Sonntag, 15. März
Julians 19. Geburtstag! Wir schicken unserem Jüngsten eine WhatsApp und telefonieren. Dann machen wir uns auf den Weg zum St. Georges Island im Golf von Mexico. Im State Park haben wir keinen Übernachtungsplatz mehr bekommen, aber anschauen wollen wir die hochgelobten Strände wenigstens. 6 Dollar Eintritt lassen wir uns das kosten. Die Anfahrt zur Insel ist spektakulär: Eine riesige Brücke führt über die Bay, fast so eindrucksvoll wie auf den Keys. Das Island selbst ist ziemlich dicht bebaut, viele mehrstöckige Häuser, die meisten stehen auf Stelzen, so dass das Erdgeschoss dem Wasser bei Sturmflut keinen Widerstand bietet. Oben auf dem Dach haben sich viele ein Holzdeck mit Geländer gebaut, um freie Sicht aufs Meer zu haben.
Im State Park selbst stehen natürlich keine Wohnhäuser mehr. Dafür gibt es Beach-Zugänge, mit Restrooms, Duschen und Getränkeautomaten. Der Strand ist nett, aber nicht sensationell. Wir wandern ein Stück am Wasser entlang und schreiben „Happy birthday Julian“ in den Sand. Per WhatsApp geht die Nachricht vom Golf über den Atlantik. Bevor wir wieder ins Auto steigen und ein paar Reststücke Pizza verdrücken, müssen wir uns aggressiver Moskitos erwehren. Sie tauchen plötzlich in Schwärmen auf und attackieren uns.
Geburtstagsgruß in die Heimat.
Apalachicola liegt am Weg, und allein der Klang des Namens ist Grund genug für einen Besuch. Und er hält, was er verspricht. Dieses kleine Städtchen hat mehr Charme als das hochgejubelte St. Augustine. Der Historic District ist groß, gepflegte Holzhäuser säumen die Straße, und manche Backsteingebäude sind restauriert. Die alte Schwammbörse sehen wir, sehr schön ist das Verwaltungsgebäude. Das Städtchen macht einen verschlafenen Eindruck – sicher auch, weil heute Sonntag ist. Auf dem Weg aus der Stadt halten wir mehrfach an, weil immer neue Fotomotive locken. So entdecken wir den öffentlichen Gemeinschaftsgarten, in dem die Bürger Gemüse ziehen, und den alten Friedhof, auf dem wir viele Gräber deutscher Einwanderer („born in Germany, died in Apalachicola“) finden.
Apalachicola hat uns mit dem Mix aus Altem und Neuem gut gefallen.
Viele Grabsteine tragen deutsche Namen.
Gemeinschaftsgärten gab es mehrere...
...und deutlich mehr Kirchen als Kneipen bzw. Restaurants.
Die Küstenstraße am Golf entlang ist wunderschön zu fahren. Von Betrieb keine Spur, die Spring Breakers scheinen woanders zu sein. Im St. Josephs Peninsula State Park haben wir gebucht. Am Eingang brauchen wir nur unseren Namen zu sagen, der Ranger findet uns im Computer. Bezahlt haben wir die 20 Dollar für die Nacht per Kreditkarte im Internet. Inbegriffen ist übrigens der State-Park-Eintritt. Der Gulf Breeze Campground mit Wasser und Elektrizität ist herrlich gelegen. Ein kurzer Boardwalk führt durch die Dünen zum Strand. Viel schöner als auf St. George, breiter und herrlich weißer Sand. Die Sonne verbirgt sich allerdings den ganzen Tag schon hinter Wolken. Es ist zwar warm, aber das Wasser fühlt sich doch zu kühl an zum Schwimmen. Einige Unentwegte aber baden. In Sichtweite (und das ist sehr weit!) sind vielleicht 30 Leute am Strand. Dieser Teil des Panhandle heißt „The forgotten coast“, und sie ist glücklicherweise wohl tatsächlich in Vergessenheit geraten.
Herrliche Strände und von Betrieb keine Spur.
Als wir händchenhaltend zum Wohnmobil gehen, spricht uns ein weißhaariger Herr an: „You're holding hands, I don't think that's allowed!“ Wir sind verdattert. Immerhin gibt es hier moralisch etwas strenge Regeln (kein Alkohol auf dem Campground in der Öffentlichkeit!), aber Händchenhalten? Da ist er ganz betroffen und entschuldigt sich: „I was just kidding!“ Wir reden ein bisschen und er lädt uns ein, Muscheln anzusehen, die er gefunden hat. Nach einer kleinen Fahrradtour durch den Park sind wir eine Stunde später bei Bill und Sandy am Wohnwagen und sehen uns seine Schätze an. Er findet sie an einer geheimen Bucht und sammelt sie seit Jahren. Am Strand sehen sie grau und unscheinbar aus, aber dann reinigt er sie aufwendig, legt sie in Bleiche, damit die Farben herauskommen, und sprüht sie mit Acryllack ein. So entstehen Schmuckstücke in vielen Formen und Farben. Wir suchen uns zwei aus, die er uns schenkt.
Den Abend beschließen wir mit einem grandiosen Sonnenuntergang am Golf. Der Himmel glüht rot, die Wolken entfalten pastellfarbene Strukturen. Dieter versucht das Schauspiel mit der Videokamera festzuhalten.