Samstag, 16. September 2006Der Wind hat unser Zelt über Nacht getrocknet, trotzdem blicken wir etwas skeptisch gen Himmel, da zwischen dem überwiegenden Blau noch ein paar Dunkle Wolken hängen. Während Frank nach dem Frühstück unter der Dusche verschwindet, beginne ich schon mal mit dem Zeltabbau. Ich schaffe es, dass Zelt trocken im Kofferraum zu verstauen, als die ersten Regentropfen fallen, sich schnell in einen richtigen Platzregen verwandeln und ich ins Auto flüchte. Nach 5 min. ist der Schauer vorüber und auch die mittlerweile tropfnassen Gewebeplanen im Fahrzeug verstaut. Nachdem auch ich eine Dusche genommen habe, sind wir aufbruchsfertig.
Wir fahren zunächst auf der US 160 zurück in Richtung Durango und biegen auf den Parkplatz des Walmart Supercentre ein. Etwa eine Stunde später treten wir mit einem gut gefüllten Einkaufswagen durch die Automatiktüren des Supermarktes. Nachdem alles verstaut ist, sind wir endlich reisefertig und wir fahren Richtung Stadtzentrum von Durango. Zunächst empfängt uns die typische amerikanische Ausfallstrasseninfrastruktur aus Motels, Tankstellen, Fast Food-Läden. In Durango selbst erwarten uns phantastisch restaurierte viktorianische Fassaden. Besonders das Bahnhofsviertel ist ein Schmuckstück und hier wären wir gerne etwas umhergeschlendert.
Wir aber wollen weiter über die US 550 Richtung Montrose. Besser bekannt unter der Bezeichnung Million Dollar Highway, soll die Strasse durch die San Juan Mountains eine der schönsten Aussichtsstrassen in Colorado sein. Davon wollen wir uns selbst überzeugen. Zunächst geizt der Highway noch etwas mit seinen Reizen und die Landschaft erinnert eher an eine europäische Mittelgebirgslandschaft mit sanften, bewaldeten Hügeln. Doch schon bald erblicken wir die ersten schneebedeckten Gipfel.
Die typische Gebirgs-Landschaft aus Wäldern, Flussläufen, kleinen Seen – dazu das Panorama der schneebedeckten San Juan Mountains.
Hier gefällt es uns. Je höher wir uns auf dem Highway in die Berge schrauben, desto spektakulärer wird die Aussicht. Wir sind längst im Indian Summer angekommen, der uns in den höheren Lagen bereits mit einem Farbenrausch in gelb und rot betört.
Wir können uns kaum satt sehen, an dem Kontrast aus leuchtenden Espen, grünen Nadelwäldern und den darüber thronenden weiss leuchtenden Gipfel. Die Natur empfängt uns in ihrem Festtagskleid und wir nehmen es dankbar zur Kenntnis, stoppen immer wieder, wenn eine Haltebucht dazu einlädt oder an einer übersichtlichen Stelle für ein Foto.
Vor uns zieht ein restaurierter Pick Up einen Silver Wing-Trailer und wir geniessen die kurvenreiche Fahrt, bis uns ein abrupt abbremsendes Fahrzeug aus unseren Träumen reisst.
Der VW Käfer hat plötzlich gestoppt und wir erkennen schon bald den Grund dafür. Die Aussicht ist einfach grandios und auch wir verlassen kurz unser Fahrzeug. Heute sind scheinbar nur Touristen unterwegs und schon bald halten mind. 5 Fahrzeuge am Rand des Highways und bestaunen die majestätischen, schneebedeckten Gipfel die sich über der grünen Hügellandschaft der Nadelwaldzone erheben.
Einzelne Laubbäume sorgen für farbenfrohe Tupfer. Auf der anderen Seite des Highways flankieren schroffe Gipfel unseren Haltepunkt. Die Weitläufigkeit und Wildheit dieses Highway-Abschnitts lassen sich nicht zufrieden stellend fotographieren, die Szenerie schreit förmlich nach einem Weitwinkelobjektiv, das wir nicht haben. Als Kompromiss schwenken wir mit dem Camcorder und steigen wieder in den Trailblazer. Fast gleichzeitig setzt sich die Kolonne wieder in Bewegung und so zuckeln wir bis zum nächsten zweispurigen Ausbau wieder hinter dem Silver Wing her und geniessen die Landschaft.
Wähnten wir uns schon auf dem Höhepunkt der Schönheit, beweist uns Mutter Natur wieder, dass sie sich immer noch steigern kann. Um jede Kurve lauert ein neues landschaftliches Highlight und wir sind inzwischen restlos begeistert.
An der Molas Passhöhe (3322 m/ 10899 ft) stoppen wir wieder, erklimmen einen Hügel und blicken auf einen malerischen See, eingebettet in eine weite, hügelige Landschaft, begrenzt von der schneebedeckten Gebirgskette der San Juan Mountains.
Pfade durchziehen die Landschaft und eine ¼ Meile nördlich des Molas Passes liegt der Zugang zum Colorado Trail. Dieser 470 Meilen lange Weitwanderweg verbindet Durango und Denver und quert dabei die spektakulären Hochgebirgspanoramen der San Juan Mountains. Hier würden wir gerne unsere Wanderschuhe schnüren, den Rucksack schultern und eintauchen in diesen faszinierenden Teil des amerikanischen Westens. Doch leider drängt die Zeit, wir müssen weiter.
Hier auf der Höhe ist es beissend kalt und der Wind pfeift ordentlich durch die Kleider, wir steigen wieder ins warme Auto und setzen unsere Fahrt bei bestem Wetter und strahlend blauem Himmel fort. Wir nähern uns Silverton und der Reiz der Umgebung nimmt weiter zu. Langsam gehen mir die Superlative aus, alles andere als „Atemberaubend“ würde diesem Flecken nicht gerecht. Die alte Minenstadt Silverton selbst ist nach dem Niedergang mittlerweile eine florierende Touristenstadt, nicht zuletzt dank der historischen Eisenbahn die auf abenteuerlicher Streckenführung Silverton mit Durango verbindet.
Von einer Anhöhe erhaschen wir die ersten Blicke auf Silverton.
Doch noch anziehender als das Städtchen ist die Landschaft aus vielfarbigen Steilhängen, gelb leuchtenden Espenhainen vor der Kulisse der schneebedeckten Berge.
Silverton wurde in den 1870er Jahren zu einer Boomtown, als im Animas Valley die Minen wie Pilze aus dem Boden sprossen. Nach Eröffnung der Durango & Silverton Narrow Gauge Rail Road im Jahre 1882 erlebte Silverton seine Blütezeit und wurde zu einem Zentrum des Bergbaus - mit den damals üblichen rauen Sitten und berüchtigten wilden Umgangsformen. Nachdem die Silbervorkommen nahezu ausgebeutet waren, lösten Kupfer- und Zinkminen die Silberminen ab, die in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts pö a pö geschlossen wurden. Nachdem die letzte Mine ihren Betrieb einstellte, verkam Silverton zunächst, immer mehr Bewohner verliessen die Stadt. Der niedergehenden Ortschaft wurde durch die Inbetriebnahme der historischen Eisenbahn für Touristenfahrten neues Leben eingehaucht. Heute zieht Silverton, 45 Meilen nördlich von Durango gelegen, Besucher aus aller Welt an die durch die liebevoll restaurierten Fassaden bummeln. Die einstigen Saloons, Spielhöllen und Spelunken beherbergen heute schmucke Restaurants, Cafes und Galerien. Mit Verlassen der letzten Eisenbahn fällt Silverton am Ende des Tages wieder in einen gemächlichen Rhythmus, da nur wenige Gäste über Nacht bleiben.
Als wir das Ortsschild von Silverton passieren, steht die altehrwürdige Antriebslok der Bahn bereits ordentlich unter Dampf und wir halten an um das Spektakel mitzuerleben. Rauchschwaden ziehen über den Ort und das durchdringende Pfeifen versetzt uns zurück in längst vergangene Zeiten. Das fauchende Stahlross setzt sich schliesslich in Bewegung und wir verfolgen gespannt die Ausfahrt des Trosses mit den gelben Ausflugwaggons aus dem Bahnhof. Bis zu seinem Endhalt in Durango schlängelt sich die Bahn auf einer Strecke von 145 km entlang des Animas Rivers über spektakuläre Brückenkonstruktionen und Tunnel durch den San Juan National Forest.
Wir wenden uns schliesslich ab und setzen unseren Trailblazer auf Kurs Richtung Silverton Zentrum.
Entlang der Hauptstrasse reihen sich die malerischen Holz- und Steinbauten auf und wir wissen gar nicht, wohin wir schauen sollen.
Kirchen, ehemalige Saloons, Hotels locken die Besucher von heute. Unser Blick fällt wieder zurück in die Vergangenheit und wir meinen rhythmische Klavier-Klänge zu hören, die eine der klassisch-fröhlichen Saloonmelodien dudeln. Wir kurbeln die Fenster nach unten und haben uns nicht getäuscht, aus einer Taverne vernehmen wir jetzt deutlich die Musikklänge aus längst vergangenen Zeiten. Wir erwarten fast schon, dass gleich die Schwingtüren aufschlagen und staubige Revolverhelden die Strasse betreten. Aber jetzt geht unsere Phantasie mit uns durch. Zeit Silverton zu verlassen und unsere Fahrt auf dem Teilabschnitt des San Juan Skyways Richtung Ouray fortzusetzen.
Wir nehmen wieder Fahrt auf und stoppen bereits kurze Zeit später auf einer Anhöhe erneut. Hier am Red Mountain Pass blicken wir auf die erstaunlich gut erhaltenen hölzernen Förderanlagen einer stillgelegten Mine. Kahlschlag hat die rötlichen Hänge freigelegt und die grünen Nadelwälder bilden zusammen mit den weissen Schneehäubchen der Bergkämme einen pittoresken Anblick, den ein Landschaftsmaler nicht farbenfroher hinbekommen hätte.
Staunend stehen wir einfach nur da und nutzen schliesslich die Gelegenheit und nehmen an einer Tischgruppe mit Blick auf die grandiose Umgebung ein spätes Mittagessen ein.
Weiter geht es durch die phantastische Natur die hier im südlichen Colorado, entlang der US 550 ihren besonderen Liebreiz ausspielt. Die Strasse erhielt ihren Beinamen „Million Dollar Highway“ aufgrund des hohen Goldgehaltes im einstigen Schotterbelag. Heute ist davon nichts mehr zu sehen, da der Highway durchgängig asphaltiert ist.
Richtung Ouray steigern sich die Ausblicke von Kurve und Kurve, wie berauscht fahren wir über diese absolute Traumstrasse - die Rocky Mountains müssen sich gewaltig anstrecken, wollen sie es mit den San Juan Mountains aufnehmen.
Ouray selbst liegt in einem engen Tal, eingerahmt von beeindruckenden, mehr als 4000 m hohen Gipfeln. Die Strassen säumen farbenprächtige Bauten aus der viktorianischen Zeit. Eine Steigerung ist jetzt kaum noch möglich. Wenn wir uns rückblickend unseren Lieblingsort entlang des Million Dollar-Highways aussuchen, ist es Ouray. Ein wunderschönes Westernstädtchen, dass ein absolut authentisches Flair verströmt. Auf dem KOA Campground würden wir sogar eine erschwingliche Bleibe finden... .Wir setzen in Gedanken einen weiteren Highlight-Marker auf unsere USA-Karte mit Punkten, wo wir unbedingt nochmal hin wollen. Da eine spätere Rückkehr sehr wahrscheinlich ist, verzichten wir auch auf die Besichtigung der Box Canyon Falls, die wir uns lieber zukünftig während einer mehrstündigen Wanderung in der reizvollen Umgebung anschauen wollen.
Wehmütig verlassen wir Ouray in Richtung Montrose.
Sehr bald verlassen wir die alpinen Höhen und fahren durch eine sich wandelnde Landschaft. Man spürt deutlich, wohin der Weg führt, das schwärzliche Gestein der noch immer hoch aufragenden Felswände kündigt den nächst gelegenen National Park an: Black Canyon of the Gunnison.
Zuvor kommen wir an weitläufigen Farmgebieten vorbei, entdecken sogar eine Koppel mit eindrucksvollen Long Horn-Rindern. Cowboy-Feeling pur.
Das Städtchen Montrose empfängt uns mit einer hektischen Betriebsamkeit und dichtem Verkehr, es stellt einen Knotenpunkt zwischen den Parks im Südosten Utahs und den Rocky Mountains dar. Wir fädeln uns auf den Highway 50 ein und fahren durch das Uncompahgre Valley Richtung Gunnison, nehmen die Abfahrt zur State Road 347 und nehmen Kurs auf einen der tiefsten und schmalsten Canyons der Welt. Es ist bereits später Nachmittag, als wir die Zufahrt zum National Park passieren und auf der South Rim Scenic Road die ersten Aussichtspunkte ansteuern.
Wir stoppen am Tomichi Point und erhaschen den ersten Blick auf die im gleissenden Sonnenlicht liegenden schwarzen Felswände.
Am tiefsten Punkt ist der Einschnitt des Gunnison Rivers bis zu 700 m tief, an der schmalsten Engstelle nur etwa 10 m weit, sodass nur sehr wenig Sonnenlicht bis auf den Grund der Schlucht fällt.
Wir steigen wieder ins Auto und stoppen erst wieder am bekanntesten View Point des Parks: Painted Wall View.
Es mag an dem Überangebot an atemberaubenden Panoramen dieses Tages liegen oder auch daran, dass wir in Südfrankreich bereits zahlreiche Canyons bereist und erwandert haben, dass uns der Black Canyon heute nicht so begeistern kann, wie wir es eigentlich erwartet haben. Die beste Fotozeit ist auch vorbei, an der Painted Wall haben wir mit störendem Gegenlicht zu kämpfen.
Trotzdem schiessen wir ein paar Fotos und bewundern die in den Granit eingebetteten Quarzadern. Dieser Kontrast aus hellem und dunklem Gestein an der 800 m hohen Steilwand ist spektakulär.
An den folgenden View Points (Cedar und Dragon Point) laufen wir die verschiedenen Kurztrails bis zur Abbruchkante des Canyons. Ein eisiger Wind pfeift durch die Kleider und trotz Softshell-Jacke frösteln wir. Am Cedar Point erwischen uns stürmische Windboen und reissen uns fast die Kamera aus den Händen. Beim Filmen und Fotographieren müssen wir immer wieder absetzen und die heftigsten Böen abwarten.
Nach einem Halt am Sunset View fahren wir bis zum High Point auf 2523 m auf. Hier ist es noch kälter und windiger. Da es bereits Abend ist, schenken wir uns den Trail zum Warner Point und fahren zurück zum Besucherzentrum. Unterwegs halten wir an den Aussichtspunkten, die wir bei der Auffahrt ausgespart haben. Mittlerweile verdunkeln tiefe Schatten den Canyon und verhindern ansehnliche Fotos. Als wir am Besucherzentrum ankommen, ist es längst geschlossen und wir begnügen uns mit einem Blick durch die weiten Fenster des imposanten Blockhausbau. Hinter dem Visitor Centre steigen wir den Trail ein Stück in den Canyon hinab, da es aber bereits dämmert, müssen wir den Abstieg abbrechen und erklimmen die Höhenmeter nach oben bis zu einer Aussichtskanzel.
Zurück im Auto überlegen wir kurz, ob die kurvige East Portal bis zum Fluss noch machbar ist, da wir aber nicht im Black Canyon campen wollen, entscheiden wir uns für die Weiterfahrt Richtung Gunnison und verlassen den National Park über die State Road 347.
Wir biegen wieder auf den US 50 ein und fahren schon bald an den gewaltigen Stauseen der Curecanti National Recreation Area vorbei. Das in der Dämmerung tintenblaue Wasser bildet einen reizvollen Kontrast zur umliegenden Canyonlandschaft. Als wir dann noch die Dillon Pinnacles erhaschen, entscheiden wir uns, hier in der Recreation Area zu zelten. Leider hängt an den Zufahrten zu den Campgrounds ein Schild: Closed.
Der einzige Campground der nach dem 15. September noch offen ist, liegt direkt neben dem Highway und ist ein hässlicher, kahler Platz der nur von Motorhomes bevölkert wird. Hier wollen wir nicht zelten und beschliessen bis zum KOA in Gunnison durchzufahren und müssen uns sputen.
Die Registration schliesst um 20.00 Uhr und da es draussen inzwischen nicht nur windig sondern bitter kalt ist, möchten wir diesen perfekten Tag nicht zähneklappernd in unseren Sommerschlafsäcken beenden.
Kurz vor 8.00 PM fahren wir auf dem Gunnison KOA vor und mieten für diese Nacht eine Cabin. Die schnucklige Blockhütte hat Elektro-Heizung und wir machen es uns nach dem Duschen beim Abendessen mit einer Flasche kalifornischen Wein gemütlich.
Gefahrene Meilen: 215
Übernachtung: Cabin auf dem Gunnison KOA Campground 45,57 USD