderen Worten „wie in einer Hamburger Puffkneipe aus den 50er Jahren, unrenoviert“ (O-Ton). Anschließend versuchten wir, über die andere Brücke aus Astoria wieder herauszukommen, was sich als nicht allzu einfach gestaltete – erst mussten die Straßen mit einer starken Steigung überwunden werden! Doch je höher man kam, desto besser war der Ausblick über Astoria.
Wir erreichten den Pacific Coast Hwy, der für die nächsten Tage unser Begleiter sein sollte. Am Anfang merkte man noch nichts von seiner Schönheit, so dass wir geradewegs nach Seaside durchfuhren. In Seaside checkten wir im vorgebuchten Hillcrest Inn ein, wo uns die superfreundlichen Inhaber sofort herzlich begrüßten. Die erste Amtshandlung im Hotelzimmer war Umziehen, denn wir wollten unbedingt zum Pazifik: keiner von uns hatte diesen Ozean je zuvor gesehen, wir waren also alle sehr gespannt. Wir liefen zum Strand und hatten schon nach zwei Blocks einen wunderschönen Blick auf den Strand. Bis wir jedoch einen Zeh, oder zumindest einen Finger, ins Wasser stecken konnten, galt es erst den breiiiten Strand zu überwinden. Man lief fast 5 Minuten (bei Gegenwind) und schien dem Ozean doch nicht näher zu kommen. Als man jedoch dann zum ersten Mal nah bei den Wellen stand, war das Gefühl umwerfend – endlich angekommen. Der starke Wind erzeugte immer neue, kleine Strukturen und verbarg die Füße rasend schnell unterm Sand, was sich wie ein Sandstrahlgebläse anfühlte. Die salzige Meeresluft wurde unter wolkenlosem und strahlendem Himmel, während es in Seattle noch bewölkt gewesen war, in die Bucht getragen und erzeugte einen Dunst, der sich eindrucksvoll gegen den Berg südlich von Seaside abhob.
Werner und Ina fuhren später noch einmal zum Supermarkt, während ich am Strand blieb und große amerikanische Möwen beobachtete, die sich um Krebse stritten und versuchten, diese zu fressen.
Als meine Eltern wiedergekommen waren und diktiert worden war, kam eine allgemeine Müdigkeit auf, gegen die wir aber ankämpften, indem wir uns auf den Weg zur örtlichen Pizzeria machten. Auf dem Rückweg liefen wir im Abendlicht am Strand entlang zurück.
Gegen halb 10 verschwanden wir nach dem Genuss der Pizza und leckerer Schokomilch („Alpenrose“) todmüde ins Bett und schliefen sofort ein.
Gefahrene Meilen: 290
Trails/Länge: Trail um den Silver Lake/1,6 km
Übernachtung/Rating: Hillcrest Inn Seaside, 5/6 Punkte
Highlight des Tages: Rike – Trail; Ina - ???, Werner - ???