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Autor Thema: Sakura, Sushi, Samurai - Im Frühling 2014 durch Japan  (Gelesen 50713 mal)

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Flicka

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Re: Sakura, Sushi, Samurai - Im Frühling 2014 durch Japan
« Antwort #60 am: 09.05.2014, 16:43 Uhr »

Ich hatte März eigentlich wegen der Temperaturen ausgeschlossen, aber im Vergleich zu den Herbstreiseberichten, scheint
es im Frühling sonniger und weniger diesig zu sein? Kannst du das bestätigen.
Hast du dich manchmal verloren oder unsicher gefüllt wegen Sprache und Kultur oder hattest du immer das Gefühl, wenn ich
nicht weiter weiß, finde ich immer Hilfe?


Mit dem Wetter war es zu meiner Reisezeit eigentlich so wie bei uns auch: Zwischen Ende März und Mitte April kann man bei uns ja Glück haben und T-Shirt-Wetter erwischen oder im Schnee stehen. Ähnlich war es auch während meiner Reise. Vom Sonnenbrand bei über 20 Grad bis zu Schal und Handschuhen bei dicken Wolken war alles dabei. Von daher kann man Glück und Pech haben. Ob die Kirschblütenzeit besser ist als die Herbstzeit kann ich wirklich nicht sagen. Klar ist nur dass sich weder Kirschblüte noch Laubfärbung mit Sicherheit vorhersagen lassen.

Generell habe ich mich in Japan gut aufgehoben gefühlt. Die Leute waren durchweg hilfsbereit, aber dazu schreibe ich bei den einzelnen Reisetagen noch was.


Wer mag, kann ja mal ein wenig bei der Japan-Guide-Seite zum Hakone Round Course schmökern und dort in Text und Karte den Links folgen, z.B. zu Hakone oder dem Hakone Free Pass:

http://www.japan-guide.com/e/e5210.html

Auf der Seite ist unheimlich viel Vorarbeit geleistet und das ganze dann auch noch verständlich dargestellt worden. Es ist also keine Hexerei und setzt auch keine nächtelangen eigenen Recherchen voraus, diesen Tagesausflug hinzubekommen. Aber wer zu einzelnen Zielen mehr wissen mag, findet teilweise noch Links zu den jeweiligen Internetseiten bzw. kommt dann auch mit Google gut weiter. Und die Zeiten der einzelnen Züge kann man über www.hyperdia.com herausbekommen.


Denver

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Re: Sakura, Sushi, Samurai - Im Frühling 2014 durch Japan
« Antwort #61 am: 09.05.2014, 18:15 Uhr »



Super, es geht weiter.  :applaus:

Der Bericht ist so spannend und ich kann gar nicht genug von den Fotos bekommen. Das war ein toller Auflug.

Vielen Dank! Wann startet eigentlich deine Reise?


Der Grund unserer Reise ist nebst Sightseeing, dem World Scout Jamboree 2015 in Kirara-hama, Yamaguchi, einen Kurzbesuch abzustatten. Das Jamboree findet Ende Juli statt und wie es sich herausgestellt hat, eine klimatisch etwas ungünstige Zeit für eine Rundreise durch Japan. Man sollte mit leichtem Gepäck reisen und dennoch bei der Hitze genügend Wechselwäsche dabei haben. Japaner sehen doch immer wie aus dem Ei gepellt aus. Das scheint mir logistisch etwas schwierig. Vielleicht mache ich mir auch zu viele Gedanken. Eine geführte Reise im klimatisierten Reisebus und entsprechend grossen Koffer wollen wir dennoch nicht machen. Wir haben noch ein paar Monate Zeit eine Entscheidung zu treffen bis wir die Flüge buchen müssen.

In der Zwischenzeit lese ich deinen Bericht.  8)

Flicka

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Re: Sakura, Sushi, Samurai - Im Frühling 2014 durch Japan
« Antwort #62 am: 09.05.2014, 20:11 Uhr »

Wir haben noch ein paar Monate Zeit eine Entscheidung zu treffen bis wir die Flüge buchen müssen.

In der Zwischenzeit lese ich deinen Bericht.  8)


Na, das passt ja dann. Ich wusste nicht, ob ihr dieses Jahr fahren wollt, dann wäre es wohl etwas knapp geworden, noch das Ende dieses Berichts abzuwarten.  :D


Man sollte mit leichtem Gepäck reisen und dennoch bei der Hitze genügend Wechselwäsche dabei haben. Japaner sehen doch immer wie aus dem Ei gepellt aus. Das scheint mir logistisch etwas schwierig.

Von einer Idee kann man sich gleich schon mal verabschieden: Dass man es schaffen könnte, ähnlich adrett auszusehen wie die Japaner. Da das aber kein Westler schafft, fällt man auch nicht unangenehm auf, so zumindest meine persönliche Erfahrung. Man spielt halt einfach nicht in derselben Liga wie die aus dem Ei gepellten Japaner. Das fängt schon damit an, dass man verglichen mit dem japanischen glatten glänzenden Haar als Westler einfach nur Gestrüpp auf dem Kopf hat.

Ansonsten war es so, dass es auf meiner Reise in sehr vielen Hotels auch Waschmaschinen und Trockner gab. Ich habe mich mit dem Gepäck also von vorneherein beschränkt.

nomad

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Re: Sakura, Sushi, Samurai - Im Frühling 2014 durch Japan
« Antwort #63 am: 09.05.2014, 20:12 Uhr »
Hi Flicka,

sehr schöner Bericht. Ich war nur ein paar Tage später (6.4.-11.4.) auch in Tokio und Ichinoseki - allerdings dienstlich. Die Kirschblüte im Ueno-Park und in Asakusa war gerade noch da wurde aber von Tag zu Tag weniger. Vor allem am Sonntag (6.4.) war der Park voll mit Leuten, die bei leichtem Nieselregen unter den Kirschbäumen Hanami feierten. Den Rest der Zeit war das Wetter dann aber prima.

Schön ein paar Bilder vom Coco Grand zu sehen, ich habe schon einige Hotels (z.B. das Parkside direkt nebenan) in Ueno ausprobiert, aber in dem war ich nocht nicht. Kommt jetzt aber auf die Liste... ;-)

nomad.

Flicka

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Re: Sakura, Sushi, Samurai - Im Frühling 2014 durch Japan
« Antwort #64 am: 11.05.2014, 09:50 Uhr »
Hi Flicka,

sehr schöner Bericht. Ich war nur ein paar Tage später (6.4.-11.4.) auch in Tokio und Ichinoseki - allerdings dienstlich. Die Kirschblüte im Ueno-Park und in Asakusa war gerade noch da wurde aber von Tag zu Tag weniger. Vor allem am Sonntag (6.4.) war der Park voll mit Leuten, die bei leichtem Nieselregen unter den Kirschbäumen Hanami feierten. Den Rest der Zeit war das Wetter dann aber prima.

Schön ein paar Bilder vom Coco Grand zu sehen, ich habe schon einige Hotels (z.B. das Parkside direkt nebenan) in Ueno ausprobiert, aber in dem war ich nocht nicht. Kommt jetzt aber auf die Liste... ;-)

nomad.

Dann haben wir uns ja wirklich nur um ein paar Tage verpasst, wie lustig! Fast hätten wir ein Forentreffen in Japan machen können.  :wink:

Das Hotel kann ich empfehlen, und das Zimmer kam mir später auch gar nicht mehr so klein vor wie am Anfang.  :D

Flicka

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Re: Sakura, Sushi, Samurai - Im Frühling 2014 durch Japan
« Antwort #65 am: 11.05.2014, 09:52 Uhr »
1. April 2014: Tokio – Nikko – Tokio

Es wird besser mit dem Jetlag. Heute nacht bin ich doch tatsächlich schon vor halb eins eingeschlafen. Heute morgen esse ich wieder ein kleines Frühstück mir Marmelade, dann breche ich auf, um den 8.14-Uhr-Yamabiko-Shinkansen Richtung Norden zu erwischen. Der hält direkt in Ueno, und die Shinkansen-Bahnsteige sind auch schnell gefunden:

Zuerst passiert man das „normale“ Ticketgate, dann folgt man den allgemeinen Hinweisschildern zum Shinkansen. Vor dem Shinkansen-Bereich sieht man auf der Anzeigetafel abwechselnd auf japanisch und englisch die Züge und Bahnsteige. Ich will den Shinkansen um 8.14 Uhr nehmen, muss also zum Bahnsteig 20. Um zum Shinkansen zu kommen, muss man dann noch durch ein zusätzliches Shinkansen-Ticket-Gate. Am Bahnsteig werden dann Informationen zu den nächsten Zügen angezeigt, wieder auf englisch und japanisch. Hier findet man auch Informationen darüber, welche Wagen reservierungspflichtig sind und welche nicht. Man stellt sich dann in den jeweils markierten Bereich in die Schlange. Ohne Reservierung muss man in einen „Non-Reserved Car“, ansonsten stellt man sich natürlich dort in die Schlange, wo der reservierte Wagen halten wird. Ich habe heute keine Reservierung und stelle mich hinter dem  netten japanischen Herrn für den Wagen 4 an. Der Wagen hält dann auch auf den Zentimeter genau dort, wo er halten soll. Man steigt ein, und wenn man Gepäck dabei hat, kann man es auf der Ablage oben am Sitzplatz unterbringen oder größere Gepäckstücke hinter den letzten Reihen in den Waggons abstellen, wo zwischen Wand und Rückenlehne noch genug Platz für große dicke Koffer ist.




So viel zum Grundkurs Shinkansen. Die Details der Anzeigen und der markierten Wartebereiche sind, wie ich im Verlauf der Reise feststelle, zwar oft etwas unterschiedlich ausgestaltet, aber vom Grundsatz her ist die Beschilderung überall so wie hier in Ueno. Der Yamabiko fährt natürlich pünktlich ab und erreicht in einer Dreiviertelstunde Utsunomiya. Dort habe ich elf Minuten zum Umsteigen, und das reicht locker. Von hier aus fährt ein Zug nach Nikko. Ich sitze direkt im ersten Wagen hinter dem Führerstand und kann dem Lokführer bei der Arbeit zusehen.




„Sage nicht prachtvoll, bevor du nicht Nikko gesehen hast“, so soll ein japanisches Sprichwort lauten. Das weckt natürlich Erwartungen, und ich bin gespannt, ob Nikko das halten wird, was das Sprichwort verspricht.

Der Zug kommt um kurz vor zehn in Nikko an, ich laufe ein Stück die Straße entlang bis zur zentralen Bushaltestelle, und gerade als ich überlege, ob ich die knapp 2 km zu den Schreinen und Tempeln von hier aus laufen oder auf einen Bus warten soll, fährt auch schon der World Heritage Bus vor. Also los. Hier kann ich zum ersten mal meine Suica-Card zum Einsatz bringen. Man hält sie beim Einsteigen und Aussteigen an den Kartenleser, und das System bucht beim Aussteigen den anfallenden Betrag ab. Geht ganz einfach.

Ich steige an der Station „Omotesando“ aus. Von hier aus sind es nur ein paar Meter zum Rinnoji, dem ersten Ziel des Tages. Der Tempel wurde schon im 8. Jahrhundert gegründet und im 17. Jahrhundert weiter ausgebaut. Zur Zeit wird der Tempel renoviert, der Besuch ist eingeschränkt, aber ich will ihn mir trotzdem ansehen und kaufe ein Ticket.




Auf der Tempelbaustelle gilt leider „No Photo“, aber außer einer Buddha-Statue und ein paar kleineren Götter-Statuen ist ohnehin nicht viel zu sehen. Was ich ziemlich obskur finde, ist die Tatsache, dass neben jeder Götter-Statue auch gleich ein zum Verkauf verpacktes Amulett hängt, vermutlich, damit man später im Shop noch das passende Amulett zum gewünschten Gott wiedererkennt und keinen Fehlkauf tätigt.

Die Baustelle darf man sich auch noch von oben anschauen – und fotografieren -, und da sieht es weniger nach Renovierung und mehr nach einem Tempel-Neubau aus.




Der Mönch scheint auch nicht so richtig hierher zu passen.




Direkt oberhalb des Rinnoji steht schon das Eingangstor zum Toshogu-Schrein. Der Schrein wurde im 17. Jahrhundert zuerst als relativ einfaches Mausoleum für den Shogun Tokugawa Ieyasu, den ersten Shogun der Edo-Zeit, begründet und später von dessen Enkel ausgebaut. Der Schrein umfasst mehrere Gebäude. Die meisten sind mit prachtvollen Schnitzereien ausgeschmückt, was in japanischen Schreinen ansonsten eher unüblich ist.




Vor dem Eingang zum Schrein steht noch eine pittoreske Pagode, aber man sollte bloß nicht meinen, dass man mit dem teuren Ticket für den Schrein auch noch zur Pagode darf. Die kostet extra, und ich werde sofort zurückgepfiffen, als ich arglos die Stufen zur Pagode hochgehe. Egal, von weitem ist die Pagode sowieso am schönsten.




Danach betrete ich das Schreingelände und bin wirklich erschlagen von der Pracht. Überall bemalte Schnitzereien an den Gebäuden, dabei dienten viele früher als Lagerhaus oder als Stall. Das bekannte Bild der drei Affen, die nichts böses hören, nichts böses sagen und nichts böses sehen ist an den ehemaligen Ställen der heiligen Pferde angebracht. Die derzeitige Schreinrenovierung ist hier offenbar noch nicht angekommen. Gegenüber am Lagerhaus sind zwei Elefanten zu sehen, die auch „Elefanten der Fantasie“ genannt werden, weil der Künstler vermutlich nie einen Elefanten gesehen hat.










Die Ema-Täfelchen des Schreins greifen das Affenmotiv wieder auf.




Eine Treppe führt hinauf, durch das Yomeimon-Tor. Das wird derzeit leider auch renoviert, aber kaum hat man die eingehüllte Baustelle umlaufen, setzt sich die Pracht fort. Man weiß wirklich kaum, wo man hinschauen soll.










Im Inneren des Schreins muss man die Schuhe ausziehen, Fotos sind hier nicht erlaubt. Ganz anders sieht es mit der schlafenden Katze aus, eine der bekanntesten Schnitzereien am Schrein. Hier klicken um mich herum die Fotoapparate.




Die Katze thront über dem Weg zum Mausoleum des Shogun. Es wird gemunkelt, dass sie die (Hinter-) List des Shoguns symbolisieren soll, denn wer weiß schon, ob die Katze wirklich schläft. Der Shogun jedenfalls ruht weiter oben am Berg, umgeben von Bäumen, in seiner Urne.




Dann gehe ich hinüber zur Honjido-Halle, der Halle mit dem fauchenden Drachen, wo wieder ein Fotoverbot gilt, aber hier soll man ja etwas zu hören bekommen. Der Drache ist ein riesiges Deckengemälde, und er soll tatsächlich fauchen. Ein Mönch führt den Effekt vor: Er schlägt zuerst weiter hinten in der Halle mit zwei Stäben aufeinander. Nichts passiert. Dann schlägt er unter dem Kopf des Drachen die Stäbe zusammen, und es ist ein deutliches, schallerndes Echo zu hören. Das ist es also, das Fauchen des Drachen. Und mit derselben Ernsthaftigkeit, mit der der Mönch den fauchenden Drachen erklingen lässt, holt er anschließend ein verkaufsfertig verpacktes Amulett hervor und präsentiert es den Besuchern. Vielleicht kann man damit den inneren Drachen in sich wecken. Der Mönch jedenfalls gibt mit einem Gesichtsausdruck, den ich als Mischung zwischen „Nehmen Sie regelmäßig Ihre Blutdrucktabletten!“ und „Denken Sie an Ihre Altersvorsorge!“ interpretiere, noch ein paar Erläuterungen zum Amulett, vermute ich jedenfalls, denn natürlich tut er das auf Japanisch, dann dürfen die Besucher weitergehen, wo schon die Mitarbeiter an den Verkaufstheken warten. Ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen. Und während ich draußen meine Schuhe wieder anziehe, steigt drinnen schon die nächste Drachen-Verkaufsshow.

Der nächste Schrein, nur ein paar Minuten Fußweg entfernt, ist der Futarasan-Schrein, und der sieht erstmal langweilig aus. Erst auf den zweiten Blick erschließt sich sein Reiz: Der Schrein, der direkt am Waldrand liegt, besteht aus vielen kleinen Shinto-Schreinen. Er wurde schon im 8. Jahrhundert gegründet und ist den Göttern der drei heiligsten Berge von Nikko gewidmet. Was ich lustig finde: An einer Stelle kann man Ringe werfen. Vielleicht kann man als Preis ein bisschen Glück gewinnen. Mir gefällt der Schrein sehr gut. Er ist ruhig und hat etwas richtig ursprüngliches. Weit weg vom Trubel um fauchende Drachen und schlafende Katzen schmücken Seile und Zickzackpapiere Bäume, Quellen und Felsen. Zurück zu den Wurzeln, könnte man sagen. Es herrscht eine ruhig entspannte Atmosphäre unter den hohen Nadelbäumen.














Schließlich gehe ich weiter zum Taiyuinbyo, dem Mausoleum von Iemitsu, dem Enkel von Ieyasu. Er war der dritte Shogun der Edo-Zeit und derjenige, der den Toshogu-Schrein für seinen Großvater so prächtig ausbauen ließ. Für ihn selbst durfte es dann eine etwas bescheidenere Version davon sein. Hier und am Toshogu-Schrein zeigt sich, wie dicht Shintoismus und Buddhismus über lange Zeit in Japan miteinander verwoben waren: Beide Gebäudekomplexe zeigen Elemente beider Glaubensrichtungen und wurden erst in der Meiji-Zeit so weit wie möglich „bereinigt“. Dabei blieb der Toshogu-Schrein shintoistisch, der Taiyuinbyo wurde aber dem buddhistischen Rinnoji-Tempel „zugeschlagen“










Inzwischen ist es schon fast drei Uhr, und eigentlich wollte ich heute mal was zu Mittag essen, aber das einzige Restaurant, das ich auf meinem weiteren Weg sehe, ist mir nicht sonderlich sympathisch, also mache ich mich auf den Weg zu meinem nächsten Ziel, der Kanmangafuchi-Abyss, einer kleinen Schlucht. Zwischendurch verlaufe ich mich ein wenig, weil ich mir einbilde, den Weg auch ohne Karte zu finden. Das tue ich auch, aber erst nach einem Zickzackkurs durch die angrenzenden Straßen. Schließlich ist die richtige Straße gefunden, die über den Fluss führt und schließlich in einen Weg mündet, der am Ufer entlang führt. Hier sind mehrere Jizo-Statuen aufgestellt, die hinunter auf den Fluss schauen.

Die Jizos sind buddhistische Bodhisattvas, also Wesen, die anderen Wesen auf dem Weg zur Erleuchtung helfen. Die Jizos haben eine besondere Aufgabe: Sie helfen den Seelen verstorbener oder totgeborener Kinder zur Erlösung. Die Mützen und Lätzchen - offenbar werden sie von den Müttern der Kinder gefertigt - sollen ihnen helfen die Seelen der Kinder zu finden.










Alle Statuen sehen unterschiedlich aus, aber eins haben sie alle gemeinsam: Sie wirken friedlich, und sehen mit ihren gehäkelten Mützen und den Lätzchen richtig anrührend aus.

Ich mache mich in gelöster Stimmung wieder auf den Weg. Der Besuch hier unten am Fluss hat richtig gut getan.

Von hier aus mache ich mich wieder auf den Rückweg am Fluss entlang bis zur Shinkyo-Brücke, bei der es sich um eine der drei schönsten Brücken Japans handeln soll. Schade, dass die tiefstehende Sonne hinter der Brücke nicht gerade hilfreich ist, um den Ruhm der schönen Brücke fotografisch zu verbreiten.




Ein Blick in meine Unterlagen verrät mir: Der nächste Zug fährt in einer halben Stunde, bis zum Bahnhof sind es 2 Kilometer, das schaffe ich. Um viertel vor fünf sitze ich dann auch tatsächlich im Zug Richtung Utsunomiya, immer noch ohne Mittagessen, aber mit einem Plan: Am Bahnhof Utsunomiya will ich mir eine Bentobox kaufen und auf der Shinkansenfahrt nach Ueno in typisch japanischer Manier im Zug essen. Eine Verkaufsstand für Bentoboxen ist auch schnell gefunden, schwieriger wird es aber mit der Verständigung. Zwar sind überall Modelle des Inhalts der unterschiedlichen Boxen aufgestellt, aber wer weiß schon, ob das braune Zeug auf dem Reis Fleisch, Fisch, Tofu oder Wurzeln darstellen soll oder womit die gezeigten Reisklöße gefüllt sind. Die Verkäuferin ist zwar freundlich, spricht aber nur japanisch, und egal wie oft sie mir den Inhalt der Boxen auf japanisch erklärt, ich weiß trotzdem nicht, was drin ist. Das Problem löst sich, als ich auf der Verpackung einer der Boxen eine Kuh erblicke. Wo Kuh drauf ist, muss auch Kuh drin sein, finde ich, deute aber vorsichtshalber trotzdem auf die Kuh und versuche mein Glück mit einem fragenden „Muh?“

Das findet der Mann, der gerade eine Box gekauft hat, sehr komisch, versteht aber jedenfalls, was ich will, erklärt es der Verkäuferin und bringt ihr auch gleich mal das Wort „Beef“ bei. Natürlich kaufe ich dann auch die Beef-Bento-Box. Um 17.46 Uhr nehme ich den Shinkansen zurück nach Ueno und packe im Zug gleich meine Box aus. Darin sind Reis mit Rindfleisch, Ingwer, einlegte Pflaumen und irgendwas, das wahrscheinlich aus Tofu besteht. Es schmeckt sehr lecker und lässt sich auch mit den mitgelieferten Stäbchen gut essen.






Um halb sieben bin ich wieder in Ueno und könnte jetzt zum Hotel gehen. Allerdings habe ich mir heute morgen schnell noch die Wegbeschreibung für eine typisch japanische Errungenschaft eingesteckt, nämlich für ein Cat Café.

Dank Fotos in der Wegbeschreibung ist das „Café“ im achten Stockwerk eines Gebäudes direkt am Bahnhof schnell gefunden. Als ich oben aus dem Aufzug steige, muss ich die Schuhe ausziehen, Jacke und Rucksack in einen Spind sperren und meine Hände desinfizieren. Dann darf ich entscheiden, wie lange ich hier verbringen will. Ich wähle eine halbe Stunde, bekomme eine entsprechend eingestellte Stoppuhr ausgehändigt und darf mich dann zu den Katzen setzen. Ich darf Fotos ohne Blitz machen, Spielen und Streicheln sind erlaubt, außer bei Mikori (oder so ähnlich), der eine wirklich gefährliche Katze sein soll. So guckt er auch, und unwillkürlich frage ich mich, ob in ihm wohl ein listiger Shogun wiedergeboren wurde.




Die anderen sind aber niedlich, oder, wie es in Japan heißt: Kawaii!








Man kann hier auch etwas trinken und vermutlich auch ein paar Snacks bekommen, aber der eigentliche Sinn eines Cat Cafés ist der Kontakt zu den Katzen, die in den Wohnungen in den japanischen Städten oft nicht erlaubt ist. Inzwischen sind Cat Cafés schon längst mich mehr der letzte Schrei, dafür gibt es inzwischen ja solche Errungenschaften wie Eulencafés, die aber wohl auf den Widerstand von Tierschützern treffen.

Ich trudele schließlich gegen halb acht im Hotel ein, kaufe mir im angrenzenden Shop noch einen mit Creme und Obst gefüllten Pfannkuchen und mache mir einen gemütlichen Abend. Im Fernsehen läuft so etwas ähnliches wie das „Kirschblütenfest der Volksmusik“, jedenfalls was Bühnendekoration und das Alter des Publikums im Saal angeht.




Der anschließende Wetterbericht sieht gut aus: Der für morgen ursprünglich vorhergesagte Regen soll doch erst am Abend fallen, vormittags soll es wieder sonnig werden.


Ausgaben des Tages:
Busticket: Y 310 (gezahlt mit Suica-Card)
Rinnoji-Tempel Y 400
Toshogu-Schrein Y 1300
Futarasan-Schrein Y 200
Taiyuinbyo Y 550
Bentobox Y 1000
Cat Cafe Y 750
Snacks und Getränke Y 550
1 ÜN im Hotel Coco Grand Ueno Shinobazu Y 10800
Eine Kuh auf einer Bentobox erkennen: unbezahlbar

Gute Nacht!

Denver

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Re: Sakura, Sushi, Samurai - Im Frühling 2014 durch Japan
« Antwort #66 am: 11.05.2014, 12:13 Uhr »
Ich bin begeistert und freue mich über die vielen wertvollen Informationen. Merci.

Sag mal, magst du kein japanisches Frühstück? Ich kenne es nur von Hawaii und fand es sehr lecker.

Die Bentobox ist cool.  :lol:

Ich sehe mich schon, Huhn, Ente und Schwein nachmachen. Muss wohl vorher vor dem Spiegel üben.  :lol:

Inspired

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Re: Sakura, Sushi, Samurai - Im Frühling 2014 durch Japan
« Antwort #67 am: 11.05.2014, 12:16 Uhr »
Ich habe mich auch gefragt, ob ich wohl die Kuh gemimt hätte. Ist immerhin leichter als Fisch oder Gemüse zu imitieren ;)

Wilder Löwe

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Re: Sakura, Sushi, Samurai - Im Frühling 2014 durch Japan
« Antwort #68 am: 11.05.2014, 14:24 Uhr »
Dein Bericht macht wirklich Lust auf Japan. Das Reisen dort scheint nicht so kompliziert zu sein, wie man es allgemein annimmt.
Viele Grüße
Katrin

Flicka

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Re: Sakura, Sushi, Samurai - Im Frühling 2014 durch Japan
« Antwort #69 am: 11.05.2014, 15:18 Uhr »
Ich bin begeistert und freue mich über die vielen wertvollen Informationen. Merci.


Dein Bericht macht wirklich Lust auf Japan. Das Reisen dort scheint nicht so kompliziert zu sein, wie man es allgemein annimmt.

Ich freue mich, wenn ihr die Informationen hilfreich findet und ich euch Mut machen kann, es selbst in Japan zu versuchen. Ich kann zwar wirklich nicht behaupten, dass ich ohne Vorbereitung dorthin gefahren wäre, aber man kann sich jedenfalls mit vernünftigem Zeitaufwand so vorbereiten, dass man sich vor Ort gut zurechtfindet. Und der Zeitaufwand hat eigentlich wenig mit Japan zu tun, sondern würde genauso entstehen, wenn man sich entschließen würde, innerhalb von Europa eine Rundreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu machen. Was ich in Japan gemacht habe, könnte man in Deutschland wohl mit einer Rundreise durch verschiedene Städte wie München, Berlin oder Hamburg mit Zwischenausflügen und -aufenthalten in eher ländlichen, aber touristisch erschlossenen Gebieten vergleichen. Da erkundigt man sich ja auch vorher, wie man überhaupt vom Hotel in der Stadt A ins Hotel in der Stadt B kommt, ob das ins Auge gefasste Hotel überhaupt in der Nähe von Bahnhöfen, U-Bahnen oder Buslinien liegt und wie man von dort aus an die gewünschten Ziele kommt. Das alles ist heutzutage dank Internet auch bei Japanreisen möglich.


Ich habe mich auch gefragt, ob ich wohl die Kuh gemimt hätte. Ist immerhin leichter als Fisch oder Gemüse zu imitieren ;)

Ich habe in Japan relativ bald angefangen, mich fröhlich mit improvisierter Gebärdensprache, Ein-Wort-Sätzen und dergleichen durchzuschlagen. Das schöne daran ist, dass es den Japanern nach meinem Eindruck sehr viel leichter fällt, dann selber fröhlich mit improvisierten Erklärungen zu antworten als wenn man sich selbst bemüht, alles möglichst perfekt zu machen.


Katja

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Re: Sakura, Sushi, Samurai - Im Frühling 2014 durch Japan
« Antwort #70 am: 11.05.2014, 18:20 Uhr »
Tolle Impressionen! Die Schreine und Pagoden sind wirklich sehr eindrucksvoll. Die Brücke sieht auch im Gegenlicht gut aus.
Viele Grüße
Katja

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snowtigger

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Re: Sakura, Sushi, Samurai - Im Frühling 2014 durch Japan
« Antwort #71 am: 12.05.2014, 12:15 Uhr »
Hihi, ein Neko Cafe. Das würde ich mir auch gerne anschauen.  :D
September 2012: http://forum.usa-reise.de/index.php?topic=58760.msg798830#msg798830
September 2014: Yellowstone & the Highlights of Utah
August 2015: SFO > LAX > LAS Honeymoon USA

Microbi

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Re: Sakura, Sushi, Samurai - Im Frühling 2014 durch Japan
« Antwort #72 am: 12.05.2014, 16:10 Uhr »
Bento mit Rindfleisch - fast exotisch. Ein in Japan gebräuchlicher Ausdruck für Rindfleisch ist "bîfu". Klingt wie "beef" und das ist kein Zufall. Es wurden viele Begriffe aus dem Englischen/Niederländischen übernommen. Ein fast stummes "u" hängt nur deswegen dran, weil die japanische Schriften, Silbenschriften sind und man sonst "beef" (gesprochen ja nur eine Silbe) nicht schreiben könnte. Es gibt zwar "be" べ, oder "bi" ビ , aber nur ein "n" ン kann als Konsonant am Wortende alleine stehen.
Daher findet man oft am Ende v. Fremdwörtern ein "u" als Hilfslaut. Notfals kann man ja experimentieren und englische, oder auch deutsche Begriffe ein wenig "japanisieren". Vielleicht klappt es ja. Wie etwa "randoseru" (ランドセル). Na, erkennt Ihr was es ist?  :lol:
Allerdings erkennt man manchmal auch einfache Wörter nicht wieder  :lol: Wer mehr wissen will, soll nach "gairaigo" suchen. Ist das japanische Wort für "Lehnwort".
Sollten Japanologen unter uns sein, so könnten sie es vielleicht noch genauer erklären.

Nikko: Da hat es bei uns auch geregnet... Ich fand die Nebenpfade, die teilweise nicht für die Touristen freigegeben, aber einsehbar waren, oft verwunschen wie aus einem Märchen. Alles bemoost zwischen riesegen Bäumen.

Mic

Flicka

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Re: Sakura, Sushi, Samurai - Im Frühling 2014 durch Japan
« Antwort #73 am: 12.05.2014, 17:53 Uhr »
Microbi, sehr schöner Beitrag! Dass Rindfleisch bifu heißen könnte, darauf bin ich in der Situation nicht gekommen, obwohl ich mich doch vorher durchaus schon ein wenig mit japanischen Ausdrücken beschäftigt hatte.


Daher findet man oft am Ende v. Fremdwörtern ein "u" als Hilfslaut. Notfals kann man ja experimentieren und englische, oder auch deutsche Begriffe ein wenig "japanisieren". Vielleicht klappt es ja. Wie etwa "randoseru" (ランドセル). Na, erkennt Ihr was es ist?  :lol:


Ich hatte gleich eine bestimmte Ahnung, aber ich musste nachschauen, um sie zu bestätigen. Leider ist mein Holländisch ein wenig eingerostet, sonst hätte ich es mir auch ohne Internethilfe erschlossen.  :wink:


Weil es gerade so gut passt, poste ich hier mal einen vorbereiteten Text zu dem Thema:


Wissenswertes über.... japanische Lehnwörter

Im Japanischen gibt es viele Lehnwörter. Nach der Öffnung des Landes zum Westen im 19. Jahrhundert wurden viele Begriffe aus dem Englischen übernommen, einige aber auch aus dem Deutschen, und hier schwerpunktmäßig aus den Bereichen Medizin und Wandern. Auch aus dem Portugiesischen und Französischen stammen einige Wörter. Und natürlich finden auch heute noch viele Begriffe aus fremden Sprachen ihren Weg nach Japan.

Lehnwörter erkennt man oft schon an der besonderen Schrift: Neben den ursprünglich chinesischen Schriftzeichen, den Kanji, bei denen meist ein Zeichen für ein bestimmtes Wort steht, gibt es zwei japanische Silbenschriften, die Hiragana und die Katakana. Jede dieser Silbenschriften hat Zeichen für den kompletten Satz von möglichen Silben, aber die Hiragana werden normalerweise für japanische Wörter genutzt, die Katakana normalerweise für Fremdwörter.

Will man sich Wörter, die in lateinischer Umschrift, also in den sogenannten Romaji, im Text erscheinen, selbst erschließen, helfen ein paar generelle Regeln für Lehnwörter im Japanischen:

Das Japanische kennt – vom Konsonant n abgesehen - grundsätzlich keine Silben, die auf einem Konsonant enden. Da solche Wörter in anderen Sprachen aber an der Tagesordnung sind, tauchen die entsprechenden japanischen Lehnwörter oft mit Silben auf, die auf einem u enden, wobei das u aber ziemlich stumm ist.

Aus einem w wird in der Umschrift oft ein b, und wenn man ein r sieht, sollte man sich daran erinnern, dass das Japanische nur einen Zwischenlaut zwischen r und l kennt. Das r in Umschrift kann also in der ursprünglichen Sprache durchaus ein l gewesen sein.

Ein waagerechter Strich über einen Vokal bedeutet, dass der Vokal lang ausgesprochen wird. Und Japaner kürzen gerne ab. Ein auf den ersten Blick japanischer Ausdruck kann daher auch einfach die japanisierte Abkürzung eines fremdsprachigen Begriffs sein.

Mit diesem Wissen übersetzen wir die folgenden ursprünglich englischen Wörter natürlich völlig mühelos:

- tēburu heißt Tisch, von table
- ame-futo ist American Football
- sābisu kommt von Service
- ein combini ist ein Geschäft, ein convenience store
- und bestimmt wusstet ihr, dass das „urjapanische“ Pokemon ein pocket monster ist

Aus dem Deutschen kommen Begriffe wie
- arubaito, Teilzeitarbeit, vom deutschen Arbeit
- dopperugengā, Doppelgänger


Und jetzt seid ihr dran: Was mögen wohl die folgenden Begriffe bedeuten?

- ryukkusakku
- painappuru
- shurafu
- saikuringu
- shampen
- rapputoppu

Katja

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Re: Sakura, Sushi, Samurai - Im Frühling 2014 durch Japan
« Antwort #74 am: 12.05.2014, 21:07 Uhr »
Sehr interessant!

Ich kann nur folgendes raten:
- ryukkusakku > Rucksack?
- painappuru > Pineapple (Ananas)?
- shampen > Shampoo?
Viele Grüße
Katja

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