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Autor Thema: Incredible India - meine neue, große, bunte, aufregende Liebe  (Gelesen 11886 mal)

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Heike & Heimo

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Re: Incredible India - meine neue, große, bunte, aufregende Liebe
« Antwort #15 am: 03.11.2013, 19:57 Uhr »
Ich quetsch mich auch noch auf die Anils Rückbank - bin schon gespannt, was du so alles erleben wirst.
lg, Heike
"Of all the books in the world, the best stories are found between the pages of a passport."

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Re: Incredible India - meine neue, große, bunte, aufregende Liebe
« Antwort #16 am: 03.11.2013, 20:12 Uhr »
Ich quetsch mich auch noch auf die Anils Rückbank

Kein Problem. In Indien ist es völlig normal, dass ein Moped mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern besetzt ist, ein Auto 8 Insaßen hat oder eine ganze Schulklasse einen Ausflug auf der Ladefläche eines Pick up Trucks macht. :)

Sedona

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Re: Incredible India - meine neue, große, bunte, aufregende Liebe
« Antwort #17 am: 03.11.2013, 22:30 Uhr »
Na dann, wenn noch Platz ist, quetsch ich mich auch noch schnell in eine Ecke des Autos und fahre neugierig mit. :D

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Re: Incredible India - meine neue, große, bunte, aufregende Liebe
« Antwort #18 am: 03.11.2013, 22:36 Uhr »
@Isa: In Indien ist Platz für so viele Menschen, herzlich willkommen!


Und nochmals zur Route, damit ihr wisst, wohin wir überhaupt wollen:

Am Morgen nach der Landung Start zu folgender Reise mit insgesamt 14 Übernachtungen:

http://goo.gl/maps/CeKnV

Anschließend per Flug von Udaipur aus 3 Nächte Varanasi, dann per Flug zurück nach Delhi, dort noch 2 volle Tage vor dem Rückflug in der Nacht zum Samstag (2.11.)

Auf Mount Abu habe ich letztlich aber verzichtet und die beiden dann übrigen Nächte dann noch Ranakpur und Udaipur zugeschlagen.

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Re: Incredible India - meine neue, große, bunte, aufregende Liebe
« Antwort #19 am: 04.11.2013, 07:28 Uhr »
Sonntag, 13.10. Fahrt nach Agra zum Taj Mahal

Anil hat mich von Start mittags (wegen Ausschlafen nach dem langen Flug und durch die Zeitverschiebung) auf Start um 10 Uhr runtergehandelt und so klingelt der Wecker mich um 8.30 Uhr aus den Federn. So sonderlich gut geschlafen habe ich nicht. zu viel ging mir im Kopf herum und zu aufgedreht war ich noch von der Anreise. Somit war das auch wieder eine kurze Nacht.

Frühstück auf der Dachterrasse. Hupen schallt herauf, beim Blick nach unten sehe ich Tuk Tuks, Delhi beginnt gerade zu erwachen.

Von wegen, in Indien dauert alles ewig. Kaffee (schon gesüßt und insgesamt vom Geschmack her gar nicht als Kaffee zu erkennen, vielleicht sollte ich das Unglaubliche wagen und auf Tee umsteigen) und Omelett stehen innerhalb von 5 Minuten auf dem Tisch, auch beim Auschecken geht es verhältnismäßig fix bis der Mann an der Rezeption merkt, dass das Hotel prepaid war. Und Anil steht auch schon 20 Minuten eher als verabredet da.

Und los geht es durch den deutlich dichteren Verkehr Richtung Agra. Der Stärkere gewinnt. Autos sind stärker, dafür sind Motorräder, Fahrräder und Fußgänger wendiger, wenn es darum geht sich durchzuschlängeln. In Ortschaften an Kreuzungen ist es somit oft der eigentlich Schwächste, der das Rennen macht.

Ein paar Impressionen von unterwegs, allerdings von anderen Reisetagen. Heute habe ich nur staunend und zwischendurch müde im Auto gesessen:







Zwischendurch halten wir einmal an um etwas zu essen. Inklusive Trinkgeld weniger als 5 Euro für zwei. Es gibt Paneer (Käse statt Fleisch) mit Gemüse in Sauce, Dal (ein Linsengericht), Joghurt, ein paar Scheiben geschälter Gurke und Brot. Vorher waschen wir uns die Hände aus einem Kanister. Um uns herum indische Familien, die ebenfalls Pause machen auf dem Weg nach Agra.

Am Straßenrand lauter beigebraune Tiere, die der Einheitsfarbe nach alle miteinander verwandt zu sein scheinen, was aber gar nicht sein kann, denn mal sind es Hunde, mal Kühe, mal Affen und mal Ziegen.





Die buntesten Farbflecken Frauen, die wie im Bollywoodfilm in transparente bunte Glitzerstoffe gekleidet sind. Nee, halt, noch bunter waren verschiedene Männergruppen, fast schon in Agra, die wie es in Deutschland jetzt wohl auch Mode wird, hier aber zum Fest "Holi" Brauch ist, über und über mit Farbe bespritzt sind. Grund ist ein Festival der Hindus.

Im Laufe des Tages disponiert Anil einige Male um je nach "estimated arrival time" in Agra.

Ich bekomme somit heute das Taj Mahal im Sonnenuntergangslicht zu sehen statt morgen früh im Morgengrauen, das ist mir auch ganz recht so. Heute sei das Wetter schließlich gut, aber wer weiß, wie es morgen sein würde. Morgen würden wir dann vor der Weiterfahrt nach Jaipur das Red Fort besichtigen.





Am Taj Mahal ist die Hölle los. Vorwiegend indische Touristen, die nur einen geringen Prozentsatz des Ausländereintritts zu zahlen haben, stehen Schlange. Für meinen fürstlichen Eintrittspreis gibt es dafür Eintritt ohne Warteschlange, eine Flasche Wasser und Schuhüberzieher umsonst.

Noch viel schöner als die Anlage selbst mit dem üblichen Standardfoto ist es, durch den Garten etwas abseits zu gehen. Vogelgezwitscher und abseits der Achse mit der perfekten Symmetrie fast kein Mensch unterwegs. Mein überzivilisierter Kopf ahnt,  dass Indien tatsächlich alle Sinne ansprechen kann und ich sauge dieses neue Gefühl auf. Und toll ist auch der Duft, der in der Luft liegt, so ein schwerer Blütenduft, irgendwie gemischt mit Räucherstäbchen und ein kleines bissen Verwesung. Auf der anderen Seite des Flusses ein Park mit Menschen, in dem Park exotische Musik. Hier lohnt es sich auch sich einen Moment zu setzen und die Stimmung auf sich wirken zu lassen. Ich verbringe etwa zwei Stunden hier und tauche zum ersten Mal richtig in Indien ein.





Eine wunderbare Anlage. Und im Allerheiligsten, dem Mausoleum, ist Fotografieren streng verboten. Hier wird man (entweder ohne Schuhe oder mit diesen Überziehern) gruppenweise im Gänsemarsch durchgeschleust - und kaum ist die Gruppe drin, starten die unartigen Inder ein wahres Blitzlichtfeuer und die eigentlich hier verbotenen Handys werden in die Luft gestreckt zum Fotografieren, was die unwirschen Bewacher mit herrischen Gesten und schrillem Trillergepfeife zum Schweigen bringen wollen, was ihnen wiederum nicht gelingt. Au weh, in die Mühlen des Gesetzes möchte ich hier allerdings nicht geraten, wenn das hier Anzeichen indischer Machtausübung ist.















Übrigens: Wenn ich mal davon ausgehe, dass es in Agra, wie allerorts im Internet verkündet, das Schlimmste sein soll in Bezug auf die Belagerung von Touristen, dann habe ich nun nichts Schlimmes mehr zu erwarten, egal wie. Es sind nur einige wenige Punkte, an denen man auf verschiedene Weise versucht Kunden zu akquirieren, aber ich bin angewiesen es zu ignorieren und auf dem Gelände selbst fragt nur selten mal jemand, ob er mich mal gegen ein Trinkgeld fotografieren soll.

Ansonsten werde ich nur von freundlichen indischen Touris angesprochen. So sagt ein Vater, dass seine etwa fünfjährige Tochter gerne mal mit mir sprechen wolle. Und als ich sie frage, wie sie heißt, versteht und antwortet sie in ganz niedlichem Englisch. Ein anderer Hiesiger wird von mir beim Fotografieren beobachtet. Er merkt es, kommt zu mir und zeigt mir stolz die letzte Aufnahme, die er gemacht hat.

Mutig geworden, will ich den Rest des Tages allein verbringen, mal ein bisschen spazierengehen und die Straßenszenen, die den ganzen Tag nur an mir vorbeigehuscht sind, aus der Nähe betrachten. Ja, das geht, meint Anil, aber bitte nicht nach 19 Uhr. Die Einheimischen trinken gerne und wenn sie dann abends betrunken seien, belästigen sie gerne Frauen.

Das Spezierengehen hätte ich mir allerdings sparen können. Nicht nur, dass es lebensgefährlich ist an der chaotischen Straße und wegen der vielen Hindernisse eher ein Spazierenstehen ist, ich bekomme auch permanent angeboten, was der westliche Tourist so brauchen kann. Rikscha fahren soll ich und im Shop gucken und Haschisch kaufen. Ganz profan kehre ich somit im Pizza Hut ein. Schlimmeres passiert übrigens nicht, kein Grabschen, keine unmoralischen Angebote außer Haschisch, obwohl ich meine Ausgangszeit bis 19 Uhr noch glatt um fast eine Stunde überschritten habe.



Ich grinse ein bisschen in mich hinein bei der Vorstellung, dass ich tatsächlich in Betracht gezogen habe, in Indien rennen zu gehen und beschließe, selbiges lieber auf dem Laufband im Hotel zu tun. Doch ich gebe auch hier auf. Es war trotz Klimaanlage brüllend heiß und ein Dauerhustenanfall meines hartnäckigen Erkältungsrestes treibt den Mitarbeiter dazu nach 5 Minuten besorgt herbeizukommen und zu fragen, ob es mir gut geht.

Also ab ins Zimmer, unter die Dusche und mit dem Reisebericht ins Bett zum Fernseher. Ich schätze, um 22 Uhr ist heute Nachtruhe angesagt.

Wilder Löwe

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Re: Incredible India - meine neue, große, bunte, aufregende Liebe
« Antwort #20 am: 04.11.2013, 10:00 Uhr »
Hallo Katrin,

wenn ich das richtig mitbekommen habe, bist du als Backpackerin durch Indien gereist, stimmt´s? Da kann ich mir schon vorstellen, dass die anstrengenden und schon sehr nervigen Seiten im Vordergrund stehen und einiges überschatten.


Es ist nicht so, dass mir Indien nicht gefallen hätte, aber der Funke ist einfach nicht übergesprungen. Es ist kein Land, in das es mich zieht, aber das heißt ja nicht, dass man sich es nicht mal bequem von der Rückbank anschauen kann  :D . In 25 Jahren hat sich sicher viel getan.

Das sind ja unglaubliche Menschenmassen am Taj Mahal. Ich war damals fast alleine dort.
Viele Grüße
Katrin

snowtigger

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Re: Incredible India - meine neue, große, bunte, aufregende Liebe
« Antwort #21 am: 04.11.2013, 13:42 Uhr »
Ich bin mal schnell hinterhergehuscht (Motorradführerschein machts möglich :wink: )!
Ich selbst war noch nie in Indien, kenne aber vieles von Reisen von einer sehr guten Freundin von mir und lasse mich gerne einräuchern und an der Farbenpracht laben.

Toll finde ich, dass man sich alternativ zum Backpacken rumfahren lassen kann! Vielleicht wär das ja dann eher was für mich.
 8)
September 2012: http://forum.usa-reise.de/index.php?topic=58760.msg798830#msg798830
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Re: Incredible India - meine neue, große, bunte, aufregende Liebe
« Antwort #22 am: 04.11.2013, 14:33 Uhr »
Sich herumfahren zu lassen ist echt effektiv, sicher, komfortabel und nervenschonend. Ich würde es immer wieder so machen! Man hat seine Kapazitäten frei für die schönen Seiten des Landes ohne sich das aufreibend erkämpfen zu müssen, wenn man keine Lust hat sich mit allen Widrigkeitn selbst zu befassen.

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Re: Incredible India - meine neue, große, bunte, aufregende Liebe
« Antwort #23 am: 04.11.2013, 22:15 Uhr »
Montag, 14.10. Agra to Jaipur

Hirokos Bilder mit dem Dunst um das Denkmal sahen zwar ungewöhnlich und geheimnisvoll aus, sodass der Sonnenaufgang hier sicherlich ein Erlebnis wäre, aber ich fand es gestern in der Abendstimmung perfekt so, wie es war. Zwar werde ich zufällig im noch Dunklen wach und überlege kurz, ob ich mich nun zu Fuß nochmals auf den kurzen Weg mache, aber schnell dämmere ich wieder dahin, noch bevor der Gedanke zu Ende gedacht ist.

Anil steht schon wieder eine halbe Stunde früher als verabredet parat, als ich von der Apotheke zurückkomme, wo ich prophylaktisch das empfohlene Ciprofloxacin (hilft bei allem) kaufe - weil es so günstig ist (ca. 1,50 Euro für die 5 Tage, die man es nehmen soll), in doppelter Ausführung - und außerdem mir gegen den Husten einen furchtbaren roten Saft geben lasse, den der Verkäufer mir unaufgefordert, aber auffordernd hinstellt. Erst als die Flasche leer ist, frage ich Google nach dem Zeug und erfahre, dass dieser Saft kein Hustenlöser ist, nicht einmal Codein, wie befürchtet, sondern Prednisolon. Na Klasse, da habe ich dann eben eine knappe Woche lang Cortison gegen Erkältung eingenommen!

Wieder mal etwas früher als geplant geht es los, und um 9.30 Uhr bin ich am roten Fort von Agra. Wieder mal sind viele Touris unterwegs. Ein toller, aber leider durch ein Feuer verrauchter Ausblick auf das Taj Mahal, die vielen angeblich offiziellen Führer schüttele ich ab und dann muss ich mich mit einer indischen Reisegruppe fotografieren lassen und wieder mal an die drei Dutzend Male erklären, woher ich komme.

















Weiter geht es nach Fatehpur Sikri, einer weiteren Festung mit Moschee. Alle möglichen Leute belagern mich hier. Aber auch hier ist es dann nach Überwinden der Hürde angenehm ruhig und sogar ein bisschen grün.













Unterwegs halten wir einmal bei badenden Büffeln. Wieder mal so eine Eingebung von Anil. Kaum denke ich, dass diese doch fotografierenswert seien, kommt die Frage: 'You want to stop, take a photo?' Auf der anderen Straßenseite wird getöpfert. Malerisch! Und wieder steht eine Horde Kids um mich herum, neugierig, freundlich lächelnd. Sie weisen auf die Ziegen weiter weg. Die könne ich auch fotografieren, sie selbst auch, nachdem noch der kleine Bruder mit herangewunken ist. Nichts leichter als das!









Es folgt eine lange Fahrt, die nur vom Lunch unterbrochen wird, den ich nutze um mal meinen Fahrer abzulichten. Das also ist Anil:



Warum übrigens macht er sich nicht selbstständig? Nun, er hat keinen Computer, keine Website, nicht mal eine Mailadresse. Nicht einmal das Auto gehört ihm, sondern der Company.

Nach dem Mittag bietet mir Anil Betelnuss mit Kautabak an. Der Duft, der aus dem bunten Tütchen hochsteigt, ist wunderbar aromatisch, der Geschmack bäääääh. Dass man das Zeug nicht schlucken darf, sondern es ausspucken muss, muss Anil mir nicht zweimal sagen. Das mache ich gerne, und zwar umgehend. Ich halte mich lieber an das gesüßte Anis-Gewürz, das es heute nach dem Essen gab, davon klaue ich (Anil für mich) eine knappe Hand voll.

Schon fast in Jaipur, machen wir am Affentempel Halt. Hier gibt es Lemuren, nicht nur die normalen Makaken. Und es gibt einen Hindutempel, malerisch vor einem Berg. Und das war das Highlight des Tages! Es ist nichts los hier. Ich komme nach dem vielen Stress und Verkehr heute zur Ruhe.

Zwar wird man hier überall um 'donation for the temple' gebeten, dafür habe ich als Belohnung auch Zeichen auf die Stirn und ein Armband bekommen, das mir bestimmt die nächsten 30 Jahre good luck bescheren wird.





















Ich hatte ein Hotel gebucht, das liegt zentral, aber leider hatte hotels.com es mit einem Hotel außerhalb verwechselt. Und leider checkt die vornehme Dame an der Rezeption mich ein ohne die Reservierung zu finden, sodass ich leider bei Anil anrufen  und ihn bitten muss mich umzuparken. Der Tag war anstrengend und ich will endlich ein bisschen zur Ruhe kommen, aber die Stadt nervt mich. Eigentlich hatte ich eine halbe Stunde im Pool und ein gutes Essen im Sinn.

Da das eigentlich gebuchte Hotel entgegen der Beschreibung weit außerhalb ist, bitte ich Anil, mir etwas anderes zu zeigen. Und so sitze ich hier nun im Rajasthan Palace, einem insgesamt eher schlichten Hotel, in dem aber alles Vorhandene funktioniert. Es ist zwar ohne Pool, aber mit Garten, zwar ohne uniformierte Mitarbeiter mit perfektem Englisch, dafür aber mit echt freundlichem Lächeln Und ich habe nun ein Thali gegessen und es steht inzwischen das zweite Kingfisher Bier vor mir. Mir wäre heute so ziemlich alles recht gewesen. Übrigens: Auch hier kann der Inder im Allgemeinen und im Besonderen wohl Gedanken lesen. Kaum frage ich mich, ob ich hier wohl ein Bier bekommen könne, fragt der Hotelier mich, ob ich wohl ein Bier will.

Ich hoffe, im Zimmer habe ich dann die Möglichkeit das Wifi zu nutzen und die vielen schönen Bilder von heute hochzuladen. Das funktioniert tatsächlich wunderbar, wenn auch nicht im Zimmer, so doch im Garten mitten in der Anlage.

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Re: Incredible India - meine neue, große, bunte, aufregende Liebe
« Antwort #24 am: 05.11.2013, 20:26 Uhr »
DI, 15.10.: Sightseeing Jaipur

Heute liegt nur Sightseeing in Jaipur an. Ich finde es etwas doof, dass ich so gar keine eigene Orientierung in der Stadt habe. Fahren muss man offenbar ordentlich Schleifen für eine Strecke, die per Luftlinie eigentlich nur kurz ist. Irgendwie bin ich es nicht gewohnt so unselbstständig zu sein und nach allem fragen zu müssen statt einfach mit google maps loszulaufen oder loszufahren. Fast fühle ich mich ein bisschen wie in einer Reisegruppe ohne Herde...

Aber trotzdem ist alles gut. Ein kleiner Dank Anils an den Gott der Hindus mit den vielen Namen bevor es losgeht und dann sehe ich von außen den Palast der Winde (Hawa Mahal). Anil wirkt ein bisschen gestresst. Es ist wirklich sehr, sehr voll, und er findet kaum einen Parkplatz. Macht nichts, die paar Meter kann ich schon laufen.

Foto von außen. Um den Palast herum sieht es sonst immer so leer aus auf den beeindruckenden Fotos in den Reiseführern, also bevorzuge ich schon mal das später am Tag aufgenommene Foto von der gegenüber liegenden Straßenseite, es ist ehrlicher.





Ehrlicher ist es deshalb, weil ich das hier sehe, wenn ich mich an der Absperrung vor dem Palast umdrehe. Es fehlt lediglich ein mit Gemüse voll beladener Handkarren, der hier auch noch durchgeschoben wird:



Und es geht weiter nach etwas außerhalb zum Amber Fort.





Hier herrscht Elefantenstau. Das Sprichwort, dass man hier fast totgetrampelt wird, hat gute Chancen sich zu erfüllen, denn immer wieder schmeißen sich einem Souvenirverkäufer und Guides vor die Füße, die einen direkt in den Dreck und auf den Weg der Elefanten drängen.





Aber auch der Anstieg und Spießrutenlauf ist irgendwann überwunden, und auf mich wartet ein 1001 Nacht Ambiente, gekoppelt mit Mittelalter, und ich darf die herrlichen Schnitzereien bewundern, hinter denen sich selbst die Alhambra fast schon verstecken kann.



















Unterwegs bei der Pause ein zugegeben malerisch anzusehendes älteres Paar, offenbar für Ordnung und Sauberkeit hier zuständig. Sie wollen, dass ich sie fotografiere. Das mache ich gerne und mir ist klar, was das bedeutet. Bakshish wollen sie, 100 Rupies. Mir ist das Foto 10 Rupies wert, dann gehe ich.



Erst einmal geht es vorbei an diesem Wasserpalast.



Dann landen wir beim City Palace. Irgendwie ist heute schon die Luft raus bei mir. Ein Nachmittag am Pool wäre toll, aber am Pool mangelt es. Also schleiche ich etwas lustlos erst durch das Stadtschloss.





Dann gehe ich zum Jantar Mantar direkt nebenan, wo es Astronomie aus alten Zeiten zu bewundern gibt.



Ich bin KO, aber Anil schickt mich auf den Markt. Ich trotte los, habe schließlich verkündet, den wolle ich unbedingt sehen. Falsche Entscheidung, denn wieder geht es zu der lauten und vollen Straße. Ein Moped fährt mir fast über den Fuß, ich halte zur Vorsicht die Tasche ganz fest. Immer wieder bitten mich Bettlerinnen sie in ihren bunten malerischen Gewändern mit ihrem Baby zu fotografieren gegen Rupies. Ich lehne ab, verteile einige geringe Sachwerte und bin bald wieder am Parkplatz. Der Basar bietet nichts, das mich reizt, und das viele Winken und Rufen, ich solle reinkommen, nervt mich. Dabei wird man im Gegensatz zu Marokko hier nicht einmal angefasst, außer von Frauen, die mich zur Seite schieben wollen, weil sie vorbei wollen.

Ich erinnere mich an das ruhige Café im Stadtpalast. Ein Schattentisch, Cola light, ein Palak Paneer (indischer Käse in würzigem Spinat) und ein Lassi zum Nachtisch helfen meinem Unmut schnell ab.



Etwas entspannter gehe ich zurück zum Auto. Anil fragt, ob ich noch ins Kino möchte, und wenn ja, um 15 Uhr oder um 18 Uhr? Ich entscheide mich für 18 Uhr und Pause im Hotel. Vor dem Kino, wo er mir schon mal die Karte besorgen will, fragt Anil, ob ich um 15 Uhr oder um 18 Uhr gehen will. OK, habe ich wohl beim ersten Mal die falsche Antwort gegeben. Also 15 Uhr? Er ist für 15 Uhr, wie sich herausstellt, denn dann ist es nicht so voll. Na, meinetwegen, Pool ist ja hier eh nicht.

Er wirkt, als ob er gerne mitkommen würde, also bitte ich ihn eine Karte für sich mitzubringen, wenn er möchte, und er kommt mit zwei Karten zurück. Für ihn sicherlich ähnlicher Luxus wie für mich Opernkarten in der Semperoper. Wir parken für den Ticketkauf in zweiter Reihe. Wenn jemand kommt, soll ich fix das Auto wegfahren. Schluck! Oder ein Scherz? Aber es kommt niemand und die Wartezeit beträgt sowieso nur zwei Minuten.

Und dann der Film? Nun ja, die Handlung ist schnell erzählt: Pakistani und Inder wollen keinen Krieg und spielen statt dessen an der Grenze durch den Stacheldrahtzaun Karten. Eine Journalistin filmt permanent den Major, in den sie sich verliebt hat, der ist leicht daran zu erkennen, dass er als Einziger keinen Schnurrbart trägt. Und manchmal singt die Journalistin, dann freuen die Soldaten sich so, dass sie mit ihren Gewehren im Anschlag tanzen. Zwischendurch jagen Pakistani und Inder gemeinsam entlaufene Hühner und werden von Mitgliedern des Government dabei beobachtet, die glauben, dass nun endlich mal gekämpft wird. Aber den größten Lacher erzielt der Film, als einer der Soldaten ein Feuer löscht, indem er drauf pieselt. Die Inder im nur halb vollen Kino sind ganz bei der Sache, außer denjenigen, die gerade lautstark telefonieren. Es war ein Erlebnis!

Abends unterhalte ich mich mit der Hoteliersfrau. Sie bietet mir ein Stück Kuchen an, aus Weizenmehl, wie sie betont, nicht aus Maismehl: Die jetzige Regierung ist schlecht, alles ist teuer, die Preise explodieren, es wird eine Menge Zeug errichtet, das keiner braucht und das die Preise in die Höhe treibt. Nahrung wird exportiert, während das Volk nicht genug zu essen hat. Die ganzen schönen Mangos gehen ins Ausland, während für Indien nur Äpfel und Bananen bleiben. Die Touristen sollen kommen, weil sie Geld ins Land bringen, aber die Steuern steigen, selbst die Preise für Grundnahrungsmittel explodieren, aber die Preise für Leistungen kann man nicht entsprechend erhöhen.

Die Gesetze sind veraltet, teilweise noch aus Kolonialzeiten. "Are you british?" Nein, bin ich nicht. Gut, die Briten haben uns hier vieles übergestülpt, haben das Volk unter Druck gesetzt, sind gegangen und kümmern sich nicht. So sieht hier eben inzwischen jeder, dass er zurecht kommt.

Ja, denke ich, das erklärt doch einiges, wenn die Leute hier so empfinden, besonders die Ultraarmen, denn die Ultrareichen hier leben sehr gut. Und tatsächlich, man muss überall, sei es im Verkehr oder in Läden sehen, dass man irgendwann mal dran kommt.

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Re: Incredible India - meine neue, große, bunte, aufregende Liebe
« Antwort #25 am: 06.11.2013, 20:01 Uhr »
MI, 16.10.: Jaipur to Pushkar

Ich bin in Pushkar und will nicht wieder weg! Die Stadt packt mich ähnlich wie Ubud auf Bali. Sicher ist die Stadt ebenso touristisch, aber sie ist auch ebenso heilig. Die Fahrt hierher ist nur kurz, sodass wir schon gegen 12 Uhr am Hotel sind. Anschließend hat Anil frei.

Kurzer Zwischenstopp mit Schnappschuss:



Nach dem Einchecken im wirklich wunderschönen (und von mir ausgesuchten und vorgebuchten) Pushkar Palace direkt am See mache ich mich auf die Stadt zu erkunden, in der Mahatma Gandhis Asche verstreut ist.

Zunächst ein paar Ansichten aus dem und im Hotel:









Der Basar zieht sich durch die ganze Stadt, etwa vom Brahmatempel bis zum Hotel. Ein paar Minuten weiter liegt der Sikhtempel.

Ich gehe los, soll mich bloß nicht zu Donation überreden lassen. Man würde mir Blumen in die Hand drücken, kostenfrei, und mich dann immer wieder zu Donation drängen. Ich hätte auch so Glück und müsste mir es von den Bauernfängern hier nicht kaufen. Anil sei Hindupriester, also wisse er das genau. Gut, dass ich das rote Bändchen aus Jaipur noch am Handgelenk trage, dann könne ich es zeigen und sagen, ich hätte schon gespendet. Doch darauf fällt zumindest einer nicht rein. Er sagt, das sei doch sicher aus dem Affentempel in Jaipur. Gewieftes Bürschchen!

Ich kehre zwischendurch ein in ein relaxt wirkendes Lokal etwas abseits in einem Garten, das offenbar von Studenten geführt wird. An einem Tisch sitzt ein "Indian", von dem ich allerdings nicht recht weiß, ob es ein "Dot-Indian" ist oder ein "Feather-Indian", wie es Donna Leon mal in einer Lesung zum Besten gab. Er isst und fängt anschließend an zu nähen.

Alle Mitarbeiter tragen Mottoshirts und bieten somit Lesestoff. Einer hat das Motto: "Student + dying = studying". Tot machen die sich hier allerdings nicht. Nachdem der Koch mein Essen zubereitet hat, legt er sich in die Hängematte und lässt sich von mir für seine wirklich göttlichen Kartoffeln in Sahnesauce mit einem Hauch Knoblauch und das gemischte Gemüse auf Reis loben. Ich könne gerne abends wiederkommen, dann sei hier gute Musik und ich würde auch ein Bier bekommen. Pushkar ist ja Brahma gewidmet und als heilige Stadt somit eigentlich vegetarisch und alkoholfrei.

Später, abends in einer anderen Kneipe bekomme ich ebenfalls Bier. Gott sieht alles, aber offenbar verzeiht er auch alles.

Ich fotografiere aber zunächst jede Menge aus meiner touristischen Sicht Idyllisches, was für die Leute hier aber meistens harte Arbeit und sicher ziemliche Härte des Lebens ist.









Ein "heiliger Mann" ist heilig und sieht so aus, zum Glück ist er gleichzeitig so weltlich, dass er gegen 10 Rupies für ein Foto für mich posiert.





Ich gehe zum Brahmatempel und besichtige ihn. Alle seine Sachen muss man einschließen, "camera not allowed". Daher gibt es nur Fotos von der Warteschlange.



Immer wieder gehe ich unterwegs zu den Ghats, wo die Leute baden. Manche rufen mir "hallo" zu, besonders viele kleine Kinder sprechen mich an. Ich reagiere manchmal streng, wenn sie betteln und schicke sie weg.

Schuhe aus und barfuß durch den Kuhdung und den Taubendreck. Macht doch nichts, ich habe keine offene Wunde am Fuß. Aber heiß sind die Stufen, sodass ich lieber an den Stellen bleibe, die im Schatten liegen oder die aus hellem Stein sind. Immer wenn ich zu meinen Schuhen zurückgehe, hoffe ich, dass sie erstens noch da und zweitens nicht von einem heiligen Kuhfladen bedeckt sind.

Fotografieren von Badenden ist natürlich verboten. Das gebietet ja eigentlich auch der Respekt schon ohne Hinweisschilder. Ich kann es dennoch nicht lassen. Ein Mann sagt leise drängend und unterschwellig tadelnd: "Madam, no photographing of bathing people." Ich bin ertappt und stecke ein bisschen verschämt die Kamera weg.















Ich schlendere durch den Basar zurück. In den nächsten Hindutempel am Wegesrand darf ich nicht rein, verboten für Fremde. Zähneknirschend akzeptiere ich, versuche aber noch ein paar Fotos mit möglichst vielen bunten Gewändern im Vordergrund zu knipsen. Das fällt einer Frau auf, die gerne fotografiert werden möchte, sodass sie ihre gesamte Familie sich aufreihen lässt und sich dann das Foto zeigen lässt. Oma will aber auch mit aufs Foto und ist auf dem ersten Bild kaum zu sehen, und so muss ich noch einmal knipsen. Alle tätscheln mir den Arm, den Rücken, die Schultern. Eine Frau hält ihren dunkelbraunen Arm neben meinen Weißen, alle lachen.



Nun ist der Sikhtempel dran. Hier muss man sein Haar bedecken. Dafür liegen Tücher parat, aber ich nehme lieber meinen Schal. Ich werde herzlich willkommen geheißen. Wirkt total sympathisch, ich will mehr über die Religion wissen.



Ich gehe zum Hotel zurück, setze mich rechtzeitig auf den Gang vor meinem Zimmer mit Blick auf den See um den Sonnenuntergang zu genießen. Ich tausche mich ein wenig mit einer ebenfalls allein reisenden Frau in meinem Alter aus Neuseeland aus.

Tolle Stimmung! Musik, Trommeln, irgendwelche Gesänge machen sich gegenseitig aus unterschiedlichen Richtungen Konkurrenz, eine Tempelglocke wird geschlagen, die Sonne versinkt dramatisch gegenüber des Hotels. Eine Horde Lemuren sitzt inzwischen auf dem Dach des Hotelrestaurants, also Achtung, Diebe! Ein toller Tag liegt hinter mir!




Soulfinger

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Re: Incredible India - meine neue, große, bunte, aufregende Liebe
« Antwort #26 am: 06.11.2013, 20:14 Uhr »
Sehr schöner Bericht! . . . auch wenn's mich wohl niemals dorthin verschlagen wird.
"Ich trinke jeden Tag ein Glas Wein für meine Gesundheit. Den Rest der Flasche trinke ich, weil ich sehr gerne betrunken bin." Gerard Depardieu

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Re: Incredible India - meine neue, große, bunte, aufregende Liebe
« Antwort #27 am: 07.11.2013, 17:18 Uhr »
Sehr schöner Bericht! . . . auch wenn's mich wohl niemals dorthin verschlagen wird.

Danke! Ist doch gut, wenn man bequem im Sessel sitzend sich einen Teil der Welt ansehen kann, obwohl man nicht vor hat ihn zu besuchen.

Mir ist es übrigens so gegangen, dass ich noch nach der Flugbuchung darüber nachgedacht habe, ob ich mich wohl trauen würde. Es war aber alles kein Problem!

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Re: Incredible India - meine neue, große, bunte, aufregende Liebe
« Antwort #28 am: 07.11.2013, 17:18 Uhr »
DO, 17.10.: Pushkar to Bikaner

Es war wohl doch nicht so gut mittags in einer Kneipe zu essen, in der die Teller mit dem dreckigen Vorhang abgetrocknet werden, so lässig die Leute dort auch immer drauf waren. Die Auswirkungen sind nicht schlimm und mit einer Ladung Loperamid schnell in den Griff bekommen. Unangenehmer als die Stunde auf dem Klo ist die bange Frage im Halbschlaf für den Rest der Nacht, ob es wohl schlimmer werden würde. Zur Vorsicht verzichte ich auf das Frühstück und treffe mich um 8 Uhr mit Anil.

Vor uns liegt ein langer Ritt über eine ungeahnt schlechte Straße. Zwar ist nicht viel los, aber unser Durchschnittstempo liegt trotzdem kaum höher als 40 km/h. Die Straße hat Schlaglöcher und ist an vielen Stellen nicht einmal asphaltiert. Wir legen zwei Pausen ein, schließlich soll der Fahrer konzentriert bleiben.

Es bleibt viel Zeit sich zu unterhalten. Anil hat ein Einkommen von etwa 10000 Rupies pro Monat. Allein das Schulgeld für seine Tochter und den Schulbus beträgt 2300 Rupies im Monat. Was mag es selbst nach 22 Jahren in seinem Job auch heute noch in ihm auslösen, wenn die alleinreisende Deutsche am Flughafen leise vor sich hinschimpft, wenn der Automat nicht mehr als ein Monatseinkommen auf einmal ausspuckt, wenn sie dann mit einer zweiten Karte noch ein zweites Monatseinkommen zieht und wenn sie ohne mit der Wimper zu zucken für eine Nacht im Hotel ein halbes Monatseinkommen hinlegt? Wenn er mit Gästen unterwegs ist, muss er zunächst am Tag 400 bis 500 Rupies ausgeben, das ist viel für ihn. Ich sei glücklich in Deutschland zu leben. Ich beschließe die Klappe zu halten, wenn er mir erklärt, ein Hotel für umgerechnet 40 Euro die Nacht sei Geldverschwendung.

Und sein Handyladegerät im Auto ist nur noch mit einem dünnen Fädchen mit dem Stecker verbunden. Ich frage ihn, ob wir ihm ein Neues kaufen wollen. Er antwortet "not now". Ich krame in der Schublade für interkulturelle Kompetenz in meinem Gedächtnis und  erkenne, dass er "nein danke" meint. Ich werde ihm also kein Ladegerät aufdrängen.

Erst kurz vor Bikaner treffen wir an unserem ersten Zwischenziel ein, dem Rattentempel von Deshnok. Ich werde mit den üblichen Instruktionen losgeschickt. Es ist viel los. Die Gläubigen stehen mit ihren Opfergaben Schlange. Ich darf an der Schlange vorbei in den Teil des Tempels, der nicht zum Altar führt. In einer Ecke sitzt ein Musiker, über Lautsprecher schallen irgendwelche Ansagen oder Gebete durch das Gebäude, über allem liegt Stimmengewirr.















Ach ja, da war doch noch was? In einer Ecke sitzen die ersten beiden Ratten. Auf der Erde liegt Futter und Dreck, die Ratten fühlen sich wohl. Immer mehr tauchen auf in Nischen und Kammern. Die Menschen dazwischen völlig ungerührt, ein Mann liegt auf dem Boden und schläft. Ein anderer sitzt neben der vollsten Rattennische nur etwa 5 Meter weiter auf dem Boden und backt Brot. Kinder krabbeln auf dem Boden. Ich überlege jeden Schritt, komme in einen Raum, in dem Gläubige den Ratten säuerlich riechende Milch in große Gefäße gießen.











Ein paar Kilometer weiter halten wir um zu essen. Die Kamelfarm öffnet erst um 15 Uhr und nach einem Tag ohne Frühstück habe ich Kohldampf. Wir bestellen und während wir auf das Essen warten, sehe ich mich um. Auch hier flitzen zwei Ratten durch den Raum, der eher einer Werkhalle gleicht, in dem ansonsten ausschließlich indische Männer etwas essen, Tee trinken oder sich Leitungswasser in den Mund fließen lassen, das vorher aus einem großen Plastikfass in den Krug gegossen wurde. Jemand wischt den Tisch mit einem Lappen ab, der entweder aus anthrazitfarbenem Stoff besteht oder aber so dreckig ist, als ob jemand damit im Kohlebergwerk Staub gewischt hat. Mich beachtet irgendwie niemand.

Ich glaube, heute ist der bisher klischeehafteste Indientag meiner Reise, wenn man an die vielen Horrorgeschichten denkt, die man bei der Vorbereitung einer solchen Reise so hört über "indische Verhältnisse". Aber komisch, irgendwie fühlt es sich deutlich harmloser und selbstverständlicher an als wenn man solche Geschichten vor einer Reise liest.

Auf der Kamelfarm muss ich mir dringend erst einmal die Füße waschen wegen des Rattendrecks und schlendere dann über das wenig aufregende Gelände. Ein Kamel kostet umgerechnet so viel wie das iPad, auf dem ich gerade schreibe und ist somit für einen Inder ein sehr hoher Wert. Kamele ohne Ende, außerdem kann man Leder- und Milchprodukte vom Kamel kaufen. Anil warnt mich Milch zu trinken. Offenbar soll diese aphrodisierend wirken, das geht nicht, wenn ich ohne Mann unterwegs bin, meint er. Aber schon, weil ich heute wegen meines Bauches vorsichtig sein will, verzichte ich darauf, schätze aber, dass ich auch mit der Milch hätte an mich halten können und nicht über den nächstbesten Inder hergefallen wäre. Ohnehin wirkt kaum einer der Herren, mit denen ich bisher zu tun hatte, als ob er das Kama Sutra beherrscht.









Die paar letzten Kilometer nach Bikaner sind schnell abgesessen und Anil fährt mich zum wiederum schönen, aber auch eher schlichten Hotel Harasar Haveli ohne "Firlefanz" mit wiederum äußerst netten Inhabern und sehr aufmerksamen und angenehmen Mitarbeitern und einem farbenfroh eingerichteten Zimmer. Nach dem Einchecken fährt er mich in die Altstadt und so ist sein Job für heute beendet. Zurück will ich laufen.

Ich fotografiere von außen das Fort, für eine Besichtigung bleibt keine Zeit. Es sind Wolken aufgezogen, jede Menge Sand weht durch die Stadt, ohrenbetäubender Lärm von Motoren und dem ständigen Gehupe auch hier. Ich werde angesprochen und angebettelt. Meistens sind es wohl Guides, die den Kontakt zu mir knüpfen wollen um mir dann ihre Dienste anzubieten. Einem stark verkrüppelten Mann gebe ich einen kleinen Schein, hier kann ich nicht anders.













Der kurze Rückweg ist gut zu finden, die Straße ist breit, und es ist nicht viel Verkehr. Auf dem Weg sehe ich die letzte Ratte des Tages am Straßenrand in der Kanalisation verschwinden. Ich gehe abseits des direkten Innenstadtbereiches noch vorbei an kleinen und eher profan wirkenden Tempeln, in denen aber stimmungsvolle Zeremonien abgehalten werden.

Noch eine Merkwürdigkeit am Wegesrand:



Relativ kurz nach Einbruch der Dunkelheit bin ich wieder am Hotel und sitze nun nach dem Essen auf dem Dach, wo es recht ruhig ist. SMS von Anil, ob es mir gut geht und ob ich in der Stadt oder am Hotel bin. Ja, danke, alles okay. Später läuft er mir noch über den Weg, als ich unten vor dem Hotel sitze und die Fotos sichte. Wir sehen sie gemeinsam an. Ich sähe "cute" aus, meint er bei einem Bild von mir. Danke schön für das Kompliment!

SEA2009

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Re: Incredible India - meine neue, große, bunte, aufregende Liebe
« Antwort #29 am: 07.11.2013, 18:21 Uhr »
Zitat
Ich sähe "cute" aus, meint er bei einem Bild von mir.
Das tust du in der Tat! ;)
Wirklich ein spannender Reisebericht und ein Einblick in eine völlig fremde Welt. Gerade auch die Infos von Anil finde ich sehr gut, solche Hintergrundinfos geben einfach nochmal ganz neue Sichtweisen. Ich mag deine Reiseberichte sowieso sehr gerne, du schreibst sehr informativ und hast einen guten Blick für interessante Details!
Wir sind mit Indern befreundet, sie trägt traditionelle Kleidung und sie kochen beide sensationell. So kann ich mir endlich mal deren Herkunftsland besser vorstellen.
1997: Helendale, CA - Las Vegas - Los Angeles - San Francisco
2009: Seattle - Oregon Coast - San Francisco
2012: Las Vegas - VoF, Zion, Bryce, Page, MV, GC - San Diego - Los Angeles