SamstagDie Nacht endet abrupt um 6 Uhr. Tolle Leistung, das ist ja fast schon normale Augen-auf-Zeit. Schnell einen Kaffee aus dem Restaurant geholt, die Hauptstadt wartet.
Noch sind sie dunkel, die Wolken, und das hat nichts mit der noch nicht vergangenen Nacht zu tun. Aber die Grauschattierungen werden freundlicher, als wir auf der I-Street zum Washington Channel wandern. Fischmarkt! Alles toll sortiert nach Größen und Farben. Einladend und sauber, die Schalentiere und Fische sehen exzellent aus, so appetitlich, dass selbst ohne Frühstück ein Würgereiz unterbleibt. Die Einkäufer sind schon da und die Fische fliegen nur so in die Tüten. Aber Fische ohne Frühstück lassen wir dann doch lieber bleiben. Obwohl, Hunger habe ich schon bekommen, aber das ist nicht außergewöhnlich.
Thomas Jefferson war der dritte Präsident der Vereinigten Staaten und so wie er in seinem Memorial am Tidal Basin steht, hat er nie einen Orthopäden gebraucht. Kerzengerade starrt der Hühne zwischen den Säulen hinaus, die die Kuppel seines Denkmals tragen und egal von welcher Perspektive man es betrachtet, die Statur dieses Mannes ist einfach wie mit dem Lineal gezeichnet. Gegebenenfalls ist das jedoch den heutigen Fotoretuschen auf Modezeitschriften gleichzusetzen. Egal, er war wohl einer der wichtigsten Präsidenten des Landes, da kann man auch mal fünfe gerade sein lassen.
Franklin Delano Roosevelt, der Vetter von Theodor und der einzige Präsident, der in drei Amtsperioden die Geschicke seines Landes führte, hat auch sein Denkmal bekommen. Er und sein Hund Fals und einige andere Skulpturen seiner Amtszeit sind verewigt. Und obwohl die Gedenkstätte erst 1997 eingeweit wurde, hat Roosevelt aus Kupfer schon grüne Patina angesetzt. Und schon wieder ein Denkmal, es läßt sich ja nicht vermeiden. Martin Luther King, der Theologe und Bürgerrechtler erstrahlt jedoch in weiß. Ähm, er war doch Afro-Amerikaner, wäre da nicht eine andere Farbe passender? Auch gut, auf alle Fälle sind hier die meisten Leute unterwegs, was natürlich auch daher rühren könnte, dass es langsam Vormittag wird.
Über das Korean War Denkmal erreichen wir Opa Abe. Nahezu majestätisch sitzt Lincoln, der 16. Präsident, am Ende des Reflecting Pool und schaut auf seine Jünger herab. Crowded ist es inzwischen. Japaner, Koreaner, Italiener, wir und noch viele andere streiten sich um einen vernünftigen Fotografierplatz, um Abraham ohne störendes Beiwerk abzulichten. Resolut musst Du sein und dann geht's doch. Als ich so in die Ferne über den Reflecting Pool blicke, fällt mir der Covert Arch ein, als wir mitten in dieser gigantischen Felsenlandschaft bei Moab ganz alleine waren; warum nur? Das Vietnam Verterans Memorial ist eine lange Mauer mit eingravierten Namen - warum nur?
Albert Einstein sieht müde aus. Hingefläzt hat er sich, er lümmelt vor der Academy of Science, wo sonst. Hat wohl zuviel nachgedacht, der Liebe. Aber schön, dass sie diesen großen Wissenschaftler und Denker nicht vergessen haben. Aber er ist ja auch in New Jersey gestorben, der Albert, und das genügt, um von den Amerikanern als ihresgleichen akzeptiert zu werden. Die armen Ulmer.
Weil es immer noch nicht reicht, wollten wir noch die Theodore Roosevelt Statue auf der gleichnamigen Insel besuchen. Irgendwann sind wir auf einer Brücke. Der Verkehr rauscht vorbei, bei den Amis gilt man sowieso als verrückt, wenn man auf seinen eigenen Beinen unterwegs ist, und von dieser Brücke gibt es keinen Zugang zur Insel. Wir kehren um und nehmen die Rock Creek Park Trails zum Georgetown Waterfront Park. Als wir schon ein gutes Stück in Georgetown sind, fällt uns ein, dass wir noch nichts gefrühstückt haben. Es ist aber schon früher Nachmittag. Und just in diesem Moment kommen wir an einer Bäckerei vorbei. Nein, es war andersrum. Wir haben die Bäckerei gesehen und ... schmatz. Kaffee und Kuchen waren einfach fantastisch.
Georgetown ist wunderschön mit seinen kleinen Häusern und den netten Geschäften. Eine dunkle Ecke hat das Viertel aber und dort wollen wir auch noch hin. Vor rund 40 Jahren, als ich noch mit langen Haaren durch die Gegend sauste, kam der Horrorfilm des Jahres in die Kinos: "Der Exorzist". Ich glaube, ich hatte eine Woche Albträume. Es war in der damaligen Zeit unglaublich. Irgendwann, nach den grusligsten Szenen, die ich in meinem kurzen Leben je gesehen habe, kam Damien Karras zurück und fand den Exorzisten, Pater Lancaster Merrin, tot. Wütend stürzt sich Karras auf den Dämon, der springt auf ihn über, und als er es merkt, stürzt er sich aus dem Fenster die Treppe hinunter, um die Welt zu retten. Und zu dieser Treppe müssen wir, - man gönnt sich ja sonst nichts. Ich habe den Film vor ein paar Jahren nochmal gesehen, er war zum Totlachen. So ändern sich die Zeiten.
Zurück zur Treppe, wir steigen sie hinauf zur Prospect Street. Aber nicht gleich, denn ein Sportsmann benutzt sie als Trainingsgelände. Ein paar Klimmzüge und dann die Treppe hinauf und hinunter. Als wir mit unserem Alter angemessenen Schritten oben ankamen, war ich gerade noch in der Lage, den Auslöser am Foto zu drücken. Kollaps - no more sport today!
Auf dem Weg über die Universität zurück zum Weißen Haus finden wir einen netten Italiener und wir reservieren für das Abendessen. Ist es ein gutes Gefühl, dem mächtigsten Mann der Welt so nahe zu sein? Und wie lange wird der gute Barack noch im Amt bleiben? Wenn man die Nachrichten und politschen Sendungen etwas verfolgt, meint man, seine Tage seien gezählt. Wieso soll jemand eine Krankenversichung haben, wenn er arm ist. Selbst Schuld, - kein Mitleid. Können wir das verstehen? Na ja, ein paar andere Fehler hat er auch noch gemacht und aus dem YES-WE-CAN-Mythos wurde ein normaler Präsident und so heruntergekommen, kann man ihn auch abwählen. Wir werden sehen.
Am Milestone, von dem noch heute alle Straßen von Washington DC aus gemessen werden, und am National Chrismas Tree vorbei, gehen wir zum Washington Monument. Dieser 169 Meter hohe Marmorturm überragt alles hier in der Stadt. Leider war der Obelisk für den Aufstieg geperrt. So machen wir uns auf den Weg zum Old Postoffice Pavillon. Ein schöner Bau, der (leider) zum Foodcourt umgemodelt wurde. Und weil es ein öffentliches Gebäude ist, bleiben die Leibesvisitationen nicht aus. Aber die Pepperoni Pizza war trotzdem gut. Frisch gestärkt nehmen wir den Weg zum FBI, zum HardRock Café und zur Union Station. War schon sehenswert.
Nach 8 Stunden Washington sind wir fix und fertig. Nur eine Dusche bringt uns die Lebensgeister zurück. Den Rest besorgte dann das Ristorante Piccolo, respektive das Essen dort, aber insbesondere die gute Flasche Wein. Träumt in Frieden, morgen ist Wandertag!
... Fortsetzung folgt!PS: Bilder zum Text sind bereits online - am schnellsten über "Updates" im Menü